2019 VI/1

Auszug aus dem Urteil der Abteilung IV
i.S. A. gegen Staatssekretariat für Migration
D-629/2017 vom 4. Juli 2019

Voraussetzungen des Zweitasyls. Erstaufnahmestaat. Grundsatzurteil.

Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG.

Das Zweitasyl gemäss Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG setzt nicht die Anerkennung als Flüchtling in einem Erstaufnahmestaat, der Vertragspartei der Flüchtlingskonvention ist, voraus.

Conditions d'octroi du second asile. Etat de premier accueil. Arrêt de principe.

Art. 50 LAsi.

Le second asile, au sens de l'art. 50 LAsi, ne présuppose pas la reconnaissance en tant que réfugié dans un Etat de premier accueil qui soit signataire de la Convention sur les réfugiés.

Presupposti del secondo asilo. Primo Stato di accoglienza. Sentenza di principio.

Art. 50 LAsi.

Il secondo asilo ai sensi dell'art. 50 LAsi non presuppone il riconoscimento come rifugiato in un primo Stato di accoglienza firmatario della Convenzione sullo statuto dei rifugiati.

Die Beschwerdeführerin, eine chinesische Staatsangehörige tibetischer Ethnie, wurde in Bhopal (Indien) geboren. Von dort gelangte sie am 24. März 2011 im Rahmen eines ausländerrechtlichen Familiennachzugs in die Schweiz, worauf ihr der Kanton Zürich eine Aufenthaltsbewilligung erteilte.

Mit Eingabe an das Migrationsamt des Kantons Zürich vom 27. August 2014 ersuchte die Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 4 Abs. 2
SR 143.5 Verordnung vom 14. November 2012 über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen (RDV)
RDV Art. 4 Pass für eine ausländische Person - 1 Anspruch auf einen Pass für eine ausländische Person hat eine ausländische Person im Sinne von Artikel 59 Absatz 2 Buchstaben b und c AIG.
1    Anspruch auf einen Pass für eine ausländische Person hat eine ausländische Person im Sinne von Artikel 59 Absatz 2 Buchstaben b und c AIG.
2    Ein Pass für eine ausländische Person kann abgegeben werden:
a  einer schriftenlosen ausländischen Person mit Aufenthaltsbewilligung oder mit einer nach Artikel 17 Absatz 1 der Gaststaatverordnung vom 7. Dezember 200718 erteilten Legitimationskarte;
b  einer schriftenlosen asylsuchenden, schutzbedürftigen oder vorläufig aufgenommenen Person, wenn das SEM eine Rückreise in die Schweiz nach Artikel 9 bewilligt;
c  einer asylsuchenden Person oder einer rechtskräftig abgewiesenen asylsuchenden Person zur Vorbereitung ihrer Ausreise aus der Schweiz oder zur definitiven Ausreise in ihren Heimat- oder Herkunftsstaat oder in einen Drittstaat.
3    Im Pass wird die Staatsangehörigkeit oder die Staatenlosigkeit vermerkt.
4    In einem nach Absatz 2 Buchstabe b abgegebenen Pass werden die Dauer der Reise und der aufenthaltsrechtliche Status der Person vermerkt. Auch der Reisegrund und das Reiseziel können vermerkt werden.
und Art. 10 Abs. 1
SR 143.5 Verordnung vom 14. November 2012 über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen (RDV)
RDV Art. 10 Schriftenlosigkeit - 1 Als schriftenlos im Sinne dieser Verordnung gilt eine ausländische Person, die keine gültigen Reisedokumente ihres Heimat- oder Herkunftsstaates besitzt, und:
1    Als schriftenlos im Sinne dieser Verordnung gilt eine ausländische Person, die keine gültigen Reisedokumente ihres Heimat- oder Herkunftsstaates besitzt, und:
a  von der nicht verlangt werden kann, dass sie sich bei den zuständigen Behörden ihres Heimat- oder Herkunftsstaates um die Ausstellung oder Verlängerung eines Reisedokuments bemüht; oder
b  für welche die Beschaffung von Reisedokumenten unmöglich ist.
2    Verzögerungen, die bei der Ausstellung eines Reisedokuments bei den zuständigen Behörden des Heimat- oder Herkunftsstaates entstehen, begründen die Schriftenlosigkeit nicht.
3    Die Kontaktnahme mit den zuständigen Behörden des Heimat- oder Herkunftsstaates kann namentlich von schutzbedürftigen und asylsuchenden Personen nicht verlangt werden.
4    Die Schriftenlosigkeit wird im Rahmen der Gesuchsprüfung durch das SEM festgestellt.
der Verordnung vom 14. November 2012 über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen (RDV, SR 143.5) um Ausstellung eines Reisepasses für ausländische Personen. Das damalige Bundesamt für Migration (BFM, heute Staatssekretariat für Migration [SEM]) - an welches das Gesuch zuständigkeitshalber überwiesen wurde â¿¿ lehnte diesen Antrag mit Verfügung vom 17. November 2014 ab.

Mit Eingabe an das SEM vom 22. September 2016 ersuchte die Beschwerdeführerin um Zweitasyl nach Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG (SR 142.31). Zur Begründung brachte sie im Wesentlichen vor, ihr indischer Flüchtlingspass sei abgelaufen, weshalb es ihr nicht mehr möglich sei, zu reisen.

Mit Verfügung vom 18. Januar 2017 lehnte das SEM (nachfolgend auch: Vorinstanz) das Gesuch um Zweitasyl ab. Zur Begründung führte das Staatssekretariat unter anderem aus, Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG und Art. 36
SR 142.311 Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen (Asylverordnung 1, AsylV 1) - Asylverordnung 1
AsylV-1 Art. 36 Zweitasyl - (Art. 50 AsylG)
1    Der Aufenthalt von Flüchtlingen in der Schweiz ist ordnungsgemäss, wenn die Flüchtlinge die Bestimmungen einhalten, die allgemein für ausländische Personen gelten.
2    Der Aufenthalt gilt als ununterbrochen, wenn die Flüchtlinge in den letzten zwei Jahren insgesamt nicht länger als sechs Monate im Ausland weilten. Bei längerer Abwesenheit gilt der Aufenthalt nur dann als ununterbrochen, wenn zwingende Gründe für die Abwesenheit vorliegen.
der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen (AsylV 1, SR 142.311) würden voraussetzen, dass die betroffene Person als Flüchtling im Sinne des AsylG und entsprechend dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) anerkannt worden sei. Diese Anerkennung als Flüchtling müsse von einem Staat, der die FK unterzeichnet und ratifiziert habe, oder von einer Organisation, welche in Delegation eines Signatarstaats gewirkt habe, vorgenommen worden sein.

