S. 156 / Nr. 34 Strafgesetzbuch (d)

BGE 77 IV 156

34. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 15. Juni 1951 i. S. Diethelm
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.

Regeste:
Art. 139 Ziff. 2 Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 139 - 1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...197
3    Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn er:
a  gewerbsmässig stiehlt;
b  den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat;
c  zum Zweck des Diebstahls eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt oder eine Explosion verursacht; oder
d  sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.198
4    Der Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
StGB. Umstände des Raubes, welche die besondere
Gefährlichkeit des Täters offenbaren.
Art. 139 ch. 2 al. 4 CP. Circonstances dénotant que l'auteur est
particulièrement dangereux.
Art. 139 cifra 2 cp. 4 CP. Circostanze che rivelano la pericolosità speciale
dell'autore.

A. - Richard Diethelm und Viktor Mächler begaben sich am 27. August 1950 von
Zürich aus, wo sie arbeiteten und wohnten, nach Winterthur-Seen, um dort den
Nachtwächter der Imprägnierwerke Blum A. G., in deren Betrieb Diethelm
gearbeitet hatte und sich deshalb auskannte, zu überfallen und zu bestehlen.
Sie schlichen sich bei Nacht in den Werkplatz ein. Diethelm zog Rock, Hemd,
Schuhe und Strümpfe aus, um sich freier bewegen zu können, und übergab diese
Kleidungsstücke dem Mächler, der sich als Aufpasser in seiner Nähe aufstellte.
Diethelm lauerte in der Finsternis bei der in einem offenen Schopf stehenden
Pumpanlage, wo er zuvor das Licht abgelöscht hatte, auf den Nachtwächter. Als
dieser in den Schopf eintreten wollte und im Begriffe war, das Licht
einzuschalten, fiel

Seite: 157
Diethelm ihn von hinten an, warf ihn rücklings zu Boden, kniete auf ihn und
schlug ihn mit den Fäusten auf den Kopf. Da der Nachtwächter um Hilfe schreien
wollte, steckte ihm Diethelm drei Finger in den Rachen. Gleichzeitig griff der
Räuber dem Nachtwächter in die hintere Hosentasche, um ihm daraus einen
Geldbeutel mit Fr. 208.40 und eine Darlehensquittung über Fr. 300.-, die auf
Diethelm lautete, wegzunehmen. Er konnte aber nur die Quittung, einen Brief
und drei leere Zahltagstäschchen erwischen, da er durch den zu Hilfe eilenden
Werkmeister gestört und zur Flucht veranlasst wurde. Mit Diethelm floh auch
Mächler vom Tatort.
Der Nachtwächter blieb verletzt und bewusstlos liegen. Er war vier bis fünf
Wochen arbeitsunfähig. Der Würgegriff, den Diethelm ausgeführt hatte, wurde
vom Arzt auf Grund der Verletzungen als ausserordentlich heftig und allenfalls
lebensgefährlich bezeichnet.
B. - Das Obergericht des Kantons Zürich würdigte die Tat Diethelms als Raub im
Sinne des Art. 139 Ziff. 2 Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 139 - 1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...197
3    Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn er:
a  gewerbsmässig stiehlt;
b  den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat;
c  zum Zweck des Diebstahls eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt oder eine Explosion verursacht; oder
d  sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.198
4    Der Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
StGB. Es verurteilte Diethelm am 31. Januar
1951 wegen dieser und anderer strafbarer Handlungen zu fünf Jahren und sechs
Monaten Zuchthaus, rechnete ihm 156 Tage Untersuchungshaft auf die Strafe an
und stellte ihn für fünf Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ein.
C. - Diethelm führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei
aufzuheben und die Sache an das Obergericht zurückzuweisen, damit es den Raub
bloss nach Art. 139 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 139 - 1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...197
3    Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn er:
a  gewerbsmässig stiehlt;
b  den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat;
c  zum Zweck des Diebstahls eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt oder eine Explosion verursacht; oder
d  sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.198
4    Der Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
StGB bestrafe.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
3.- Der einfache Raub besteht nach Art. 139 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 139 - 1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...197
3    Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn er:
a  gewerbsmässig stiehlt;
b  den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat;
c  zum Zweck des Diebstahls eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt oder eine Explosion verursacht; oder
d  sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.198
4    Der Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
StGB darin, dass jemand in
der Absicht, einen Diebstahl zu begehen, «an einer Person Gewalt verübt, sie
mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben bedroht oder sie in anderer
Weise zum Widerstand unfähig macht». Wegen ausgezeichneten Raubes darf der
Täter somit nicht

