S. 15 / Nr. 4 Familienrecht (d)

BGE 77 II 15

4. Auszug aus dem Urteil der Il. Zivilabteilung vom 12. Februar 1951 i. S.
Zehntner gegen Zehntner.

Regeste:
Gerichtsstand für die Scheidungsklage. Wird diese am letzten gemeinsamen
Domizil der Eheleute angehoben, so ist zu vermuten, der klagende Ehegatte habe
dieses Domizil beibehalten. Art. 24
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
und 144
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB.
Juge compétent en matière de divorce. Si l'action est portée devant le
tribunal du dernier domicile commun des époux, il y a lieu de présumer que le
demandeur y a conservé son domicile. Art. 24 et 144 CC.

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Giudice competente in materia di divorzio. Se l'azione è promossa davanti
all'ultimo domicilio comune dei coniugi, si deve presumere che la parte
attrice ha conservato questo domicilio. Art. 24 e 144 CC.

Aus dem Tatbestand
A. - Am 13. Dezember 1949 reichte der Kläger Ernst Zehntner beim Amtsgericht
Bucheggberg-Kriegstetten Scheidungsklage ein. Als seinen Wohnsitz bezeichnete
er die im Amtsbezirk Bucheggberg-Kriegstetten gelegene Gemeinde Zuchwil, wo
sich das gemeinsame eheliche Domizil befunden hatte; als Wohnsitz der
Beklagten nannte er Bern. Die Beklagte erhob die Einrede der Unzuständigkeit
des angerufenen Richters, weil der Kläger im Zeitpunkt der Klageeinreichung
seinen Wohnsitz nicht mehr in Zuchwil, sondern in Liestal gehabt habe. Er habe
Ende Februar 1949 seine Arbeitsstelle in Zuchwil verlassen und sei anfangs
März zuerst nach Basel, später nach Liestal gezogen, wo er im Juli 1949 ein
eigenes Geschäft gegründet habe. Anfänglich habe er seine Frau noch alle 14
Tage in Zuchwil besucht, später nur noch alle 3-4 Wochen. Am 9. November sei
er wieder in Zuchwil erschienen, um eine Steuerangelegenheit zu regeln. Bei
diesem Anlasse sei es nochmals zu einer Auseinandersetzung gekommen.
B. - Sowohl das Amtsgericht wie das Obergericht des Kantons Solothurn haben
die Einrede verworfen, das Obergericht mit folgenden Erwägungen: Es sei wohl
wichtig, dass der Kläger seit 1. Juli 1949 in Liestal ein eigenes Geschäft
betreibe und dass er nicht über jedes Wochenende nach Zuchwil zurückgekehrt
sei. Anfänglich habe er die Beklagte durchschnittlich alle 14 Tage besucht.
Wenn seine Besuche später seltener geworden seien, so deshalb, weil er im
Interesse des Aufbaus seines Geschäftes sehr intensiv habe arbeiten müssen.
Wenn er sich auch bemüht habe, sich in Liestal eine neue Existenz zu gründen,
um später seine Frau nachkommen zu lassen, so habe er doch streng darauf
gehalten, den Wohnsitz in Zuchwil vorläufig beizubehalten, um unter Umständen
wieder dahin

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zurückkehren zu können. Er habe die Wohnungsmiete bis 1. Januar 1950 in
Zuchwil bezahlt und die Zusendung der Ausweisschriften erst auf Ende Dezember
1949 anerkannt und daher bei Einreichung sowohl der mündlichen wie der
schriftlichen Klage (13. und 20. Dezember 1949) noch in Zuchwil gewohnt. Dass
er sein dortiges Domizil auf Ende 1949 aufgegeben habe, sei durch das
Verhalten der Frau bedingt gewesen.
C. - Mit vorliegender Berufung ficht die Beklagte das obergerichtliche Urteil
als bundesrechtswidrig an und verlangt, dass das Amtsgericht
Bucheggberg-Kriegstetten als örtlich unzuständig für die Entgegennahme der
Klage erklärt werde.
Aus den Erwägungen:
Der vorinstanzliche Entscheid ist rechtlich einwandfrei. Schon die äussern
Umstände sprechen nicht ohne weiteres dafür, dass der Kläger vor Einreichung
der Klage in Liestal seinen Wohnsitz begründete... Jedenfalls aber ist das
Willensmoment nicht nachgewiesen, das für die Begründung eines neuen
Wohnsitzes neben dem Aufenthalt am betreffenden Ort notwendig ist: der Wille,
diesen Ort nun wirklich zum Mittelpunkt der persönlichen Lebensbeziehungen zu
machen. Die Frage nach dem Willen einer Person ist als Frage nach dem «innern
Tatbestand» tatsächlicher Natur... Im Zweifel ist Fortbestand eines einmal
begründeten Wohnsitzes anzunehmen, wie sich aus dem Grundsatz des Art. 24 Abs.
1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB ergibt. Die Behauptung der Beklagten, ihr Mann habe schon zur Zeit, als
das eheliche Domizil noch bestand, seinen persönlichen Wohnsitz begründet, ist
nicht einleuchtend...
Endlich wäre das letzte gemeinsame eheliche Domizil eigentlich der natürliche
Gerichtsstand für eine Scheidungsklage. Wo der Kläger behauptet, seinen
Wohnsitz an jenem Domizil behalten zu haben, ist daher weniger Grund zum
Zweifel angezeigt, als wo er an einem andern Ort klagen will und zu diesem
Zwecke behauptet, den Wohnsitz

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dahin verlegt zu haben. Mangels eines gegenteiligen Nachweises hat das letzte
eheliche Domizil als fort bestehendes Domizil des Klägers im Zeitpunkt der
Klageeinreichung zu gelten.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Solothurn vom 11. Oktober 1950 bestätigt.