S. 179 / Nr. 44 Verfahren (d)

BGE 79 IV 179

44. Entscheid der Anklagekammer vom 9. Dezember 1953 i. S. Staatsanwaltschaft
des Kantons Basel-Stadt gegen Generaldirektion der Post-, Telegraphen- und
Telephonverwaltung.

Regeste:
Aufhebung des Postgeheimnisses im Interesse der Strafrechtspflege.
1. Bei den Massnahmen, welche die PTT-Verwaltung nach Art. 6 Abs. 3 PVG und
Art. 7 Abs. 1 TVG auf Ersuchen der Strafverfolgungsbehörden zu treffen hat,
handelt es sich um Rechtshilfe

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im Sinne von Art. 352 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 352 - 1 Der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen richtet sich nach den Grundsätzen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981537 sowie nach den vom Bundesrat als anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von INTERPOL.
1    Der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen richtet sich nach den Grundsätzen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981537 sowie nach den vom Bundesrat als anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von INTERPOL.
2    Für den Austausch von Informationen zur Suche nach Vermissten, zur Identifizierung von Unbekannten und zu administrativen Zwecken gilt das DSG538.539
3    Das Bundesamt für Polizei kann den Zentralbüros anderer Staaten Informationen direkt vermitteln, wenn der Empfängerstaat den datenschutzrechtlichen Vorschriften von INTERPOL untersteht.
. StGB, über deren Gewährung im Streitfall das
Bundesgericht entscheidet (Erw. 1, 2).
2. Überprüfungsbefugnis der PTT-Verwaltung inbezug auf Rechtshilfegesuche, die
von kantonalen Strafverfolgungsbehörden gestützt auf Art. 6 Abs. 3 PVG und
Art. 7 Abs. 1 TVG gestellt werden (Erw. 3).
3. Voraussetzungen, unter denen die PTT-Verwaltung verpflichtet ist, das
Postgeheimnis im Interesse der Strafrechtspflege aufzuheben (Erw. 4).
Exceptions au secret postal en faveur de l'administration de la justice
pénale.
1. Les mesures que l'administration des PTT est tenue de prendre à l'égard des
autorités pénales en vertu des art. 6 al. 3 LSP et 7 al. 1 LCT, sont des
mesures d'entraide judiciaire au sens des art. 352 ss CP, sur l'exécution
desquelles le Tribunal fédéral statue en cas de litige (consid. 1, 2).
2. Pouvoir d'examen de l'administration des PTT en ce qui concerne les
requêtes d'entraide judiciaire émanant d'autorités pénales des cantons et
fondées sur les art. 6 al. 3 LSP et 7 al. 1 LCT (consid. 3).
3. Conditions auxquelles l'administration des PTT est tenue de lever le secret
postal dans l'intérêt de l'administration de la justice pénale (consid. 4).
Eccezioni all'obbligo del segreto postale nell'interesse della giustizia
penale.
1. Le misure, che l'amministrazione delle PTT deve prendere a richiesta delle
autorità penali in virtù dell'art. 6 cp. 3 della legge sul servizio delle
poste e dell'art. 7 cp. 1 della legge stilla corrispondenza telegrafica e
telefonica, rientrano nell'assistenza dovuta fra autorità (art. 352 sgg. CP).
Sull'obbligo di prestare quest'assistenza decide, in caso di contestazione, il
Tribunale federale (consid. 1 e 2).
2. Sindacato dell'amministrazione delle PTT per quanto riguarda le domande di
assistenza presentate dalle autorità penali cantonali in virtù dell'art. 6 cp.
3 LSP e 7 cp. 1 LCT (consid. 3).
3. Condizioni alle quali l'amministrazione delle PTT è tenuta di aprire il
segreto postale nell'Interesse della giustizia penale (consid. 4).