Diesen Entscheid focht die Beschwerdeführerin am 30. Januar 2017 beim Bundesverwaltungsgericht an.

Das Bundesverwaltungsgericht heisst die Beschwerde gut.

Das Urteil bildete Gegenstand eines Koordinationsverfahrens der Abteilungen IV und V für Grundsatzurteile gemäss Art. 25
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 25 Praxisänderung und Präjudiz - 1 Eine Abteilung kann eine Rechtsfrage nur dann abweichend von einem früheren Entscheid einer oder mehrerer anderer Abteilungen entscheiden, wenn die Vereinigung der betroffenen Abteilungen zustimmt.
VGG.

Aus den Erwägungen:

5.

5.1 Im vorliegenden Fall ist die rechtliche Bedeutung von Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG streitig, soweit diese Norm als Kriterium für das Zweitasyl statuiert, dass es sich bei der betroffenen Person um einen Flüchtling handelt, der bereits in einem anderen Staat aufgenommen worden ist.

5.2 Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, dass der Staat, in welchem ein Flüchtling erstmalig aufgenommen worden ist, nach dem Wortlaut von Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen hat. Auch Art. 36 Abs. 1
SR 142.311 Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen (Asylverordnung 1, AsylV 1) - Asylverordnung 1
AsylV-1 Art. 36 Zweitasyl - (Art. 50 AsylG)
1    Der Aufenthalt von Flüchtlingen in der Schweiz ist ordnungsgemäss, wenn die Flüchtlinge die Bestimmungen einhalten, die allgemein für ausländische Personen gelten.
2    Der Aufenthalt gilt als ununterbrochen, wenn die Flüchtlinge in den letzten zwei Jahren insgesamt nicht länger als sechs Monate im Ausland weilten. Bei längerer Abwesenheit gilt der Aufenthalt nur dann als ununterbrochen, wenn zwingende Gründe für die Abwesenheit vorliegen.
AsylV 1, der sich auf die Frage beschränkt, unter welchen Voraussetzungen der Aufenthalt von Flüchtlingen in der Schweiz als ordnungsgemäss zu erachten ist, kann diesbezüglich nichts entnommen werden.

5.3 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit dem rechtlichen Sinngehalt von Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG in BVGE 2014/40 ausführlich auseinandergesetzt. Diesem Entscheid ist, soweit in vorliegendem Zusammenhang von Bedeutung, im Wesentlichen Folgendes zu entnehmen.

5.3.1 Zwar ist Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG als " kann "-Bestimmung formuliert, was der anwendenden Behörde einen weiten Ermessensspielraum zugesteht. Jedoch müssen die landesrechtlichen Bestimmungen zum Zweitasyl im Licht der Europäischen Vereinbarung vom 16. Oktober 1980 über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge (SR 0.142.305, nachfolgend: Europäische Übergangsvereinbarung) ausgelegt werden. Diese ist direkt anwendbar und geht entsprechend Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG vor, welcher mithin nicht im Widerspruch zur Europäischen Übergangsvereinbarung und völkerrechtskonform auszulegen ist. Der Ermessensspielraum ist somit insofern eingeschränkt, als die anwendende Behörde das Zweitasyl nicht verweigern kann, indem sie sich ausschliesslich auf landesrechtliche Bestimmungen stützt. Von den Vorgaben der Europäischen Übergangsvereinbarung darf die Behörde nicht ohne ernsthafte Gründe abweichen, will sie sich nicht dem Vorwurf der Willkür ausgesetzt sehen. Mithin kann sie das Zweitasyl â¿¿ wie auch die Flüchtlingseigenschaft - nur insofern ablehnen, als sie sich nicht nur auf Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG stützt, sondern auch auf eine Praxis, welche die Gesamtheit des Flüchtlingsrechts berücksichtigt (BVGE 2014/40 E. 2.3.1 f., unter Hinweis auf
Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2002 Nr. 10).

5.3.2 Die Sachüberschrift " Zweitasyl " von Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG scheint zwar darauf hinzudeuten, dass der Gesetzgeber von der Annahme ausgeht, die betroffene Person habe im Staat der Erstaufnahme, nach Anerkennung ihrer Flüchtlingseigenschaft durch diesen anderen Staat, bereits ein erstes Asyl erlangt. Angesichts der Formulierung des Gesetzestexts - der sich nicht auf einen Flüchtling bezieht, der durch einen anderen Staat anerkannt, sondern nur auf einen solchen, der durch einen anderen Staat aufgenommen (französisch: " admis ") worden ist - ist jedoch davon auszugehen, dass die Gewährung des Zweitasyls weder der Bedingung unterworfen ist, dass die Behörden des Erstaufnahmestaats selbst formell die Flüchtlingseigenschaft der betroffenen Person anerkannt haben, noch voraussetzt, dass sie dieser Person ausdrücklich Asyl (im Sinne des schweizerischen Rechts) gewährt haben (BVGE 2014/40 E. 3.4.4).

5.3.3 Diese Folgerungen finden ihre Entsprechung auch in den Materialien zur Einführung des alten Asylgesetzes vom 5. Oktober 1979 (vgl. Botschaft vom 31. August 1977 zum Asylgesetz und zu einem Bundesbeschluss betreffend den Rückzug des Vorbehaltes zu Artikel 24 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BBl 1977 III 105, 117 f.) sowie in der diesbezüglichen asylrechtlichen Lehre (vgl. die Nachweise in BVGE 2014/40 E. 3.4.5). Entsprechend gelangte das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass die Beziehungen, die zwischen der betroffenen Person und dem Erstaufnahmestaat insbesondere durch die Dauer des Aufenthalts entstanden sind, jenen entsprechen müssen, die in der Folge mit der Schweiz entwickelt wurden, damit auf dieser Grundlage von einem ausreichenden, mit dem Asyl vergleichbaren Schutz ausgegangen werden kann (ebd.).

