Urteilskopf

91 III 81

16. Entscheid vom 3. Dezember 1965 i.S. Heiss.

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Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 82

BGE 91 III 81 S. 82

A.- In der Betreibung Nr. 33035 gegen Gustav Heiss für Fr. 3093.70 vollzog das Betreibungsamt Bern 1 am 5. Juli 1965 in der Wohnung des Schuldners in Utzigen eine Pfändung von Mobiliar, die sich als ungenügend erwies. Der Schuldner verlegte seinen Wohnsitz am 17. Juli nach Kölliken, Kanton Aargau. Daher erteilte das Betreibungsamt Bern 1 dem Betreibungsamt Kölliken im Hinblick auf eine Lohnpfändung einen "Pfändungsauftrag". Das beauftragte Amt nahm am 23.August 1965 nach Einvernahme des Schuldners eine Pfändungsurkunde auf. Darin stellte es auf Seite 2 ("Vollzug der Pfändung") dem Bruttolohn des Schuldners von monatlich Fr. 1100.-- das in mehrere Posten aufgeteilte Existenzminimum gegenüber, wie folgt: Existenzminimum für Ehepaar und 1 Kind Fr. 470.--
Alimente " 80.-
Mietzins inkl. Heizung " 300.--
Sozialbeiträge (..........) " 124.50
Elektrisch, Wasser " 30.-
Zuschlag zum Existenzminimum " 47.-
Fr. 1051.50
Steuern ca. " 50.-
Monatlich Fr. 1101.50
so dass kein pfändbarer Lohn übrig blieb. Es sandte am 25. August 1965 ein Exemplar dieser Pfändungsurkunde an den Schuldner.
B.- Das Betreibungsamt Bern 1 nahm die in Kölliken aufgenommene Pfändungsurkunde entgegen. In einer Aktennotiz bezeichnete es sie als "Bericht des Betreibungsamtes Kölliken", und im Anschluss daran verfügte es am 27. August 1965 eine Lohnpfändung von monatlich Fr. 80.-, beginnend sofort und dauernd längstens bis zum 26. August 1966.
C.- Auf Beschwerde des Schuldners, der sich in erster Linie auf das negative Ergebnis der in Kölliken versuchten Lohnpfändung
BGE 91 III 81 S. 83

berief, hob die untere Aufsichtsbehörde von Bern die Lohnpfändung des Betreibungsamtes Bern 1 auf. Der Rekurs des Gläubigers führte dagegen zur Wiederherstellung dieser Lohnpfändung durch Entscheid der obern kantonalen Aufsichtsbehörde vom 12. November 1965. Gründe: Das nach Verlegung des Wohnsitzes des Schuldners zur weitern Durchführung der Betreibung zuständig gebliebene Betreibungsamt Bern 1 blieb auch zuständig zur Vornahme einer Lohnpfändung. Hiebei waren die am Betreibungsorte Bern geltenden Richtlinien zur Bemessung des Existenzminimums massgebend. In der Aufstellung des Betreibungsamtes Kölliken, dem nur die Feststellung der Tatsachen oblag, ist der Betrag von Fr. 50.- für Steuern zu streichen, denn diese gehören nicht zum Notbedarf des Schuldners. Auch der Betrag von Fr. 30.- für elektrischen Strom und Wasser fällt weg; denn dieser Aufwand ist bereits im normalen Notbedarf enthalten. Dieser wird im Kanton Bern nicht durch einen Zuschlag von 10% erhöht; er beträgt für ein Ehepaar Fr. 385.--; dazu kommen Fr. 82.50 für ein sechsjähriges Kind. Wird die Aufstellung so berichtigt, so beträgt das monatliche Existenzminimum Fr. 1002.--. Selbst wenn man für die Sozialbeiträge, die der Schuldner aufzuwenden hat, gemäss seinen Angaben Fr. 135.15 (statt bloss Fr. 124.50) einsetzt, sind monatlich Fr. 80.- pfändbar.
D.- Mit vorliegendem Rekurs an das Bundesgericht hält der Schuldner an der Beschwerde fest. Eventuell beantragt er die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer Beurteilung.
Erwägungen

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

1. Zutreffend geht die Vorinstanz davon aus, dass das Betreibungsamt Bern 1, in dessen Kreis der Schuldner zur Zeit der Pfändungsankündigung noch gewohnt hatte, zur weitern Durchführung der Betreibung auch dann zuständig blieb, als er seinen Wohnsitz nach Kölliken verlegt hatte (Art. 53
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 53 - Verändert der Schuldner seinen Wohnsitz, nachdem ihm die Pfändung angekündigt oder nachdem ihm die Konkursandrohung oder der Zahlungsbefehl zur Wechselbetreibung zugestellt worden ist, so wird die Betreibung am bisherigen Orte fortgesetzt.
SchKG). Grundsätzlich war das Betreibungsamt Bern 1 daher auch zur Vornahme einer Lohnpfändung zuständig. Das Gebot, in einem andern Kreise liegende Vermögensstücke durch das Betreibungsamt des Ortes, wo sie sich befinden, pfänden zu lassen (Art. 89
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 89 - Unterliegt der Schuldner der Betreibung auf Pfändung, so hat das Betreibungsamt nach Empfang des Fortsetzungsbegehrens unverzüglich die Pfändung zu vollziehen oder durch das Betreibungsamt des Ortes, wo die zu pfändenden Vermögensstücke liegen, vollziehen zu lassen.
SchKG), gilt nicht für Forderungen und andere Rechte, deren Bestand nicht an eine Urkunde geknüpft ist.
BGE 91 III 81 S. 84

