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Auszug aus dem Urteil der Abteilung IV
i. S. A. gegen Bundesamt für Migration
D-7950/2009 vom 30. Dezember 2011

Wegweisung. Afghanistan. Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs in die Stadt Mazar-i-Sharif. Lageanalyse.

Art. 83 Abs. 4
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 83 Anordnung der vorläufigen Aufnahme - 1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.244
1    Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.244
2    Der Vollzug ist nicht möglich, wenn die Ausländerin oder der Ausländer weder in den Heimat- oder in den Herkunftsstaat noch in einen Drittstaat ausreisen oder dorthin gebracht werden kann.
3    Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenstehen.
4    Der Vollzug kann für Ausländerinnen oder Ausländer unzumutbar sein, wenn sie in Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind.
5    Der Bundesrat bezeichnet Heimat- oder Herkunftsstaaten oder Gebiete dieser Staaten, in welche eine Rückkehr zumutbar ist.245 Kommen weggewiesene Ausländerinnen und Ausländer aus einem dieser Staaten oder aus einem Mitgliedstaat der EU oder der EFTA, so ist ein Vollzug der Wegweisung in der Regel zumutbar.246
5bis    Der Bundesrat überprüft den Beschluss nach Absatz 5 periodisch.247
6    Die vorläufige Aufnahme kann von kantonalen Behörden beantragt werden.
7    Die vorläufige Aufnahme nach den Absätzen 2 und 4 wird nicht verfügt, wenn die weggewiesene Person:248
a  zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe im In- oder Ausland verurteilt wurde oder wenn gegen sie eine strafrechtliche Massnahme im Sinne der Artikel 59-61 oder 64 StGB250 angeordnet wurde;
b  erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet; oder
c  die Unmöglichkeit des Vollzugs der Wegweisung durch ihr eigenes Verhalten verursacht hat.
8    Flüchtlinge, bei denen Asylausschlussgründe nach Artikel 53 und 54 AsylG252 vorliegen, werden vorläufig aufgenommen.
9    Die vorläufige Aufnahme wird nicht verfügt oder erlischt, wenn eine Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG253 oder eine Ausweisung nach Artikel 68 des vorliegenden Gesetzes rechtskräftig geworden ist.254
10    Die kantonalen Behörden können mit vorläufig aufgenommenen Personen Integrationsvereinbarungen abschliessen, wenn ein besonderer Integrationsbedarf nach den Kriterien gemäss Artikel 58a besteht.255
AuG.

1. Die Sicherheitslage und die humanitäre Situation stellen sich in der Stadt Mazar-i-Sharif - wie auch in der Hauptstadt Kabul (BVGE 2011/7, insbes. E. 9.9.2) und der Stadt Herat (BVGE 2011/38, E. 4.3.1-4.3.3) - heute weniger bedrohlich dar, als in den übrigen Landesteilen Afghanistans.

2. Unter der Voraussetzung begünstigender Umstände (insbes. tragfähiges Beziehungsnetz, Möglichkeit zur Sicherung des Existenzminimums, gesicherte Wohnsituation, guter Gesundheitszustand) kann ein Vollzug der Wegweisung in die Stadt Mazar-i-Sharif zumutbar sein (E. 7.3.5-7.3.8).

Renvoi. Afghanistan. Exigibilité de l'exécution du renvoi vers la ville de Mazar-i-Sharif. Analyse de la situation.

Art. 83 al. 4 LEtr.

1. Du point de vue sécuritaire et humanitaire, la situation dans la ville de Mazar-i-Sharif se présente aujourd'hui - comme dans la capitale Kaboul (ATAF 2011/7, spéc. consid. 9.9.2) et dans la ville de Herat (ATAF 2011/38, consid. 4.3.1-4.3.3) - de manière moins menaçante que dans les autres parties de l'Afghanistan.

2. A condition que des circonstances favorables soient réunies (en particulier l'existence d'un solide réseau social, la possibilité d'accéder au minimum vital et à un logement, un bon état de santé), l'exécution du renvoi vers la ville de Mazar-i-Sharif peut être raisonnablement exigée (consid. 7.3.5-7.3.8).