5.3.4 Um die Frage nach dem Bestehen eines solchen Schutzes im Staat des Erstasyls zu beantworten, ist somit zunächst zu prüfen, ob die betroffene Person dort als Flüchtling im Sinne von Art. 1
IR 0.142.30 Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (mit Anhang)
FK Art. 1 - Definition des Begriffs «Flüchtling»
FK oder allenfalls des Protokolls vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (SR 0.142.301, nachfolgend: Flüchtlingsprotokoll) anerkannt worden ist. Dabei vermag keine Rolle zu spielen, ob diese Anerkennung formell durch den Staat der Erstaufnahme selbst oder â¿¿ im Auftrag der Behörden desselben â¿¿ durch das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) erfolgt ist. Es entspricht nicht der Absicht des Gesetzgebers, Flüchtlinge aus Erstaufnahmestaaten, welche die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft dem UNHCR delegiert haben, vom Zweitasyl auszuschliessen (ebd. E. 3.4.6).

5.3.5 Allerdings ist die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Erstaufnahmestaat als solche nicht ausreichend. Vielmehr muss der anerkannte Flüchtling in diesem Staat einen effektiven Schutz erhalten haben, welcher das Refoulement-Verbot beachtet und mit einem dauerhaften Aufenthaltsrecht verbunden ist. Ein entsprechendes Aufenthaltsrecht muss gemäss den Kriterien von Art. 7
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 7 Nachweis der Flüchtlingseigenschaft - 1 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen.
AsylG glaubhaft gemacht werden. Vermutungsweise ist ein solcher Schutz anzunehmen, wenn der Erstaufnahmestaat der betroffenen Person einen Reiseausweis im Sinne von Art. 28
IR 0.142.30 Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (mit Anhang)
FK Art. 28 Reiseausweise - 1. Die vertragsschliessenden Staaten stellen den Flüchtlingen, die sich rechtmässig auf ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise aus, die ihnen Reisen ausserhalb dieses Gebietes gestatten, vorausgesetzt, dass keine zwingenden Gründe der Staatssicherheit oder öffentlichen Ordnung entgegenstehen; die Bestimmungen im Anhang zu diesem Abkommen finden auf diese Dokumente Anwendung. Die vertragsschliessenden Staaten können einen solchen Reiseausweis auch jedem andern Flüchtling auf ihrem Gebiet ausstellen; sie werden den Fällen von Flüchtlingen besondere Aufmerksamkeit schenken, die sich auf ihrem Gebiet aufhalten und nicht in der Lage sind, von dem Lande, wo sie ihren ordentlichen Aufenthalt haben, einen Reiseausweis zu erlangen.
1    Die vertragsschliessenden Staaten stellen den Flüchtlingen, die sich rechtmässig auf ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise aus, die ihnen Reisen ausserhalb dieses Gebietes gestatten, vorausgesetzt, dass keine zwingenden Gründe der Staatssicherheit oder öffentlichen Ordnung entgegenstehen; die Bestimmungen im Anhang zu diesem Abkommen finden auf diese Dokumente Anwendung. Die vertragsschliessenden Staaten können einen solchen Reiseausweis auch jedem andern Flüchtling auf ihrem Gebiet ausstellen; sie werden den Fällen von Flüchtlingen besondere Aufmerksamkeit schenken, die sich auf ihrem Gebiet aufhalten und nicht in der Lage sind, von dem Lande, wo sie ihren ordentlichen Aufenthalt haben, einen Reiseausweis zu erlangen.
2    Die Reiseausweise, die Flüchtlingen auf Grund früherer internationaler Vereinbarungen von den Parteien dieser Vereinbarungen ausgestellt worden sind, werden von den vertragsschliessenden Staaten dieses Abkommens anerkannt und so behandelt, als wären sie den Flüchtlingen auf Grund dieses Artikels ausgestellt worden.
FK ausgestellt hat, ist in diesem Fall doch davon auszugehen, dass damit ein ordentlicher Aufenthalt auf dem Gebiet dieses Staats und die Eintragung des Flüchtlings in den entsprechenden behördlichen Registern verbunden ist (ebd. E. 3.4.7).


5.4

5.4.1 BVGE 2014/40 hält somit für das Zweitasyl zusammenfassend die folgenden Kriterien fest: Dem anerkannten Flüchtling muss im Staat der Erstaufnahme ein effektiver Schutz vor Rückschiebung und zumindest faktisch ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht gewährt worden sein. Dabei ist weder von Belang, ob die Anerkennung als Flüchtling formell durch den Staat der Erstaufnahme selbst oder durch das UNHCR erfolgt ist, noch ist von Bedeutung, ob mit der Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Erstaufnahmestaat die Gewährung eines mit dem schweizerischen Recht vergleichbaren Asylstatus verbunden gewesen ist.

5.4.2 Demgegenüber ist festzustellen, dass diesem Urteil nicht â¿¿ wie vom SEM im vorliegenden Verfahren angenommen â¿¿ zu entnehmen ist, das Zweitasyl im Sinne von Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG setze die Anerkennung als Flüchtling in einem Erstaufnahmestaat voraus, der seinerseits Vertragspartei der FK sei.

5.5 Der vorliegende Fall bietet allerdings die Gelegenheit, unter dem Blickwinkel der Frage, welche Voraussetzungen der Erstaufnahmestaat im Einzelnen zu erfüllen hat, in Ergänzung von BVGE 2014/40 erneut auf den Sinn und Zweck von Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG einzugehen.

