S. 65 / Nr. 16 Strassenverkehr (d)

BGE 79 IV 65

16. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. August/10. September
1953 i. S. Hofstetter gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.


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Regeste:
1. Art. 25 Abs. 1 MFG, 117, 237 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
StGB. Pflicht zur Anpassung der
Geschwindigkeit des Motorfahrzeuges an die Sichtweite (Erw. 1).
2. Art. 41 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB. Voraussetzungen des bedingten Strafvollzuges bei
Führen in angetrunkenem Zustand (Erw. 4).
1. Art. 25 al. 1 LA, 117 et 237 ch. 2 CP. Obligation du conducteur d'un
véhicule automobile d'adapter sa vitesse à la visibilité (consid. 1).
2. Art. 41 ch. 1 CP. Conditions aux quelles est soumis le sursis dans le cas
où le condamné a conduit un véhicule automobile en étant pris de boisson
(consid. 4).
1. Art. 25 cp. 1 LA, 117 e 237 cifra 2 CP. Obbligo del conducente d'un
autoveicolo di adattare la velocità alla visibilità (consid. 1).
2. Art. 41 cifra 1 CP. Condizioni alle quali è subordinata la sospensione
condizionale della pena nel caso d'un conducente ebbro (consid. 4).

A. - Josef Hofstetter, Landwirt und Viehhändler in Kriens, trank am 10.
September 1952 in Mettmenstetten anlässlich einer Beerdigung beim Mittagessen
und den ganzen Nachmittag ziemlich Alkohol. Um 19 Uhr fuhr er am Steuer seines
Personenwagens mit drei Begleitern nach Luzern zurück. Dort trank er in der
Wirtschaft zum «Maihof» mit ihnen einen Liter Weisswein, und nachher genoss er
im Bahnhofbuffet noch gut die Hälfte eines halben Liters Rotwein. Als er nach
20 Uhr bei Dunkelheit, Regen und schlechter Sicht die Steinhofstrasse hinauf
heimwärts fuhr, musste er die Scheinwerfer abblenden, um einen anderen Wagen
zu kreuzen. Noch hatte er nicht wieder Vollicht eingeschaltet, als er von
hinten den Dienstmann Josef Truttmann anfuhr, der am rechten Strassenrand
einen mit drei Koffern beladenen Karren zog.

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Truttmann wurde mit dem Karren 6 m weit nach vorn geschleudert und so schwer
verletzt, dass er am 12. September starb.
Hofstetter machte der Polizei auf dem Unfallplatz den Eindruck eines
Angetrunkenen. Die Blutprobe, die ihm um 21 Uhr entnommenen wurde, enthielt
nach chemischer Bestimmung 1,8 Gewichts-o/oo und gemäss interferometrischer
Prüfung 1,85 Gewichts-o/oo Alkohol.
B. - Am 12. Mai 1953 erklärte das Obergericht des Kantons Luzern Hofstetter
des Führens in angetrunkenem Zustand nach Art. 59 Abs. 2 MFG, der fahrlässigen
Tötung nach Art. 117
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 117 - Wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB und der fahrlässigen Störung des öffentlichen
Verkehrs nach Art. 237
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
StGB schuldig, verurteilte ihn zu vier Monaten
Gefängnis und verfügte, dass die Urteilsformel auf Kosten des Verurteilten im
Kantonsblatt zu veröffentlichen sei.
C. - Hofstetter führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei
aufzuheben und das Obergericht anzuweisen, ihn nur wegen Übertretung des Art.
59 Abs. 1 MFG, eventuell auch wegen fahrlässiger Tötung, zu verurteilen, und
zwar nur zu Busse, unter Anwendung des Art. 49 Ziff. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 49 - 1 Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden.
1    Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden.
2    Hat das Gericht eine Tat zu beurteilen, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer andern Tat verurteilt worden ist, so bestimmt es die Zusatzstrafe in der Weise, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären.
3    Hat der Täter eine oder mehrere Taten vor Vollendung des 18. Altersjahres begangen, so dürfen diese bei der Bildung der Gesamtstrafe nach den Absätzen 1 und 2 nicht stärker ins Gewicht fallen, als wenn sie für sich allein beurteilt worden wären.
StGB und Ansetzung
einer Probezeit von einem Jahr; jedenfalls habe das Obergericht den
Strafvollzug bedingt aufzuschieben und von der Veröffentlichung des Urteils
abzusehen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Art. 25 Abs. 1 MFG verpflichtet den Führer, die Geschwindigkeit seines
Fahrzeuges den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anzupassen und
überall da, wo es Anlass zu Verkehrsstörung oder Unfällen bieten könnte, den
Lauf zu mässigen oder nötigen falls anzuhalten.
Wie das Bundesgericht ständig entschieden hat, verbietet diese Bestimmung dem
Führer, schneller zu fahren, als dass er auftauchende Gefahren, mit denen er
rechnen muss, durch Anhalten innerhalb der zuverlässig überblickbaren Strecke
bannen kann. Dieser elementare Grundsatz gilt

