S. 10 / Nr. 4 Strafgesetzbuch (d)

BGE 78 IV 10

4. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. Februar 1952 i. S. Pauli
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.

Regeste:
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB. Ein mit Gefängnis gesühnter Fall ist nicht
«besonders leicht».
Art. 41 ch. 3 al. 2 CP. Un cas où a été infligée une peine d'emprisonnernent
n'est pas «de très peu de gravité».
Art. 41 cifra 3 cp. 2 CP. Il caso in cui è stata inflitta una pena di
detenzione non è «di esigua gravità».

Aus den Erwägungen:
Nach Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB kann der Richter, statt den Strafvollzug
anzuordnen, in besonders leichten Fällen den Verurteilten verwarnen, ihm
weitere Bedingungen auferlegen oder die Probezeit höchstens um die Hälfte
ihrer ursprünglichen Dauer verlängern. Diese Bestimmung wurde durch
Bundesgesetz vom 5. Oktober 1950 betreffend Abänderung des schweizerischen
Strafgesetzbuches eingeführt, weil man es bei der früheren Regelung als
stossend empfand, dass auch ein ganz geringfügiges Vergehen, z. B. eine in der
Aufregung begangene Beschimpfung, die mit einer kleinen Busse bestraft wurde,
zwingend den Vollzug einer vielleicht einjährigen Gefängnisstrafe nach sich
zog (vgl. StenBull. NatR 1949 184, StR 1949 580). Wie der Berichterstatter im
Ständerat ausführte, gab es kantonale Gerichte, die in derartigen
«Bagatellfällen» den Strafvollzug nicht anordneten. So hatte das Plenum der

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Strafkammern des bernischen Obergerichts beschlossen, die bedingt
aufgeschobene Strafe solle wegen eines während der Probezeit begangenen
Verbrechens oder Vergehens nur dann vollzogen werden, wenn in ihm eine
Täuschung des auf den Verurteilten gesetzten Vertrauens liege, was da, wo die
während der Probezeit begangene Tat nur mit Übertretungsstrafe geahndet werde,
von Fall zu Fall zu prüfen sei (ZBJV 84 354). Solche Entscheidungen waren
gesetzwidrig (BGE 72 IV 49, 74 IV 17, 76 IV 261), wurden aber trotzdem von den
bernischen Staatsanwälten nicht mehr angefochten (ZBJV 84 361). Durch Aufnahme
des Absatzes 2 in Art. 41 Ziff. 3 anlässlich der Revision vom 5. Oktober 1950
sollte das Gesetz dieser Praxis angepasst werden. Die Entstehungsgeschichte
bestätigt demnach, dass die neue Bestimmung nur für Bagatellfälle gilt. Das
kommt auch m Wortlaut zum Ausdruck, wonach nur in besonders leichten Fällen
(cas de très peu de gravité) von der Anordnung des Strafvollzugs abgesehen
werden kann. Ein solcher Fall liegt nicht vor, wenn der Richter das Vergehen
oder Verbrechen mit Gefängnis oder Zuchthaus geahndet hat. Nur wenn auf Haft
oder Busse erkannt worden ist, kommt Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 überhaupt in Frage
nur dann hat der Richter zu prüfen, ob der Fall besonders leicht» sei.
Der Beschwerdeführer ist für die während der Probezeit begangenen
Veruntreuungen zu Gefängnis verurteilt worden. Für das richterliche Ermessen,
diese Fälle als besonders leicht zu würdigen und Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2
anzuwenden, bleibt somit kein Raum; das Ermessen wäre überschritten, wenn vom
Vollzug der bedingt aufgeschobenen Strafe abgesehen würde.