S. 122 / Nr. 27 Verfahren (d)

BGE 77 IV 122

27. Auszug aus dem Entscheid der Anklagekammer vom 11. Juni 1951 i. S.
Limacher gegen Generalprokurator des Kantons Bern und Staatsanwaltschaft des
Kantons Basel-Landschaft.

Regeste:
Art. 346 , 349
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 349
StGB. Gerichtsstand zur Verfolgung des Hehlers.
Art. 346 et 349 CP. For de la poursuite du receleur.
Art. 346 e 349 CP. Foro per procedere contro il ricettatore.


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A. - Albert Stöcklin wird vom Untersuchungsrichter von Trachselwald (Kanton
Bern) wegen verschiedener in den Kantonen Bern, Solothurn und Basel-Landschaft
verübter Diebstähle verfolgt, unter anderem wegen gewerbsmässigen Diebstahls
an Kupferdraht, den er zusammen mit Alfred Simonetti im Depot der Elektra
Birseck in Breitenbach (Kanton Solothurn) gestohlen und im Februar und März
1951 unter fünf Malen zum Preis von Fr. 2124.- an den Altstoffhändler Josef
Limacher in Augst (Basel-Landschaft) verkauft hat. Als der Generalprokurator
des Kantons Bern am 7. Mai 1951 den bernischen Gerichtsstand anerkannte,
führte er aus, Limacher sei als Hehler in das Verfahren einbezogen. Wiewohl
Hehlerei ein delictum sui generis sei, das einen eigenen Gerichtsstand rufe,
sei es aus Prozessökonomischen Gründen vorteilhafter, angesichts der engen
Verknüpfung der Taten des Diebes und des Hehlers den gemeinsamen Gerichtsstand
beizubehalten.
B. - Mit Eingabe vom 21. Mai 1951 beantragt Limacher der Anklagekammer des
Bundesgerichts, der Kanton Basel-Landschaft sei zuständig zu erklären, die
Untersuchung gegen ihn durchzuführen. Er beruft sich auf Art. 346 StGB.
C. - Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt, das Gesuch sei
abzuweisen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft setzt sich für
Gutheissung ein.
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
1.- Art. 349
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 349
StGB sieht einen gemeinsamen Gerichtsstand vor zur Verfolgung und
Beurteilung von Mittätern, Anstiftern und Gehülfen. Wie die Anklagekammer
stets angenommen hat, fällt die Hehlerei unter keine dieser Teilnahmeformen.
Der Hehler ist insbesondere nicht Mittäter dessen, der die Vortat begangen hat
(BGE 69 IV 74). Dass der Gerichtsstand des Hehlers nicht dem des Vortäters
folgt, wurde von den gesetzgebenden Behörden ausdrücklich betont (ZÜRCHER,
Erläuterungen zum dritten Buch S. 13; Protokoll der 11. ExpK 8 73 f.; StenBull

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NatR, Sonderausgabe 576). Unter der Herrschaft des Bundesgesetzes vom 4.
Februar 1853 über das Bundesstrafrecht war es anders. Dieses Gesetz sah im
Begünstiger (jetzt Heher genannt) einen Teilnehmer (Art. 18, 23 BStR). Einzig
um dieser materiellrechtliellen Ordnung willen wurde in Art. 262 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 349
BStP
bestimmt, dass zur Verfolgung und Beurteilung der Begünstiger die Behörden
zuständig seien, denen die Verfolgung und Beurteilung des Täters obliege
(Protokoll der ExpK für die Bundesstrafprozessreform, III. Session S. 17
Botschaft des Bundesrates S. 60; StenBull NatR 1932 S. 3). Bei der Aufhebung
dieser Bestimmung durch das Strafgesetzbuch (Art. 398 lit. o
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 349
StGB) wurde der
einheitliche Gerichtsstand für Hehler und Vortäter bewusst fallen gelassen.
Der Hehler ist dort zu verfolgen, wo er seine strafbare Handlung ausgeführt
hat (Art. 346 StGB). Anders wäre es nach BGE 73 IV 204 nur dann, wenn die
Hehlerei ohne die Bestimmung des Art. 144
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 144 - 1 Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sachbeschädigung aus Anlass einer öffentlichen Zusammenrottung begangen, so wird er von Amtes wegen verfolgt.
3    Hat der Täter einen grossen Schaden verursacht, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Tat wird von Amtes wegen verfolgt.202
StGB als Teilnahme an der Vortat
strafbar wäre. Das trifft nicht zu.
Diese Ordnung kann auch nicht ein für allemal als unzweckmässig bezeichnet
werden. Die Tatbestandsmerkmale der Hehlerei hängen mit denen der Vortat nur
lose zusammen. Oft werden Altstoffhändler, Trödler, Fahrradmechaniker und
ähnliche Gewerbetreibende, bei denen der Vortäter die durch strafbare Handlung
erlangte Sache abzusetzen versucht, der Hehlerei beschuldigt. Die Frage, ob
sie schuldig seien, kann von den Behörden ihres Geschäftssitzes, die ihr
Geschäftsgebahren kennen, in der Regel besser beurteilt werden als von den
Behörden des Ortes, an dem der Vortäter sich die Sache angeeignet hat. Ist der
Hehler, was häufig zutrifft, zugleich Anstifter oder Gehülfe des Vortäters, so
wird freilich die Verfolgung am Gerichtsstand des Vortäters gewöhnlich
zweckmässig sein; allein in diesen Fällen geben schon die Art. 349
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 349
und 350
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.

StGB die Handhabe für die Zusammenlegung des Gerichtsstandes.
2.- ...

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Demnach erkennt die Anklagekammer:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, und die Behörden des Kantons
Basel-Landschaft werden zuständig erklärt, Limacher für die ihm zur Last
gelegte Hehlerei zu verfolgen und zu beurteilen.