Urteilskopf

90 IV 94

20. Urteil des Kassationshofes vom 1. Mai 1964 i.S. Oes gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
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Sachverhalt ab Seite 94

BGE 90 IV 94 S. 94

A.- Oes fuhr am 17. Februar 1963 gegen Mitternacht am Steuer eines Volkswagens auf der Werdstrasse in
BGE 90 IV 94 S. 95

Zürich stadtauswärts. Auf der Kreuzung mit der Stauffacherstrasse stiess er mit einem von links kommenden Personenwagen zusammen, der abgedreht wurde und gegen einen Baum prallte. Oes, der angetrunken war, hielt nicht an. Er befürchtete, sich einer Blutprobe unterziehen zu müssen, und ergriff deshalb die Flucht. Die Nacht verbrachte er auswärts.
B.- Das Bezirksgericht Zürich fand Oes des pflichtwidrigen Verhaltens bei einem Unfall (Art. 92 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 92 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer als Fahrzeugführer bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat und die Flucht ergreift.
SVG) schuldig und bestrafte ihn mit zwanzig Tagen Haft. Von der Anklage, den Zweck einer Blutprobe vereitelt zu haben (Art. 91 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
1    Mit Busse wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt;
b  das Verbot, unter Alkoholeinfluss zu fahren, missachtet;
c  in fahrunfähigem Zustand ein motorloses Fahrzeug führt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration ein Motorfahrzeug führt;
b  aus anderen Gründen fahrunfähig ist und ein Motorfahrzeug führt.
SVG), sprach es ihn frei. Auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin erklärte das Obergericht des Kantons Zürich Oes am 25. November 1963 dieses Vergehens ebenfalls schuldig und verurteilte ihn zu einem Monat Gefängnis und Fr. 100.-- Busse.
C.- Oes führt gegen das Urteil des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei von der Anschuldigung, sich gemäss Art. 91 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
1    Mit Busse wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt;
b  das Verbot, unter Alkoholeinfluss zu fahren, missachtet;
c  in fahrunfähigem Zustand ein motorloses Fahrzeug führt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration ein Motorfahrzeug führt;
b  aus anderen Gründen fahrunfähig ist und ein Motorfahrzeug führt.
SVG strafbar gemacht zu haben, freizusprechen. Er macht geltend, diese Bestimmung setze in jedem Falle eine amtlich angeordnete Massnahme voraus; an einer solchen fehle es hier. Wer fliehe, mache sich zudem nur strafbar, wenn das Gesetz dies ausdrücklich bestimme. Dies treffe nach Art. 92
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 92 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer als Fahrzeugführer bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat und die Flucht ergreift.
, nicht aber nach Art. 91 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
1    Mit Busse wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt;
b  das Verbot, unter Alkoholeinfluss zu fahren, missachtet;
c  in fahrunfähigem Zustand ein motorloses Fahrzeug führt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration ein Motorfahrzeug führt;
b  aus anderen Gründen fahrunfähig ist und ein Motorfahrzeug führt.
SVG zu.
Eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde, die Oes gegen das gleiche Urteil eingereicht hat, ist vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am 20. März 1964 abgewiesen worden.
Erwägungen

Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Nach Art. 91 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
1    Mit Busse wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt;
b  das Verbot, unter Alkoholeinfluss zu fahren, missachtet;
c  in fahrunfähigem Zustand ein motorloses Fahrzeug führt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration ein Motorfahrzeug führt;
b  aus anderen Gründen fahrunfähig ist und ein Motorfahrzeug führt.
SVG wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Busse bestraft, wer sich vorsätzlich einer amtlich angeordneten Blutprobe oder einer zusätzlichen ärztlichen Untersuchung widersetzt oder entzieht oder den Zweck dieser Massnahmen vereitelt.
BGE 90 IV 94 S. 96