A. - Der Untersuchungsrichter 3 Bern hat gegen X. und Y., beide flüchtig und
zur Verhaftung ausgeschrieben, ein Strafverfahren wegen Betruges,
Urkundenfälschung und Veruntreuung eröffnet. Er hat Anhaltspunkte dafür, dass
die beiden mit einem Z. in Verbindung stehen. In der Erwartung, dadurch die
Aufenthaltsorte des X. und des Y. zu finden, ersuchte er am 13. Juli 1953
gestützt auf Art. 6
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 352 - 1 Der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen richtet sich nach den Grundsätzen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981537 sowie nach den vom Bundesrat als anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von INTERPOL.
1    Der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen richtet sich nach den Grundsätzen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981537 sowie nach den vom Bundesrat als anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von INTERPOL.
2    Für den Austausch von Informationen zur Suche nach Vermissten, zur Identifizierung von Unbekannten und zu administrativen Zwecken gilt das DSG538.539
3    Das Bundesamt für Polizei kann den Zentralbüros anderer Staaten Informationen direkt vermitteln, wenn der Empfängerstaat den datenschutzrechtlichen Vorschriften von INTERPOL untersteht.
des Postverkehrsgesetzes (PVG) und Art. 7 des Telegraphen.
und Telephonverkehrsgesetzes (TVG) die Generaldirektion der PTT-Verwaltung,
mit sofortiger Wirkung die

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Post-, Telegraphen- und Telephonzensur über Z. zu verhängen, d.h. sämtliche
von ihm aus- und bei ihm eingehenden Telephongespräche inhaltlich zu
registrieren sowie allfällige Telegramme und Postsendungen abzufassen und an
die Sicherheits- und Kriminalpolizei der Stadt Bern weiterzuleiten. Die
Generaldirektion der PTT-Verwaltung wies das Gesuch mit Schreiben vom 14. Juli
1953 ab, da es an den gesetzlichen Voraussetzungen fehle. Der
Untersuchungsrichter wandte sich hierauf mit Eingabe vom 16. Juli 1953 an den
Vorsteher des Eidg. Post- und Eisenbahndepartementes, wurde aber gleichfalls
abgewiesen.
B. - Gegen diesen Bescheid reichte der Untersuchungsrichter 3 Bern am 22. Juli
1953 beim Bundesrat eine Beschwerde gemäss Art. 124 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 352 - 1 Der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen richtet sich nach den Grundsätzen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981537 sowie nach den vom Bundesrat als anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von INTERPOL.
1    Der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen richtet sich nach den Grundsätzen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981537 sowie nach den vom Bundesrat als anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von INTERPOL.
2    Für den Austausch von Informationen zur Suche nach Vermissten, zur Identifizierung von Unbekannten und zu administrativen Zwecken gilt das DSG538.539
3    Das Bundesamt für Polizei kann den Zentralbüros anderer Staaten Informationen direkt vermitteln, wenn der Empfängerstaat den datenschutzrechtlichen Vorschriften von INTERPOL untersteht.
. OG ein mit dem Antrag,
die Generaldirektion der PTT-Verwaltung sei anzuweisen, dem Gesuch vom 13.
Juli 1953 Folge zu geben und die Post-, Telegramm- und Telephonkontrolle im
gewünschten Umfange über Z. - zu verhängen.
Der Bundesrat nahm an, es handle sich um eine Beschwerde nach Art. 99 Ziff. XI
OG, und überwies sie deshalb gestützt auf Art. 96 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 352 - 1 Der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen richtet sich nach den Grundsätzen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981537 sowie nach den vom Bundesrat als anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von INTERPOL.
1    Der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen richtet sich nach den Grundsätzen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981537 sowie nach den vom Bundesrat als anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von INTERPOL.
2    Für den Austausch von Informationen zur Suche nach Vermissten, zur Identifizierung von Unbekannten und zu administrativen Zwecken gilt das DSG538.539
3    Das Bundesamt für Polizei kann den Zentralbüros anderer Staaten Informationen direkt vermitteln, wenn der Empfängerstaat den datenschutzrechtlichen Vorschriften von INTERPOL untersteht.
OG dem Bundesgericht.
C. - Das Eidg. Post- und Eisenbahndepartement beantragt, auf die Beschwerde
nicht einzutreten, da in der Sache weder ein Entscheid des (hiezu auch gar
nicht zuständigen) Departementes noch ein solcher der (nach Art. 23 des
Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesverwaltung allein zuständigen)
Mittelinstanz, nämlich des Generaldirektors PTT, ergangen sei. Eventuell sei
die Beschwerde als materiell unbegründet abzuweisen.
D. - Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, die schon vor Einleitung
des Verfahrens in Bern eine Strafuntersuchung gegen X. und Y. eingeleitet
hatte, übernahm jenes Verfahren in der Folge und trat an Stelle des
Untersuchungsrichters 3 Bern in das von diesem eingeleitete
Beschwerdeverfahren gegen das Eidg. Post- und Eisenbahndepartement. Sie
ersucht das Bundesgericht, sich auf Grund des Art. 99 Ziff. XI OG, eventuell
des Art. 357
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 352 - 1 Der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen richtet sich nach den Grundsätzen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981537 sowie nach den vom Bundesrat als anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von INTERPOL.
1    Der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen richtet sich nach den Grundsätzen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981537 sowie nach den vom Bundesrat als anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von INTERPOL.
2    Für den Austausch von Informationen zur Suche nach Vermissten, zur Identifizierung von Unbekannten und zu administrativen Zwecken gilt das DSG538.539
3    Das Bundesamt für Polizei kann den Zentralbüros anderer Staaten Informationen direkt vermitteln, wenn der Empfängerstaat den datenschutzrechtlichen Vorschriften von INTERPOL untersteht.
StGB,

