S. 91 / Nr. 12 Verfahren (d)

BGE 78 I 91

12. Urteil vorn 29. Februar 1952 i. S. Stebler und Stämpfli gegen
Schweizerische Eidgenossenschaft.

Regeste:
Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts: Entschädigungen bei Verlusten, die bei
der Desinfektion von Importsendungen lebender Pflanzen bei der Einfuhr
entstehen, sind bundesrechtliche Beiträge (Art. 113 lit. c OG). Streitigkeiten
darüber fallen nicht in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts.
Compétence du tribunal administratif: Les indemnités allouées pour les pertes
causées par la désinfection de plantes vivantes lors de l'importation
constituent des subventions fédérales (art. 113 lit. c OJ). Les litiges
concernant de telles indemnités ne sont pas de la compétence du tribunal
administratif.
Competenza del tribunale amministrativo Le indennità corrisposto per
compensare i danni causati dalla disinfezione di piante viventi, eseguita in
occasione della loro importazione, costituiscono dei sussidi federali (art.
113 lett. c OG). I litigi concernenti tali indennità non rientrano nelle
competenze del tribunale amministrativo.

A. - Nach Art. 24 des BRB vom 1. Juni 1948 über die Bekämpfung der
San-José-Schildlaus kann die Abteilung für Landwirtschaft auf begründet es
Gesuch hin angemessene Entschädigungen aus einem hiefür bestellten
«Bekämpfungsfond a ausrichten, wenn durch Massnahmen zur Bekämpfung jenes
Schädlings Verluste entstehen. Eine der Massnahmen, die im BRB vorgesehen
sind, ist die Desinfektion der Importsendungen lebender Pflanzen bei der
Einfuhr in die Schweiz. Sie ist obligatorisch.

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B. - Die Kläger haben vom Herbst 1946 bis Frühjahr 1947 für die Baumschulen,
die sie damals betrieben, lebende Pflanzen importiert. Diese mussten gemäss
Art. 7 des BRB vom 30. April 1946 an der Grenze mit Methylbromid (S-Gas)
desinfisziert (vergast) werden. Nach Angabe der Kläger wurde dabei ein grosser
Teil dieser Import pflanzen getötet oder beschädigt.
Mit Klageschrift vom 8. September 1951 belangen die Kläger deswegen die
Schweizerische Eidgenossenschaft -Sie beantragen die Beklagte zu verhalten,
den Klägern Schadenersatz in einem angemessenen, durch den Richter zu
bestimmenden Betrage samt Zins zu 5 0/o seit dem 1. Mai 1947 zu leisten und
Fr. 62.40 Betreibungskosten zu vergüten, unter Kostenfolge.
Sie berufen sich auf Art. 110 OG und machen geltend, es handle sich um einen
streitigen Anspruch gegen den Bund aus dem öffentlichen Recht. Art. 24 des BRB
vom i. Juni 1948 gewähre den von Vergasungsschäden betroffenen Importeuren
einen Rechtsanspruch auf Entschädigung. Art. 24 müsse auch für die Schäden
gelten, die vor 1948 eingetreten seien, denn die Zahlungspflicht sei schon
durch den BRB vom 30. April 1946, Art. 17, begründet worden. Die Auffassung
der Verwaltungsbehörden, der Anspruch der Kläger falle nicht in richterliche
Kompetenz, sei unzutreffend. Art. 24 BRB begründe genau umschriebene Ansprüche
es handle sich nicht um «Beiträge», nämlich Zuschüsse an Leistungen, oder
«Zuwendungen» (Schenkungen) im Sinne von Art. 113 lit. c OG.
Das Bundesgericht erklärt sich als unzuständig
in Erwägung
1.- Die Zuständigkeit des Bundesgerichts für die Beurteilung der vorliegenden
Klage wird in Anspruch genommen unter Berufung auf Art. 110 Abs. 1 OG, wonach
der Beurteilung durch das Bundesgericht als der einzigen Instanz unterliegen
in der Bundesgesetzgebung begründete vermögensrechtliche Ansprüche gegen den