Seite: 158
schon deshalb verurteilt werden, weil er Gewalt verübt, jemanden mit einer
gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben bedroht oder das Opfer in anderer
Weise zum Widerstand unfähig gemacht hat; diese Merkmale werden durch Art. 139
Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 139 - 1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...197
3    Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn er:
a  gewerbsmässig stiehlt;
b  den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat;
c  zum Zweck des Diebstahls eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt oder eine Explosion verursacht; oder
d  sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.198
4    Der Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
StGB abgegolten, und die Anwendung der Ziff. 2, die schärfere Strafe
androht, erfordert etwas Besonderes: eine Bedrohung mit dem Tode oder eine
schwere Körperverletzung (Ziff. 2 Abs. 2), die Begehung des Raubes als
Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder
Diebstahl zusammengefunden hat (Ziff. 2 Abs. 3), oder Tatumstände, die auf
andere Weise die besondere Gefährlichkeit des Täters offenbaren (Ziff. 2 Abs.
4). Allein das heisst nicht, dass die den Raub auszeichnenden Umstände nicht
in der Art und Weise, wie der Täter die Gewalt verübt, wie er jemanden mit
einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben bedroht oder wie er das Opfer
zum Widerstand unfähig macht, gesehen werden dürfen. Es ist z. B. nicht das
gleiche, ob der Täter das Opfer einfach überwältigt oder ob er dabei grausam
vorgeht, es rücksichtslos niederschlägt und dgl. Der Beschwerdeführer geht
daher fehl, wenn er geltend macht, eine Reihe von Tatumständen dürften nicht
zur Anwendung des Art. 139 Ziff. 2 Abs. 4 Anlass geben, weil sie schon im
Tatbestand des einfachen Raubes eingeschlossen seien, so das Niederschlagen,
das Schlagen, das Würgen und das Verletzen des Opfers.
Auch die Auffassung hält nicht stand, andere Tatumstände fielen als
auszeichnende Merkmale ausser Betracht, weil sie bei Raub häufig anzutreffen
seien, so die Begehung zur Nachtzeit, das Auskundschaften des Tatortes, die
Wahl des Opfers. Diese Umstände gehören nicht begriffsnotwendig zum Raub. Dass
sie mehr oder weniger häufig verwirklicht werden, ist kein Hindernis, das
Gesetz auf den Beschwerdeführer so anzuwenden, wie es nach seinem Sinne
angewendet sein will.
Art. 139 Ziff. 2 Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 139 - 1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...197
3    Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn er:
a  gewerbsmässig stiehlt;
b  den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat;
c  zum Zweck des Diebstahls eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt oder eine Explosion verursacht; oder
d  sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.198
4    Der Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
StGB setzt auch nicht voraus, dass die Tat als solche
gefährlich gewesen sei, insbesondere

Seite: 159
dass sie Leib und Leben des Opfers in Gefahr gebracht habe. Sie braucht bloss
die besondere Gefährlichkeit des Täters zu offenbaren. Dabei darf auf diese
Gefährlichkeit nicht bloss aus den Ausführungshandlungen des Raubes
geschlossen werden, sondern auch aus Umständen, die in das Gebiet der
Vorbereitung gehören, und aus dem Verhalten des Täters unmittelbar nach
Vollendung des Verbrechens, soweit es mit diesem zusammenhängt. Auch ist nicht
nötig, dass schon ein einzelner Umstand die besondere Gefährlichkeit des
Täters offenbare; es genügt, wenn mehrere zusammen genommen sie verraten.
4.- Der Raub, den der Beschwerdeführer begangen hat, offenbart die besondere
Gefährlichkeit des Täters. Sie ergibt sich aus den eingehenden Vorbereitungen,
die der Beschwerdeführer traf, und aus der Brutalität, mit der er die Tat
ausführte. Der Beschwerdeführer war darauf bedacht, das Opfer, den Tatort und
die Zeit der Begehung möglichst günstig auszuwählen. Er beging die Tat zur
späten Nachtzeit, wo sein Opfer aller Voraussicht nach nicht auf Hilfe hoffen
konnte. Er verbesserte die Umstände, indem er das Licht auslöschte und sich
der Schuhe und weiterer Kleidungsstücke entledigte, um das Opfer unbemerkt
anschleichen und freier handeln zu können und weniger gut erkannt zu werden.
Er bediente sich des Mächler, um aufzupassen und seine Kleider zu tragen. Er
vollzog den Überfall im Augenblick, als das Opfer über eine kleine Treppe den
Schopf betreten wollte, also in einer zum Widerstand besonders ungünstigen
Lage war. Er versuchte den Widerstand ferner dadurch auszuschalten, dass er
sich dem Opfer von hinten näherte und es rücklings zu Boden riss. Er versetzte
ihm brutale Faustschläge ins Gesicht und verhinderte es durch einen
rücksichtslosen, ja lebensgefährlichen Griff in den Rachen mit Würgwirkung am
Schreien. Solche Roheit in Verbindung mit der eingehenden Planung und
Vorbereitung des Verbrechens zeigt, dass der Beschwerdeführer nicht weniger
gefährlich ist als z. B. ein Räuber, der seinem

Seite: 160
Opfer eine schwere Körperverletzung zufügt und sich dadurch nach Art. 139
Ziff. 2 Abs. 2 des ausgezeichneten Raubes schuldig macht.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden
kann.