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als zuständig zu erklären und die PTT-Verwaltung anzuweisen, die nachgesuchte
Post-, Telegramm- und Telephonzensur zu gewähren.
E. - Nach Durchführung eines Meinungsaustausches zwischen der
Verwaltungsrechtlichen Kammer und der Anklagekammer des Bundesgerichtes über
die Frage der internen Zuständigkeit hat die Anklagekammer die Behandlung der
Sache übernommen.
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
1.- In Strafsachen, auf welche das Strafgesetzbuch anwendbar ist, sind nach
Art. 352 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 352 - 1 Der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen richtet sich nach den Grundsätzen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981537 sowie nach den vom Bundesrat als anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von INTERPOL.
1    Der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen richtet sich nach den Grundsätzen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981537 sowie nach den vom Bundesrat als anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von INTERPOL.
2    Für den Austausch von Informationen zur Suche nach Vermissten, zur Identifizierung von Unbekannten und zu administrativen Zwecken gilt das DSG538.539
3    Das Bundesamt für Polizei kann den Zentralbüros anderer Staaten Informationen direkt vermitteln, wenn der Empfängerstaat den datenschutzrechtlichen Vorschriften von INTERPOL untersteht.
StGB nicht nur die Kantone unter sich, sondern auch der Bund
und die Kantone gegenseitig zur Rechtshilfe verpflichtet. Rechts -hilfe im
Sinne dieser Vorschrift ist jede Massnahme, uni die eine Behörde im Rahmen
ihrer Zuständigkeit in einer hängigen Strafverfolgung für die Zwecke dieser
Verfolgung ersucht wird. Dazu gehört auch die Fahndung, sei es nach einem
unbekannten Täter, sei es nach einem bekannten, dessen Aufenthaltsort
unbekannt ist, mit allen Nachforschungen und Erhebungen, die dafür geeignet
sind. Die Massnahmen, die im vorliegenden Falle von der PTT-Verwaltung
verlangt werden, fallen unbestrittenermassen in ihre Zuständigkeit und dienen
der Verfolgung nach dem StGB strafbarer Handlungen. Es handelt sich somit um
Rechtshilfe im Sinne von Art. 352 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 352 - 1 Der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen richtet sich nach den Grundsätzen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981537 sowie nach den vom Bundesrat als anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von INTERPOL.
1    Der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen richtet sich nach den Grundsätzen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981537 sowie nach den vom Bundesrat als anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von INTERPOL.
2    Für den Austausch von Informationen zur Suche nach Vermissten, zur Identifizierung von Unbekannten und zu administrativen Zwecken gilt das DSG538.539
3    Das Bundesamt für Polizei kann den Zentralbüros anderer Staaten Informationen direkt vermitteln, wenn der Empfängerstaat den datenschutzrechtlichen Vorschriften von INTERPOL untersteht.
. StGB.
Der Streit darüber, ob eine Bundesbehörde gegenüber einer kantonalen Behörde
zur Rechtshilfe verpflichtet sei, ist nach Art. 357
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 352 - 1 Der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen richtet sich nach den Grundsätzen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981537 sowie nach den vom Bundesrat als anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von INTERPOL.
1    Der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen richtet sich nach den Grundsätzen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981537 sowie nach den vom Bundesrat als anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von INTERPOL.
2    Für den Austausch von Informationen zur Suche nach Vermissten, zur Identifizierung von Unbekannten und zu administrativen Zwecken gilt das DSG538.539
3    Das Bundesamt für Polizei kann den Zentralbüros anderer Staaten Informationen direkt vermitteln, wenn der Empfängerstaat den datenschutzrechtlichen Vorschriften von INTERPOL untersteht.
StGB vom Bundesgericht zu
entscheiden, und zwar kann das Bundesgericht, da der Verkehr in
Rechtshilfesachen unmittelbar von Behörde zu Behörde stattfindet (Art. 353
Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 353 - Der Bund kann Finanzhilfen und Abgeltungen an INTERPOL ausrichten.
StGB), schon im Anschluss an die Weigerung der ersuchten Bundesbehörde
jederzeit ohne Bindung an eine Frist angerufen werden. Auf das vorliegende
Gesuch ist daher, nachdem die da für zuständige PTT-Verwaltung die verlangte
Rechtshilfe abgelehnt hat, einzutreten, gleichgültig ob auch die
Voraussetzungen der