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auch beim Abblenden der Scheinwerfer. Freilich darf sich der Führer nach dem
Abblenden zunächst noch an das Wahrnehmungsbild halten, das er im Vollicht der
Scheinwerfer aufgenommen hat, wenn es zuverlässig ist und nach den örtlichen
Verhältnissen nicht angenommen werden muss, es könnte auf der vorher als frei
erkannten Fahrbahn in den nächsten Augenblicken ein Hindernis auftauchen.
Sobald sich das Fahrzeug aber dein Ende der vor der als frei erkannten Strecke
nähert, muss die Geschwindigkeit so stark herabgesetzt sein, dass der Führer
das Fahrzeug ohne Gefährdung anderer Strassenbenutzer rechtzeitig anhalten
kann, wenn innerhalb der dem abgeblendeten Lichte entsprechenden kürzeren
Sichtweite ein solcher plötzlich auftauchen sollte (BGE 77 IV 102 und dort
angeführte Urteile).
Diese Vorsichtspflicht hat der Beschwerdeführer verletzt; denn nach der
verbindlichen Feststellung der Vorinstanz ist der Zusammenstoss mit Truttmann
darauf zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer die Geschwindigkeit nach dem
Abblenden nicht den schlechten Sichtverhältnissen angepasst hat; er ist nicht
so langsam gefahren, dass er auf Sichtweite hätte anhalten können. Wenn sich
auf der Strecke, die er vor der Abblendung der Scheinwerfer überblicken
konnte, kein Hindernis befand, berechtigte ihn das nicht zur Annahme, die
Fahrbahn werde auch vom Ende dieser Strecke an frei sein. Zum mindesten
innerorts muss immer damit gerechnet werden, dass auf der von den
Scheinwerfern noch nicht erreichten Fahrbahn Hindernisse, auch unbeleuchtete,
auftauchen könnten. Daran ändert hier auch der angeblich 3 m breite
Fussgängersteig nichts. Nicht nur können Fussgänger die Strasse überqueren
wollen, sondern es können auch Leute mit Handwagen und dergleichen die
Fahrbahn benützen, wie es der Dienstmann Truttmann getan hat. Ebensowenig
entlastet den Beschwerdeführer, dass die Unfallstelle wegen der beiden dort
befindlichen Eichen vollständig im Dunkeln lag. Dieser Umstand verpflichtete
ihn zu besonderer Vorsicht.

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Sollte sich aber, wie der Beschwerdeführer behauptet, nach dem Abblenden der
Zusammenstoss so blitzschnell abgespielt haben, dass ihm die Zeit zum Anhalten
oder Herabsetzen der Geschwindigkeit fehlte, so könnte das nur heissen, dass
die Geschwindigkeit schon vorher der Sichtweite nicht angepasst war.
Das Obergericht hat daher zu Recht die eingetretene Verkehrsstörung und den
Tod Truttmanns auf Fahrlässigkeit des Beschwerdeführers zurückgeführt und
diesen nach Art. 237 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
und Art. 117
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 117 - Wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB schuldig erklärt.
4.- Wer in angetrunkenem Zustande ein Motorfahrzeug führt, bekundet in der
Regel solche Hemmungslosigkeit und achtet Leib und Leben anderer so gering,
dass der Vollzug der Freiheitsstrafe, zu der er verurteilt wird, nur dann
bedingt aufzuschieben ist, wenn bestimmte besondere Umstände gleichwohl
ernstlich erwarten lassen, dass er durch diese Massnahme von weiteren Vergehen
abgehalten werde (BGE 74 IV 196, 76 IV 170).
Solche besondere Umstände liegen keine vor. Dass der Beschwerdeführer, wie das
Obergericht nicht übersehen hat, einen guten Leumund geniesst, arbeitsam,
ehrlich und offen ist, ein solides Leben führt und nicht als Wirtshaushocker
gilt, genügt nicht; die erwähnte Rechtsprechung gilt nicht nur für schlecht
beleumdete Personen, gewohnheitsmässige Trinker und dgl. Vielmehr müssten die
Umstände der Tat den Schluss zulassen, dass der Beschwerdeführer den Vorwurf
gewissenlosen Handelns, der die angetrunkenen Führer im allgemeinen trifft,
nicht verdiene, so etwa, wenn er durch starkes Drängen anderer zur Tat bewogen
worden wäre oder sich erst unter dem Einfluss genossenen Alkohols und dadurch
bewirkter Enthemmung zum Führen entschlossen hätte. Der Beschwerdeführer
vermag indessen keine derartigen Milderungsgründe anzurufen. Er hat von Anfang
an gewusst, dass er auf der Rückfahrt von Mettmenstetten den Motorwagen führen
werde.
Er hätte schon am Leichenmahl vermeiden sollen,

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übermässig oder überhaupt Alkohol zu trinken. Keinesfalls entschuldigt die
Stimmung, die an diesem Anlass geherrscht haben mag, dass der Beschwerdeführer
in Luzern in zwei Wirtschaften zu trinken fortgefahren hat; das zu tun, war in
hohem Grade leichtfertig und verantwortungslos. Auf der Fahrt von
Mettmenstetten nach Luzern hätte er lange Gelegenheit gehabt, sich der
schweren Gefahren zu erinnern, die berauschte Motorfahrzeugführer für die
Mitfahrenden und die übrigen Strassenbenützer schaffen. Dass er im «Maihof»
einen Verwandten besuchen und im Bahnhofbuffet Seine Braut abholen wollte,
mildert Sein Verschulden nicht; er hätte das auch tun können, ohne Alkohol zu
trinken.
Die Auffassung des Obergerichts, der Beschwerdeführer würde durch eine bedingt
aufgeschobene Strafe nicht dauernd von weiteren Vergehen abgehalten, bleibt im
Rahmen des Ermessens. Der bedingte Strafaufschub konnte umsoeher abgelehnt
werden, als der Richter beim Entscheid über diese Massnahme nebenbei auch das
Bedürfnis nach Generalprävention in die Waagschale werfen darf (BGE 73 IV 80,
87; 74 IV 138).
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.