Urteilskopf

81 II 197

35. Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Mai 1955 i. S. Garesa A.-G. gegen Grand Anstalt.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 198

BGE 81 II 197 S. 198

A.- Die Baugeschäft und Chaletfabrik Davos A.-G. in Davos (hienach Chaletfabrik A.-G. genannt) hat ein Aktienkapital von Fr. 145'000.--, eingeteilt in 145 voll einbezahlte, auf den Namen lautende Aktien zu Fr. 1000.--. Die Statuten sehen vor, dass Name und Wohnort jedes Aktionärs in einem vom Verwaltungsrate geführten Aktienbuch
BGE 81 II 197 S. 199

einzutragen sind. Jeder Erwerb von Aktien ist zur Eintragung in das Aktienbuch anzumelden, unter Vorlegung der betreffenden Aktien und Nachweis des Erwerbes. Nur im Aktienbuch vorgemerkte Personen werden als Aktionäre betrachtet, und das Stimmrecht in der Generalversammlung steht nur den im Zeitpunkte der Einberufung im Aktienregister eingetragenen Aktionären zu. Beim Erwerb von Aktien durch Nicht-Aktionäre haben die Aktionäre ein Vorkaufsrecht. Nach der Anmeldung eines solchen Erwerbes sind sämtliche Aktionäre zu unterrichten, worauf sie das Vorkaufsrecht binnen 14 Tagen ausüben können (§§ 2, 3, 7 der Statuten).

B.- Die Garesa A.-G. mit ursprünglichem Wohnsitz in Genf, nun in Zürich, behauptet, Eigentümerin der Aktien Nr. 74 bis 145 der Chaletfabrik A.-G. zu sein. Am 18. Februar 1953 hob sie beim Bezirksamt Oberlandquart ein Verfahren auf Kraftloserklärung dieser ihr angeblich abhanden gekommenen Aktien an. Auf die Bekanntmachung im bündnerischen Kantonsamtsblatt vom 6. März 1953 sandte am 4. September 1953, dem zweitletzten Tage der auf sechs Monate bemessenen Frist, die Liechtensteinische Landesbank dem Bezirksamt Oberlandquart die vermissten Aktien "im Auftrag der Grand-Anstalt, Vaduz" ein.
C.- Hierauf teilte die Garesa A.-G. der Grand Anstalt mit, sie sei Eigentümerin der erwähnten Aktien, und bat um Auskunft, ob die Grand Anstalt ihrerseits das Eigentum beanspruche, oder wer sonst allenfalls Eigentumsrechte zu haben behaupte. Diese Anfrage wie auch eine zweite blieben unbeantwortet. Binnen der ihr vom Bezirksamt gemäss Art. 977
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 977 - 1 Die Namenpapiere werden, wenn keine besondern Vorschriften aufgestellt sind, nach den für die Inhaberpapiere geltenden Bestimmungen kraftlos erklärt.
1    Die Namenpapiere werden, wenn keine besondern Vorschriften aufgestellt sind, nach den für die Inhaberpapiere geltenden Bestimmungen kraftlos erklärt.
2    Der Schuldner kann in der Urkunde eine vereinfachte Kraftloserklärung durch Herabsetzung der Zahl der öffentlichen Aufforderungen oder durch Verkürzung der Fristen vorsehen, oder sich das Recht vorbehalten, auch ohne Vorweisung der Urkunde und ohne Kraftloserklärung gültig zu leisten, wenn der Gläubiger die Entkräftung des Schuldscheins und die Tilgung der Schuld in einer öffentlichen oder beglaubigten Urkunde ausspricht.
/985
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 985 - 1 Wird das abhanden gekommene Inhaberpapier vorgelegt, so setzt das Gericht dem Gesuchsteller Frist zur Anhebung der Klage auf Herausgabe der Urkunde.
1    Wird das abhanden gekommene Inhaberpapier vorgelegt, so setzt das Gericht dem Gesuchsteller Frist zur Anhebung der Klage auf Herausgabe der Urkunde.
2    Klagt der Gesuchsteller nicht binnen dieser Frist, so gibt das Gericht die Urkunde zurück und hebt das Zahlungsverbot auf.
OR gesetzten Frist klagte die Garesa A.-G. gegen die Grand Anstalt beim Bezirksgericht Oberlandquart auf Feststellung ihres Eigentums an den 72 Aktien der Chaletfabrik A.-G. und auf unbeschwerte Herausgabe dieser Aktien. Die Beklagte trug im Vermittlungsverfahren auf Abweisung dieser Begehren an. Nach Zustellung der Klage ersuchte sie zweimal um Erstreckung
BGE 81 II 197 S. 200