Solche Forderungen können (namentlich auch unabhängig vom Wohnorte des Drittschuldners) nach ständiger Rechtsprechung immer vom Amte des Betreibungsortes selbst gepfändet werden (BGE 73 III 84ff. und 118 ff., BGE 86 III 8 ff.; JAEGER, N. 5 zu Art. 89
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 89 - Unterliegt der Schuldner der Betreibung auf Pfändung, so hat das Betreibungsamt nach Empfang des Fortsetzungsbegehrens unverzüglich die Pfändung zu vollziehen oder durch das Betreibungsamt des Ortes, wo die zu pfändenden Vermögensstücke liegen, vollziehen zu lassen.
SchKG). Statt dessen kann aber eine solche Forderungspfändung beim Vorliegen besonderer Gründe auch an dem allenfalls vom Betreibungsort verschiedenen Wohnort des Schuldners erfolgen, da Forderungen, die nicht in einem Wertpapier verkörpert sind, als am Ort ihres Gläubigers, also eben des betriebenen Schuldners, gelegen gelten (vgl. JAEGER, N. 5 zu Art. 51
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 51 - 1 Haftet für die Forderung ein Faustpfand, so kann die Betreibung entweder dort, wo sie nach den Artikeln 46-50 stattzufinden hat, oder an dem Ort, wo sich das Pfand oder dessen wertvollster Teil befindet, eingeleitet werden.87
1    Haftet für die Forderung ein Faustpfand, so kann die Betreibung entweder dort, wo sie nach den Artikeln 46-50 stattzufinden hat, oder an dem Ort, wo sich das Pfand oder dessen wertvollster Teil befindet, eingeleitet werden.87
2    Für grundpfandgesicherte Forderungen88 findet die Betreibung nur dort89 statt, wo das verpfändete Grundstück liegt. Wenn die Betreibung sich auf mehrere, in verschiedenen Betreibungskreisen gelegene Grundstücke bezieht, ist dieselbe in demjenigen Kreise zu führen, in welchem der wertvollste Teil der Grundstücke sich befindet.
SchKG; FRITZSCHE, SchK I 151). Ein Grund zu solchem Vorgehen kann namentlich darin gefunden werden, dass vorerst tatsächliche Verhältnisse abzuklären und darauf abzielende Massnahmen am Wohnorte des Schuldners zu treffen sind. So verhält es sich insbesondere bei der Lohnpfändung, die sich einerseits auf die Feststellung des Lohneinkommens des Schuldners (und allfälliger anderer Einkommenselemente, wie etwa Beiträge der Ehefrau an die ehelichen Lasten, Arbeitsverdienst unmündiger, bei den Eltern lebender Kinder) und anderseits auf die Feststellung des die Pfändbarkeit begrenzenden Notbedarfs des Schuldners und seiner Familie stützen muss. Wohnt der Schuldner ausserhalb des Betreibungskreises, so lässt sich diese Abklärung in der Regel auf zuverlässige Art nur requisitionsweise durch das Amt seines Wohnortes vornehmen. Statt nun dieses Amt bloss mit den erforderlichen Untersuchungen und Feststellungen und mit einem Bericht über das Ergebnis zu beauftragen, von ihm also "Erhebungen und Aufschlüsse" zu verlangen (vgl.BGE 73 III 121Mitte), kann der Auftrag füglich auf Vollzug der Lohnpfändung überhaupt, nach Grundsatz und Mass, gehen. Dazu ist das Betreibungsamt des Wohnortes des Schuldners in der Tat oft am besten geeignet. Wenn es schon die Elemente des Einkommens und des Notbedarfs im einzelnen zu erforschen und zu beziffern hat, fällt es ihm gewöhnlich nicht schwer, dann gleich auch die Gesamtbeträge auszurechnen und einander gegenüberzustellen. Der Auftrag zum Vollzug einer Pfändung schliesst ohne weiteres die Befugnis zur Anwendung des Art. 93
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 93 - 1 Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
1    Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
2    Solches Einkommen kann längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden; die Frist beginnt mit dem Pfändungsvollzug. Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung teil, so läuft die Frist von der ersten Pfändung an, die auf Begehren eines Gläubigers der betreffenden Gruppe (Art. 110 und 111) vollzogen worden ist.
3    Erhält das Amt während der Dauer einer solchen Pfändung Kenntnis davon, dass sich die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse geändert haben, so passt es die Pfändung den neuen Verhältnissen an.
4    Auf Antrag des Schuldners weist das Amt den Arbeitgeber des Schuldners an, während der Dauer der Einkommenspfändung zusätzlich den für die Bezahlung der laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erforderlichen Betrag an das Amt zu überweisen, soweit diese Prämien und Kostenbeteiligungen zum Existenzminimum des Schuldners gehören. Das Amt begleicht damit die laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen direkt beim Versicherer.205
(gleich wie des Art. 92
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 92 - 1 Unpfändbar sind:
1    Unpfändbar sind:
1  die dem Schuldner und seiner Familie zum persönlichen Gebrauch dienenden Gegenstände wie Kleider, Effekten, Hausgeräte, Möbel oder andere bewegliche Sachen, soweit sie unentbehrlich sind;
1a  Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden;
10  Ansprüche auf Vorsorge- und Freizügigkeitsleistungen gegen eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge vor Eintritt der Fälligkeit;
11  Vermögenswerte eines ausländischen Staates oder einer ausländischen Zentralbank, die hoheitlichen Zwecken dienen.
2  die religiösen Erbauungsbücher und Kultusgegenstände;
3  die Werkzeuge, Gerätschaften, Instrumente und Bücher, soweit sie für den Schuldner und seine Familie zur Ausübung des Berufs notwendig sind;
4  nach der Wahl des Schuldners entweder zwei Milchkühe oder Rinder, oder vier Ziegen oder Schafe, sowie Kleintiere nebst dem zum Unterhalt und zur Streu auf vier Monate erforderlichen Futter und Stroh, soweit die Tiere für die Ernährung des Schuldners und seiner Familie oder zur Aufrechterhaltung seines Betriebes unentbehrlich sind;
5  die dem Schuldner und seiner Familie für die zwei auf die Pfändung folgenden Monate notwendigen Nahrungs- und Feuerungsmittel oder die zu ihrer Anschaffung erforderlichen Barmittel oder Forderungen;
6  die Bekleidungs-, Ausrüstungs- und Bewaffnungsgegenstände, das Dienstpferd und der Sold eines Angehörigen der Armee, das Taschengeld einer zivildienstleistenden Person sowie die Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände und die Entschädigung eines Schutzdienstpflichtigen;
7  das Stammrecht der nach den Artikeln 516-520 OR189 bestellten Leibrenten;
8  Fürsorgeleistungen und die Unterstützungen von Seiten der Hilfs-, Kranken- und Fürsorgekassen, Sterbefallvereine und ähnlicher Anstalten;
9  Renten, Kapitalabfindung und andere Leistungen, die dem Opfer oder seinen Angehörigen für Körperverletzung, Gesundheitsstörung oder Tötung eines Menschen ausgerichtet werden, soweit solche Leistungen Genugtuung, Ersatz für Heilungskosten oder für die Anschaffung von Hilfsmitteln darstellen;
9a  die Renten gemäss Artikel 20 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946193 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung oder gemäss Artikel 50 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959194 über die Invalidenversicherung, die Leistungen gemäss Artikel 12 des Bundesgesetzes vom 19. März 1965195 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie die Leistungen der Familienausgleichskassen;
2    Gegenstände, bei denen von vornherein anzunehmen ist, dass der Überschuss des Verwertungserlöses über die Kosten so gering wäre, dass sich eine Wegnahme nicht rechtfertigt, dürfen nicht gepfändet werden. Sie sind aber mit der Schätzungssumme in der Pfändungsurkunde vorzumerken.198
3    Gegenstände nach Absatz 1 Ziffern 1-3 von hohem Wert sind pfändbar; sie dürfen dem Schuldner jedoch nur weggenommen werden, sofern der Gläubiger vor der Wegnahme Ersatzgegenstände von gleichem Gebrauchswert oder den für ihre Anschaffung erforderlichen Betrag zur Verfügung stellt.199
4    Vorbehalten bleiben die besonderen Bestimmungen über die Unpfändbarkeit des Bundesgesetzes vom 2. April 1908200 über den Versicherungsvertrag (Art. 79 Abs. 2 und 80 VVG), des Urheberrechtsgesetzes vom 9. Oktober 1992201 (Art. 18 URG) und des Strafgesetzbuches202 (Art. 378 Abs. 2 StGB).203
) SchKG in sich (BGE 84 III 35).
2. Ob der "Pfändungsauftrag" des Betreibungsamtes Bern 1 an das Betreibungsamt Kölliken so umfassend gelautet habe, ist freilich den Akten des Beschwerdeverfahrens nicht zu
BGE 91 III 81 S. 85

