Urteilskopf

81 I 149

27. Urteil vom 20. Mai 1955 i.S. S. gegen Wehrsteuerverwaltung des Kantons Zürich.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


BGE 81 I 149 S. 150

A.- Der Beschwerdeführer war früher ungarischer Staatsangehöriger. Er ist heute staatenlos und ohne Ausweispapiere. Er lebt seit 1939 in der Schweiz. Für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit bedarf er einer besonderen Bewilligung. Im Jahre 1947 erhielt er eine Bewilligung zur Betätigung als Korrespondent in der Einzelfirma T. B. Seit 1948 ist er mit der Inhaberin dieser Firma, einer Schweizerbürgerin, verheiratet.
B.- Mit Verfügung der Polizeidirektion des Kts. Zürich vom 5. Juni 1953 wurde der Beschwerdeführer wegen Verletzung fremdenpolizeilicher Vorschriften aus der Schweiz ausgewiesen. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat die Ausweisung mit Entscheid vom 5. November 1953 bestätigt, ebenso das eidg. Justiz- und Polizeidepartement mit Entscheid vom 1. April 1955. Immerhin wurde der Vollzug der Ausweisung aus Gründen der Humanität auf Zusehen und Wohlverhalten hin suspendiert.
C.- Im Hinblick auf die Ausweisungsverfügung der kantonalen Justizdirektion vom 5. Juni 1953 hat die kantonale Wehrsteuerverwaltung Zürich am 24. Juli 1954 die Sicherstellung der eidg. Wehrsteuer für die Steuerjahre 1949 bis 1953 (bis 30. Juli 1953) samt Bussen und Kosten verfügt. Die Verfügung stützt sich aufprovisorische Berechnungen der Steuern, Nachsteuern und Bussen für den angegebenen Zeitraum.
D.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird beantragt, die Sicherstellungsverfügung aufzuheben. Es wird geltend gemacht, die Sicherstellungsverfügung beruhe auf einer Verletzung von Bundesrecht. Zur Begründung wird ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Sicherstellungsverfügung
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nach Art. 118 WStB seien nicht erfüllt.
1.) Die von den Behörden errechnete Leistung stelle einen Phantasiebetrag dar, der mit den Realitäten nichts zu tun habe. Der Beschwerdeführer habe in den letzten Jahren ordnungsgemäss Steuererklärungen abgegeben, sei eingeschätzt worden und habe dementsprechend die Steuerbeträge bezahlt. Die neuen Berechnungen der Wehrsteuerverwaltung beruhten auf bisher unkontrollierten Anhaltspunkten, deren Herkunft dem Beschwerdeführer unbekannt sei. 2.) Der Beschwerdeführer habe seinen ordentlichen Wohnsitz in der Schweiz. Er sei mit einer Schweizerin verheiratet und denke nicht daran, das Domizil in der Schweiz aufzugeben. Er habe gegen die Ausweisungsverfügung Beschwerde eingereicht und damit seinen Willen, in der Schweiz zu bleiben, dokumentiert. Die Ausweisung sei sistiert. Es könne keine Rede davon sein, dass sein Verhalten den Einzug allfällig noch geschuldeter Wehrsteuerbeträge gefährden würde. 3.) Die Forderungen, die der Sicherstellungsverfügung und dem daran anschliessenden Arrest zu Grunde gelegt werden, seien offensichtlich unrichtig berechnet (Art. 104 , Abs. 2 OG). Der Beschwerdeführer habe das ihm in den provisorischen Berechnungen zugeschriebene Einkommen nicht erzielt.
E.- Die Wehrsteuerverwaltung des Kantons Zürich und die eidg. Steuerverwaltung beantragen Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen

Erwägungen

in Erwägung:

1. Nach Art. 118 , Abs. 1 WStB kann die kantonale Wehrsteuerverwaltung auch vor der rechtskräftigen Feststellung des Wehrsteuerbetrages jederzeit die Sicherstellung verfügen, wenn der Wehrsteuerpflichtige keinen Wohnsitz in der Schweiz hat oder die von ihm geschuldete Wehrsteuer durch sein Verhalten als gefährdet erscheint.
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Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz in der Schweiz. Die Sicherstellung kann ihm daher nur auferlegt werden wegen einer durch sein Verhalten bewirkten Gefährdung der Wehrsteuer. Eine solche erblickt die Behörde in der polizeilich angeordneten Landesverweisung.
2. Die Sicherstellungsverfügung nach Art. 118 WStB dient der Vorsorge für die spätere Vollstreckbarkeit der einem Wehrsteuerpflichtigen obliegenden Steuerschuld. Als Vorsorgemassnahme ist sie dadurch charakterisiert, dass sie erlassen werden kann, bevor der Steuerbetrag rechtskräftig festgestellt ist. Gegenstand der Sicherstellung ist also nicht eine fesstehende, sondern eine lediglich mutmassliche Steuerschuld. Sind die übrigen Voraussetzungen gegeben, so muss schon die Möglichkeit einer Steuerpflicht in dem auf Grund vorläufiger Feststellungen ermittelten Umfange genügen. Die nähere Abklärung der Steuerpflicht und die Festsetzung der wirklich geschuldeten Beträge bleibt dem Einschätzungsverfahren vorbehalten. Die behördliche Mutmassung einer Steuerpflicht beruht hier auf der Feststellung, dass der Beschwerdeführer bei Durchführung von Handelsgeschäften mitgewirkt hat, bei denen den Beteiligten aller Vermutung nach bedeutende Gewinne zugefallen sind. Wie es sich damit verhält, wird bei der der Sicherstellung nachfolgenden näheren Untersuchung im Einschätzungsverfahren abzuklären sein. Für die Sicherstellung muss vorläufig genügen, dass der Beschwerdeführer allem Anschein nach in diese Geschäfte verwickelt ist. Der Einwand, die Steuer sei nicht geschuldet, die Steuerbeträge unrichtig berechnet worden, ist im Beschwerdeverfahren betreffend die Sicherstellung nicht zu überprüfen.
3. Die Sicherstellung darf verfügt werden, wenn die Wehrsteuer als durch das Verhalten des Steuerpflichtigen gefährdet erscheint. Die kantonalen Behörden haben mit Recht angenommen, dass der Vollzug von Wehrsteuererforderungen gefährdet ist, wenn gegen einen Steuerpflichtigen eine Ausweisungsverfügung in einem Zeitpunkt
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ergeht, in welchem die Steuer noch nicht rechtskräftig festgestellt ist oder aus einem andern Grunde noch nicht eingefordert werden kann. Massgebend ist dabei der Umstand, dass die Stellung des Steuerpflichtigen in der Schweiz mit der Ausweisungsverfügung unsicher geworden ist und es auch dann bleibt, wenn die Ausweisung aus dem einen oder andern Grunde vielleicht nicht unmittelbar vollzogen wird, der Wohnsitz des Steuerpflichtigen in der Schweiz also weiterbesteht. In solchen Fällen entspricht es der in Art. 118 WStB getroffenen Ordnung, dass der spätere Vollzug der Steuer gesichert wird und die Steuerbeträge, deren Einforderung noch nicht möglich ist, vorsorglich durch Hinterlagen oder auf andere Weise sichergestellt werden. Es wäre mit einer sachgemässen Durchführung der Besteuerung unvereinbar, in solchen Fällen den Abschluss des Einschätzungsverfahrens und den Fälligkeitstermin abzuwarten und es darauf ankommen zu lassen, ob der Steuerpflichtige dann noch im Lande ist. Demgemäss wird in der Praxis der Erlass einer Ausweisungsverfügung gegen einen Ausländer mit Recht als genügender Grund für die Sicherstellung der Steuerforderungen angesehen (Vgl. den amtlich nicht publizierten Entscheid vom 29. November 1946 i.S. O., ASA 16 S. 33; ferner ASA 13 S. 68 betr. Kriegsgewinnsteuer).
4. Bei der eidg. Wehrsteuer ist allerdings weitere Voraussetzung, dass ein Verhalten des Steuerpflichtigen zum Erlasse der Ausweisungsverfügung Anlass gegeben hat. Ausweisungsverfügungen, die aus Gründen erlassen werden, die mcht in einem Verhalten des Steuerpflichtigen liegen, wären - nach der in Art. 118 WStB vorgesehenen Ordnung - kein genügender Grund für die Einforderung von Sicherheiten. Hier durfte angenommen werden, dass ein Verhalten des Steuerpflichtigen die Ausweisungsverfügung veranlasst und damit den Grund für die Steuergefährdung gesetzt hat. Die Ausweisung wurde hauptsächlich deswegen angeordnet, weil der Beschwerdeführer sich über die Auflagen,
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die mit seiner Aufenthaltsbewilligung verbunden worden waren, hinweggesetzt hat, weil er an unerwünschten, den Interessen des Gastlandes zuwiderlaufenden Handelsgeschäften teilgenommen hatte und weil er Ausländern bei unbewilligter und unerwünschter Geschäftstätigkeit behilflich gewesen war. Die Voraussetzungen, unter denen die Sicherstellung der Wehrsteuer verlangt werden darf, sind somit erfüllt. Dass sich der Beschwerdeführer um die Beibehaltung seines Wohnsitzes in der Schweiz bemüht und dass - nach dem Beschwerdeentscheid des eidg. Justiz- und Polizeidepartements - die Vollstreckung der Ausweisung vorläufig auf Zusehen hin aus Kommiserationsgründen sistiert ist, ändert daran nichts. Solange die Ausweisungsverfügung besteht, bleibt die Stellung des Beschwerdeführers in der Schweiz prekär, was es rechtfertigt, von ihm die Sicherstellung der eidgenössischen Steuern zu fordern.