5.5.1 Gemäss Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG wird die betreffende Rechtsfolge (Gewährung des Zweitasyls) â¿¿ unter den erwähnten Voraussetzungen - vom Verhalten eines anderen Staats in einem völkerrechtlich normierten Rechtsbereich abhängig gemacht. Insofern vermag sich die Frage zu stellen, ob das Zweitasyl nach dem Verständnis des Gesetzgebers in einem Zusammenhang mit dem völkerrechtlichen Reziprozitätsprinzip stehen soll, wonach von anderen Staaten in internationalen Rechtsverhältnissen ein gleichartiges oder jedenfalls gleichwertiges Verhalten erwartet wird (vgl. zum Begriff Bruno Simma, Reciprocity, in: Encyclopedia of Public International Law, Bd. IV, Amsterdam 2000, S. 29 ff.). Von einer derartigen Reziprozitätserwartung des Gesetzgebers kann im Zusammenhang mit Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG jedoch nicht ausgegangen werden. Wie bereits erwähnt wurde, macht Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG die Gewährung des Zweitasyls nicht davon abhängig, ob der betroffenen Person im Erstaufnahmestaat ein mit dem schweizerischen Recht vergleichbarer Asylstatus zuteilgeworden ist. Im Übrigen ist auch kein Anlass für die Annahme ersichtlich, Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG würde bezwecken, eine Aussage zur gegenseitigen Geltung von völkerrechtlichen Verpflichtungen â¿¿ in diesem Fall im
Bereich des internationalen Flüchtlingsrechts â¿¿ im Verhältnis zwischen der Schweiz und anderen Staaten zu treffen.

5.5.2 Zielsetzung von Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG ist es vielmehr, den individuellen rechtlichen Status von Flüchtlingen zu regeln, die aus einem Erstaufnahmestaat in die Schweiz gelangt sind (und hier die weitere Voraussetzung eines ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalts einer gewissen Mindestdauer erfüllen). Dabei geht aus den Materialien zum alten Asylgesetz vom 5. Oktober 1979 hervor, dass mit der Einführung der Norm zum Zweitasyl in erster Linie die Absicht verbunden war, die rechtliche Lage von Flüchtlingen - welche die entsprechenden Kriterien erfüllen â¿¿ zu verbessern. So ist in der betreffenden Botschaft (BBl 1977 III 105, 117 f.) davon die Rede, dass bei anerkannten Flüchtlingen der Wunsch nach einer späteren Wohnsitzverlegung in ein Zweitasylland in stärkerem Ausmass als bei gewöhnlichen Ausländern begründet sein könne. Weiter wurde das Institut des Zweitasyls unter anderem damit begründet, dieses stelle auch einen Beitrag zur Lösung von Flüchtlingsproblemen auf internationaler Ebene dar, indem übermässig beanspruchten Erstasylländern ein Teil ihrer Last abgenommen werden könne. Andererseits ist der Botschaft nicht zu entnehmen, dass der Flüchtlingsbegriff im Hinblick auf das Zweitasyl in
restriktiver Weise verstanden worden wäre.

