Urteilskopf

98 V 262

66. Auszug aus dem Urteil vom 3. November 1972 i.S. Köchli gegen Ausgleichskasse des Kantons Bern und Versicherungsgericht des Kantons Bern
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 262

BGE 98 V 262 S. 262

A.- Die 1926 geborene X. Köchli leidet seit ihrer Jugend bei allgemein kränklicher Konstitution an Gelenk- und andern Beschwerden, die ihr nicht erlaubten, einen Beruf zu erlernen. Bis zur Verehelichung im Jahre 1953 half sie im elterlichen Geschäftshaushalt mit. Nachher widmete sie sich nur noch dem eigenen Haushalt, der im April 1964 durch gerichtliche Trennung aufgehoben wurde. Seit 1965 arbeitet sie für den Gemeinnützigen Frauenverein als Haushilfe für Betagte. Wegen ihres geschwächten Gesundheitszustandes ist sie aber trotz guten Willens nur beschränkt einsatzfähig. Mit ihrer Tätigkeit erzielte sie von 1969-1971 jährliche Erwerbseinkommen, die 1000 Franken nie überstiegen. Ausserdem erhält sie Unterhaltsbeiträge von monatlich Fr. 500.-- und weitere Fr. 180.-- für die Vermietung eines Zimmers. Im Frühjahr 1971 ersuchte X. Köchli um eine Rente der Invalidenversicherung. Die Ausgleichskasse des Kantons Bern
BGE 98 V 262 S. 263

wies dieses Begehren ab mit der Begründung: Praxisgemäss müsse sie als Hausfrau betrachtet werden. Als solche sei sie nicht in rentenbegründendem Ausmass invalid. Zudem erhalte sie von ihrem Ehemann Unterhaltsbeiträge (Verfügung vom 10. Dezember 1971).
B.- Beschwerdeweise liess X. Köchli dem Versicherungsgericht des Kantons Bern beantragen, es sei ihr eine ganze einfache Invalidenrente zuzusprechen. Die Vorinstanz nahm an, die Versicherte wäre auch ohne Invalidität während der Dauer der Ehe keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Es sei "nicht zu bezweifeln, dass einer verheirateten Frau, die keinem Erwerb nachging, nicht zugemutet werden kann, dass sie von der Aufgabe der ehelichen Gemeinschaft an eine solche Tätigkeit aufnehme". Invalidenversicherungsrechtlich gelte X. Köchli deshalb als nichterwerbstätige Hausfrau, zumal sie monatliche Alimente von Fr. 500.-- erhalte. Daran vermöge auch der geringe Nebenverdienst, den sie als Haushilfe erreiche, nichts zu ändern. Als Hausfrau sei sie in ihrer Leistungsfähigkeit nicht rentenbegründend invalid. Mit Entscheid vom 29. März 1972 hat deshalb der kantonale Richter die Beschwerde abgewiesen.
C.- In der gegen diesen Entscheid gerichteten Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird das Begehren um Auszahlung einer ganzen einfachen Invalidenrente vom Zeitpunkt der Anmeldung hinweg wiederholt. Die Ausgleichskasse verzichtet auf eine Stellungnahme zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung beantragt die Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem Sinn, dass die Versicherte als Erwerbstätige betrachtet und ihr eine am 1. Mai 1970 beginnende ganze Rente zugesprochen werde.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. ... In BGE
97 V 243 (ZAK 1972 S. 298) hat das Eidg. Versicherungsgericht entschieden, dass die in einem bestimmten Zeitpunkt massgebende Methode der Invaliditätsschätzung die künftige Rechtsstellung einer Versicherten nicht präjudiziert, sondern dass die alternativen Kriterien - Erwerbsunfähigkeit oder Unmöglichkeit der Betätigung im bisherigen Aufgabenbereich - im Einzelfall einander ablösen können. Daher
BGE 98 V 262 S. 264