1. Nach ihrem Wortlaut scheint sich die Bestimmung nur auf Blutproben und zusätzliche ärztliche Untersuchungen zu beziehen, die bereits amtlich angeordnet worden sind ("ordonnés par l'autorité", "ordinati dall'autorità"). Eine solche Auslegung würde dem wahren Sinn der Norm jedoch nicht gerecht und kann deshalb nicht massgebend sein (vgl. BGE 87 IV 118 Erw. b und dort angeführte Lehre und Rechtsprechung). Art. 91 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
1    Mit Busse wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt;
b  das Verbot, unter Alkoholeinfluss zu fahren, missachtet;
c  in fahrunfähigem Zustand ein motorloses Fahrzeug führt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration ein Motorfahrzeug führt;
b  aus anderen Gründen fahrunfähig ist und ein Motorfahrzeug führt.
SVG beruht auf der Überlegung, dass namentlich Fahrzeugführer, bei denen Anzeichen von Angetrunkenheit vorliegen, geeigneten Untersuchungen zu unterziehen sind (Art. 55 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 55 - 1 Fahrzeugführer sowie an Unfällen beteiligte Strassenbenützer können einer Atemalkoholprobe unterzogen werden.
1    Fahrzeugführer sowie an Unfällen beteiligte Strassenbenützer können einer Atemalkoholprobe unterzogen werden.
2    Weist die betroffene Person Anzeichen von Fahrunfähigkeit auf und sind diese nicht oder nicht allein auf Alkoholeinfluss zurückzuführen, so kann sie weiteren Voruntersuchungen, namentlich Urin- und Speichelproben unterzogen werden.
3    Eine Blutprobe muss angeordnet werden, wenn:124
a  Anzeichen von Fahrunfähigkeit vorliegen, die nicht auf Alkoholeinfluss zurückzuführen sind;
b  die betroffene Person sich der Durchführung der Atemalkoholprobe widersetzt oder entzieht oder den Zweck dieser Massnahme vereitelt;
c  die betroffene Person die Durchführung einer Blutalkoholanalyse verlangt.
3bis    Eine Blutprobe kann angeordnet werden, wenn die Durchführung einer Atemalkoholprobe unmöglich oder nicht geeignet ist, um die Widerhandlung festzustellen. 127
4    Die Blutprobe kann aus wichtigen Gründen auch gegen den Willen der verdächtigten Person abgenommen werden. Andere Beweismittel für die Feststellung der Fahrunfähigkeit bleiben vorbehalten.
5    ...128
6    Die Bundesversammlung legt in einer Verordnung fest:
a  bei welcher Atemalkohol- und bei welcher Blutalkoholkonzentration unabhängig von weiteren Beweisen und individueller Alkoholverträglichkeit Fahrunfähigkeit im Sinne dieses Gesetzes angenommen wird (Angetrunkenheit); und
b  welche Atemalkohol- und welche Blutalkoholkonzentration als qualifiziert gelten.129
6bis    Wurde sowohl die Atemalkoholkonzentration als auch die Blutalkoholkonzentration gemessen, so ist die Blutalkoholkonzentration massgebend.130
7    Der Bundesrat:
a  kann für andere die Fahrfähigkeit herabsetzende Substanzen festlegen, bei welchen Konzentrationen im Blut unabhängig von weiteren Beweisen und individueller Verträglichkeit Fahrunfähigkeit im Sinne dieses Gesetzes angenommen wird;
b  erlässt Vorschriften über die Voruntersuchungen (Abs. 2), das Vorgehen bei der Atemalkohol- und der Blutprobe, die Auswertung dieser Proben und die zusätzliche ärztliche Untersuchung der der Fahrunfähigkeit verdächtigten Person;
c  kann vorschreiben, dass zur Feststellung einer Sucht, welche die Fahreignung einer Person herabsetzt, nach diesem Artikel gewonnene Proben, namentlich Blut-, Haar- und Nagelproben, ausgewertet werden.
SVG) und dass sie bestraft werden sollen, wenn sie sich solchen Untersuchungen widersetzen oder entziehen oder deren Zweck, d.h. die Feststellung, ob und allenfalls in welchem Grade sie angetrunken seien, vereiteln. Diese Feststellung kann ein Fahrer unter Umständen schon verunmöglichen, bevor die Polizei sich überhaupt darüber Rechenschaft geben kann, ob eine Blutprobe anzuordnen sei. Das trifft z.B. zu, wenn er noch vor Eintreffen der Polizei weitern Alkohol zu sich nimmt oder wenn er, wie der Beschwerdeführer, nach dem Unfall flüchtet und erst am folgenden Tag aufgegriffen werden kann. Dass sich in solchen Fällen eine nachträgliche Anordnung der Blutprobe oft als zwecklos erweisen muss, ist dem Gesetzgeber nicht entgangen (vgl. Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Strassenverkehr vom 24. Juni 1955, BBl 1955 II S. 39 und 63). Die Zulässigkeit der Strafe kann folglich im Falle der Vereitelung nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Massnahme bereits amtlich angeordnet worden sei. Die gegenteilige Auffassung wäre mit dem Bestreben des Gesetzes, den Führer, der die Feststellung der Angetrunkenheit verunmöglicht, gleich zu bestrafen wie denjenigen, der des Fahrens in angetrunkenem Zustande überführt ist, nicht vereinbar. Dass blosse Flucht nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen bestraft werden darf, hilft dem Beschwerdeführer
BGE 90 IV 94 S. 97