5.5.3 In der Botschaft vom 4. Dezember 1995 zur Totalrevision des Asylgesetzes sowie zur Änderung des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (BBl 1996 II 1, 68) wurde zwar ausgeführt, der Zweck von Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG sei es, Flüchtlingen die Möglichkeit zu geben, ihren Wohnsitz in ein anderes Land, das die FK unterzeichnet habe, zu verlegen und von diesem Zweitasylland ebenfalls Asyl zu erhalten. Entsprechend vermag sich auf den ersten Blick die Frage zu stellen, ob die Gewährung des Zweitasyls - über die von Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG ausdrücklich genannte Aufnahme als Flüchtling in einem anderen Staat hinaus - implizit an zwei weitere Bedingungen geknüpft werden soll: ob dieses andere Land " die FK unterzeichnet hat " und ob der Flüchtling in diesem Land " ebenfalls Asyl [...] erhalten " hat. Jedoch sind dem Botschaftstext keinerlei sonstige Hinweise darauf zu entnehmen, der Flüchtlingsbegriff, der im Sinne von Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG die Voraussetzung für das Zweitasyl bildet, solle in einschränkender Weise geregelt werden. Vielmehr ist auch an dieser Stelle wieder daran zu erinnern, dass - wie in BVGE 2014/40 ausgeführt (dortige E. 3.4.4; vgl. auch zuvor, E. 5.3.2) â¿¿ ein formeller, mit dem schweizerischen
Recht vergleichbarer Asylstatus im Erstaufnahmestaat durch Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG nicht verlangt wird. Mithin gibt der Wortlaut der Botschaft den Sinn und Zweck von Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG nicht mit ausreichender Präzision wieder. Es besteht kein wesentlicher Grund, diesbezüglich eine abweichende Einschätzung zur Frage zu treffen, ob der Erstaufnahmestaat im Sinne von Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG nur ein Staat sein könne, der Vertragspartei der FK sei. Insbesondere ist auch in keiner Weise ersichtlich, der Gesetzgeber habe mit der Totalrevision des Asylgesetzes - welches den Wortlaut der Norm zum Zweitasyl praktisch unverändert vom alten Asylgesetz übernommen hat - seine ursprüngliche gesetzgeberische Absicht ändern wollen, mit der Möglichkeit des Zweitasyls die rechtliche Lage von Flüchtlingen zu verbessern. Der Vollständigkeit halber ist übrigens festzuhalten, dass der Text der Botschaft zur Totalrevision des Asylgesetzes auch in völkerrechtlicher Hinsicht unpräzise ist, ergibt sich die vertragliche Bindungswirkung im Fall der FK doch nicht aus der Unterzeichnung, sondern erst aus der Ratifikation des Abkommens beziehungsweise einer nachträglichen Beitrittserklärung (vgl. Art. 39 Ziff. 2
IR 0.142.30 Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (mit Anhang)
FK Art. 39 Unterzeichnung, Ratifikation und Beitritt - 1. Dieses Abkommen liegt am 28. Juli 1951 in Genf zur Unterzeichnung auf und wird nachher beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt. Es kann vom 28. Juli bis zum 31. August 1951 am europäischen Sitz der Vereinten Nationen und sodann erneut vom 17. September 1951 bis zum 31. Dezember 1952 am Sitz der Organisation der Vereinten Nationen unterzeichnet werden.
1    Dieses Abkommen liegt am 28. Juli 1951 in Genf zur Unterzeichnung auf und wird nachher beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt. Es kann vom 28. Juli bis zum 31. August 1951 am europäischen Sitz der Vereinten Nationen und sodann erneut vom 17. September 1951 bis zum 31. Dezember 1952 am Sitz der Organisation der Vereinten Nationen unterzeichnet werden.
2    Dieses Abkommen kann von allen Mitgliedstaaten der Organisation der Vereinten Nationen unterzeichnet werden sowie von jedem andern Nichtmitgliedstaat, der zur Konferenz der Bevollmächtigten über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Staatenlosen eingeladen worden ist, oder von jedem Staat, den die Generalversammlung zur Unterzeichnung eingeladen hat. Das Abkommen muss ratifiziert werden; die Ratifikationsurkunden sind beim Generalsekretär der Vereinten Nationen zu hinterlegen.
3    Die in Ziffer 2 dieses Artikels genannten Staaten können diesem Abkommen vom 28. Juli 1951 an beitreten. Der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer Beitrittserklärung beim Generalsekretär der Vereinten Nationen.
und 3
IR 0.142.30 Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (mit Anhang)
FK Art. 39 Unterzeichnung, Ratifikation und Beitritt - 1. Dieses Abkommen liegt am 28. Juli 1951 in Genf zur Unterzeichnung auf und wird nachher beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt. Es kann vom 28. Juli bis zum 31. August 1951 am europäischen Sitz der Vereinten Nationen und sodann erneut vom 17. September 1951 bis zum 31. Dezember 1952 am Sitz der Organisation der Vereinten Nationen unterzeichnet werden.
1    Dieses Abkommen liegt am 28. Juli 1951 in Genf zur Unterzeichnung auf und wird nachher beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt. Es kann vom 28. Juli bis zum 31. August 1951 am europäischen Sitz der Vereinten Nationen und sodann erneut vom 17. September 1951 bis zum 31. Dezember 1952 am Sitz der Organisation der Vereinten Nationen unterzeichnet werden.
2    Dieses Abkommen kann von allen Mitgliedstaaten der Organisation der Vereinten Nationen unterzeichnet werden sowie von jedem andern Nichtmitgliedstaat, der zur Konferenz der Bevollmächtigten über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Staatenlosen eingeladen worden ist, oder von jedem Staat, den die Generalversammlung zur Unterzeichnung eingeladen hat. Das Abkommen muss ratifiziert werden; die Ratifikationsurkunden sind beim Generalsekretär der Vereinten Nationen zu hinterlegen.
3    Die in Ziffer 2 dieses Artikels genannten Staaten können diesem Abkommen vom 28. Juli 1951 an beitreten. Der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer Beitrittserklärung beim Generalsekretär der Vereinten Nationen.
, Art. 43 Ziff. 2
IR 0.142.30 Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (mit Anhang)
FK Art. 43 Inkrafttreten - 1. Dieses Abkommen tritt am neunzigsten Tage nach dem Tage der Hinterlegung der sechsten Ratifikations- oder Beitrittsurkunde in Kraft.
1    Dieses Abkommen tritt am neunzigsten Tage nach dem Tage der Hinterlegung der sechsten Ratifikations- oder Beitrittsurkunde in Kraft.
2    Für jeden Staat, der das Abkommen nach Hinterlegung der sechsten Ratifikations- oder Beitrittsurkunde ratifiziert oder ihm beitritt, tritt das Abkommen am neunzigsten Tag nach dem Tag der Hinterlegung der Ratifikations- oder Beitrittsurkunde dieses Staates in Kraft.
FK; allgemein zum Abschlussverfahren
völkerrechtlicher Verträge bspw. Wolff Heintschel von Heinegg, Die völkerrechtlichen Verträge als Hauptrechtsquelle des Völkerrechts, in: Knut Ipsen [Hrsg.], Völkerrecht, 6. Aufl., München 2014, S. 387, 398 ff.).

5.5.4 Nachdem somit den Materialien nichts zu entnehmen ist, was in eindeutiger Weise auf einen entsprechenden gesetzgeberischen Willen schliessen liesse, stellt sich die Frage, ob sonstige Gründe bestehen, Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG in der vom SEM behaupteten Weise auszulegen.

5.5.5 Das Staatssekretariat hat zur Begründung seines Verständnisses der Voraussetzungen des Zweitasyls unter anderem vorgebracht, gemäss der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG im Licht der Europäischen Übergangsvereinbarung auszulegen, deren Art. 1 Bst. a
IR 0.142.30 Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (mit Anhang)
FK Art. 1 - Definition des Begriffs «Flüchtling»
als " Flüchtling " eine Person bezeichne, auf welche die FK oder das Flüchtlingsprotokoll anwendbar sei. Daraus sei der Schluss zu ziehen, dass eine Person, die von einem Erstaufnahmestaat einen Schutz erhalten habe, der sich nicht auf die FK oder das genannte Protokoll stütze, kein Flüchtling im Sinne von Art. 1 Bst. a
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 1 Gegenstand - Dieses Gesetz regelt:
der Europäischen Übergangsvereinbarung sei und somit auch kein Zweitasyl gemäss Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG erhalten könne. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass es sich weder im vorliegenden Fall (Indien) noch in BVGE 2014/40 (Ägypten; vgl. dortige E. 3.1) beim jeweiligen Staat der Erstaufnahme um eine Vertragspartei der Europäischen Übergangsvereinbarung handelt. Entsprechend sind die Bestimmungen der genannten Konvention hier auch nicht unmittelbar anwendbar. Jedoch ist die Europäische Übergangsvereinbarung, wie BVGE 2014/40 zeigt, zum Zweck der Auslegung von Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG beizuziehen. Mit Blick auf den erwähnten Standpunkt des
SEM ist allerdings festzuhalten, dass dieser einem falschen Verständnis des Passus von BVGE 2014/40 entspringt, wonach Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG nicht im Widerspruch zur Europäischen Übergangsvereinbarung ausgelegt werden dürfe. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Europäischen Übergangsvereinbarung um ein Abkommen unter den Mitgliedstaaten des Europarats handelt, die sämtlich auch Vertragsparteien der FK sind. Da sich die Europäische Übergangsvereinbarung somit ausschliesslich auf Vertragsstaaten bezieht, welche an die Bestimmungen der FK gebunden sind, erscheint es als rechtstechnisch folgerichtig, dass die Vereinbarung hinsichtlich des Flüchtlingsbegriffs auf die FK verweist. Umgekehrt ist jedoch in keiner Weise ersichtlich, weshalb der Europäischen Übergangsvereinbarung in Bezug auf den Flüchtlingsbegriff ein Ausschlusskriterium im vom SEM behaupteten Sinn entnommen werden sollte. Vielmehr ist hervorzuheben, dass die Völkerrechtskonformität der Auslegung, wie sie gemäss BVGE 2014/40 dortige E. 2.3.1 f. in Bezug auf Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG verlangt wird, nicht nur die Europäische Übergangsvereinbarung meint, sondern ausdrücklich die Gesamtheit des Flüchtlingsrechts.

5.5.6 Zu dieser Gesamtheit der Völkerrechtsordnung im Bereich des Flüchtlingsrechts trägt keineswegs nur die diesbezügliche Praxis der Vertragsparteien der FK bei. So gehört das Refoulement-Verbot â¿¿ über dessen Normierung in Art. 33
IR 0.142.30 Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (mit Anhang)
FK Art. 33 Verbot der Ausweisung und Zurückstellung - 1. Kein vertragsschliessender Staat darf einen Flüchtling in irgendeiner Form in das Gebiet eines Landes ausweisen oder zurückstellen, wo sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Anschauungen gefährdet wäre.
1    Kein vertragsschliessender Staat darf einen Flüchtling in irgendeiner Form in das Gebiet eines Landes ausweisen oder zurückstellen, wo sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Anschauungen gefährdet wäre.
2    Auf diese Vorschrift kann sich ein Flüchtling nicht berufen, wenn erhebliche Gründe dafür vorliegen, dass er als eine Gefahr für die Sicherheit des Aufenthaltsstaates angesehen werden muss oder wenn er eine Bedrohung für die Gemeinschaft dieses Landes bedeutet, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens oder Vergehens rechtskräftig verurteilt worden ist.
FK hinaus â¿¿ als grundlegendes Prinzip des Menschenrechtsschutzes zum Völkergewohnheitsrecht mit zwingendem Charakter (sog. ius cogens; dies entspricht ausdrücklich auch der Position der Schweiz, vgl. Botschaft vom 22. Juni 1994 über die Volksinitiativen " für eine vernünftige Asylpolitik " und " gegen die illegale Einwanderung ", BBl 1994 III 1486, 1498 f.; vgl. dazu allgemein auch Samantha Besson et al., Völkerrecht, Droit international public, 2. Aufl. 2013, S. 32; Daniel Wüger, Anwendbarkeit und Justiziabilität völkerrechtlicher Normen im schweizerischen Recht: Grundlagen, Methoden und Kriterien, 2005, S. 91 f.; Andreas R. Ziegler, Introduction au droit international public, 3. Aufl. 2015, S. 227). Auch jene Staaten, die nicht Vertragspartei der FK sind, so unter anderen die Vereinigten Staaten von Amerika oder Indien, sind somit zur Einhaltung des Refoulement-Verbots verpflichtet. Gerade am Beispiel dieser beiden genannten Staaten zeigt sich, dass auch Nicht-
Vertragsparteien der FK nicht nur das Refoulement-Verbot, sondern auch weitere, im Rahmen der FK staatsvertraglich normierte Regeln des Flüchtlingsrechts in ihrer nationalen Rechtspraxis zu beachten gewillt sind. Insbesondere ist in Bezug auf Indien festzuhalten, dass dieser Staat gemäss Beurteilung des UNHCR im Allgemeinen das Refoulement-Verbot respektiert und einer grossen Zahl von Flüchtlingen aus Nachbarstaaten und weiteren Ländern wie Afghanistan oder Myanmar Asyl gewährt. Auch anerkennt Indien trotz seiner Nichtbeteiligung an der FK das Mandat des UNHCR und ermöglicht es diesem, auf seinem Staatsgebiet die Prüfung der Flüchtlingseigenschaft in Bezug auf asylsuchende Personen aus den genannten Ländern durchzuführen (vgl. UNHCR, Global Appeal 2011 Update, Genf 2011, S. 202). Zwar behandelt Indien nicht alle Staatsangehörigen der verschiedenen Herkunftsländer gleich, womit es in gewissem Ausmass selektiv vorgeht. Gleichwohl gewährt Indien insgesamt einer grossen Zahl von Flüchtlingen einen Schutz, der de facto den Zielsetzungen der FK gerecht wird. Insbesondere gegenüber Flüchtlingen aus Tibet ist die indische Praxis, wie die Vorinstanz in einem internen (jedoch öffentlich zugänglichen) Bericht selbst
festgehalten hat, sehr grosszügig, wobei das Risiko eines völkerrechtswidrigen Refoulements nach China praktisch ausgeschlossen ist (SEM, Focus: The Tibetan Community in India, 30. Juni 2013, S. 15 und 18).