der Beantwortungsfrist. Doch wurde ihr eine zweite Verlängerung der Frist verweigert mit Hinweis auf Art. 99
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 99 Sicherheit für die Parteientschädigung - 1 Die klagende Partei hat auf Antrag der beklagten Partei für deren Parteientschädigung Sicherheit zu leisten, wenn sie:
1    Die klagende Partei hat auf Antrag der beklagten Partei für deren Parteientschädigung Sicherheit zu leisten, wenn sie:
a  keinen Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz hat;
b  zahlungsunfähig erscheint, namentlich wenn gegen sie der Konkurs eröffnet oder ein Nachlassverfahren im Gang ist oder Verlustscheine bestehen;
c  Prozesskosten aus früheren Verfahren schuldet; oder
d  wenn andere Gründe für eine erhebliche Gefährdung der Parteientschädigung bestehen.
2    Bei notwendiger Streitgenossenschaft ist nur dann Sicherheit zu leisten, wenn bei allen Streitgenossen eine der Voraussetzungen gegeben ist.
3    Keine Sicherheit ist zu leisten:
a  im vereinfachten Verfahren mit Ausnahme der vermögensrechtlichen Streitigkeiten nach Artikel 243 Absatz 1;
b  im Scheidungsverfahren;
c  im summarischen Verfahren mit Ausnahme des Rechtsschutzes in klaren Fällen (Art. 257);
d  im Verfahren wegen einer Streitigkeit nach dem DSG37.
der bündnerischen ZPO. So unterblieb die Klagebeantwortung, und am weitern Verfahren vor den kantonalen Instanzen nahm die Beklagte nicht teil.
D.- Während das Bezirksgericht aus formellen Gründen nicht auf die Klage eintrat, wies das Kantonsgericht von Graubünden sie mit Urteil vom 21. Oktober 1954 im Sinne der Erwägungen ab. Das Kantonsgericht geht von einer zugunsten der Beklagten als Besitzerin bestehenden Rechtsvermutung aus. Nun habe die Klägerin zwar den Erwerb sämtlicher (nicht nur der streitigen) Aktien der Chaletfabrik A.-G. in den Jahren 1945 bis 1947 bewiesen. Unbewiesen sei dagegen, dass sie im Zeitpunkt des angeblichen Verschwindens Devecseris - eines Mitgliedes des Verwaltungsrates der Chaletfabrik A.-G., der die streitigen Aktien nach Angabe der Klägerin etwa im Jahre 1949 veruntreut haben soll - immer noch Eigentümerin dieser Aktien war. Das hätte sie, falls es zutreffen sollte, leicht durch Edition des Aktienbuches der Chaletfabrik A.-G. nachweisen können. Die statt dessen vorgelegte Bescheinigung dieser Gesellschaft sei nicht beweiskräftig. Die Klägerin habe es auch unterlassen, die Strafuntersuchungsakten edieren zu lassen, um das Verschwinden Devecseris, die Veruntreuung der streitigen Aktien und die Anhebung einer Strafuntersuchung zu beweisen. "Hat somit die Klägerin den Beweis dafür, dass ihr Eigentumsrechte an den streitigen Aktien zustehen bzw. im Zeitpunkte von deren Verschwinden zustanden, in keiner Weise erbracht, so ist ihre Klage und damit die Appellation abzuweisen. Die Frage, inwiefern die Beklagte an den Aktien gutgläubig Eigentum erwarb bzw. erwerben konnte, braucht unter diesen Umständen gar nicht weiter geprüft zu werden."
E.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin (neben einer staatsrechtlichen Beschwerde, die heute abgewiesen worden ist) die vorliegende Berufung eingelegt, mit der sie
BGE 81 II 197 S. 201

an der Klage festhält. Die Beklagte hat auf Abweisung der Klage angetragen.
Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. (Streitwert).