Allontanamento. Afghanistan. Esigibilità dell'esecuzione dell'allontanamento verso la città di Mazar-i-Sharif. Analisi della situazione.

Art. 83 cpv. 4 LStr.

1. Come nella capitale Kabul (DTAF 2011/7, in particolare consid. 9.9.2) e nella città di Herat (DTAF 2011/38, consid. 4.3.1-4.3.3), anche nella città di Mazar-i-Sharif le condizioni di sicurezza e la situazione umanitaria sono oggi meno critiche rispetto alle altre regioni dell'Afghanistan.

2. In presenza di condizioni favorevoli (in particolare una solida rete di rapporti sociali, la possibilità di procacciarsi il minimo esistenziale e di trovare un alloggio, buone condizioni di salute), l'esecuzione dell'allontanamento verso la città di Mazar-i-Sharif può essere considerata ragionevolmente esigibile (consid. 7.3.5-7.3.8).


Der Beschwerdeführer reichte am 28. Mai 2009 in der Schweiz ein Asylgesuch ein. Mit Verfügung vom 19. November 2009 wies das Bundesamt für Migration (BFM) das Asylgesuch des Beschwerdeführers ab, wies ihn aus der Schweiz weg und ordnete den Wegweisungsvollzug an. Der Beschwerdeführer erhob mit Eingabe an das Bundesverwaltungsgericht vom 21. Dezember 2009 gegen die BFM-Verfügung Beschwerde.

Das Bundesverwaltungsgericht weist die Beschwerde ab.


Aus den Erwägungen:

7.3.3 (...) In BVGE 2011/7 stellte das Bundesverwaltungsgericht zusammenfassend fest, dass in Afghanistan - ausser allenfalls in Grossstädten - eine derart schlechte Sicherheitslage und derart schwierige humanitäre Bedingungen bestünden, dass die Situation als existenzbedrohend im Sinne von Art. 83 Abs. 4
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 83 Anordnung der vorläufigen Aufnahme - 1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.244
1    Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.244
2    Der Vollzug ist nicht möglich, wenn die Ausländerin oder der Ausländer weder in den Heimat- oder in den Herkunftsstaat noch in einen Drittstaat ausreisen oder dorthin gebracht werden kann.
3    Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenstehen.
4    Der Vollzug kann für Ausländerinnen oder Ausländer unzumutbar sein, wenn sie in Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind.
5    Der Bundesrat bezeichnet Heimat- oder Herkunftsstaaten oder Gebiete dieser Staaten, in welche eine Rückkehr zumutbar ist.245 Kommen weggewiesene Ausländerinnen und Ausländer aus einem dieser Staaten oder aus einem Mitgliedstaat der EU oder der EFTA, so ist ein Vollzug der Wegweisung in der Regel zumutbar.246
5bis    Der Bundesrat überprüft den Beschluss nach Absatz 5 periodisch.247
6    Die vorläufige Aufnahme kann von kantonalen Behörden beantragt werden.
7    Die vorläufige Aufnahme nach den Absätzen 2 und 4 wird nicht verfügt, wenn die weggewiesene Person:248
a  zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe im In- oder Ausland verurteilt wurde oder wenn gegen sie eine strafrechtliche Massnahme im Sinne der Artikel 59-61 oder 64 StGB250 angeordnet wurde;
b  erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet; oder
c  die Unmöglichkeit des Vollzugs der Wegweisung durch ihr eigenes Verhalten verursacht hat.
8    Flüchtlinge, bei denen Asylausschlussgründe nach Artikel 53 und 54 AsylG252 vorliegen, werden vorläufig aufgenommen.
9    Die vorläufige Aufnahme wird nicht verfügt oder erlischt, wenn eine Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG253 oder eine Ausweisung nach Artikel 68 des vorliegenden Gesetzes rechtskräftig geworden ist.254
10    Die kantonalen Behörden können mit vorläufig aufgenommenen Personen Integrationsvereinbarungen abschliessen, wenn ein besonderer Integrationsbedarf nach den Kriterien gemäss Artikel 58a besteht.255
des Ausländergesetzes vom 16. Dezember 2005 (AuG, SR 142.20) zu qualifizieren sei. Bezüglich Kabul hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Wegweisungsvollzug dorthin nur dann zumutbar sei, wenn sich im Einzelfall erweise, dass die betroffene Person in Kabul sozial vernetzt sei, sie also dort über ein tragfähiges soziales Netz im Sinne der bisherigen strengen Anforderungen nach Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission (EMARK) 2003 Nr. 10 verfüge. Offengelassen wurde im besagten BVGE 2011/7, ob betreffend die Städte Herat und Mazar-i-Sharif in gleicher Weise zu entscheiden wäre (vgl. a. a.O., E. 9.8-9.9). In BVGE 2011/38 wurde bezüglich der Stadt Herat erkannt, dass der Vollzug der Wegweisung dorthin, sofern begünstigende Umstände vorliegen, als zumutbar zu erachten ist.