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Bund aus öffentlichem Recht. Dieser Zuständigkeit des Bundesgerichts gehen
indessen vor und schliessen sie aus die Zuständigkeiten:
1) des Bundesgerichts als Beschwerdeinstanz (Art. 113 lit. a OG),
2) der Spezialverwaltungsgerichte des Bundes (Art. 110 Abs. 2),
3) der Zivilgerichte für Streitigkeiten aus dem Tarif-, Tax-, Gebühren- und
Transportwesen der Bundesbahnen (Art. 113 lit. b ), und ferner,
4) der Bundesverwaltungsbehörden für Ansprüche auf Beiträge oder Zuwendungen
des Bundes in irgendwelcher Form (Art. 113 lit. c OG).
Dein direkten verwaltungsrechtlichen Prozess unterliegen nach dieser Ordnung
bei weitem nicht alle Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche
öffentlich-rechtlicher Natur. Besonders betrifft auch Art. 113 lit. c OG nach
seinem Wortlaut ausdrücklich «Ansprüche». Auch die französische Fassung, in
der der etwas weitere Ausdruck «réclamations» verwendet wird, muss in diesem
Sinne verstanden werden. Denn für Begehren, die sich auf reine Liberalitäten
richten würden, bedürfte es keiner Regelung. Für sie käme eine Zuständigkeit
einer richterlichen Instanz überhaupt nicht in Frage. Die Anordnung in Art.
113 , lit. e OG ist nur verständlich und sie hat nur einen Sinn, wenn sie als
Ausnahme von der allgemeinen Kompetenzzuweisung in Art. 110 OG und als deren
Einschränkung aufgefasst wird. Dass es so ist, geht denn auch ohne weiteres
aus den Gesetzgebungsmaterialien hervor. Die Bestimmung geht zurück auf Art.
17 Abs. 5 des bundesrätlichen Entwurfes zum VDG, wo die Ausnahme in wörtlich
gleicher Fassung ausgesprochen war (BBl. 1925 II S. 288). In der zugehörigen
Botschaft (a.a.O. S. 204 f.) wird dazu bemerkt:
«Damit werden alle Bundessubventionen von der Zuständigkeit des
Verwaltungsgerichts ausgenommen. Wir gehen dabei von der grundsätzlichen
Erwägung aus, dass die Subventionserlasse

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gar nicht die Schaffung eines individuellen Anspruches auf eine Leistung des
Bundes bezwecken, sondern um der Förderung eines allgemeinen Staatszweckes
willen die Gewährung von Bundesbeiträgen in Aussicht nehmen. Ferner fällt in
Betracht, dass bei den Subventionen das verwaltungstechnische Ermessen eine
grosse Rolle spielt. So enthalten verschiedene Erlasse eine Bestimmung, wonach
der Bund einen Beitrag gewähren kann oder auch wonach hinsichtlich der Höhe
des Bundesbeitrages ein weiter Rahmen aufgestellt wird, innerhalb dessen die
Festsetzung der Höhe dem Bundesrate zusteht; es ist von vornherein klar, dass
in solchen Fällen die Entscheidung einem Verwaltungsgericht nicht übertragen
werden kann. Aber auch wenn ein Erlass den Bund unter gewissen Voraussetzungen
zur Leistung eines Beitrages verpflichtet und dessen Höhe genau festsetzt,
handelt es sich bei den Voraussetzungen und Bedingungen der Beitragsleistung
in der Regel um technische Fragen, die sich zu einer gerichtlichen Beurteilung
nicht eignen. Ferner würde die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit auf
dem Gebiete des Subventionswesens auch praktisch grosse Schwierigkeiten
bereiten und namentlich «Eingriffen in das Budgetrecht der Bundesversammlung
führen.»
Aus diesen Ausführungen ist hier vor allem festzuhalten, dass auch dort, wo
der Bund durch einen Erlass zur Leistung eines Beitrages verpflichtet wird,
eine richterliche Zuständigkeit ausgeschlossen sein soll. Ein Anspruch auf
eine Leistung des Bundes bleibt auch dann, wenn er auf eine bundesrechtliche
Vorschrift gestützt werden kann und wenn die Höhe der Leistung genau bestimmt
ist, der Beurteilung durch die Verwaltungsbehörden vorbehalten, sofern die
Leistung den Charakter eines «Beitrages» oder einer «Zuwendung» hat.
Streitigkeiten über solche Leistungen sind demnach Administrativsachen. Eine
Zuständigkeit des Richters ist bei ihnen ausgeschlossen.
Für die Zuständigkeit oder Unzuständigkeit des Bundesgerichts zur Beurteilung
der vorliegenden Klage entscheidend ist daher nicht allein, ob die geltend
gemachte Entschädigung einen in der Bundesgesetzgebung begründeten Anspruch
betrifft, sondern weiterhin, ob es sich um einen Anspruch auf einen «Beitrag»
oder eine «Zuwendung» handelt.
2.- Art. 113 lit. c OG betrifft die Bundessubventionen Beiträge und
Zuwendungen, die der Bund in Verfolgung allgemeiner Staatszwecke gewährt, und
zwar soll es dabei nach Anordnung des Gesetzes nicht auf die Form