2. Da die Beklagte im kantonalen Verfahren, abgesehen von dem im Vermittlungsvorstande gestellten Antrag auf Abweisung der Klage, nichts vorgebracht hat, ist sie mit ihren Vorbringen vor Bundesgericht ausgeschlossen (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Es hilft ihr nichts, sich im Berufungsverfahren als "ein Opfer der besonderen Vorschriften der bündner ZPO" zu bezeichnen (nämlich des Art. 99, der bestimmt, dass die Eingabefristen "auf Begehren, jedoch jeder Partei nur einmal", erstreckt werden dürfen). Es muss beim Fehlen eigener Vorbringen der Beklagten (tatsächlicher Behauptungen, Bestreitungen usw., wie auch der Geltendmachung eigener Rechte oder solcher von Drittpersonen) sein Bewenden haben.
3. Die Klägerin hält dafür, bei dieser Sachlage habe das Kantonsgericht gar nicht Besitz der Beklagten an den streitigen Aktien annehmen dürfen; denn es sei eben seitens der Beklagten nichts, auch nicht Besitz geltend gemacht worden. Indessen stand von Bundesrechts wegen nichts entgegen, die aus den Akten hervorgehenden Tatsachen zu berücksichtigen, auch wenn sie nicht zur Stützung der Klage dienen. Und da die Klägerin selbst die streitigen Aktien vermisste und als kraftlos erklären lassen wollte, worauf sie im Auftrag der Beklagten eingereicht wurden, die sich der Klage und damit der Herausgabe widersetzt, kann der Besitz der Beklagten (als tatsächliche Verfügungsgewalt im sachenrechtlichen Sinne) nicht zweifelhaft sein.
4. Indessen ist der Klägerin darin beizustimmen, dass Namenaktien in der Regel nicht durch blosse Übergabe der Aktientitel zu Eigentum übertragen werden können. Zwar will die Klägerin die streitigen Aktien zu Unrecht überdies als vinkuliert betrachtet wissen. Den
BGE 81 II 197 S. 202