7.3.4 Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Samangan. Gemäss der soeben dargelegten aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist von der Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs dorthin auszugehen.

7.3.5 Bei dieser Sachlage stellt sich die Frage, ob dem Beschwerdeführer in Afghanistan allenfalls eine Aufenthaltsalternative zur Verfügung steht. Gemäss den Akten wohnen seine Mutter, seine Schwester, sein Onkel sowie eine seiner Tanten in der Stadt Mazar-i-Sharif (Provinz Balkh). Deshalb ist im Folgenden zu prüfen, ob sich der Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers nach Mazar-i-Sharif im Lichte der vorstehend in E. 7.3.3 aufgezeigten aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Afghanistan als zumutbar erweist.

7.3.6 Eine Situation allgemeiner Gewalt in einem Land führt nicht automatisch zur Annahme einer konkreten Gefährdung; vielmehr muss die betroffene Person darlegen, dass die Situation auch für sie eine konkrete Gefährdung darstellt. Mithin ist in der Regel immer eine Einzelfallbeurteilung unter Berücksichtigung der individuellen Lebensumstände der betroffenen Person vorzunehmen (vgl. Ruedi Illes, in: Martina Caroni/Thomas Gächter/Daniela Thurnherr [Hrsg.], Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG], Bern 2010, S. 799 Rz. 33 zu Art. 83
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 83 Anordnung der vorläufigen Aufnahme - 1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.244
1    Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.244
2    Der Vollzug ist nicht möglich, wenn die Ausländerin oder der Ausländer weder in den Heimat- oder in den Herkunftsstaat noch in einen Drittstaat ausreisen oder dorthin gebracht werden kann.
3    Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenstehen.
4    Der Vollzug kann für Ausländerinnen oder Ausländer unzumutbar sein, wenn sie in Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind.
5    Der Bundesrat bezeichnet Heimat- oder Herkunftsstaaten oder Gebiete dieser Staaten, in welche eine Rückkehr zumutbar ist.245 Kommen weggewiesene Ausländerinnen und Ausländer aus einem dieser Staaten oder aus einem Mitgliedstaat der EU oder der EFTA, so ist ein Vollzug der Wegweisung in der Regel zumutbar.246
5bis    Der Bundesrat überprüft den Beschluss nach Absatz 5 periodisch.247
6    Die vorläufige Aufnahme kann von kantonalen Behörden beantragt werden.
7    Die vorläufige Aufnahme nach den Absätzen 2 und 4 wird nicht verfügt, wenn die weggewiesene Person:248
a  zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe im In- oder Ausland verurteilt wurde oder wenn gegen sie eine strafrechtliche Massnahme im Sinne der Artikel 59-61 oder 64 StGB250 angeordnet wurde;
b  erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet; oder
c  die Unmöglichkeit des Vollzugs der Wegweisung durch ihr eigenes Verhalten verursacht hat.
8    Flüchtlinge, bei denen Asylausschlussgründe nach Artikel 53 und 54 AsylG252 vorliegen, werden vorläufig aufgenommen.
9    Die vorläufige Aufnahme wird nicht verfügt oder erlischt, wenn eine Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG253 oder eine Ausweisung nach Artikel 68 des vorliegenden Gesetzes rechtskräftig geworden ist.254
10    Die kantonalen Behörden können mit vorläufig aufgenommenen Personen Integrationsvereinbarungen abschliessen, wenn ein besonderer Integrationsbedarf nach den Kriterien gemäss Artikel 58a besteht.255
AuG). Zwar ist von einer Verschlechterung der Sicherheitslage im Norden Afghanistans in den letzten Jahren auszugehen und auch in der Provinz Balkh ist die Zahl sicherheitsrelevanter Ereignisse angestiegen (vgl. The Afghanistan NGO Safety Office [ANSO], ANSO Quarterly Data Report Q. 4/2010 [1. Januar-31. Dezember 2010], Januar 2011, S. 13, < http://reliefweb.int/node/381693 >, besucht am 24. Oktober 2011; The Afghanistan NGO Safety Office, ANSO Quarterly Data Report Q. 1/2011 [1. Januar-31. März 2011], April 2011, S. 10, < http:// humansecuritygateway.com/documents > ANSO-Q1-Report-2011.pdf >, besucht am 1. Dezember 2011; Afghanistan
