S. 119 / Nr. 29 Strafgesetzbuch (d)

BGE 78 IV 119

29. Urteil des Kassationshofes vom 9. Mai 1952 i. S. Zanardi gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.

Regeste:
Art. 117
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 117 - Quiconque, par négligence, cause la mort d'une personne est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire.
StGB, Art. 46 Abs. 3
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 117 - Quiconque, par négligence, cause la mort d'une personne est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire.
MFV. Auch an Schutzinseln hat der
Motorfahrzeugführer beim Überholen der Strassenbahn besonders vorsichtig zu
fahren und auf die übrigen Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen.
Sorgfaltspflicht des Fahrers, der einen Fussgänger auf die Fahrbahn treten
sieht.
Art. 117 CP et 46 al. 3 RA. Le conducteur d'un véhicule à moteur qui dépasse
un tramway près d'un refuge doit aussi circuler avec une précaution
particulière et avoir égard aux autres usagers de la route. Prudence requise
du conducteur qui voit un piéton s'engager sur la chaussée.
Art. 117 CP e 46 cp. 3 RLA. Anche quando il conducente di un autoveicolo
sorpassa un tram presso una banchina di riparo deve avanzare con speciale
cautela ed aver riguardo agli altri

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utenti della strada. Prudenza richiesta da un conducente che vede un pedone
inoltrarsi nel campo stradale.

A. - Willy Zanardi, Berufschauffeur, führte am 27. Januar 1951 etwa um 20.05
Uhr ein Personenautomobil durch die Hofwiesenstrasse in Zürich gegen Norden
(stadtauswärts). Als er sich der Strassenbahn-Haltestelle Ringstrasse näherte,
sah er aus etwa 40 m Entfernung einen Fussgänger, den 76-jährigen Ernst
Fischer, von der 1,85 m breiten östlich der Strassenbahngeleise liegenden
Schutzinsel auf die Fahrbahn treten, um den 3,65 m breiten Fahrstreifen
zwischen der Schutzinsel und den östlich davon liegenden Fussgängersteig zu
überqueren. Der Fussgänger war aus der Strassenbahn ausgestiegen. Zanardi
setzte seine Geschwindigkeit auf etwa 37 km/Std. herab. Als er vom Fussgänger
noch 17,5 m entfernt war und dieser die Mitte des Fahrstreifens noch nicht
überschritten hatte, wandte sich der Fussgänger aus einem nicht feststellbaren
Grunde wieder der Schutzinsel zu. Ob er stehen blieb und sich umkehrte oder
rückwärts schritt, konnte nicht abgeklärt werden. Zanardi vermochte nicht
rechtzeitig anzuhalten. Der Fussgänger wurde vom Wagen angefahren und so
schwer verletzt, dass er zwei Tage später starb.
B. - Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte Zanardi am 25. Januar 1952
wegen fahrlässiger Tötung (Art. 117
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 117 - Quiconque, par négligence, cause la mort d'une personne est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire.
StGB) zu einer bedingt aufgeschobenen
Gefängnisstrafe von sieben Tagen und setzte ihm drei Jahre Probezeit. Es sah
die Fahrlässigkeit des Angeklagten darin, dass er es beim Überholen der
Strassenbahn an der durch Art. 46 Abs. 3
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 117 - Quiconque, par négligence, cause la mort d'une personne est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire.
MFV vorgeschriebenen besonderen
Rücksicht auf die übrigen Strassenbenützer habe fehlen lassen.
C. - Zanardi ficht das Urteil mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde
an, indem er eine Übertretung des Art. 46 Abs. 3
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 117 - Quiconque, par négligence, cause la mort d'une personne est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire.
MFV und damit die Schuld am
Tode des Fischer bestreitet.
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragen, die
Beschwerde sei abzuweisen.