(in A der Tatsachen erwähnten) Bestimmungen der Statuten ist weder ein Ausschluss noch eine von den gesetzlichen Regeln abweichende Form der Übertragung zu entnehmen. Ferner unterstellen die Statuten den rechtsgeschäftlichen Erwerb von Aktien nicht einer Zustimmung der Gesellschaft. Nicht einmal die Aufnahme als Mitglied bedarf solcher Zustimmung, vielmehr besagen die statutarischen Vorschriften über die Anmeldung und den Nachweis des Erwerbes nichts, was über die Regeln des Art. 685
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 685 - 1 Nicht voll liberierte Namenaktien dürfen nur mit Zustimmung der Gesellschaft übertragen werden, es sei denn, sie werden durch Erbgang, Erbteilung, eheliches Güterrecht oder Zwangsvollstreckung erworben.
1    Nicht voll liberierte Namenaktien dürfen nur mit Zustimmung der Gesellschaft übertragen werden, es sei denn, sie werden durch Erbgang, Erbteilung, eheliches Güterrecht oder Zwangsvollstreckung erworben.
2    Die Gesellschaft kann die Zustimmung nur verweigern, wenn die Zahlungsfähigkeit des Erwerbers zweifelhaft ist und die von der Gesellschaft geforderte Sicherheit nicht geleistet wird.
OR hinausginge. Nur das den bereits eingetragenen Aktionären vorbehaltene Vorkaufsrecht steht ausserhalb der gesetzlichen Ordnung. Es unterstellt den rechtsgeschäftlichen Erwerb einer auflösenden Bedingung während einer Schwebezeit, die bis 14 Tage nach Bekanntgabe eines dem Verwaltungsrat angemeldeten Erwerbes an die eingetragenen Aktionäre dauert. Hat man es somit, (unter Vorbehalt des erwähnten Vorkaufsrechtes) nicht mit vinkulierten Namenaktien zu tun, so genügt aber dennoch zur Übertragung nicht die blosse Besitzübergabe. Namenaktien sind freilich nicht Namenpapiere im engern Sinne von Rektapapieren, aber auch nicht wie Sachen übertragbare Inhaberpapiere, sondern, wie sich aus Art. 684 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 684 - 1 Die Namenaktien sind, wenn nicht Gesetz oder Statuten es anders bestimmen, ohne Beschränkung übertragbar.
1    Die Namenaktien sind, wenn nicht Gesetz oder Statuten es anders bestimmen, ohne Beschränkung übertragbar.
2    Die Übertragung durch Rechtsgeschäft kann durch Übergabe des indossierten Aktientitels an den Erwerber erfolgen.
OR ergibt, gesetzliche Orderpapiere (vgl.BGE 78 II 265ff. und zu den Kritiken von A. WIELAND und KONRAD BLOCH in SJZ 49 S. 69 ff. und 317 ff. die Bemerkungen von GUHL in ZbJV 90 S. 306). Es bedarf daher der Übergabe der Aktie mit einem den Erwerber legitimierenden Indossament (oder einer als gleichwertig zu betrachtenden Abtretungserklärung, sei sie nun auf dem Aktientitel selbst angebracht oder davon getrennt; vgl. BÜRGI, N. 16 zu Art. 684
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 684 - 1 Die Namenaktien sind, wenn nicht Gesetz oder Statuten es anders bestimmen, ohne Beschränkung übertragbar.
1    Die Namenaktien sind, wenn nicht Gesetz oder Statuten es anders bestimmen, ohne Beschränkung übertragbar.
2    Die Übertragung durch Rechtsgeschäft kann durch Übergabe des indossierten Aktientitels an den Erwerber erfolgen.
OR). Allerdings lassen sich Namenaktien (wie andere Orderpapiere) auch blanko indossieren und können alsdann, solange das Blankoindossament nicht ausgefüllt ist, wie Inhaberpapiere, also durch blosse Besitzübergabe, in Umlauf kommen und den Eigentümer wechseln (vgl. SCHUCANY, N. 2 zu Art. 684
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 684 - 1 Die Namenaktien sind, wenn nicht Gesetz oder Statuten es anders bestimmen, ohne Beschränkung übertragbar.
1    Die Namenaktien sind, wenn nicht Gesetz oder Statuten es anders bestimmen, ohne Beschränkung übertragbar.
2    Die Übertragung durch Rechtsgeschäft kann durch Übergabe des indossierten Aktientitels an den Erwerber erfolgen.
OR, und GUHL, a.a.O.).
BGE 81 II 197 S. 203

5. Nach den dargelegten Grundsätzen ist die Klägerin, wie das Kantonsgericht zutreffend entschieden hat, in den Jahren 1945-1947 Eigentümerin nicht nur der heute streitigen, sondern aller 145 Aktien der Chaletfabrik A.-G. geworden. Das folgt aus dem Kaufvertrag mit Optionsrecht vom 15. Oktober 1945 und der von den Verkäufern ausgestellten "Quittance" vom 10. Februar 1947, deren Ziffer 3 lautet: "Les versements ayant été régulièrement effectués, et la totalité des actions transférée, Garesa SA se trouve aujourd'hui seul et unique propriétaire des actions de Baugeschäft und Chaletfabrik AG à Davos." Das Kantonsgericht hat allerdings die Form der Übertragung auf die Klägerin nicht näher festgestellt. Es durfte aber aus der "Quittance" in Verbindung mit den Zeugenaussagen der Verkäufer folgern, dass die Aktien entweder auf die Klägerin indossiert wurden oder entsprechende Abtretungserklärungen (die Zeugen sprechen von Zessionen) oder Blankoindossamente vorlagen, seien es bereits von Vorgängern der beiden Verkäufer angebrachte oder solche der Verkäufer selbst. In einer Klausel des Kaufvertrages vom 15. Oktober 1945 war vorgesehen, dass die von der Klägerin jeweilen gegen Preiszahlung abzurufenden Aktien "mit Blankoindossament versehen" in ein Banksafe zu legen seien, über das nur beide Parteien gemeinsam sollten verfügen können. Doch ist über die Einhaltung dieser Vereinbarung und über die Art der Abwicklung der Leistungen aus dem Kaufvertrag nichts festgestellt. Da die Klägerin alle Aktien der Chaletfabrik A.-G. von Baumann und Müller erwarb, war ein Vorkaufsrecht anderer Aktionäre nicht gegeben. Die Verkäufer konnten ein solches Recht nicht für sich in Anspruch nehmen, um den Kaufvertrag zunichte zu machen, und weitere Aktionäre waren nicht vorhanden.
6. Dem gültig von der Klägerin erworbenen Eigentum hält das angefochtene Urteil eine seither durch Besitzerwerb
BGE 81 II 197 S. 204