5.5.7 Mit Blick auf die flüchtlingsrechtliche Praxis Indiens ist im vorliegenden Fall ausserdem festzustellen, dass dieser Staat - was auch durch das SEM nicht bestritten wird â¿¿ die Beschwerdeführerin als Flüchtling anerkannt, ihr auf dieser Grundlage ein permanentes Aufenthaltsrecht auf indischem Hoheitsgebiet gewährt sowie ihr einen entsprechenden Reiseausweis ausgestellt hat. Mithin hat Indien gegenüber der Beschwerdeführerin über die soeben erwähnten, vom UNHCR angeführten Aspekte hinaus auch dem von Art. 28
IR 0.142.30 Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (mit Anhang)
FK Art. 28 Reiseausweise - 1. Die vertragsschliessenden Staaten stellen den Flüchtlingen, die sich rechtmässig auf ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise aus, die ihnen Reisen ausserhalb dieses Gebietes gestatten, vorausgesetzt, dass keine zwingenden Gründe der Staatssicherheit oder öffentlichen Ordnung entgegenstehen; die Bestimmungen im Anhang zu diesem Abkommen finden auf diese Dokumente Anwendung. Die vertragsschliessenden Staaten können einen solchen Reiseausweis auch jedem andern Flüchtling auf ihrem Gebiet ausstellen; sie werden den Fällen von Flüchtlingen besondere Aufmerksamkeit schenken, die sich auf ihrem Gebiet aufhalten und nicht in der Lage sind, von dem Lande, wo sie ihren ordentlichen Aufenthalt haben, einen Reiseausweis zu erlangen.
1    Die vertragsschliessenden Staaten stellen den Flüchtlingen, die sich rechtmässig auf ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise aus, die ihnen Reisen ausserhalb dieses Gebietes gestatten, vorausgesetzt, dass keine zwingenden Gründe der Staatssicherheit oder öffentlichen Ordnung entgegenstehen; die Bestimmungen im Anhang zu diesem Abkommen finden auf diese Dokumente Anwendung. Die vertragsschliessenden Staaten können einen solchen Reiseausweis auch jedem andern Flüchtling auf ihrem Gebiet ausstellen; sie werden den Fällen von Flüchtlingen besondere Aufmerksamkeit schenken, die sich auf ihrem Gebiet aufhalten und nicht in der Lage sind, von dem Lande, wo sie ihren ordentlichen Aufenthalt haben, einen Reiseausweis zu erlangen.
2    Die Reiseausweise, die Flüchtlingen auf Grund früherer internationaler Vereinbarungen von den Parteien dieser Vereinbarungen ausgestellt worden sind, werden von den vertragsschliessenden Staaten dieses Abkommens anerkannt und so behandelt, als wären sie den Flüchtlingen auf Grund dieses Artikels ausgestellt worden.
FK statuierten Anliegen entsprochen, wonach die Vertragsstaaten den Flüchtlingen, die sich rechtmässig auf ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise ausstellen, die ihnen Reisen ausserhalb dieses Gebiets gestatten.

5.5.8 Gemäss BVGE 2014/40 ist danach zu fragen, ob die betroffene Person im Erstaufnahmestaat als Flüchtling im Sinne von Art. 1
IR 0.142.30 Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (mit Anhang)
FK Art. 1 - Definition des Begriffs «Flüchtling»
FK oder allenfalls des Flüchtlingsprotokolls anerkannt worden ist. Wie bereits ausgeführt worden ist, ergibt sich daraus jedoch nicht, dass Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG die Anerkennung als Flüchtling in einem Erstaufnahmestaat voraussetzt, der seinerseits Vertragspartei der FK ist. Nach dem soeben zur völkerrechtlichen Praxis Gesagten ist vielmehr festzuhalten, dass sich selbstverständlich auch ein Staat, der nicht vertraglich an die FK gebunden ist, in einer Art und Weise verhalten kann, die als vertragsgemäss aufzufassen ist. Mit anderen Worten kann auch ein Staat, der nicht Vertragspartei der FK ist, dem Sinn dieses Abkommens gerecht werden, indem er Personen als Flüchtlinge anerkennt, welche die entsprechenden von Art. 1
IR 0.142.30 Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (mit Anhang)
FK Art. 1 - Definition des Begriffs «Flüchtling»
FK statuierten Voraussetzungen erfüllen. Es ist schlicht nicht ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber unter dem Blickwinkel von Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG eine Unterscheidung hätte treffen wollen zwischen Erstaufnahmestaaten, die als Vertragsparteien der FK agieren, und solchen, welche die wesentlichen Regeln des von der FK garantierten völkerrechtlichen Flüchtlingsschutzes als Nicht-Vertragsparteien
des besagten Abkommens respektieren. Der umgekehrte Standpunkt wäre auch nicht mit der gesetzgeberischen Absicht vereinbar, die rechtliche Lage von Flüchtlingen zu verbessern, wie sie gemäss den Materialien zum alten Asylgesetz vom 5. Oktober 1979 mit der Einführung des Zweitasyls verbunden war. Ebenso wenig entspräche dies im Übrigen dem Leitgedanken der Europäischen Übergangsvereinbarung gemäss deren Präambel, wonach die Lage der Flüchtlinge verbessert werden soll, indem die Anwendung von Art. 28
IR 0.142.30 Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (mit Anhang)
FK Art. 28 Reiseausweise - 1. Die vertragsschliessenden Staaten stellen den Flüchtlingen, die sich rechtmässig auf ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise aus, die ihnen Reisen ausserhalb dieses Gebietes gestatten, vorausgesetzt, dass keine zwingenden Gründe der Staatssicherheit oder öffentlichen Ordnung entgegenstehen; die Bestimmungen im Anhang zu diesem Abkommen finden auf diese Dokumente Anwendung. Die vertragsschliessenden Staaten können einen solchen Reiseausweis auch jedem andern Flüchtling auf ihrem Gebiet ausstellen; sie werden den Fällen von Flüchtlingen besondere Aufmerksamkeit schenken, die sich auf ihrem Gebiet aufhalten und nicht in der Lage sind, von dem Lande, wo sie ihren ordentlichen Aufenthalt haben, einen Reiseausweis zu erlangen.
1    Die vertragsschliessenden Staaten stellen den Flüchtlingen, die sich rechtmässig auf ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise aus, die ihnen Reisen ausserhalb dieses Gebietes gestatten, vorausgesetzt, dass keine zwingenden Gründe der Staatssicherheit oder öffentlichen Ordnung entgegenstehen; die Bestimmungen im Anhang zu diesem Abkommen finden auf diese Dokumente Anwendung. Die vertragsschliessenden Staaten können einen solchen Reiseausweis auch jedem andern Flüchtling auf ihrem Gebiet ausstellen; sie werden den Fällen von Flüchtlingen besondere Aufmerksamkeit schenken, die sich auf ihrem Gebiet aufhalten und nicht in der Lage sind, von dem Lande, wo sie ihren ordentlichen Aufenthalt haben, einen Reiseausweis zu erlangen.
2    Die Reiseausweise, die Flüchtlingen auf Grund früherer internationaler Vereinbarungen von den Parteien dieser Vereinbarungen ausgestellt worden sind, werden von den vertragsschliessenden Staaten dieses Abkommens anerkannt und so behandelt, als wären sie den Flüchtlingen auf Grund dieses Artikels ausgestellt worden.
FK erleichtert und die entsprechenden Bedingungen in einem liberalen und humanitären Geist geregelt werden sollen.

