Urteilskopf

91 IV 6

3. Urteil des Kassationshofes vom 2. Februar 1965 i.S. Löhrer gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
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Sachverhalt ab Seite 6

BGE 91 IV 6 S. 6

A.- Marietta Löhrer, der die Kasse eines Parfümeriegeschäftes in Zürich anvertraut war, behielt in der Zeit vom November 1961 bis Juli 1962 aus Barzahlungen von Kunden zahlreiche Geldbeträge zurück, die sie für eigene Bedürfnisse verbrauchte. Um diese Handlungen zu verheimlichen, liess sie die für das Geschäft bestimmten Doppel der den Kunden ausgehändigten Zahlungsquittungen verschwinden. Zum gleichen Zweck tippte sie die betreffenden Zahlungen auf der Registrierkasse nicht, so dass der Kontrollstreifen entsprechend weniger Einnahmen aufwies.

B.- Wegen dieses Sachverhaltes erklärte das Obergericht des Kantons Zürich Marietta Löhrer am 19. Oktober 1964 der wiederholten und fortgesetzten Veruntreuung (Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr196 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
StGB), der wiederholten und fortgesetzten Unterdrückung von Urkunden (Art. 254 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 254 - 1 Wer eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen darf, beschädigt, vernichtet, beiseiteschafft oder entwendet, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen darf, beschädigt, vernichtet, beiseiteschafft oder entwendet, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Die Unterdrückung von Urkunden zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
StGB) und der wiederholten und fortgesetzten Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
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StGB) schuldig und verurteilte sie zu vier Monaten Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug.

C.- Die Verurteilte ficht dieses Urteil mit der Nichtigkeitsbeschwerde insoweit an, als sie wegen Nichttippens der Registrierkasse der Urkundenfälschung schuldig erklärt wurde. Sie verlangt, in diesem Anklagepunkt freigesprochen zu werden.
BGE 91 IV 6 S. 7

Erwägungen

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

1. Nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichts war der Kontrollstreifen der Registrierkasse Grundlage für die Einträge im Kassabuch und zusammen mit diesem Bestandteil der Geschäftsbuchhaltung. Als solcher hatte er Urkundencharakter, indem auf Grund der gesetzlichen Pflicht zur ordnungsgemässen Führung der Geschäftsbücher von Gesetzes wegen vermutet wird, dass der Kassenstreifen über die eingegangenen Zahlungen wahrheitsgemäss und lückenlos Aufschluss gebe. Diese objektive, vom Gesetz verliehene Beweisbestimmung besteht unabhängig davon, wann und zu welchem Zweck der Geschäftsherr die Aufzeichnungen als Beweismittel verwenden will und ob sie, sei es für sich allein oder zusammen mit andern Unterlagen, tatsächlich vollen Beweis erbringen (BGE 79 IV 163f.). Es ist daher entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin unerheblich, ob der Kontrollstreifen der Registrierkasse nach dem Willen des Geschäftsinhabers auch gegenüber seinen Angestellten die Funktion eines Beweismittels zu erfüllen gehabt habe oder nicht und ob im Innenverhältnis die mit fortlaufenden Nummern versehenen Quittungsdoppel ein zuverlässigeres und glaubwürdigeres Mittel gewesen seien, um die Vollständigkeit und Richtigkeit der Bareinnahmen nachzuweisen. Massgebend für den Urkundencharakter des Kassenstreifens ist nicht der Grad der Glaubwürdigkeit, der ihm im Betrieb beigemessen wird, oder dessen Tauglichkeit, allfällige Fehlbeträge aufzudecken, sondern einzig, ob er seinem Wesen nach dazu bestimmt oder geeignet ist, die eingegangenen Zahlungen zu beweisen (Art. 110 Ziff. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.150
1    Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.150
2    Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben.
3    Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben.
3bis    Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.151
4    Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient.
5    Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden.
6    Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet.
7    Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft.
StGB). Da ihm hier diese Bestimmung kraft Gesetzes zukam, waren die Aufzeichnungen nicht bloss Behauptungen, wie sie Abrechnungen enthalten, die nicht Bestandteil einer kaufmännischen Buchhaltung sind (BGE 73 IV 109f., BGE 88 IV 34 f.). Ob allenfalls der Kontrollstreifen der Registrierkasse die Eigenschaft der Urkunde verliere, wenn die Einnahmen während einiger Zeit absichtlich nicht mehr aufgezeichnet werden, kann dahingestellt bleiben. Angenommen, dies sei zu bejahen, so folgt daraus nicht, dass auch dann keine Urkunde vorliege, wenn die Einnahmen getippt, einzelne von ihnen aber ausgelassen werden. In diesem Falle wird eine ordnungsmässige Kassenführung vorgespiegelt, deren Aufzeichnungen, wenn sie
BGE 91 IV 6 S. 8

Bestandteil der Buchhaltung sind, vollständig und richtig sein müssen. Durch Auslassung vereinzelter Einnahmen, die pflichtgemäss hätten aufgezeichnet werden sollen, werden die Betriebsergebnisse ebenso wie durch wahrheitswidriges Tippen einzelner Zahlungen gefälscht. Die Beschwerdeführerin hat sich daher Falschbeurkundungen im Sinne des Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
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StGB zuschulden kommen lassen.
2. In der Annahme der Vorinstanz, die Beschwerdeführerin habe die Falschbeurkundungen vorsätzlich begangen, liegt auch, wie in der Beschwerde anerkannt wird, die Feststellung, dass sich die Beschwerdeführerin der Beweisbestimmung des Kontrollstreifens der Registrierkasse bewusst war. Diese Feststellung betrifft tatsächliche Verhältnisse; sie ist daher für den Kassationshof verbindlich und kann mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden (Art. 277 bis Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...315
und 273 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
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lit. b BStP).

Dispositiv

Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.