entstandene Vermutung zugunsten der Beklagten entgegen. Es nimmt zwar nicht geradezu gutgläubigen Eigentumserwerb durch die Beklagte an, sondern lässt offen, wie es sich damit verhalten möge. Dagegen habe der gegenwärtige Besitz der Beklagten eine verstärkte Beweislast der Klägerin zur Folge, in dem Sinne, dass diese nicht nur den Erwerb des Eigentums, sondern auch dessen Fortdauer mindestens bis zum Verschwinden Devecseris beweisen müsse, was sie nicht getan und gar nicht ernstlich, jedenfalls nicht mit tauglichen Mitteln versucht habe. Indessen ist nicht einzusehen, was mit einem solchen Nachweis für die Klägerin gewonnen wäre, wenn dann doch, wie es das Kantonsgericht anzunehmen scheint, eine Rechtsvermutung zugunsten der Beklagten als gegenwärtiger Besitzerin der Aktien begründet ist. Entfällt dagegen eine aus dem Besitz der Beklagten abzuleitende Rechtsvermutung zu ihren Gunsten, so ist die Klägerin nach wie vor als Eigentümerin der streitigen Aktien zu betrachten. Denn in diesem Falle ist nicht einzusehen, wieso dieses Eigentum erloschen sein sollte. Insbesondere ist den dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Akten nichts zu entnehmen, was auf einen Übergang des Eigentums auf eine dritte Person (oder auf den Erwerb anderer Rechte an den streitigen Aktien durch irgendjemand) schliessen liesse.
7. Die blosse Tatsache, dass sich die Aktien nun im Besitze der Beklagten befinden (woran die Einreichung an eine Amtsstelle im Verfahren auf Kraftloserklärung nichts geändert hat), ist indessen aus folgenden Gründen nicht geeignet, das von der Klägerin nachgewiesene Eigentum zu entkräften: a) Einmal hat man es nicht mit Inhaberpapieren, sondern mit Orderpapieren zu tun, die normalerweise nicht durch blosse Besitzübergabe zu Eigentum oder einem beschränkten dinglichen Recht übertragen werden können, sondern der Indossierung oder einer Abtretungserklärung bedürfen. Bei Wertpapieren solcher Art lässt sich daher
BGE 81 II 197 S. 205