ist es möglich, dass ein Versicherter nicht mehr dem Personenkreis angehört, auf den Art. 28 Abs. 2
SR 831.20 Legge federale del 19 giugno 1959 sull'assicurazione per l'invalidità (LAI)
LAI Art. 28 Principio - 1 L'assicurato ha diritto a una rendita se:
1    L'assicurato ha diritto a una rendita se:
a  la sua capacità al guadagno o la sua capacità di svolgere le mansioni consuete non può essere ristabilita, mantenuta o migliorata mediante provvedimenti d'integrazione ragionevolmente esigibili;
b  ha avuto un'incapacità al lavoro (art. 6 LPGA210) almeno del 40 per cento in media durante un anno senza notevole interruzione; e
c  al termine di questo anno è invalido (art. 8 LPGA) almeno al 40 per cento.
1bis    La rendita secondo il capoverso 1 non è concessa fintantoché non sono esaurite le possibilità d'integrazione secondo l'articolo 8 capoversi 1bis e 1ter.211
2    ...212
IVG anwendbar ist, und zu jenem gemäss Art. 5 Abs. 1
SR 831.20 Legge federale del 19 giugno 1959 sull'assicurazione per l'invalidità (LAI)
LAI Art. 5 Casi speciali - 1 L'invalidità degli assicurati di 20 anni compiuti che prima di subire un danno alla salute fisica, psichica o mentale non esercitavano un'attività lucrativa e dai quali non si può ragionevolmente esigere l'esercizio di un'attività lucrativa si determina secondo l'articolo 8 capoverso 3 LPGA51.52
1    L'invalidità degli assicurati di 20 anni compiuti che prima di subire un danno alla salute fisica, psichica o mentale non esercitavano un'attività lucrativa e dai quali non si può ragionevolmente esigere l'esercizio di un'attività lucrativa si determina secondo l'articolo 8 capoverso 3 LPGA51.52
2    Le persone di età inferiore a 20 anni, che non esercitano un'attività lucrativa, sono considerate invalide sulla base dell'articolo 8 capoverso 2 LPGA.
IVG übergeht. So erklärte das Gericht im Fall einer Versicherten, die vor ihrer Verehelichung eine ganze Invalidenrente auf Grund von Art. 28
SR 831.20 Legge federale del 19 giugno 1959 sull'assicurazione per l'invalidità (LAI)
LAI Art. 28 Principio - 1 L'assicurato ha diritto a una rendita se:
1    L'assicurato ha diritto a una rendita se:
a  la sua capacità al guadagno o la sua capacità di svolgere le mansioni consuete non può essere ristabilita, mantenuta o migliorata mediante provvedimenti d'integrazione ragionevolmente esigibili;
b  ha avuto un'incapacità al lavoro (art. 6 LPGA210) almeno del 40 per cento in media durante un anno senza notevole interruzione; e
c  al termine di questo anno è invalido (art. 8 LPGA) almeno al 40 per cento.
1bis    La rendita secondo il capoverso 1 non è concessa fintantoché non sono esaurite le possibilità d'integrazione secondo l'articolo 8 capoversi 1bis e 1ter.211
2    ...212
IVG bezogen hatte, dass das vor der Heirat angewandte Kriterium nicht mehr unbedingt auch für die Invaliditätsschätzung nach der Heirat entscheidend sei. Massgebend sei vielmehr jene Tätigkeit, welche die Versicherte seit der Verehelichung ausüben würde, wenn sie nicht invalid geworden wäre. Es müsse daher geprüft werden, ob die Versicherte ohne Invalidität mit Rücksicht auf ihre wirtschaftlichen und familiären Verhältnisse seit der Heirat vorwiegend erwerbstätig oder in ihrem Haushalt beschäftigt wäre. In gleicher Weise muss auch bei einer invaliden Ehefrau, die von ihrem Mann getrennt lebt, untersucht werden, ob sie - wäre sie gesund - angesichts ihrer konkreten persönlichen Verhältnisse wahrscheinlich einer Erwerbstätigkeit nachginge oder sich auf die Führung ihres Haushaltes beschränken würde. Für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit spricht nicht ohne weiteres die Tatsache der Ehetrennung allein und die damit für die Versicherte verbundene grössere Möglichkeit, berufstätig zu sein. Wohl aber kann die Höhe der vom Ehemann zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge ein Anhaltspunkt für die Wahl des anzuwendenden Bemessungskriteriums sein (vgl. ZAK 1971 S. 220).
2. Bis 1965 war die Beschwerdeführerin ausschliesslich als Hausfrau tätig. Seit der Ehetrennung erhält sie von ihrem Ehemann monatliche Unterhaltsbeiträge von 500 Franken. Dieser Betrag liegt offensichtlich unter dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum einer - in Bern wohnenden - alleinstehenden Person. Den Notbedarf erreicht die Versicherte selbst dann nicht, wenn man zu den Unterhaltsbeiträgen noch die Einnahmen von Fr. 180.-- aus der Vermietung eines Zimmers rechnet. X. Köchli wäre also zufolge ihrer prekären wirtschaftlichen Verhältnisse genötigt, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Wegen ihrer Leiden ist sie dazu aber ausserstande. Immerhin arbeitet sie seit der Ehetrennung zeitweise als Haushilfe, doch ist sie nur beschränkt einsatzfähig mit dem Ergebnis, dass sie in den letzten drei Jahren nie mehr als ein monatliches Entgelt von rund 30 bis 85 Franken erreichte.
BGE 98 V 262 S. 265