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ankommen. Der Rahmen der für Subventionen geltenden Verfahrensordnung soll
weit gehalten sein, wie es übrigens einer sachgemässen Ordnung des
Subventionswesens entspricht, das Anpassungen an jeweils gegebene Verhältnisse
erfordert. Die Botschaft zum VDG weist speziell auf Subventionserlasse hin,
nach denen der Bund einen Beitrag gewähren kann und die Bestimmung der Höhe in
einem gewissen Rahmen dem Ermessen der Verwaltungsbehörde überlassen bleiben
soll. Die Botschaft stellt aber auch fest, dass es nach Anspruch und Betrag
bestimmt geregelte Subventionen gibt, und dass diese Subventionen ebenfalls in
die ausschliessliche Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden fallen.
3.- Art. 24 des BRB von 1948 betrifft Subventionen. Nach ihm kann die
Abteilung für Landwirtschaft für Verluste, die durch Massnahmen zur Bekämpfung
der San-José-Schildlaus entstanden sind, aus dem Bekämpfungsfonds und nach
Massgabe der vorhandenen Mittel angemessene Entschädigungen ausrichten. Die
Abteilung wird ermächtigt, solche Verluste in einem gewissen Umfange zu
vergüten. Darin liegt nicht eine Übernahme der Verantwortlichkeit für solche
Verluste durch den Bund. Es wird lediglich die Möglichkeit geschaffen, den
Bekämpfungsfonds zu Vergütungen heranzuziehen, Beiträge zu leisten, wenn
Schäden aus Bekämpfungsmassnahmen entstehen
Die Importsendungen lebender Pflanzen werden vergast, weit sie sonst zu einer
Gefahr für die inländischen Kulturen werden könnten. Schäden, die bei der
Vergasung entstehen, liegen in der Natur derartiger Importe. Sie belasten
daher an sich den Importeur. Die Beiträge des Bundes aus dem Bekämpfungsfonds
bezwecken einen billigen Ausgleich im Falle von Verlusten bei der Vergasung,
deren Verlegung auf die Gesamtheit der an den Importen beteiligten
Unternehmungen.
Die Massnahmen zur Bekämpfung der San-José-Schildlaus dienen einem allgemeinen
Interesse, dem Schutze der

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inländischen Kulturen vor einem seit etwa zwei Jahrzehnten in Europa
eingeschleppten gefährlichen Obstbaumschädling, die Desinfektion der
Pflanzensendungen an der Grenze der Sicherstellung möglichster
Schädlingsfreiheit der Importe, Verhinderung weiterer Einschleppung des
Schädlings. Desinfektion ist eine Voraussetzung für die Zulassung zur Einfuhr.
Nach Art. 12 Abs. 1 Landwirtschaftsgesetz könnte die Einfuhr lebender Pflanzen
verboten werden. Die Desinfektion an der Grenze ist eine im Interesse der
Importeure angeordnete, weniger einschneidende Massnahme. Wer Pflanzen
einführen will, hat sich jener Voraussetzung zu unterziehen. Ihn trifft
grundsätzlich auch das Risiko von Verlusten, das mit der Desinfektion, wie
sich erwiesen hat, verbunden ist.
Wenn der Bund unter diesen Umständen in Art. 24 des BRB von 1948 eine Ordnung
aufgestellt hat, die nach ihrem Wortlaut Verluste mitumfasst, die bei der
Desinfektion von Pflanzensendungen bei der Einfuhr entstehen, so kann es sich
nur um Beiträge oder Vergütungen im Sinne von Art. 113 lit. e OG handeln,
Subventionen, die der Bund den Importeuren in Schadensfällen gewährt, um die
Durchführung der zum Schutze der inländischen Kulturen erforderlichen
Massnahmen zu erleichtern. Streitigkeiten über die Festsetzung solcher
Beiträge und Vergütungen werden im Verwaltungsrechtswege (Art. 124 ff . OG)
beurteilt. Das Bundesgericht als Verwaltungsgerichtshof hat sich mit ihnen
nicht zu befassen. Die Frage, ob Art. 24 rückwirkend Geltung habe und wie es
sich mit entsprechenden Leistungen unter dem BRB vom 30. April 1946 verhalten
habe, kann dahingestellt bleiben.