nicht aus dem Besitz allein, sondern nur in Verbindung mit einer formell ordnungsmässigen Indossierung oder Abtretung eine Rechtsvermutung herleiten. Anders ist es, wie bereits dargetan, nur bei Blankoindossierung, die jedoch im vorliegenden Falle nicht nachgewiesen ist. b) Sollte die Beklagte die Aktien aber auch mit formell ordnungsmässigen, von einem hiezu legitimierten Vorbesitzer ausgestellten Blankoindossamenten in Besitz genommen haben, so wäre den Zweifelsgründen Rechnung zu tragen, die diesen Besitz als verdächtig erscheinen lassen (vgl.BGE 76 II 344). Die Beklagte hat, als die Klägerin sich vor dem Prozess auf ihr Eigentum berief, deren Anfrage nach allfälligen von ihr an diesen Aktien beanspruchten Rechten unbeantwortet gelassen. Falls die Beklagte wirklich eigene Rechte an den Aktien zu haben glaubt, müsste sie doch wohl den Erwerbsgrund kennen und sich über die Umstände des Geschäftsabschlusses und der Übertragung zu äussern vermögen. Verweigert ein Besitzer die Aufschlüsse über seinen Erwerb, die nach der Sachlage von ihm nach Treu und Glauben verlangt werden dürfen, so macht er sich verdächtig, so dass die aus dem Besitz abzuleitende Rechtsvermutung entfällt (vgl. OSTERTAG, 2. Aufl., N. 12 zu Art. 930
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 930 - 1 Vom Besitzer einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er ihr Eigentümer sei.
1    Vom Besitzer einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er ihr Eigentümer sei.
2    Für jeden früheren Besitzer besteht die Vermutung, dass er in der Zeit seines Besitzes Eigentümer der Sache gewesen ist.
/31
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 31 - 1 Die Persönlichkeit beginnt mit dem Leben nach der vollendeten Geburt und endet mit dem Tode.
1    Die Persönlichkeit beginnt mit dem Leben nach der vollendeten Geburt und endet mit dem Tode.
2    Vor der Geburt ist das Kind unter dem Vorbehalt rechtsfähig, dass es lebendig geboren wird.
und N. 24 zu Art. 933
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 933 - Wer eine bewegliche Sache in gutem Glauben zu Eigentum oder zu einem beschränkten dinglichen Recht übertragen erhält, ist in seinem Erwerbe auch dann zu schützen, wenn sie dem Veräusserer ohne jede Ermächtigung zur Übertragung anvertraut worden war.
ZGB). Insbesondere im Prozess ist der Besitzer verpflichtet, das Seinige zur Abklärung des Sachverhaltes beizutragen, zumal wenn er, wie gewöhnlich, über die Umstände seines Erwerbes besser unterrichtet ist als der klagende Nichtbesitzer (vgl.BGE 66 II 145). Es ist auch zu bedenken, dass eine nicht auf einem Erwerbsgeschäft beruhende Besitznahme, selbst wenn sich der Besitzer gutgläubig als Eigentümer betrachtet, gegenüber dem frühern Besitz eines Klägers nicht durchzudringen vermag, der sich seinerseits auf ein gültiges Erwerbsgeschäft stützt (BGE 65 II 62ff.). Dem Besitzer ist daher grundsätzlich zuzumuten, dass er sich über den Grund des Besitzes ausspreche. An solchen Angaben fehlt es hier völlig.

BGE 81 II 197 S. 206

c) Endlich lässt sich aus der Tatsache, dass sich die streitigen Aktien bei der Beklagten befinden (d.h. von einer Bank in deren Auftrag vorgelegt wurden), deshalb nichts gegen die Klägerin herleiten, weil die Beklagte sich gar nicht auf ein bestimmtes ihr oder einem Dritten (d.h. einem Zwischenbesitzer) zustehendes Recht berufen hat. Bei diesem Sachverhalte muss die Beklagte als Besitzerin ohne Recht angesehen werden. Denn nicht der Besitz eines Andern als blosse Tatsache bildet gegenüber einem frühern Besitzer, der das seinerzeit erworbene Eigentum nachweist, einen materiellrechtlichen Erlöschungsgrund. Diese Wirkung könnte vielmehr nur einem bessern Recht des Besitzers zukommen, das sich unter gewissen Voraussetzungen freilich auf eine durch den Besitz begründete Rechtsvermutung stützen liesse. Ist aber kein bestimmtes Recht des beklagten Besitzers behauptet, so kann der Klage des frühern Besitzers nicht entgegengehalten werden, dass ein solches Recht unter Umständen (immerhin unter Vorbehalt der Widerlegung durch den Kläger) zu vermuten gewesen wäre.
Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung der Klägerin wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichtes von Graubünden vom 21. Oktober 1954 aufgehoben und die Klage gutgeheissen, d.h. festgestellt, dass die Klägerin Eigentümerin der 72 Namenaktien Nr. 74 - 145 der Baugeschäft und Chaletfabrik Davos A.-G. ist, und die Beklagte zu deren Herausgabe an sie verpflichtet.