S. 40 / Nr. 12 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)
BGE 77 III 40
12. Entscheid vom 19. April 1951 i. S. Betreibungsamt Zürich 9.
Regeste:
Eine AHV-Ausgleichskasse, die vor Einleitung einer Betreibung für AHV-Beiträge
vom Betreibungsamt Auskunft darüber verlangt, ob gegen den Schuldner in
letzter Zeit Verlustscheine ausgestellt wurden, hat die Gebühr im Sinne von
Art. 9 GebT nicht zu bezahlen (Art. 93 des BG über die AHV vom 20. Dezember
1946).
Une caisse de compensation pour l'AVS qui, avant d'engager une poursuite en
payement de cotisations, demande à l'office des poursuites si des actes de
défaut de biens ont été délivrés récemment contre le débiteur n'a pas à payer
l'émolument prévu par l'art. 9 du tarif des frais (art. 93 de la loi fédérale
sur l'AVS du 20 décembre 1946).
Una cassa di compensazione per l'AVS che, prima di promuovere un'esecuzione
per l'incasso di quote non pagate, chiede all'ufficio se negli ultimi tempi
sono stati emessi degli attestati di carenza di beni a carico del debitore non
deve pagare la tassa prevista dall'art. 9 della tariffa (art. 93 della legge
federale sull'AVS del 20 dicembre, 1946).
Am 5. Dezember 1950 stellte die AHV-Ausgleichskasse des Kantons Zürich
(Zweigstelle Zürich) beim Betreibungsamte Zürich 9 gegen Max Brunner das
Betreibungsbegehren für rückständige AHV-Beiträge in Höhe von Fr. 254.-. Sie
fügte bei: «Wenn in den letzten 12 Monaten Verlustscheine ausgestellt wurden,
erbitten wir das Betreibungsbegehren mit entsprechendem Vermerk zurück.» Am 6.
Dezember teilte ihr das Betreibungsamt mit, im Jahre 1950 seien gegen den
Schuldner 9 Verlustscheine
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ausgestellt worden, und sandte ihr das Betreibungsbegehren zurück. Durch
Nachnahme erhob sie dabei Fr. 1.25 Kosten, nämlich Fr. 1.- Gebühr gemäss Art.
9 Abs. 1 GebT und Fr. -.25 Nachnahmeporto.
Hiegegen beschwerte sich die Ausgleichskasse unter Berufung auf Art. 93 des
Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vom 20.
Dezember 1946, wonach die Verwaltungs- und Rechtspflegebehörden des Bundes,
der Kantone und der Gemeinde verpflichtet sind, den zuständigen Organen «die
zur Durchführung des ersten Teils dieses Gesetzes erforderlichen Auskünfte»
kostenlos zu erteilen. Einem Bescheide folgend, den die Verwaltungskommission
des Zürcher Obergerichtes am 28. August 1950 dem Betreibungsinspektorate des
Kantons Zürich gegeben hatte, nahm die untere Aufsichtsbehörde an, Auskünfte
der in Frage stehenden Art fallen nicht unter diese Bestimmung, und wies
demgemäss die Beschwerde ab.
Die Ausgleichskasse zog diesen Entscheid an die kantonale Aufsichtsbehörde
weiter mit dem Antrag, die Gebührenbelastung von Fr. 1.- für die ihr erteilte
Auskunft sei aufzuheben. Mit Entscheid vom 16. März 1951 hat die kantonale
Aufsichtsbehörde diesem Begehren entsprochen.
Vor Bundesgericht hält das Betreibungsamt an seiner Gebührenforderung fest.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Zur Durchführung des ersten Teils des AHV-Gesetzes gehört u.a. der Bezug der
Beiträge gemäss Art. 14 ff. dieses Gesetzes. Für den Bezug der Beiträge sind
nach Art. 63 Abs. 1 lit. c die Ausgleichskassen zuständig. Die
Betreibungsämter gehören zu den in Art. 93 genannten Behörden. Sie haben also
nach dieser Bestimmung den Ausgleichskassen die zum Bezug der Beiträge
erforderlichen Auskünfte kostenlos zu erteilen.
Beiträge, die auf erfolgte Mahnung hin nicht bezahlt werden, sind nach Art. 15
Abs. 1 des AHV-Gesetzes «ohne
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Verzug auf dem Wege der Betreibung einzuziehen», soweit sie nicht mit fälligen
Renten verrechnet werden können. Das bedeutet nicht, dass gegen erfolglos
gemahnte Beitragsschuldner in allen Fällen, wo eine Verrechnung nicht möglich
ist, Betreibung einzuleiten sei. Art. 15 schreibt die Betreibung als Mittel
zur Einziehung der Beiträge vor. Daraus ist vernünftigerweise zu schliessen,
dass die Ausgleichskassen nur in den Fällen Betreibung einzuleiten haben, wo
erwartet werden darf, dass die rückständigen Beiträge auf diesem Wege ganz
oder wenigstens teilweise eingebracht werden können. Wo die Betreibung keinen
solchen Erfolg verspricht, ist davon abzusehen sie würde in einem derartigen
Falle nur unnütze Kosten und Umtriebe verursachen. Dieser Auslegung von Art.
15 des Gesetzes entspricht es, dass Art. 42 der Vollziehungsverordnung vom 31.
Oktober 1947 bestimmt, die Ausgleichskasse habe die geschuldeten Beiträge als
uneinbringlich abzuschreiben, wenn eine Betreibung offensichtlich aussichtslos
sei.
Es gehört demnach zum Bezug der Beiträge im Sinne von Art. 14 ff. des
AHV-Gesetzes, dass die Ausgleichskassen vor Einleitung einer Betreibung
wenigstens summarisch prüfen, ob diese Massnahme Aussicht auf Erfolg habe oder
nicht. Das Zweckmässigste ist hiebei in der Regel eine Erkundigung beim
Betreibungsamte darüber, ob gegen den Schuldner in letzter Zeit Verlustscheine
ausgestellt worden seien. Die Antwort auf eine solche Anfrage ist also eine
zur Durchführung des ersten Teils des AHV-Gesetzes erforderliche Auskunft, so
dass sie gemäss Art. 93 dieses Gesetzes kostenlos erteilt werden muss. Mit
Recht hat daher die Vorinstanz im vorliegenden Falle die Erhebung der Gebühr
im Sinne von Art. 9 GebT für unzulässig erklärt.
Demnach erkennt die Schuldbetr. - u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.