nicht. Art. 91 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
1    Mit Busse wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt;
b  das Verbot, unter Alkoholeinfluss zu fahren, missachtet;
c  in fahrunfähigem Zustand ein motorloses Fahrzeug führt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration ein Motorfahrzeug führt;
b  aus anderen Gründen fahrunfähig ist und ein Motorfahrzeug führt.
SVG frägt nicht danach, mit welchen Mitteln der Täter den Zweck der Massnahmen vereitelt. Die Bestimmung verlangt auch nicht, dass er besondere Vorkehren treffen müsse, wie der Beschwerdeführer anzunehmen scheint. Es genügt, dass dem Täter ein Verhalten zur Last gelegt werden muss, das auf Vereitelung des Nachweises angelegt ist, in angetrunkenem Zustande ein Fahrzeug geführt zu haben. Der angetrunkene Fahrer, der nach einem Unfall die Flucht ergreift und sich, wie der Beschwerdeführer, dem Zugriff der Polizei solange entzieht, bis die Angetrunkenheit abgeklungen und damit nicht mehr feststellbar ist, macht sich deshalb nicht nur nach Art. 92
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 92 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer als Fahrzeugführer bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat und die Flucht ergreift.
, sondern auch nach Art. 91 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
1    Mit Busse wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt;
b  das Verbot, unter Alkoholeinfluss zu fahren, missachtet;
c  in fahrunfähigem Zustand ein motorloses Fahrzeug führt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration ein Motorfahrzeug führt;
b  aus anderen Gründen fahrunfähig ist und ein Motorfahrzeug führt.
SVG strafbar.
2. Der Beschwerdeführer war nach dem angefochtenen Urteil angetrunken, als er sich am 17. Februar 1963 gegen Mitternacht in Zürich ans Steuer seines Personenwagens setzte und stadtauswärts fuhr. Das Obergericht stellt zudem in eingehender Würdigung des Beweises fest, dass Oes nach dem Zusammenstoss weiterfuhr, weil er eine Blutprobe befürchtete. Diese Feststellungen sind tatsächlicher Natur und binden deshalb den Kassationshof. Sie können nur dahin verstanden werden, dass Oes mit der Massnahme rechnete und sich ihr für den Fall, dass sie angeordnet würde, entziehen wollte. Er hat deshalb zumindest eventualvorsätzlich gehandelt und somit den Tatbestand der Vereitelung im Sinne von Art. 91 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
1    Mit Busse wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt;
b  das Verbot, unter Alkoholeinfluss zu fahren, missachtet;
c  in fahrunfähigem Zustand ein motorloses Fahrzeug führt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration ein Motorfahrzeug führt;
b  aus anderen Gründen fahrunfähig ist und ein Motorfahrzeug führt.
SVG auch subjektiv erfüllt.
Dispositiv

Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.