Urteilskopf

84 III 20

6. Auszug aus dem Entscheid vom 2. Mal 1958 i.S. Engler.

Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 20

BGE 84 III 20 S. 20

Bei der Beurteilung der Frage der Unpfändbarkeit der als Berufswerkzeuge angesprochenen Automobile hat sich das Bundesgericht in den letzten Jahren veranlasst gesehen, auf das Moment der Wirtschaftlichkeit der Verwendung dieses Hilfsmittels für die Berufsausübung stärkeres Gewicht zu legen. Der Zweck des Art. 92 Ziff. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 92 - 1 Unpfändbar sind:
1    Unpfändbar sind:
1  die dem Schuldner und seiner Familie zum persönlichen Gebrauch dienenden Gegenstände wie Kleider, Effekten, Hausgeräte, Möbel oder andere bewegliche Sachen, soweit sie unentbehrlich sind;
1a  Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden;
10  Ansprüche auf Vorsorge- und Freizügigkeitsleistungen gegen eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge vor Eintritt der Fälligkeit;
11  Vermögenswerte eines ausländischen Staates oder einer ausländischen Zentralbank, die hoheitlichen Zwecken dienen.
2  die religiösen Erbauungsbücher und Kultusgegenstände;
3  die Werkzeuge, Gerätschaften, Instrumente und Bücher, soweit sie für den Schuldner und seine Familie zur Ausübung des Berufs notwendig sind;
4  nach der Wahl des Schuldners entweder zwei Milchkühe oder Rinder, oder vier Ziegen oder Schafe, sowie Kleintiere nebst dem zum Unterhalt und zur Streu auf vier Monate erforderlichen Futter und Stroh, soweit die Tiere für die Ernährung des Schuldners und seiner Familie oder zur Aufrechterhaltung seines Betriebes unentbehrlich sind;
5  die dem Schuldner und seiner Familie für die zwei auf die Pfändung folgenden Monate notwendigen Nahrungs- und Feuerungsmittel oder die zu ihrer Anschaffung erforderlichen Barmittel oder Forderungen;
6  die Bekleidungs-, Ausrüstungs- und Bewaffnungsgegenstände, das Dienstpferd und der Sold eines Angehörigen der Armee, das Taschengeld einer zivildienstleistenden Person sowie die Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände und die Entschädigung eines Schutzdienstpflichtigen;
7  das Stammrecht der nach den Artikeln 516-520 OR189 bestellten Leibrenten;
8  Fürsorgeleistungen und die Unterstützungen von Seiten der Hilfs-, Kranken- und Fürsorgekassen, Sterbefallvereine und ähnlicher Anstalten;
9  Renten, Kapitalabfindung und andere Leistungen, die dem Opfer oder seinen Angehörigen für Körperverletzung, Gesundheitsstörung oder Tötung eines Menschen ausgerichtet werden, soweit solche Leistungen Genugtuung, Ersatz für Heilungskosten oder für die Anschaffung von Hilfsmitteln darstellen;
9a  die Renten gemäss Artikel 20 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946193 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung oder gemäss Artikel 50 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959194 über die Invalidenversicherung, die Leistungen gemäss Artikel 12 des Bundesgesetzes vom 19. März 1965195 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie die Leistungen der Familienausgleichskassen;
2    Gegenstände, bei denen von vornherein anzunehmen ist, dass der Überschuss des Verwertungserlöses über die Kosten so gering wäre, dass sich eine Wegnahme nicht rechtfertigt, dürfen nicht gepfändet werden. Sie sind aber mit der Schätzungssumme in der Pfändungsurkunde vorzumerken.198
3    Gegenstände nach Absatz 1 Ziffern 1-3 von hohem Wert sind pfändbar; sie dürfen dem Schuldner jedoch nur weggenommen werden, sofern der Gläubiger vor der Wegnahme Ersatzgegenstände von gleichem Gebrauchswert oder den für ihre Anschaffung erforderlichen Betrag zur Verfügung stellt.199
4    Vorbehalten bleiben die besonderen Bestimmungen über die Unpfändbarkeit des Bundesgesetzes vom 2. April 1908200 über den Versicherungsvertrag (Art. 79 Abs. 2 und 80 VVG), des Urheberrechtsgesetzes vom 9. Oktober 1992201 (Art. 18 URG) und des Strafgesetzbuches202 (Art. 378 Abs. 2 StGB).203
SchKG, dem Schuldner die Existenz zu sichern, wird nicht erreicht durch die Unterlassung der Pfändung von Hilfsmitteln, deren Verwendungskosten in keinem vernünftigen Verhältnis zum Ertrag stehen (BGE 80 III 110). Zur Begründung
BGE 84 III 20 S. 21

eines Unpfändbarkeitsanspruchs gehört daber, dass der Schuldner den Betreibungsbehörden die nötigen substanziellen Angaben über diesen Aspekt seiner Autohaltung beschaffe. Der Rekurrent hat nun nichts getan, um durch Angaben und Belege über seine Einnahmen und Spesen darzutun, dass sich die Haltung eines Motorfahrzeugs - und schon gar eines im Betrieb so kostspieligen wie eines Lincoln - wirtschaftlich rechtfertigen lässt, obwohl er zu solcher Darrlegung seiner Situation mindestens nach Erhalt des Entscheides der unteren Aufsichtsbehörde alle Veranlassung gehabt hätte und es ihm an der Fähigkeit hiezu zweifellos nicht fehlte. Für die Wirtschaftlichkeit der Haltung dieses Fahrzeugs im vorliegenden Falle stellt es eher ein negatives Indiz dar, dass der Schuldner es für eine Forderung von Fr. 272.-- zu einer Pfändung dieses seines angeblich für seine Existenz wesentlichen Vermögensstückes kommen lassen muss. Der Rekurrent beklagt sich daher zu Unrecht, dass die Aufsichtsbehörden auf "Klatsch von Nachbarn" gehört hätten. Da er selbst ohne Entschuldigung nicht einmal zu den Pfändungen erschien, musste das Betreibungsamt auf Informationen von Dritten, welche bezüglich Unentbehrrlichkeit und Wirtschaftlichkeit des Wagens für seine Berufsausübung negativ lauteten, abstellen. Auch der Umstand, dass der Rekurrent den Wagen verschwinden liess, spricht nicht dafür, dass er ihm unentbehrlich ist. Der Rekurrent hat es somit sich selbst zuzuschreiben, wenn ihm das Recht, auf Kosten der Gläubiger einen Grosswagen zu besitzen, abgesprochen wird.