S. 121 / Nr. 27 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 78 III 121

27. Entscheid vom 24. September 1952 i. S. Schär.

Regeste:
Lohnpfändung (Art. 93 SchKG).
1. Wie ist in einer Betreibung für Rentenansprüche der geschiedenen Ehefrau
und Kinderalimente der Beitrag zu bemessen, den die zweite Ehefrau des
Schuldners aus ihrem Arbeitserwerb an die Bedürfnisse des Haushalts zu leisten
hat? (Art. 192 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 192 - Tritt Gütertrennung ein, so gelten für die güterrechtliche Auseinandersetzung die Bestimmungen des bisherigen Güterstandes, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.
ZGB).
2. Das Ergebnis einer genauen Berechnung der pfändbaren Lohnquote darf nicht
(erheblich) abgerundet werden.
Saisie de salaire (art. 93 LP).
1. Comment, dans une poursuite tendant au payement des pensions dues à la
femme divorcée et aux enfants du débiteur, calculer la somme que la seconde
femme du débiteur est tenue de prélever sur son propre gain à titre de
contribution aux frais du second ménage? (art. 192 al. 2 CC).
2. Il n'est pas admissible d'arrondir (de façon importante) le résultat que
donne un calcul précis de la quotité saisissable.

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Pignoramento di salario (art. 93 LEF).
1. Come si calcola, in un esecuzione volta ad ottenere il pagamento delle
pensioni alimentari dovute alla donna divorziata e ai figli del debitore, la
somma che la seconda moglie del debitore deve prelevare dal guadagno del
proprio lavoro a titolo di contributo ai bisogni dell'economia domestica?
(art. 192 cp. 2 CC).
2. Non è ammissibile di arrotondare (notevolmente) il risultato del computo
esatto della quota pignorabile.

Mit Zahlungsbefehlen vom 17. Dezember 1951 und 24. März 1952 betrieb die
Rekurrentin ihren geschiedenen Ehemann für seit dem 21. August 1951 verfallene
Kinderalimente und Rentenbetreffnisse, die sie auf Grund folgender
Bestimmungen der mit Urteil vom 21. Juni 1945 genehmigten Scheidungskonvention
zu fordern hatte:
«(3.) Der Ehemann verpflichtet sich, an die Erziehung der beiden (der Ehefrau
zugesprochenen) Kinder (geb. 1939 bzw. 1941) monatlich vorauszahlbare und bis
zum vollendet en 20. Altersjahr laufende Alimente von je Fr. 60 zu bezahlen.
«(5.) Der Ehemann verpflichtet sich, seiner Ehefrau dauernd im Sinne von Art.
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 192 - Tritt Gütertrennung ein, so gelten für die güterrechtliche Auseinandersetzung die Bestimmungen des bisherigen Güterstandes, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.
und 153
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 192 - Tritt Gütertrennung ein, so gelten für die güterrechtliche Auseinandersetzung die Bestimmungen des bisherigen Güterstandes, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.
ZGB eine monatlich vorauszahlbare Rente von je Fr. 100 zu
bezahlen. Er verzichtet, vorbehaltlich des Hinfalles bei Wiederverheiratung
der Ehefrau, auf eine spätere Herabsetzung dieses Anspruchs.
Am 13. Juni 1952 pfändete das Betreibungsamt in diesen zur Gruppe Nr. 287
zusammengefassten Betreibungen vom Lohn des Schuldners, der in kinderloser
zweiter Ehe lebt und dessen zweite Ehefrau ebenfalls dem Verdienste nachgeht,
monatlich Fr. 190.-. Auf Beschwerde der Rekurrentin erhöhte die untere
Aufsichtsbehörde die lohnpfändung auf Fr. 240.-. Die kantonale
Aufsichtsbehörde, an welche der Schuldner rekurrierte, hat sie am 25. August
1952 wieder auf Fr. 190.- herabgesetzt mit der Begründung, der Schuldner
verdiene monatlich Fr. 478.40 nebst Fr. 34.- Kinderzulage. Der Beitrag, den
die Ehefrau aus ihrem Arbeitsverdienst von monatlich Fr. 274.56 an die
ehelichen Lasten zu leisten habe, bestimme sich grundsätzlich nach den
beiderseitigen Einkommensverhältnissen (BGE 63 III 110). Die Berücksichtigung
der Schulden des Ehemanns dürfe nicht dazu führen, dass die Ehefrau einen Teil
des persönlichen Unterhalts des Ehemannes zu übernehmen

