Urteilskopf

82 IV 187

40. Urteil des Kassationshofes vom 14. September 1956 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt gegen Schoop.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 187

BGE 82 IV 187 S. 187

A.- Waltraud Schoop arbeitet als Serviertochter im Hotel Hecht in Basel. Am 30. Juli 1954 pfändete das Betreibungsamt auf die Dauer eines Jahres wöchentlich Fr. 30.- von ihren künftigen Trinkgeldeinnahmen. Die Schuldnerin wurde dabei unter Hinweis auf Art. 169
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 169 - Quiconque, de manière à causer un dommage à ses créanciers, dispose arbitrairement d'une valeur patrimoniale
StGB verpflichtet, den gepfändeten Betrag jede Woche dem Amte abzuliefern. Trotz wiederholter Mahnung zahlte sie in der Folge lediglich Fr. 60.-.
BGE 82 IV 187 S. 188

Am 25. November 1954 verkaufte sie ausserdem eine Schreibmaschine, die in einer anderen Betreibung gepfändet worden war.
B.- Am 16. Februar 1956 verurteilte das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt Waltraud Schoop wegen wiederholter und fortgesetzter Verfügung über gepfändete Sachen zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von zehn Tagen.
C.- In teilweiser Gutheissung ihrer Berufung sprach das Appellationsgericht die Angeklagte am 6. Juni 1956 von der Anklage der Verfügung über gepfändete Trinkgelder frei und setzte die Strafe auf fünf Tage Gefängnis herab. Es bezeichnete es dabei als fraglich, ob künftige Trinkgeldeinnahmen pfändbar seien; selbst wenn dies zutreffe, stellten sie keine "Sache" im Sinne des Art. 169
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 169 - Quiconque, de manière à causer un dommage à ses créanciers, dispose arbitrairement d'une valeur patrimoniale
StGB dar, welcher Begriff allein körperliche Gegenstände, nicht aber Forderungen und Rechte erfasse; die Missachtung von Forderungspfändungen könne daher nur auf Grund des Art. 292
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 292 - Quiconque ne se conforme pas à une décision à lui signifiée, sous la menace de la peine prévue au présent article, par une autorité ou un fonctionnaire compétents est puni d'une amende.
StGB verfolgt werden.
D.- Die Staatsanwaltschaft führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die teilweise Freisprechung sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung in allen Anklagepunkten zurückzuweisen.
E.- Die Angeklagte beantragt Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
Erwägungen

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

1. Nach dem Pfändungsprotokoll vom 30. Juli 1954 wurden "vom künftigen Einkommen der Schuldnerin als Serviertochter" Fr. 30.- je Woche gepfändet. Da sie ausser freier Verköstigung keinen Lohn erhält, konnte sich die Pfändung nur auf Trinkgeldeinnahmen beziehen. Wie die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts in BGE 79 III 157 entschieden hat, sind Trinkgelder pfändbar. Was Gegenstand der Pfändung sei, wird in diesem Urteil nicht näher umschrieben; es weist indes darauf hin, dass es dem Amte nicht möglich sei, fortlaufend
BGE 82 IV 187 S. 189

