Urteilskopf

85 IV 169

45. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. Oktober 1959 i.S. Freivogel gegen Staatsanwaltschaft des Seelandes.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 169

BGE 85 IV 169 S. 169

Am 1. Oktober 1948 verurteilte das Geschwornengericht des Seelandes Freivogel wegen Raubes und Nötigung, begangen am 22. Juni 1943, zu sechs Jahren Zuchthaus und zu fünf Jahren Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit. Am 8. April 1957 hiess der Kassationshof des Kantons Bern das Revisionsgesuch des Verurteilten gut, hob das Urteil vom 1. Oktober 1948 auf und wies die Sache zu neuer Beurteilung an das Geschwornengericht des IV. Bezirkes des Kantons Bern. Dieses verurteilte Freivogel am 11. April 1959 wiederum wegen Raubes und Nötigung zu sechs Jahren Zuchthaus, unter Anrechnung der ausgestandenen Strafe, und zu fünf Jahren Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit.
BGE 85 IV 169 S. 170

Der Verurteilte macht mit der Nichtigkeitsbeschwerde geltend, das Verfahren hätte wegen Verjährung eingestellt werden müssen.
Erwägungen

Erwägungen:
Die Verfolgung des Raubes (Art. 139
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 139 - 1. Quiconque, pour se procurer ou procurer à un tiers un enrichissement illégitime, soustrait une chose mobilière appartenant à autrui dans le but de se l'approprier est puni d'une peine privative de liberté de cinq ans au plus ou d'une peine pécuniaire.
1    Quiconque, pour se procurer ou procurer à un tiers un enrichissement illégitime, soustrait une chose mobilière appartenant à autrui dans le but de se l'approprier est puni d'une peine privative de liberté de cinq ans au plus ou d'une peine pécuniaire.
2    Abrogé
3    Le vol est puni d'une peine privative de liberté de six mois à dix ans si son auteur:
a  en fait métier;
b  commet l'acte en qualité d'affilié à une bande formée pour commettre des brigandages ou des vols;
c  se munit d'une arme à feu ou d'une autre arme dangereuse ou cause une explosion pour commettre le vol, ou
d  montre de toute autre manière, par sa façon d'agir, qu'il est particulièrement dangereux.
4    Le vol commis au préjudice des proches ou des familiers n'est poursuivi que sur plainte.
StGB), den der Beschwerdeführer am 22. Juni 1943 begangen hat, verjährt ungeachtet der Unterbrechungen nach Ablauf von 15 Jahren (Art. 70
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 70 - 1 Le juge prononce la confiscation des valeurs patrimoniales qui sont le résultat d'une infraction ou qui étaient destinées à décider ou à récompenser l'auteur d'une infraction, si elles ne doivent pas être restituées au lésé en rétablissement de ses droits.
1    Le juge prononce la confiscation des valeurs patrimoniales qui sont le résultat d'une infraction ou qui étaient destinées à décider ou à récompenser l'auteur d'une infraction, si elles ne doivent pas être restituées au lésé en rétablissement de ses droits.
2    La confiscation n'est pas prononcée lorsqu'un tiers a acquis les valeurs dans l'ignorance des faits qui l'auraient justifiée, et cela dans la mesure où il a fourni une contre-prestation adéquate ou si la confiscation se révèle d'une rigueur excessive.
3    Le droit d'ordonner la confiscation de valeurs se prescrit par sept ans, à moins que la poursuite de l'infraction en cause ne soit soumise à une prescription d'une durée plus longue; celle-ci est alors applicable.
4    La décision de confiscation fait l'objet d'un avis officiel. Les prétentions de lésés ou de tiers s'éteignent cinq ans après cet avis.
5    Si le montant des valeurs soumises à la confiscation ne peut être déterminé avec précision ou si cette détermination requiert des moyens disproportionnés, le juge peut procéder à une estimation.
und Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 72 - Le juge prononce la confiscation de toutes les valeurs patrimoniales sur lesquelles une organisation criminelle ou terroriste exerce un pouvoir de disposition. Les valeurs appartenant à une personne qui a participé ou apporté son soutien à une telle organisation (art. 260ter) sont présumées soumises, jusqu'à preuve du contraire, au pouvoir de disposition de l'organisation.
StGB). Träfe die Behauptung des Beschwerdeführers zu, dass die Frist ununterbrochen gelaufen sei, so wäre die absolute Verjährung am 22. Juni 1958, also in einem Zeitpunkt eingetreten, als das angefochtene Urteil vom 11. April 1959 noch nicht ergangen war. Das ist jedoch nicht der Fall. Das Urteil des Geschwornengerichtes vom 1. Oktober 1948 ist, was aus dem sofortigen Antritt der Strafe hervorgeht, mit der Ausfällung vollstreckbar geworden. Nach der Rechtsprechung, die nicht bestritten wird, hörte an diesem Tage die Verfolgungsverjährung auf, und es begann die Vollstreckungsverjährung zu laufen, da die beiden Verjährungen nicht gleichzeitig nebeneinander laufen können (BGE 72 IV 107; BGE 73 IV 14). Fragen kann sich daher nur, ob mit dem Entscheid des bernischen Kassationshofes vom 8. April 1957, durch den in Gutheissung des Wiederaufnahmegesuches des Beschwerdeführers das Urteil vom 1. Oktober 1948 aufgehoben und die Sache zur neuen Beurteilung an das Geschwornengericht zurückgewiesen wurde, die Verfolgungsverjährung wieder zu laufen begonnen hat, d.h. ob sie zwischen Ausfällung und Aufhebung des früheren Urteils bloss ruhte, wie die Vorinstanz annimmt, oder ob trotz der Aufhebung des Urteils die Vollstreckungsverjährung weiterlief. Das Wiederaufnahmeverfahren zugunsten des Verurteilten verfolgt den Zweck, das frühere Urteil, sofern ihm ein Justizirrtum zugrundeliegt, rückwirkend zu beseitigen und den zu Unrecht Verurteilten freizusprechen oder milder zu bestrafen. Würde die Verfolgungsverjährung im Revisionsverfahren
BGE 85 IV 169 S. 171