Research and Evaluation Unit [AREU], Opium poppy strikes back. The 2011 Return of Opium in Balkh and Badakhshan Provinces, Juli 2011, S. 7, < http://www.unhcr.org > Resources > Refworld > Refworld Online > Document Types > Country Reports > Afghanistan Research and Evaluation Unit [AREU] > Afghanistan > Opium poppy strikes back, besucht am 24. Oktober 2011). Die Situation in der Stadt Mazar-i-Sharif wird aber in neusten Berichten, auch im Vergleich mit anderen afghanischen Städten und Provinzen, als verhältnismässig ruhig beschrieben. Im Distrikt Mazar-i-Sharif, der hauptsächlich das Stadtgebiet von Mazar-i-Sharif umfasst, wurde von Januar bis Juni 2009 eine einzige bewaffnete Attacke einer feindlichen Gruppe registriert, während in der Stadt Herat und in der Provinz Kabul elf beziehungsweise einundsechzig solcher Attacken in dieser Periode gezählt wurden. Von Januar bis Juni 2010 wurde im Distrikt Mazar-i-Sharif keine einzige Attacke einer feindlichen Gruppe registriert, wohingegen in diesem Zeitraum in der Stadt Herat und der Provinz Kabul eine respektive achtundzwanzig derartiger Attacken gezählt wurden. Von Januar bis Juni 2011 wurden im Distrikt Mazar-i-Sharif drei Attacken feindlicher Gruppen registriert, während in
der Stadt Herat und der Provinz Kabul sieben beziehungsweise vierunddreissig solcher Attacken gezählt wurden (vgl. The Afghanistan NGO Safety Office, The ANSO Report, 16.-30. Juni 2011, S. 7, < http://reliefweb.int/node/ 423653 >, besucht am 24. Oktober 2011; The Afghanistan NGO Safety Office, ANSO Quarterly Data Report Q. 2/2011 [1. Januar-30. Juni 2011], Juli 2011, S. 10, < http://reliefweb.int/node/463469 >, besucht am 24. Oktober 2011). Im Mai 2011 hielt der International Council on Security and Development in einem Bericht fest, der Distrikt Mazar-i-Sharif sei relativ sicher und die Stadt Mazar-i-Sharif sei eine der sichersten im ganzen Land (vgl. International Council on Security and Development, Afghanistan Transition: The Death of Bin Laden and Local Dynamics, Mai 2011, S. 45, < http://www.icosgroup.net > ICOS Programs > Afghanistan >, besucht am 24. Oktober 2011). Im September 2011 führte der Congressional Resarch Service in einem Bericht aus, dass die Stadt Mazar-i-Sharif weitgehend als stabil angesehen werde (vgl. Congressional Research Service, Afghanistan: Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, 22. September 2011, S. 28, < http://www.unhcr.org > Resources > Refworld > Refworld
Online > Document Types > Country Reports > United States Congressional Research Services > Afghanistan > Afghanistan: Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, besucht am 24. Oktober 2011). An dieser Einschätzung, wonach die Situation in Mazar-i-Sharif überwiegend als stabil anzusehen ist, ändert auch der Umstand nichts, dass bei einem Bombenanschlag in Mazar-i-Sharif am 6. Dezember 2011 mindestens vier Personen ums Leben gekommen sind, darunter ein afghanischer Soldat. Dieser Anschlag, der selbst von den Taliban verurteilt wurde, wird von Experten einer Randgruppe nahestehend der Al-Qaida/Pakistan zugeschrieben (vgl. NZZ Online, Gegen 60 Tote am wichtigsten schiitischen Feiertag < http:// www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/50_tote_bei_selbstmordattentat_in_kabul_1.13533071 >, besucht am 20. Dezember 2011). Im März 2011 wurde zudem begonnen, die gesamte Verantwortung für die Sicherheit in Mazar-i-Sharif, wie geplant, von der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) auf die afghanischen Sicherheitskräfte zu übertragen (vgl. < http://www. nato. int > Newsroom > News > Search by date from 18. Nov.2011 > Mazar after transition >, besucht am 1. Dezember 2011). Seit dem 23. Juli
2011 tragen afghanische Sicherheitskräfte die Sicherheitsverantwortung in Mazar-i-Sharif. Während eines Besuchs des deutschen Aussenministers Guido Westerwelle hat die ISAF das Kommando in afghanische Hände übergeben (vgl. < http:// www.bundesregierung.de > Nachrichten > Artikel > Suchen nach Datum 1. August 2011 > Masar-i-Scharif: Schrittweise Übergabe und langfristige Kooperation >, besucht am 20. Dezember 2011).

