Urteilskopf

84 IV 102

30. Urteil des Kassationshofes vom 4. November 1958 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn.
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Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 102

BGE 84 IV 102 S. 102

A.- X., geb. 1927, stand beruflich in Geschäftsbeziehungen mit dem Wirt eines Restaurants. Bei seinen häufigen Besuchen lernte er dort Y., geb. 13. Juni 1942, kennen, die seit Juli 1957 als Küchenmädchen angestellt und gelegentlich in der Wirtschaft beschäftigt war. Hin
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und wieder streichelte er deren Brüste, und einmal griff er ihr unter den Rock an den Geschlechtsteil. Ende November/anfangs Dezember 1957 versuchte er anlässlich einer Autofahrt, mit dem Mädchen den Beischlaf zu vollziehen, und ein weiteres Mal beging er andere unzüchtige Handlungen an ihm. Y. sah älter aus, als sie war; beim ersten Ausflug antwortete sie X. auf dessen Frage nach dem Alter, sie sei 16 Jahre alt gewesen.
B.- Am 24. September 1958 verurteilte das Obergericht des Kantons Solothurn X. in Anwendung von Art. 191 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
, Ziff. 2 Abs. 1 und Ziff. 3 StGB zu sechs Monaten Gefängnis, bedingt vollziehbar, und zu einer Genugtuungssumme von Fr. 300.--. Es nahm an, der Verurteilte habe in der irrigen Vorstellung gehandelt, das Mädchen sei über 16 Jahre alt, doch hätte er bei pflichtgemässer Vorsicht den Irrtum vermeiden können.
C.- Der Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei freizusprechen. Er ist der Auffassung, er habe seiner Vorsichtspflicht durch Befragen des Mädchens genügt; mehr könne ihm nicht zugemutet werden.
Erwägungen

Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Der Täter, der irrtümlich angenommen hat, das zur Unzucht missbrauchte Kind sei mehr als 16 Jahre alt, kann sich nicht auf Irrtum über den Sachverhalt (Art. 19 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 19 - 1 War der Täter zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so ist er nicht strafbar.
1    War der Täter zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so ist er nicht strafbar.
2    War der Täter zur Zeit der Tat nur teilweise fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so mildert das Gericht die Strafe.
3    Es können indessen Massnahmen nach den Artikeln 59-61, 63, 64, 67, 67b und 67e getroffen werden.15
4    Konnte der Täter die Schuldunfähigkeit oder die Verminderung der Schuldfähigkeit vermeiden und dabei die in diesem Zustand begangene Tat voraussehen, so sind die Absätze 1-3 nicht anwendbar.
StGB) berufen, sondern er ist nach Art. 191 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB strafbar, wenn er bei pflichtgemässer Vorsicht die falsche Vorstellung hätte vermeiden können. Die Vorsicht, zu der der Täter verpflichtet ist, hängt von den Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen ab (Art. 18 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 18 - 1 Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben.
1    Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben.
2    War dem Täter nicht zuzumuten, das gefährdete Gut preiszugeben, so handelt er nicht schuldhaft.
StGB). Der Beschwerdeführer kannte das Schutzalter der Mädchen, und er behauptet selber nicht, dass der fünfzehnjährigen Y. ihrer äusseren Erscheinung wegen ein erheblich höheres Alter als das einer Sechzehnjährigen gegeben worden wäre. Schon allein das Bewusstsein, dass das
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wirkliche Alter des Mädchens nahe der strafrechtlich massgeblichen Grenze liegen konnte, hätte ihn zu besonderer Vorsicht veranlassen sollen. Als Mann von nahezu dreissig Jahren hatte er Lebenserfahrung genug, um wissen zu können, dass die körperliche Entwicklung Jugendlicher nicht immer mit dem wirklichen Alter übereinstimmt, das Aussehen der missbrauchten Tochter infolgedessen keine Gewähr dafür bot, dass sie das Schutzalter überschritten habe. Ebensowenig konnte der Beschwerdeführer aus ihrer beruflichen Stellung einen eindeutigen Schluss auf das Alter ziehen; denn dass Y. als Küchenmädchen und nicht als Serviertochter angestellt war und höchstens gelegentlich diese vertrat, musste ihm als häufiger Gast des Restaurants bekannt sein. Er hatte daher Grund, an deren Alter zu zweifeln, und dies umso mehr, als ihm nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichts nicht entgangen sein konnte, dass sie erst im Frühjahr 1957 aus der Schule entlassen worden war. Unter diesen Umständen hätte er sich nach dem Alter der Tochter erkundigen müssen, bevor er sich mit ihr in nähere Beziehungen einliess. Es war leichtfertig, dies erst zu tun, als er sich anschickte, mit ihr den Beischlaf zu vollziehen, und zudem pflichtwidrig unvorsichtig, sich damit zu begnügen, die Zweifel bloss mit einer einzigen Frage zerstreuen zu wollen. Der Beschwerdeführer hätte sich sagen müssen, dass der Altersangabe eines jungen Mädchens, das sich von einem reiferen Mann umworben sieht, nicht blind vertraut werden darf, namentlich nicht, wenn es Abenteuer sucht oder doch an einem solchen offensichtlich Gefallen findet. Zum mindesten hätte er durch weitere Fragen, z.B. über Schulbesuch, abzuklären versuchen sollen, ob Y. wirklich das 16. Altersjahr überschritten habe. Hiezu kommt, dass er sie seit Wochen kannte und darum ohne weiteres Zeit und Gelegenheit gehabt hätte, ihr Alter durch Befragung des Wirtes, mit dem er in enger Verbindung stand, zuverlässig zu erfahren. Die pflichtgemässe Vorsicht verlangte, diese Möglichkeit der Erkundigung rechtzeitig wahrzunehmen. Die Vorinstanz
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hat den Beschwerdeführer zu Recht nach Art. 191 Ziff. 3 verurteilt.
Dispositiv

Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.