Demnach muss die Beschwerdeführerin für die Belange der Invaliditätsbemessung als Erwerbstätige behandelt werden, weshalb ihr Invaliditätsgrad sich mittels des Einkommensvergleichs gemäss Art. 28 Abs. 2
SR 831.20 Legge federale del 19 giugno 1959 sull'assicurazione per l'invalidità (LAI)
LAI Art. 28 Principio - 1 L'assicurato ha diritto a una rendita se:
1    L'assicurato ha diritto a una rendita se:
a  la sua capacità al guadagno o la sua capacità di svolgere le mansioni consuete non può essere ristabilita, mantenuta o migliorata mediante provvedimenti d'integrazione ragionevolmente esigibili;
b  ha avuto un'incapacità al lavoro (art. 6 LPGA210) almeno del 40 per cento in media durante un anno senza notevole interruzione; e
c  al termine di questo anno è invalido (art. 8 LPGA) almeno al 40 per cento.
1bis    La rendita secondo il capoverso 1 non è concessa fintantoché non sono esaurite le possibilità d'integrazione secondo l'articolo 8 capoversi 1bis e 1ter.211
2    ...212
IVG bestimmt.
3. Im Jahre 1971 erzielte die Beschwerdeführerin als Haushilfe ein Erwerbseinkommen von 1000 Franken. Zusammen mit den Mietzinseinnahmen von rund 2000 Franken erreichten ihre Einkünfte somit den Betrag von 3000 Franken. Diese Summe ist mit dem Einkommen zu vergleichen, das sie ohne Invalidität mutmasslich zu erreichen vermöchte. Nach Art. 26 Abs. 1
SR 831.201 Ordinanza del 17 gennaio 1961 sull'assicurazione per l'invalidità (OAI)
OAI Art. 26 Determinazione del reddito senza invalidità - 1 Il reddito senza invalidità (art. 16 LPGA) è determinato sulla base dell'ultimo reddito lavorativo effettivamente conseguito prima dell'insorgere dell'invalidità. Se il reddito lavorativo conseguito negli ultimi anni prima dell'insorgere dell'invalidità era soggetto a forti variazioni, ci si basa su un reddito medio adeguato.
1    Il reddito senza invalidità (art. 16 LPGA) è determinato sulla base dell'ultimo reddito lavorativo effettivamente conseguito prima dell'insorgere dell'invalidità. Se il reddito lavorativo conseguito negli ultimi anni prima dell'insorgere dell'invalidità era soggetto a forti variazioni, ci si basa su un reddito medio adeguato.
2    Se il reddito lavorativo effettivamente conseguito è inferiore di almeno il 5 per cento al valore centrale usuale del settore secondo la RSS di cui all'articolo 25 capoverso 3, il reddito senza invalidità corrisponde al 95 per cento di questo valore centrale.
3    Il capoverso 2 non è applicabile, se:
a  anche il reddito con invalidità secondo l'articolo 26bis capoverso 1 è inferiore di almeno il 5 per cento al valore centrale usuale del settore secondo la RSS di cui all'articolo 25 capoverso 3; o
b  il reddito è stato conseguito con un'attività lucrativa indipendente.
4    Se il reddito lavorativo effettivamente conseguito non può essere determinato o non può esserlo in misura sufficientemente precisa, il reddito senza invalidità è fissato sulla base dei valori statistici di cui all'articolo 25 capoverso 3 relativi alle persone con la medesima formazione e condizioni professionali analoghe.
5    Se un'invalidità insorge dopo che l'assicurato ha previsto o iniziato una formazione professionale, il reddito senza invalidità è determinato secondo il valore statistico di cui all'articolo 25 capoverso 3 che l'assicurato avrebbe potuto conseguire dopo la conclusione della formazione.
6    Se un assicurato non può iniziare o concludere alcuna formazione professionale a causa dell'invalidità, il reddito senza invalidità è determinato secondo i valori statistici di cui all'articolo 25 capoverso 3. In deroga all'articolo 25 capoverso 3, vanno impiegati valori indipendenti dal sesso.
IVV entspricht das ohne Invalidität erzielbare Erwerbseinkommen eines Versicherten, der - wie X. Köchli - wegen seiner Invalidität keine zureichenden beruflichen Kenntnisse erwerben konnte, in der Regel dem durchschnittlichen Einkommen gelernter und angelernter Berufsarbeiter. Dieses belief sich 1971 auf Fr. 19 100.--. Im vorliegenden Fall ist dieses Einkommen voll einzusetzen, weil eine getrennt lebende, kinderlose Ehefrau imstande ist, während des ganzen Tages einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Wird das Invalideneinkommen von 3000 Franken zum hypothetischen Einkommen von 19 100 Franken in Beziehung gesetzt, so resultiert ein weit über zwei Drittel liegender Invaliditätsgrad. Die Beschwerdeführerin hat daher Anspruch auf eine ganze Invalidenrente.