Hinsichtlich der humanitären Situation in Mazar-i-Sharif ist festzuhalten, dass sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht konsultierten Länder- und Themenberichten nicht ergibt, dass diese wesentlich schlechter ist als diejenige in Kabul.

7.3.7 In Anbetracht dieser Umstände erscheint die Lage in der Stadt Mazar-i-Sharif mit derjenigen in Kabul zumindest vergleichbar und es rechtfertigt sich nicht, von einer generellen Unzumutbarkeit der Rückkehr dorthin aufgrund der allgemeinen Situation auszugehen. Zudem verfügt die Stadt Mazar-i-Sharif auch über einen Flughafen, der von Kabul, Herat, Dubai und Teheran angeflogen wird (vgl. < http://de.wiki pedia.org/wiki/Flughafen_Masar-e_Scharif >, besucht am 24. Oktober 2011).

7.3.8 Vorliegend ergeben sich aus den Akten zudem keine individuellen Umstände, welche es rechtfertigen würden, den Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers in die Stadt Mazar-i-Sharif als unzumutbar zu erachten. Gemäss den Akten wohnen seine Mutter und seine Schwester bei seinem Onkel in Mazar-i-Sharif. Zudem lebt noch eine seiner Tanten in dieser Stadt, womit der Beschwerdeführer dort über ein tragfähiges familiäres Beziehungsnetz verfügt, welches ihm bei der Integration behilflich sein wird. Insbesondere ist anzunehmen, dass er nach seiner Rückkehr nach Mazar-i-Sharif bei seiner Familie wohnen kann, bis er eine eigene Wohnung gefunden hat, und dass seine Familie ihn bei der Suche nach einer Arbeitsstelle unterstützt. Der junge, ledige Beschwerdeführer ist - gemäss den Akten - gesund und hat eine überdurchschnittlich gute Schulbildung. Zudem spricht er neben seiner Muttersprache Paschtu auch Dari und er war in seiner Heimat als Inhaber eines Ladens während eineinhalb Jahren erwerbstätig, weswegen davon auszugehen ist, er werde sich bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch beruflich wieder integrieren können. Die Rückkehrhilfe der Schweiz wird ihm den Wiedereinstieg in seiner Heimat
ebenfalls erleichtern (Art. 93 Abs. 1 Bst. d
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 93 Rückkehrhilfe und Prävention irregulärer Migration - 1 Der Bund leistet Rückkehrhilfe. Er kann dazu folgende Massnahmen vorsehen:
1    Der Bund leistet Rückkehrhilfe. Er kann dazu folgende Massnahmen vorsehen:
a  vollständige oder teilweise Finanzierung von Rückkehrberatungsstellen;
b  vollständige oder teilweise Finanzierung von Projekten in der Schweiz zur Erhaltung der Rückkehrfähigkeit;
c  vollständige oder teilweise Finanzierung von Programmen im Heimat-, Herkunfts- oder Drittstaat zur Erleichterung und Durchführung der Rückkehr, der Rückführung und der Reintegration (Programme im Ausland);