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habe. Der Beitrag dürfe auch nicht so hoch bemessen werden, dass sich die
Beitragspflicht indirekt praktisch als Haftung für die Schulden des Ehemannes
auswirken würde. Das liesse sich auch nicht mit dem Hinweis darauf
rechtfertigen, dass der Ehefrau die Verpflichtungen des Schuldners aus seiner
ersten Ehe bekannt gewesen seien. In Anbetracht der beiderseitigen
Arbeitseinkünfte und der gegenwärtigen Lebensbedürfnisse der Familie sowie der
Tatsache, dass die Ehefrau neben ihrer Fabrikarbeit noch die Hausgeschäfte
besorge, sei ein Beitrag in Höhe ihres halben Barverdienstes angemessen. Höher
zu gehen, lasse sich nicht rechtfertigen, auch nicht durch den Hinweis auf die
Art der Verpflichtungen des Ehemannes. Das anrechenbare Einkommen des
Schuldners betrage somit (Fr. 478.40 + Fr. 34.- + Fr. 137.28 =) Fr. 649.68.
Das Existenzminimum mache für den Schuldner und seine Frau Fr. 455.40 aus. Die
pfändbare Quote betrage demnach monatlich Fr. 194.28 «oder abgerundet Fr.
190.-«. Eine Pfändung unter das Existenzminimum des Schuldners komme nicht in
Frage, weil der Arbeitsverdienst der Gläubigerin zusammen mit dem zu ihren
Gunsten gepfändeten Betrage von Fr. 190.- das Existenzminimum für sie und die
Kinder übersteige.
Diesen Entscheid hat die Rekurrentin an das Bundesgericht weitergezogen mit
dem Antrag, es sei eine Lohnpfändung von monatlich Fr. 240.- zu verfügen. Sie
macht geltend, der Beitrag der Ehefrau sei auf zwei Drittel ihres Verdienstes,
also auf Fr. 183.- zu bemessen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.- Das Schicksal des Rekurses hängt davon ab, ob der Beitrag der Ehefrau des
Schuldners an die Bedürfnisse des Haushalts, der zum Zwecke der Ermittlung der
pfändbaren Lohnquote mangels richterlicher Festsetzung von den
Betreibungsbehörden zu bestimmen ist (BGE 63 III

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110, 65 III 27, 73 III 129 oben), mit dem Betreibungsamt und der Vorinstanz
auf die Hälfte oder entsprechend der Auffassung der Rekurrentin und der untern
Aufsichtsbehörde auf zwei Drittel ihres Verdienstes zu bemessen sei. Im ersten
Fall ergibt sich auf Grund der unangefochtenen Feststellungen der Vorinstanz
über den Verdienst und das Existenzminimum des Schuldners und seiner Ehefrau
eine pfändbare Lohnquote von Fr. 194.28, im zweiten Fall eine solche von Fr.
240.30.
Soweit die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts über die Bemessung des
Beitrags der Ehefrau (BGE 63 III 105 ff., 65 III 25 ff., 73 II 98 ff.) sich
mit der Frage der Berücksichtigung der Schulden des Ehemannes befasst hat (63
III 111
, 65 III 27 /28), kann sie im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht
der Vorinstanz nicht ohne weiteres angewendet werden, weil man es hier anders
als in den früher beurteilten Fällen mit im Familienrecht begründeten
Alimentationsschulden zu tun hat, die bei der Anwendung von Art. 192 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 192 - Tritt Gütertrennung ein, so gelten für die güterrechtliche Auseinandersetzung die Bestimmungen des bisherigen Güterstandes, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.