entnehmen. Die Vorinstanz hat das Betreibungsamt Kölliken nicht zur Sache angehört und nicht zur Vorlegung des Ersuchungsschreibens angehalten, und das zur Beschwerde einvernommene Betreibungsamt Bern 1 hat kein Doppel dieses Schreibens vorgelegt. Nach seinen Ausführungen ging der Auftrag an das aargauische Betreibungsamt dahin, es seien "die neuen Verhältnisse (Mietzins, Lohn etc.) am neuen Wohnort festzustellen". Dabei war wohl ausdrücklich von einer Lohnpfändung die Rede. Das konnte in engerem Sinne - als Ersuchen um blosse Abklärung der Verhältnisse und um Bericht - oder auch in weiterem Sinne - als Ersuchen um Vornahme oder, je nach dem Ergebnis der tatsächlichen Feststellungen, Ablehnung einer Lohnpfändung - verstanden werden. Jedenfalls durfte sich das Betreibungsamt Kölliken für befugt halten, auf Grund dieses Auftrages selbständig und abschliessend über die Lohnpfändung zu befinden. Die förmliche Aufnahme einer Pfändungsurkunde mit der vollständigen Aufstellung des Existenzminimums und der Gegenüberstellung des Gesamtbetrages dieses Notbedarfes und des Lohneinkommens unter der Rubrik "Vollzug der Pfändung" konnte nur Ablehnung einer Lohnpfändung bedeuten, und das Betreibungsamt Kölliken eröffnete dies dem Schuldner eindeutig durch Zustellung der Pfändungsurkunde. Bei dieser Sachlage war es nicht zulässig, abweichend von dem in Kölliken erfolgten negativen Vollzugsakte dann gleichwohl in Bern eine Lohnpfändung zu verfügen. Das Betreibungsamt Bern 1 sah dies denn auch ein, als ihm die Beschwerde des Schuldners zur Vernehmlassung unterbreitet wurde. Mit Recht hielt es nun an der von ihm selbst verfügten Lohnpfändung nicht mehr fest, sondern beantragte deren Aufhebung und bemerkte, eine Überprüfung des in Kölliken festgestellten Existenzminimums "wäre gegebenenfalls Sache der neu zuständigen Aufsichtsbehörde im Kanton Aargau". Demgegenüber verkennt die Vorinstanz die vom Betreibungsamt Kölliken zulässigerweise ausgeübte selbständige Befugnis zur Anwendung von Art. 93
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 93 - 1 Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
1    Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
2    Solches Einkommen kann längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden; die Frist beginnt mit dem Pfändungsvollzug. Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung teil, so läuft die Frist von der ersten Pfändung an, die auf Begehren eines Gläubigers der betreffenden Gruppe (Art. 110 und 111) vollzogen worden ist.
3    Erhält das Amt während der Dauer einer solchen Pfändung Kenntnis davon, dass sich die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse geändert haben, so passt es die Pfändung den neuen Verhältnissen an.
4    Auf Antrag des Schuldners weist das Amt den Arbeitgeber des Schuldners an, während der Dauer der Einkommenspfändung zusätzlich den für die Bezahlung der laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erforderlichen Betrag an das Amt zu überweisen, soweit diese Prämien und Kostenbeteiligungen zum Existenzminimum des Schuldners gehören. Das Amt begleicht damit die laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen direkt beim Versicherer.205
SchKG. Die im Widerspruch zu dieser am Wohnort des Schuldners getroffenen Verfügung nachher am Betreibungsort verfügte Lohnpfändung war ohne weiteres wegen fehlender Zuständigkeit aufzuheben, wie es in der ersten Beschwerdeinstanz geschah, und es ist dem vorliegenden Rekurs aus diesem Grunde gleichfalls zu entsprechen.
BGE 91 III 81 S. 86