jedes einzelne Geldstück zu pfänden, das eine Serviertochter entgegennimmt. Dieser Erwägung darf entnommen werden, dass die Erwartung auf Trinkgeld das eigentliche Pfändungssubstrat sei (vgl. BGE 71 III 62). Ungeachtet der Unsicherheit, die in diesem Punkte herrschen mag, kann nach der durch BGE 79 III 157 eingeleiteten Rechtsprechung der Oberaufsichtsbehörde kein Zweifel daran bestehen, dass die am 30. Juli 1954 vollzogene Pfändung gültig war.
2. Erhält der Arbeitnehmer seinen Lohn, so ist seine Forderung gegen den Arbeitgeber getilgt; zieht die Serviertochter das Trinkgeld ein, so erlischt die entsprechende Anwartschaft. Die Pfändung, welche die Forderung bzw. Erwartung beschlug, geht damit aber nicht unter. Eine solche Pfändung hat nur dann einen Sinn, wenn sie auch das Geld erfasst, das an Stelle der Forderung oder Anwartschaft tritt (vgl. BGE 71 III 61). Die Vorschrift des Art. 98 Abs. 1
SR 281.1 Loi fédérale du 11 avril 1889 sur la poursuite pour dettes et la faillite (LP)
LP Art. 98 - 1 Lorsque la saisie porte sur des espèces, billets de banque, titres au porteur, effets de change ou autres titres transmissibles par endossement, objets de métaux précieux ou autres objets de prix, l'office les prend sous sa garde.217
1    Lorsque la saisie porte sur des espèces, billets de banque, titres au porteur, effets de change ou autres titres transmissibles par endossement, objets de métaux précieux ou autres objets de prix, l'office les prend sous sa garde.217
2    Les autres biens meubles peuvent être laissés provisoirement entre les mains du débiteur ou du tiers détenteur, à charge de les représenter en tout temps.
3    Toutefois ces objets sont également placés sous la garde de l'office ou d'un tiers, si le préposé juge cette mesure opportune ou si le créancier rend vraisemblable qu'elle est nécessaire pour assurer les droits constitués en sa faveur par la saisie.218
4    L'office peut aussi prendre sous sa garde les objets dont un tiers se trouvait nanti à titre de gage; il les restitue si la réalisation n'en a pas lieu.
SchKG, Geld, Banknoten, Wertpapiere und dergleichen seien vom Betreibungsamt in Verwahrung zu nehmen, steht dem nicht entgegen. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 63 III 67; BGE 75 III 108 Erw. 1) ist diese Massnahme nicht Voraussetzung für die Gültigkeit der Pfändung, sondern eine blosse Sicherungsvorkehrung, die ihrerseits eine vorgängige Pfändung voraussetzt. Dazu bedarf es lediglich der Erklärung eines Betreibungsbeamten, eine bestimmte Sache sei gepfändet, und eines entsprechenden Protokolleintrages (BGE 74 III 4). Beides liegt hier vor. Dass ein gepfändeter Gegenstand ohne neue Pfändungsverfügung durch einen anderen ersetzt werden kann, wird von der Rechtsprechung in bestimmten Fällen anerkannt (BGE 60 III 196; BGE 80 III 113). So hat die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer entschieden, dass der an Stelle der gepfändeten Lohnforderung oder Anwartschaft tretende Geldbetrag unter die Pfändung falle (BGE 71 III 62 a.E.), bzw. vom Schuldner dem Betreibungsamt abzuliefern sei (BGE 78 III 129; BGE 79 III 158), was nach dem Gesetz einen Pfändungsbeschlag
BGE 82 IV 187 S. 190

voraussetzt. Der Kassationshof hat sich dieser Auffassung angeschlossen (unveröffentlichtes Urteil vom 31. Oktober 1952 in Sachen Freiburghaus). Das von Waltraud Schoop eingezogene Trinkgeld fiel mithin im Betrage von wöchentlich Fr. 30.- unter Pfändungsbeschlag.
3. Nach den vom Appellationsgericht übernommenen Feststellungen des Strafgerichts verfügte Waltraud Schoop nicht über die Erwartung auf Trinkgeld. sondern über dieses selbst. Die betreffenden Münzen und Noten sind ohne weiteres als (körperliche) "Sache" anzusprechen (vgl. BGE 75 IV 54; BGE 81 IV 233 b). Ob der Sachbegriff des Art. 169
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 169 - Quiconque, de manière à causer un dommage à ses créanciers, dispose arbitrairement d'une valeur patrimoniale
StGB auch Anwartschaften, Forderungen und andere Rechte umfasse, kann deshalb dahingestellt bleiben.

4. Unbestritten ist, dass Waltraud Schoop "eigenmächtig" zum Nachteil der Gläubiger über gepfändetes Trinkgeld verfügte, und dass sie mit Wissen und Willen handelte. Der Tatbestand des Art. 169
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 169 - Quiconque, de manière à causer un dommage à ses créanciers, dispose arbitrairement d'une valeur patrimoniale
StGB ist daher objektiv und subjektiv erfüllt. Waltraud Schoop ist damit zu Unrecht in diesem Punkte freigesprochen worden.
Dispositiv

Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen.