Urteilskopf

92 I 288

50. Urteil vom 7. Oktober 1966 i.S. X. gegen Rekurskommission des Kantons Bern.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 289

BGE 92 I 288 S. 289

A.- Ing. X. war bei der Direktion einer eidg. Verwaltung als Bundesbeamter tätig. Er wurde auf den 31. Oktober 1951 pensioniert, wurde aber in der Folge als selbständigerwerbender Ingenieur von dieser Direktion weiterhin beschäftigt. In dieser Eigenschaft erzielte er in den Jahren 1952-1962 ein Einkommen von Fr. 765 728.25, das ihm wie folgt ausbezahlt wurde: 1952 Fr. 44 000.--
1953 Fr. 24 000.--
1954 Fr. 36 000.--
1955 Fr. 65 000.--
1956 Fr. 56 000.--
1957 Fr. 90 000.--
1958 Fr. 60 000.--
1959 Fr. 363 228.25
1960 Fr. 5 000.--
1961 Fr. -.-
1962 Fr. 22 500.--
Ing. X. hatte im Herbst 1959 alle Arbeiten beendigt; nachher übte er für diese Amtsstelle keinerlei Tätigkeit mehr aus. Ing. X. versteuerte sein Einkommen nach Massgabe der ihm jährlich geleisteten Zahlungen. In der Steuererklärung für die kantonalen Steuern der Jahre 1961/62 und die Wehrsteuer der 11. Periode hat der Steuerpflichtige die Zahlungen, die ihm in den Jahren 1959 und 1960 geleistet worden waren, nicht mehr aufgeführt. Er war der Meinung, dass er wegen der Aufgabe der Erwerbstätigkeit gemäss Art. 42 WStB auf Grund des Gegenwartseinkommens zu besteuern sei. Er deklarierte daher lediglich ein versteuerbares Einkommen von Fr. 9954.--, das nicht aus Erwerbstätigkeit herrührte. Er wurde mit Fr. 193 000.-- veranlagt. Seine Einsprache und Beschwerde gegen die Veranlagung blieben erfolglos.

B.- Mit Entscheid vom 29. Dezember 1965 hat die kantonale Rekurskommission entschieden, der Steuerpflichtige sei für die kantonalen Steuern und die Wehrsteuer (der Periode 1961/62) auf Grund der Einkünfte, die er in den Jahren 1959 und 1960 gehabt habe, zu besteuern. Das führte bezüglich der Wehrsteuer zur Bestätigung der Veranlagung mit Fr. 193 000.--. Zugleich wurde aber festgestellt, dass ihm seit dem 5. Oktober 1962 kein Erwerbseinkommen mehr ausbezahlt worden sei. Ab diesem Zeitpunkt wurde daher die Veranlagung auf Fr. 9900.-- angesetzt.

BGE 92 I 288 S. 290

C.- Der Steuerpflichtige ficht den Entscheid der kantonalen Rekurskommission, soweit er die Wehrsteuer betrifft, durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht an. Er verlangt die Herabsetzung des versteuerbaren Einkommens auf Fr. 9954.--. In der Beschwerdeschrift wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe 1959 - im Alter von 74 Jahren - jegliche Erwerbstätigkeit aufgegeben. Er habe Anspruch auf Gegenwartsbesteuerung gemäss Art. 42 in Verbindung mit Art. 41 Abs. 4 WStB. Die Honorare, die ihm 1960 und 1962 noch ausbezahlt wurden, seien Vergütungen für die frühere, im Jahre 1959 aufgegebene Tätigkeit. Sie seien daher der Wehrsteuer nicht mehr unterworfen. Wann der letzte Betrag an Honorar ausgerichtet worden sei, sei belanglos. Die gegenteilige Meinung der Rekurskommission führe für Freierwerbende und andere nicht buchführende Selbständigerwerbende zu unmöglichen Resultaten. Es sei möglich, dass die letzte Vergütung erst nach Monaten oder Jahren, vielleicht nach Abschluss langwieriger Prozesse ausbezahlt werde. Art. 42 WStB bezwecke eine Erleichterung zu Gunsten des Steuerpflichtigen. Er habe darauf Anspruch, unbekümmert um seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vor der Aufgabe der Erwerbstätigkeit.
D.- Die kantonale Rekurskommission Bern, die Wehrsteuerverwaltung des Kantons Bern und die eidg. Steuerverwaltung (EStV) beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Nach Art. 42 WStB hat der Steuerpflichtige Anspruch auf Besteuerung nach den neuen Verhältnissen, wenn sich das Einkommen "im Laufe der Berechnungsperiode" aus Gründen, die ausdrücklich genannt sind und zu denen auch die "Aufgabe der Erwerbstätigkeit" gehört, "dauernd verändert" hat. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer die Erwerbstätigkeit gegen Ende des Jahres 1959, also während der Berechnungsperiode, aufgegeben hat. Umstritten ist bloss die andere Voraussetzung der Gegenwartsbesteuerung, nämlich die dauernde Veränderung des Einkommens während der Berechnungsperiode.
2. Die Beurteilung dieses Streitpunktes hängt zunächst davon ab, ob man als "Einkommen im Sinne des Art. 42 WStB" die ausbezahlten Honorare betrachtet, oder ob man die Begründung der Guthaben, die mit den Honorarzahlungen
BGE 92 I 288 S. 291

beglichen wurden, als das entscheidende Merkmal des versteuerbaren Einkommens betrachtet. In der ersten Annahme sind die Honorarzahlungen, die der Beschwerdeführer in den Jahren 1959 und 1960 empfangen hat, als Einkommen dieser Jahre zu betrachten, in der zweiten dagegen handelt es sich um Einkommen der Vorjahre. a) Bei der Begründung der Forderung und bei der späteren Zahlung sind dem Steuerpflichtigen Rechte zugeflossen. Er ist aber nur einmal bereichert worden; steuerbares Einkommen kann daher nur einmal angenommen werden. Fallen die beiden Phasen, wie hier, in verschiedene Berechnungsperioden, so kann das Einkommen nur einer Berechnungsperiode, unter Ausschluss der andern, zugerechnet werden (BGE 73 I 142). Vorherrschend ist in solchen Fällen, namentlich bei buchführenden Steuerpflichtigen, die Besteuerung bei der Begründung des festen Anspruches. Das ist der Zeitpunkt, in dem der Steuerpflichtige für die von ihm erbrachten Leistungen Rechnung stellt und sie bucht (KÄNZIG, Wehrsteuer, N. 17 zu Art. 21). Zeichnet indessen der Freierwerbende in seinen Büchern nur die Geschäftseinnahmen auf, so wird üblicherweise hierauf auch bei der Besteuerung abgestellt. Bei nicht buchführenden Steuerpflichtigen ist es grundsätzlich nicht anders. Die Besteuerung im Zeitpunkt der Zahlungseingänge ist insbesondere im Baugewerbe angezeigt, da selbst buchführende Gewerbegenossen Gewinne aus nur teilweise erfüllten Werkverträgen regelmässig nicht verbuchen. Auch der im Baugewerbe übliche Garantierückhalt des Auftraggebers von 10% (vgl. Art. 45 Abs. 2 der Honorarordnung für Maschinen- und Elektro-Ingenieure sowie verwandte Berufe des Schweiz. Ingenieur- und Architektenvereins) spricht für diese Lösung. Das gegenteilige Vorgehen wäre für den steuerpflichtigen Baufachmann besonders dann nachteilig, wenn er in heiklen Auseinandersetzungen oder Prozessen sein Guthaben erst erkämpfen muss, was Jahre dauern kann. b) Im vorliegenden Fall hat der als Ingenieur tätig gewesene Beschwerdeführer nie den Erwerb von Forderungsrechten gegenüber der eidg. Amtsstelle deklariert. Er hat jeweils ausschliesslich die in den Berechnungsjahren eingegangenen Zahlungen angegeben. Der Fiskus hat sich in Anlehnung an die oben dargelegten Grundsätze mit dieser Ordnung abgefunden.
3. Hat sich der Steuerpflichtige für die Besteuerung seines
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Einkommens im Zeitpunkt der Zahlungseingänge entschieden, so ist die von ihm getroffene Wahl zu seinen Gunsten und Ungunsten folgerichtig durchzuführen (vgl. BOSSHARD, Der steuerrechtliche Einkommensbegriff, ZBl 1946 S. 309; derselbe: Die neue zürcherische Einkommens- und Vermögenssteuer, S. 84). Der Beschwerdeführer hat bei seiner Pensionierung im Jahre 1951 die Besteuerung nach den eingegangenen Zahlungen gewählt und jahrelang die Vorzüge seines Entscheids für sich in Anspruch genommen. Er kann nun nicht in einem für ihn günstigen Augenblick das System wechseln und erklären, die Zahlungen, die er 1959 und 1960 empfangen habe, seien in Wirklichkeit früher verdient worden. Selbst wenn dies richtig sein sollte, sind diese Zahlungen, entsprechend der von ihm gewünschten Besteuerung im Zeitpunkt der Zahlungseingänge, Einkommen der Jahre 1959 und 1960.
4. Damit ist die Frage, ob sich das Einkommen des Beschwerdeführers in diesen beiden Jahren infolge Aufgabe der Erwerbstätigkeit dauernd verändert habe, noch nicht entschieden. Zunächst fällt auf, dass das Einkommen im Jahre 1959 sprunghaft angestiegen, 1960 ebenso sprunghaft zurückgegangen ist. Wie sich aus den Erklärungen des Beschwerdeführers und der eidg. Amtsstelle ergibt, ist die Ursache dieser Schwankungen aber nicht in der Arbeitsleistung des Steuerpflichtigen, sondern bei seinem Auftraggeber zu suchen. Im Jahre 1959 wurden ihm zahlreiche Garantierückhalte bezahlt. Bei einem Selbständigerwerbenden, der lediglich die Eingänge versteuert, sind Unterschiede, wie sie in den beiden Berechnungsjahren 1959 und 1960 zutage getreten sind, nicht aussergewöhnlich. Das trifft erst recht zu für die Differenzen des Durchschnitts der Berechnungsperiode gegenüber den früheren Berechnungsperioden und gegenüber der folgenden Berechnungsperiode. Klar ist indessen, dass die ausserordentliche Höhe der Einnahmen in den Jahren 1959 und 1960 keine dauernde Veränderung des Einkommens darstellt. Der Vergleich mit dem stark zurückgegangenen Ertrag der beiden folgenden Jahre zeigt das eindeutig. Damit fehlt es an einer Voraussetzung für die Anwendung des Art. 42 WStB, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist.
Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.