d  finanzielle Unterstützung im Einzelfall zur Erleichterung der Eingliederung oder zur befristeten medizinischen Betreuung im Heimat-, Herkunfts- oder Drittstaat.
2    Programme im Ausland können auch das Ziel verfolgen, einen Beitrag zur Prävention irregulärer Migration zu leisten. Programme zur Prävention irregulärer Migration sind solche, die kurzfristig zur Minderung des Risikos einer Primär- oder Sekundärmigration in die Schweiz beitragen.
3    Der Bund kann bei der Umsetzung der Rückkehrhilfe mit internationalen Organisationen zusammenarbeiten und eine Koordinationsstelle einrichten.
4    Der Bundesrat regelt die Voraussetzungen und das Verfahren zur Ausrichtung und Abrechnung der Beiträge.
des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG, SR 142.31]; Art. 73 ff
SR 142.312 Asylverordnung 2 vom 11. August 1999 über Finanzierungsfragen (Asylverordnung 2, AsylV 2) - Asylverordnung 2
AsylV-2 Art. 73 Voraussetzungen - Individuelle Rückkehrhilfe kann beanspruchen, wer nachweislich alle erforderlichen Dispositionen getroffen hat, um die Schweiz zu verlassen.
. der Asylverordnung 2 vom 11. August 1999 [AsylV 2, SR 142.312]). Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass der erst im Alter von knapp zweiundzwanzig Jahren in die Schweiz eingereiste Beschwerdeführer den grössten Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht hat, weshalb er mit der dortigen Sprache, Kultur, Arbeits- und Lebensweise bestens vertraut ist. Soweit der Beschwerdeführer in der Rechtsmittelschrift vorbringt, er sei als Paschtune bei einer Rückkehr in die Stadt Mazar-i-Sharif gefährdet, da es dort immer wieder zu Übergriffen gegen die paschtunische Minderheit komme, ist Folgendes festzuhalten: Es trifft zwar zu, dass die Paschtunen in der Stadt Mazar-i-Sharif lediglich 10 % der Bevölkerung ausmachen und dort somit eine Minderheit darstellen. Nach Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts leben aber die verschiedenen ethnischen Gruppen von Mazar-i-Sharif - trotz gelegentlicher Spannungen - in aller Regel friedlich zusammen, weshalb der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr dorthin nichts zu befürchten hat (vgl. dazu AREU, Deconstructing « Democracy » in Afghanistan, Mai 2011, S. 16, < http://www.areu.org.af
> Publications > Advanced Publication Search > Author Anna Larson > Deconstructing « Democracy » in Afghanistan >, besucht am 24. Oktober 2011).

Somit ist der Wegweisungsvollzug des Beschwerdeführers in die Stadt Mazar-i-Sharif auch im Lichte der aktuellen Rechtsprechung zu Afghanistan sowohl in genereller als auch in individueller Hinsicht als zumutbar zu erachten.