5.5.9 Das SEM bringt des Weiteren das Argument vor, die beantragte Gewährung von Zweitasyl bilde für die Beschwerdeführerin lediglich ein Mittel zum Zweck, indem es ihr in erster Linie um den Erwerb eines Anspruchs auf Ausstellung eines Reisedokuments gehe. Dazu ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin einen solchen Zweck selbstverständlich verfolgen darf. Nicht nur ist dieser in keiner Weise rechtsmissbräuchlich, sondern entspricht geradezu - was die Vorinstanz offensichtlich verkennt - der vom Gesetzgeber mit der Normierung des Zweitasyls durch Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG verfolgten Zielsetzung, die rechtliche Lage von Flüchtlingen im Fall der Wohnsitzverlegung in ein Zweitasylland zu verbessern (vgl. BBl 1977 III 105, 117 f.). Im Übrigen ist erneut darauf hinzuweisen, dass es auch gerade Sinn und Zweck der Europäischen Übergangsvereinbarung ist, die Lage von anerkannten Flüchtlingen, die ihren Wohnsitz ordnungsgemäss in das Staatsgebiet einer anderen Vertragspartei verlegen, dadurch zu verbessern, dass die Ausstellung von Reiseausweisen im Sinne von Art. 28
IR 0.142.30 Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (mit Anhang)
FK Art. 28 Reiseausweise - 1. Die vertragsschliessenden Staaten stellen den Flüchtlingen, die sich rechtmässig auf ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise aus, die ihnen Reisen ausserhalb dieses Gebietes gestatten, vorausgesetzt, dass keine zwingenden Gründe der Staatssicherheit oder öffentlichen Ordnung entgegenstehen; die Bestimmungen im Anhang zu diesem Abkommen finden auf diese Dokumente Anwendung. Die vertragsschliessenden Staaten können einen solchen Reiseausweis auch jedem andern Flüchtling auf ihrem Gebiet ausstellen; sie werden den Fällen von Flüchtlingen besondere Aufmerksamkeit schenken, die sich auf ihrem Gebiet aufhalten und nicht in der Lage sind, von dem Lande, wo sie ihren ordentlichen Aufenthalt haben, einen Reiseausweis zu erlangen.
1    Die vertragsschliessenden Staaten stellen den Flüchtlingen, die sich rechtmässig auf ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise aus, die ihnen Reisen ausserhalb dieses Gebietes gestatten, vorausgesetzt, dass keine zwingenden Gründe der Staatssicherheit oder öffentlichen Ordnung entgegenstehen; die Bestimmungen im Anhang zu diesem Abkommen finden auf diese Dokumente Anwendung. Die vertragsschliessenden Staaten können einen solchen Reiseausweis auch jedem andern Flüchtling auf ihrem Gebiet ausstellen; sie werden den Fällen von Flüchtlingen besondere Aufmerksamkeit schenken, die sich auf ihrem Gebiet aufhalten und nicht in der Lage sind, von dem Lande, wo sie ihren ordentlichen Aufenthalt haben, einen Reiseausweis zu erlangen.
2    Die Reiseausweise, die Flüchtlingen auf Grund früherer internationaler Vereinbarungen von den Parteien dieser Vereinbarungen ausgestellt worden sind, werden von den vertragsschliessenden Staaten dieses Abkommens anerkannt und so behandelt, als wären sie den Flüchtlingen auf Grund dieses Artikels ausgestellt worden.
FK erleichtert wird.

Ferner erweist sich für die Auslegung von Art. 50
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 50 Zweitasyl - Flüchtlingen, die in einem andern Staat aufgenommen worden sind, kann Asyl gewährt werden, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufhalten.
AsylG auch das weitere vom SEM angeführte Argument nicht als tauglich, aus Art. 59 Abs. 2 Bst. a
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 59 - 1 Das SEM kann an schriftenlose Ausländerinnen und Ausländer Reisedokumente100 ausstellen.
AIG (SR 142.20) in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Bst. a
SR 143.5 Verordnung vom 14. November 2012 über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen (RDV)
RDV Art. 3 Reiseausweis für Flüchtlinge - 1 Anspruch auf einen Reiseausweis für Flüchtlinge hat:
1    Anspruch auf einen Reiseausweis für Flüchtlinge hat:
a  eine ausländische Person im Sinne von Artikel 59 Absatz 2 Buchstabe a AIG;
b  eine ausländische Person, die von einem anderen Staat nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge als Flüchtling anerkannt wurde, sofern der Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge nach Artikel 2 der Europäischen Vereinbarung vom 16. Oktober 198016 über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge stattgefunden hat.
2    Im Reiseausweis für Flüchtlinge wird die Staatsangehörigkeit oder die Staatenlosigkeit vermerkt.
RDV gehe hervor, dass der Anspruch auf Ausstellung eines Reisedokuments voraussetze, dass erstens die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch einen anderen Staat nach der FK erfolgt sei und zweitens ein Übergang der Verantwortung aufgrund der Europäischen Übergangsvereinbarung auf die Schweiz stattgefunden habe. Zunächst ist dazu festzuhalten, dass auch für das Verständnis von Art. 59 Abs. 2 Bst. a
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 59 - 1 Das SEM kann an schriftenlose Ausländerinnen und Ausländer Reisedokumente100 ausstellen.
AIG - wonach Anspruch auf Reisedokumente Ausländerinnen und Ausländer haben, die gemäss der FK die Flüchtlingseigenschaft erfüllen â¿¿ die zuvor angestellten Überlegungen zu den Voraussetzungen des Zweitasyls gelten. Mit anderen Worten kann auch aus Art. 59 Abs. 2 Bst. a
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 59 - 1 Das SEM kann an schriftenlose Ausländerinnen und Ausländer Reisedokumente100 ausstellen.
AIG keineswegs der Schluss gezogen werden, die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch einen Erstaufnahmestaat führe nur dann zu einem Anspruch nach schweizerischem Recht auf Zweitasyl und/oder Reisedokumente, wenn es sich bei jenem Staat um eine Vertragspartei der FK handle.