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Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Das Überholen der fahrenden und der haltenden Strassenbahn ist in Art. 61
Abs. 1 bis
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 117 - Quiconque, par négligence, cause la mort d'une personne est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire.
3 MFV geordnet, wo "im übrigen" Art. 46
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 117 - Quiconque, par négligence, cause la mort d'une personne est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire.
anwendbar erklärt wird.
Art. 46 Abs. 3
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 117 - Quiconque, par négligence, cause la mort d'une personne est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire.
MFV schreibt dem Überholenden vor, besonders vorsichtig zu
fahren und auf die übrigen Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen.
Mit Recht bestreitet der Beschwerdeführer nicht, dass diese Bestimmung auch
gilt, wenn die haltende Strassenbahn an einer Schutzinsel überholt wird. Diese
gibt zwar den ein- und den aussteigenden Fahrgästen in ähnlicher Weise
Sicherheit wie ein Fussgängersteig. Allein die Schutzinsel ist nur zu
vorübergehendem Aufenthalt bestimmt und bietet regelmässig nur beschränkten
Platz. Um sie vor dem Einsteigen zu betreten oder nach dem Aussteigen zu
verlassen, müssen die Benützer der Strassenbahn die Fahrbahn überqueren. Vor
dem Einsteigen tun sie das oft in Eile, und nach dem Aussteigen sind sie
bestrebt, die Schutzinsel möglichst bald zu verlassen, um ihres Weges zu
gehen. Die Vorschrift des Art. 46 Abs. 3
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 117 - Quiconque, par négligence, cause la mort d'une personne est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire.
MFV muss daher auch unter solchen
Verhältnissen beachtet werden, zumal sie nur Ausfluss der allgemein geltenden
Bestimmung des Art. 25 Abs. 1 MFG ist, wonach der Führer eines Motorfahrzeuges
die Geschwindigkeit den Verkehrsverhältnissen anzupassen und überall da, wo
das Fahrzeug Anlass zu Verkehrsstörung, Belästigung des Publikums und Unfällen
bieten könnte, den Lauf zu mässigen und nötigen falls anzuhalten hat.
2.- Der Beschwerdeführer hat aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit auf den
Fussgänger Fischer zu wenig Rücksicht genommen, als er ihn von der Schutzinsel
auf die Fahrbahn hat herabtreten sehen. Der Beschwerdeführer hätte sich sagen
können, dass bei einer bloss auf 37 km/Std. herabgesetzten Geschwindigkeit die
geringste Störung im Ablauf der Dinge zu einem Unfall führen konnte. Mit
Störungen aber musste er rechnen. Einem

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Fussgänger fällt es besonders bei Nacht schwer, Entfernung und Geschwindigkeit
eines Motorfahrzeuges, das sich ihm von der Seite nähert, so genau
abzuschätzen, dass er sich unter allen Umständen objektiv richtig verhalten
kann. Er befindet sich in dieser Hinsicht nicht in so günstiger Lage wie der
Motorfahrzeugführer, der sowohl seine eigene Geschwindigkeit als auch die
Geschwindigkeit des Fussgängers kennt und die Strecke, die ihn von diesem
trennt, ständig vor sich sieht. Auch kann der Fussgänger durch ein
verhältnismässig schnell heranfahrendes Motorfahrzeug beängstigt werden,
wodurch ihm das zweckmässige Verhalten noch mehr erschwert wird. Der Führer,
der diesem psychischen Einfluss normalerweise nicht ausgesetzt ist, vermag
ruhiger und sicherer zu berechnen. Wo er überzeugt ist, dass er hinter oder
vor dem Fussgänger werde durchfahren können, kann letzterer bei knapp
bemessenen Abständen und hoher Geschwindigkeit des Fahrzeuges Zweifel bekommen
darüber, was er tun oder nicht mehr tun darf. Besonders alte Personen, mit
denen der Motorfahrzeugführer immer zu rechnen hat, sind in solcher Lage der
Gefahr, ihrer eigenen Fehlrechnung zum Opfer zu fallen besonders ausgesetzt.
Das alles hat der Motorfahrzeugführer zu bedenken. Er darf insbesondere nicht
voraussetzen, dass die Selbstsicherheit und Geschicklichkeit des Fussgängers
so gross sei wie seine eigene. Er verhält sich pflichtwidrig, wenn er so
schnell fährt und die Abstände so knapp berechnet, dass die geringste
Fehlreaktion des Fussgängers zum Zusammenstoss führt. Der Beschwerdeführer hat
seine Geschwindigkeit beim Erblicken des Fussgängers zu wenig herabgesetzt und
damit fahrlässig dessen Tod verursacht.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.