Seite: 183
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit welcher der sich auf das PVG und TVG
stützende Rechtshilfeanspruch ebenfalls vor Bundesgericht geltend gemacht
werden kann (Art. 99 Ziff. XI OG), erfüllt sind oder nicht.
2.- Die den Bundesbehörden nach Art. 352 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 352 - 1 Der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen richtet sich nach den Grundsätzen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981537 sowie nach den vom Bundesrat als anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von INTERPOL.
1    Der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen richtet sich nach den Grundsätzen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981537 sowie nach den vom Bundesrat als anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von INTERPOL.
2    Für den Austausch von Informationen zur Suche nach Vermissten, zur Identifizierung von Unbekannten und zu administrativen Zwecken gilt das DSG538.539
3    Das Bundesamt für Polizei kann den Zentralbüros anderer Staaten Informationen direkt vermitteln, wenn der Empfängerstaat den datenschutzrechtlichen Vorschriften von INTERPOL untersteht.
StGB gegenüber kantonalen
Strafverfolgungsbehörden obliegende Pflicht zur Rechtshilfe gilt für die
Organe der PTT nicht unbeschränkt, sondern wegen des in Art. 36 Abs. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 36 Einschränkungen von Grundrechten - 1 Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
1    Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
2    Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein.
3    Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein.
4    Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar.
BV
gewährleisteten Postgeheimnisses nur soweit, als Art. 6 Abs. 3 PVG und Art. 7
TVG Ausnahmen von diesem Geheimnis zulassen. Nach Art. 6 Abs. 3 PVG ist die
Postverwaltung dann zur Auslieferung von Postsendungen usw. sowie zur
Auskunfterteilung über den Postverkehr bestimmter Personen verpflichtet, wenn
sie von einer zuständigen Justiz- oder Polizeibehörde darum schriftlich
ersucht wird und «es sich um eine Strafuntersuchung oder um die Verhinderung
eines Verbrechens oder Vergehens handelt». Unter den gleichen Voraussetzungen
ist die Telegraphenverwaltung nach Art. 7 Abs. 1 TVG zur Auslieferung von
Telegrammen und von dienstlichen Aufzeichnungen über den Telephonverkehr sowie
zur Auskunftserteilung über den Telegramm- und Telephonverkehr bestimmter
Personen verpflichtet.
3.- Wird die PTT-Vermutung gestützt auf diese Bestimmungen von kantonalen
Justiz- oder Polizeibehörden um Herausgabe von Postsendungen,
Auskunfterteilung usw. ersucht, so hat sie nicht zu prüfen, ob diese
Massnahmen nach dem massgebenden kantonalen Strafprozessrecht zulässig, noch
ob sie, aus dem Gesichtspunkt der in Frage stehenden Strafuntersuchung,
zweckmässig und notwendig seien. Sie hat in dieser Beziehung auf die Angaben
der ersuchenden Behörde abzustellen, die dafür allein verantwortlich ist. Die
PTT-Verwaltung hat, wie das Eidg. Post- und Eisenbahndepartement in seiner
Vernehmlassung übrigens selber ausführt, die Gesuche der kantonalen Justiz-
und Polizeibehörden nur auf ihre formelle Zulässigkeit, d.h. daraufhin zu
prüfen, ob die ersuchende Behörde