wieder aufleben, so wäre jedes Mal, wenn nach Aufhebung des Sachurteils während des wiederaufgenommenen Verfahrens die Verjährung einträte, die Berichtigung des objektiven und subjektiven Tatbestandes, auf dem die Verurteilung beruhte, und die Ausfällung eines neuen Sachurteils ausgeschlossen. Es bliebe somit dem zu Unrecht Verurteilten die Verwirklichung des gesetzlichen Anspruches auf Wiedergutmachung (Art. 397
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 72 - Le juge prononce la confiscation de toutes les valeurs patrimoniales sur lesquelles une organisation criminelle ou terroriste exerce un pouvoir de disposition. Les valeurs appartenant à une personne qui a participé ou apporté son soutien à une telle organisation (art. 260ter) sont présumées soumises, jusqu'à preuve du contraire, au pouvoir de disposition de l'organisation.
StGB) für immer verwehrt oder jedenfalls nicht mehr von Bundesrechts wegen gewährleistet. Denn die Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung böte ihm hiefür keinen gleichwertigen Ersatz. Die Revision zugunsten des Verurteilten, soll sie ihre Aufgabe in allen Fällen gleichermassen erfüllen, setzt demnach voraus, dass das wiederaufgenommene Verfahren ohne Rücksicht auf den Zeitablauf zu Ende geführt werden kann. Es wäre auch ein Widerspruch, wenn die Verjährungsbestimmung, die gerade im Interesse des Angeklagten aufgestellt wurde, im Revisionsverfahren sich zu seinen Ungunsten auswirken könnte. Dass die Verjährung auch dann nicht eintreten kann, wenn das wiederaufgenommene Verfahren erneut zu einer Verurteilung führt, ist nicht unbillig. Das Rechtsmittel der Revision gibt dem Verurteilten nur Anspruch auf Feststellung, ob das verurteilende Erkenntnis materiell unrichtig sei, und zutreffendenfalls auf Ausfällung eines Urteils, dem der berichtigte oder ergänzte Tatbestand zugrundeliegt, nicht aber darauf, dass ein neues Sachurteil wegen Zeitablaufes unterbleibe. Die dargelegte Auffassung, welche mit der herrschenden Lehrmeinung übereinstimmt (CLERC, ZStR 61, 245, 69, 198; PFENNINGER, ZStR 70, 59, WAIBLINGER, ZStR 75, 393), hat überdies den Vorteil, dass es nicht darauf ankommt, ob das frühere Urteil je nach kantonalem Prozessrecht bereits im Wiederaufnahmeentscheid aufgehoben wird oder ob es bis zur Neubeurteilung im wiederaufgenommenen Verfahren in Rechtskraft bleibt. Da im einen wie im andern Falle die Vollstreckungsverjährung weiterläuft und deren Eintritt die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht hindert
BGE 85 IV 169 S. 172

(BGE 69 IV 137), hat der Revisionsrichter im neuen Urteil allenfalls lediglich festzustellen, dass die an Stelle der früheren getretene neue Strafe wegen Verjährung nicht mehr vollstreckbar ist. Im Gegensatz zur revisio in favorem bezweckt das Wiederaufnahmeverfahren zu Ungunsten des Beschuldigten die Verurteilung eines Freigesprochenen oder die Ausfällung einer strengeren Strafe an Stelle der früher ausgesprochenen. Der Ausschluss der Verfolgungsverjährung würde sich in diesem Falle zum Nachteil des Angeklagten auswirken und einseitig das Interesse des Staates an der Weiterverfolgung einer irrtümlich nicht oder nur ungenügend gesühnten Tat begünstigen. Ein solches Ergebnis, das dem Sinn der Verjährung widerspräche, wäre stossend. Es ist auch schwer zu ersehen, warum dem Zeitablauf in diesem Verfahren nicht sollte Rechnung getragen werden können. Der Auffassung, dass ein Hinderungsgrund im früheren Sachurteil liege, durch welches die Schuld oder Nichtschuld des Angeklagten rechtskräftig festgestellt und damit die Strafverfolgung endgültig abgeschlossen worden sei (WAIBLINGER, ZStR 75, 399), könnte jedenfalls kaum beigepflichtet werden. So wenig die Verbindlichkeit rechtskräftiger Entscheidungen eine absolute ist, solange sie durch andere ausserordentliche Rechtsmittel beseitigt werden kann (BGE 85 II 147), ebenso wird auch die Strafverfolgung durch ein rechtskräftiges Strafurteil, das durch Revision angefochten werden kann, nicht endgültig abgeschlossen; der Abschluss erfolgt vielmehr unter dem Vorbehalt, dass das Verfahren nicht auf dem Wege der Revision wieder aufgenommen wird. Zur Frage der Verjährung im Wiederaufnahmeverfahren zu Ungunsten des Beschuldigten, insbesondere zu derjenigen, wie die Fristen zu berechnen wären, braucht indessen nicht abschliessend Stellung genommen zu werden, da sich im vorliegenden Falle eine Entscheidung erübrigt.