3. Bei diesem Ausgang der Angelegenheit hat das Bundesgericht nicht über die Richtigkeit der Notbedarfsberechnung des Betreibungsamtes Kölliken zu befinden. Denn es liegt keine Beschwerde gegen dieses Amt und kein Entscheid der ihm vorgesetzten Aufsichtsbehörde vor. Die negative Lohnpfändungsverfügung ist dem Gläubiger gegenüber rechtskräftig geworden, wenn jenes Betreibungsamt seinerzeit auch ihm ein Exemplar der Pfändungsurkunde zustellte oder er sie dann jedenfalls als Bestandteil der vom Betreibungsamte Bern 1 ergänzten Pfändungsurkunde zugestellt erhielt. (Jenes ist nicht festgestellt, dürfte aber wohl zutreffen; die vom Gläubiger vorgelegte Pfändungsurkunde des Betreibungsamtes Bern 1 dagegen enthält nur einen das Endergebnis nicht erwähnenden Auszug aus dem "Bericht" des Betreibungsamtes Kölliken). Zu bemerken ist immerhin, dass die Vorinstanz die Berücksichtigung von Steuerverpflichtungen des Schuldners als Element des Notbedarfs mit Recht kritisiert (BGE 69 III 41und Entscheid vom 20. Februar 1964 i.S. Podgornik, S. 5 unten; anders verhält es sich bei einer vom Arbeitgeber ohne Zutun des Schuldners jeweilen vom Lohn abgezogenen Pauschalsteuer, vgl. BGE 90 III 33 ff., wovon hier jedoch nicht die Rede ist). Darin kann der Vorinstanz dann aber nicht beigestimmt werden, dass die Lohnpfändung in einer bei einem bernischen Betreibungsamte hängigen Betreibung auch dann, wenn der Schuldner in einem andern Kantone wohnt, nach den im Kanton Bern angewandten Richtlinien zu bemessen sei. Massgebend sind, auch für den Entscheid über die Unpfändbarkeit, die Verhältnisse zur Zeit der Pfändung (BGE 82 II 107 Erw. 2 am Ende, mit Hinweisen). Dabei ist es ein Gebot der Vernunft und der Billigkeit, voll und ganz den am gegenwärtigen Wohnorte dem Schuldner und seiner Familie erwachsenden notwendigen Lebensaufwand in Rechnung zu stellen und die dort geltenden Grundsätze der Notbedarfsbemessung anzuwenden. Über die Lohnpfändung ist daher in jedem Falle so zu entscheiden, wie wenn die Betreibung selbst am Wohnorte des Schuldners durchgeführt würde. Nicht nur das Betreibungsamt Kölliken als ersuchtes Amt ist also zutreffenderweise so vorgegangen, sondern in gleicher Weise hätte das Betreibungsamt Bern 1 verfahren müssen, wenn es sich die eigentliche Entscheidung über die Lohnpfändung vorbehalten hätte. Wenn insbesondere nach aargauischem Brauch "Elektrisch und Wasser" im Grundbetrag