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zuständig und der angegebene Grundgesetz mässig sei (vgl. dazu StenBull StR
1908 S. 161 ff., NatR 1909 S. 723 SALIS-BURCKHARDT, Bundesrecht Nr. 3261 II
und 3264 IV; BUSER, Postverkehrsgesetz, S. 55; TUASON, Recht der
PTT.Verwaltung S. 11 Anm. 2). Die Berufung des Eidg. Post - und
Eisenbahndepartementes auf Vorschriften des bernischen Prozessrechts ist daher
unbehelflich, ebenso der Einwand, die PTT-Verwaltung dürfe einem
Auskunftsbegehren nur entsprechen, wenn eine bestimmte Person «dringend der
Tat verdächtig» sei, ein «bloss geringfügiger Verdacht» genüge nicht. Es ist
nur zu prüfen, ob die in Art. 6 Abs. 3 PVG und Art. 7 Abs. 1 TVG aufgestellten
formellen Voraussetzungen erfüllt sind.
4.- Die PTT-Verwaltung wird im vorliegenden Falle um Überwachung des gesamten
Post-, Telegramm- und Telephonverkehrs eines Z. ersucht. Es ist nicht
streitig, dass diese gegen eine bestimmte Person gerichtete Massnahme nach den
genannten Bestimmungen an sich zulässig ist. Das Begehren wurde vom
Untersuchungsrichter 3 Bern schriftlich gestellt und in der Folge von der
Staatsanwaltschaft Basel -Stadt übernommen, geht also unbestrittenermassen von
zuständigen Justiz- und Polizeibehörden aus (vgl. Art. 6 VV I zum PVG, Art. 7
VV I zum TVG). Als Grund der verlangten Überwachung des Z. wird nicht geltend
gemacht, dass diese Massnahme die Verhinderung eines Verbrechens bezwecke,
wenn auch worauf insbesondere die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt
verwiesen hat - nicht ausgeschlossen sein mag, dass sich bei der Überwachung
ergeben könnte, dass X. und Y. neue Verbrechen planen. Der Postverkehr des Z.
soll vielmehr überwacht werden, um den Aufenthaltsort von X. und Y. ausfindig
zu machen, die wegen verschiedener strafbaren Handlungen verfolgt werden und
mit Z. in Beziehung standen und vielleicht noch stehen.
Das Eidg. Post- und Eisenbahndepartement hält eine solche Überwachung von
Drittpersonen für unzulässig, da nach Art. 6 Abs. 3 PVG und Art. 7 Abs. 1 TVG
das Postgeheimnis