ZGB mehr als andere Schulden berücksichtigt zu werden verdienen. Auch wenn man
nicht so weit gehen will, die Alimente zu den Bedürfnissen des Haushalts im
Sinne dieser Bestimmung (m.a.W. zu den Lasten der Ehe, vgl. BGE 73 II 102
oben) zu rechnen, rechtfertigen die laufenden Alimentationsschulden des Mannes
die Heranziehung der Ehefrau zu aussergewöhnlich hohen Beiträgen, sofern die
Unterhaltspflicht schon bei der Heirat bestand und die Ehefrau damals bei
vernünftiger Würdigung der Verhältnisse hat erkennen können, dass solche
Leistungen nötig sein werden, um zu vermeiden, dass die Rechte der
Alimentengläubiger durch die Eheschliessung beeinträchtigt werden. Die
Beiträge können in derartigen Fällen wegen der Alimentationsschulden des
Mannes unter Umständen so hoch bemessen werden, dass sie die durch die Ehe
verursachte Zunahme der Auslagen des Mannes ausgleichen. Als laufende
Alimentationsschulden sind in diesem Zusammenhang die im letzten Jahr vor
Anhebung der Betreibung, wenn nicht überhaupt die

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seit der Heirat fällig gewordenen zu betrachten. Der Anwendung dieser
Grundsätze kann sich die Ehefrau dann, wenn es sich um
Alimentationsverpflichtungen aus früherer (geschiedener oder durch den Tod
aufgelöster) Ehe handelt, nicht unter Berufung darauf entziehen, dass sie von
diesen Verpflichtungen bei der Heirat keine Kenntnis gehabt habe; denn die
frühere Ehe des Mannes wird ihr (spätestens) bei der Vorbereitung der Trauung
bekannt, und es darf ihr zugemutet werden, sich nach den davon herrührenden
Unterhaltspflichten zu erkundigen.
Die Forderungen, welche die Rekurrentin gegen ihren frühern Ehemann in
Betreibung gesetzt hat, stellen nun aber (was vorfrageweise zu prüfen die
Betreibungsbehörden ebenfalls befugt sind) nur insoweit Unterhaltsforderungen
dar, als sie die Alimente für die Kinder in Höhe von monatlich Fr. 120.-
betreffen. Die ihr selber zustehende Rente im Sinne von Art. 151
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 192 - Tritt Gütertrennung ein, so gelten für die güterrechtliche Auseinandersetzung die Bestimmungen des bisherigen Güterstandes, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.
ZGB von
monatlich Fr. 100.- kann, da die zum Wesen von Unterhaltsleuten gehörende
Herabsetzbarkeit (vgl. BGE 71 II 12 /13) wegbedungen worden ist, nicht als
Entschädigung für den Verlust des ehelichen Unterhaltsanspruchs behandelt
werden. Anders wäre es höchstens, wenn die Rekurrentin zur Deckung ihres
Existenzminimums auf die Rente angewiesen wäre, was nach den Feststellungen
der Vorinstanz über ihre Einkommensverhältnisse und Bedürfnisse nicht
zutrifft.
Zieht man bei der Bemessung des Beitrags der Ehefrau nur die Kinderalimente,
nicht auch die der Rekurrentin geschuldete Rente in Betracht, so bedeutet es
keine Gesetzesverletzung, dass die Vorinstanz es abgelehnt hat, den Beitrag
auf mehr als die Hälfte des Frauenverdienstes festzusetzen. Der Ehefrau nur
ein Drittel ihres Verdienstes, d.h. etwa Fr. 3.- pro Tag, zur freien Verfügung
zu überlassen, liesse sich insbesondere deswegen nicht rechtfertigen, weil sie
neben der Erwerbsarbeit den Haushalt besorgt, ohne fremde Hilfe dafür in
Anspruch zu nehmen. Die Belastung der Ehefrau darf auch im eigenen Interesse
der Alimentengläubiger nicht so weit getrieben werden, dass

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für die Ehefrau kein Anreiz zu so anstrengender Tätigkeit mehr besteht.
2.- Ist demnach der Rekurs in der Hauptsache unbegründet, so bedarf der
angefochtene Entscheid doch insofern der Berichtigung, als er die pfändbare
Lohnquote auf Fr. 190.- statt Fr. 194.25 festsetzt. Das Ergebnis einer genauen
Berechnung kann nicht ohne Willkür um den nicht unbeachtlichen Betrag von
(monatlich) mehr als Fr. 4.- abgerundet werden (vgl. Entscheid vom 13.
September 1950 i. S. Ricou).
Demnach erkennt die Schuldbetr. - u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass das Betreibungsamt
angewiesen wird, vom Lohn des Schuldners monatlich Fr. 194.25 zu pfänden. Im
übrigen wird der Rekurs abgewiesen.