BGE 91 III 81 S. 87

des nach den dort geltenden Ansätzen bemessenen normalen "Existenzminimums" nicht inbegriffen sind, so war es somit gerechtfertigt, hiefür einen besonderen Posten einzusetzen. Mit dem Gesagten stimmt es überein, dass das Bundesgericht in dem bereits angeführten Entscheid vom 20. Februar 1964 i.S. Podgornik unter Hinweis auf eine ältere Praxis erklärt hat, für die Feststellung des Existenzminimums eines im Ausland wohnenden Schuldners sei auf die Lebenskosten am ausländischen Wohnorte abzustellen. Ferner wird dort ausgeführt: "Indem das Gesetz die Festsetzung des Notbedarfs ins Ermessen jedes Betreibungsamtes stellt, will es - innerhalb der Schweiz - den lokalen Unterschieden in den Lebenskosten Rechnung tragen, und zwar eben den Lebenskosten an dem Orte, wo der Schuldner und seine Familie leben und diese Kosten bestreiten müssen." Im vorliegenden Falle waren somit die aargauischen Ansätze anzuwenden, gleichgültig ob das Betreibungsamt Bern 1 selber über die Lohnpfändung entschied oder diese Entscheidung dem Amte des Wohnortes überliess, auf dessen Rechtshilfe es ohnehin zur Abklärung des Sachverhaltes angewiesen war. Dem Willen des Gesetzes, die derzeit wirklich, also eben an seinem Wohnorte, bestehenden Bedürfnisse des Schuldners und seiner Familie zu berücksichtigen, entspricht es in der Regel, wenn dem Amte dieses Ortes und den ihm vorgesetzten Aufsichtsbehörden der Entscheid über die Lohnpfändung schlechtweg, und damit insbesondere über die Bemessung des Notbedarfes, überlassen wird.
Dispositiv

Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen und die vom Betreibungsamt Bern 1 am 27. August 1965 verfügte Lohnpfändung aufgehoben.