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auch im Interesse einer Strafuntersuchung nur gegenüber dem Angeschuldigten
durchbrochen werden dürfe. Für diese enge Auslegung besteht indessen kein
Grund. Nach dem Wortlaut der Bestimmungen ist nur erforderlich, dass «es sich
um eine Strafuntersuchung handelt». Dass beim Vorliegen einer solchen das
Postgeheimnis nur gegenüber dem Angeschuldigten aufgehoben werden darf, sagt
das Gesetz nicht. Ebensowenig ergibt sich dies aus der Entstehungsgeschichte.
Art. 6 Abs. 3 PVG geht zurück auf Art. 9 Abs. 4 des Postgesetzes vom 5. April
1910. Diese Bestimmung war in der Bundesversammlung Gegenstand eingehender
Beratung. Während der Ständerat Ausnahmen vom Postgeheimnis zugunsten aller
Justiz- und Polizeibehörden mit Einschluss der Zivilgerichte ohne nähere
Umschreibung der Voraussetzungen zulassen wollte (StenBull StR 1908 S. 87, 161
ff., 1909 S. 84, 116 ff.), herrschte im Nationalrat die Auffassung vor, dass
nur das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung für Offizialdelikte eine
Durchbrechung des Postgeheimnisses rechtfertige (StenBull NatR 1909 S. 301
ff., 424 ff., 721 ff.). Diese Auffassung drang schliesslich durch und führte
zu der weiten Fassung, die dann - von der Beschränkung auf Offizialdelikte
abgesehen - später ins PVG übernommen wurde. Dass Ausnahmen vom Postgeheimnis
zugunsten der Strafrechtspflege nur gegenüber dem Angeschuldigten zulässig
sein sollten, nicht aber gegenüber Drittpersonen, wurde bei der
Gesetzesberatung von keiner Seite gefordert. Selbst diejenigen, welche die
Durchbrechung des Postgeheimnisses lediglich für die Ermittlung des Täters
eines Offizialdeliktes zulassen wollten, schlugen Fassungen vor, welche
allgemein vom «Postverkehr bestimmter Personen» sprachen, die Auskunftspflicht
der Post also nicht auf den Postverkehr des Angeschuldigten beschränkten
(StenBull NatR 1909 S. 424/5).
Ist demnach anzunehmen, dass Art. 6 Abs. 3 PVG und Art. 7 Abs. 1 TVG Ausnahmen
vom Postgeheimnis sowohl gegenüber dem Angeschuldigten als auch gegenüber
Drittpersonen

Seite: 186
zulassen, wenn es sich um eine Strafuntersuchung handelt, so heisst das nicht,
dass die PTT-Verwaltung verpflichtet wäre, der mit einer Strafuntersuchung
befassten kantonalen Behörde über den Postverkehr jedes beliebigen Dritten
oder doch aller Personen, die mit dem Angeschuldigten je einmal in Beziehung
standen, ohne weiteres Auskunft zu erteilen. Es muss zwischen dem Dritten und
der Strafuntersuchung ein Zusammenhang bestehen, den die
Strafverfolgungsbehörde in ihrem schriftlichen Gesuch an die PTT-Verwaltung
kurz darzulegen hat. Welcher Art dieser Zusammenhang sein kann, braucht hier
nicht im einzelnen geprüft zu werden; denn nach den Angaben der
Strafverfolgungsbehörden, die als richtig hinzunehmen sind, besteht jedenfalls
vorliegend ein hinreichender Zusammenhang zwischen dem zu überwachenden Z. und
der Strafuntersuchung gegen X. und Y., da diese mit Z. in Verbindung standen
und vielleicht noch stehen und die Überwachung daher als geeignet erscheint,
den unbekannten Aufenthaltsort der flüchtigen Angeschuldigten ausfindig zu
machen.
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Dem vom Untersuchungsrichter 3 Bern gestellten, von der Staatsanwaltschaft
Basel -Stadt übernommenen Gesuch wird entsprochen und die Generaldirektion der
PTT-Verwaltung angewiesen, dem vom Untersuchungsrichter 3 Bern mit Eingabe vom
13. Juli 1953 gestellten Begehren um Verhängung der Post-, Telegramm- und
Telephonzensur über Z. Folge zu leisten.