S. 31 / Nr. 8 Strafgesetzbuch (d)

BGE 76 IV 31

8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. Februar 1950 i. S.
Schmueki gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen.

Regeste:
Wer ein echtes amtliches Zeichen unberechtigterweise an einen Gegenstand
anbringt oder mit dem unberechtigterweise angebrachten echten Zeichen jemanden
täuscht, ist weder nach Art. 246
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 246 - Wer amtliche Zeichen, die die Behörde an einem Gegenstand anbringt, um das Ergebnis einer Prüfung oder um eine Genehmigung festzustellen, zum Beispiel Stempel der Gold- und Silberkontrolle, Stempel der Fleischschauer, Marken des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit, fälscht oder verfälscht, um sie als echt oder unverfälscht zu verwenden,
noch nach Art. 251
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...315
, wohl aber gegebenenfalls
nach Art. 148
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.203
StGB zu bestrafen.
Celui qui, sans droit, appose sur un objet une marque authentique ou qui
trompe autrui au moyen d'une telle marque apposée sans droit tombe sous le
coup non des art . 246 ou 251, mais, le cas échéant, de l'art. 148 CP.
Colui che, senza diritto, appone su un oggetto una marca autentica o inganna
altrui mediante questa marca aposta senza non è punibile in virtù dell'art.
246 o dell art. 251 CP, ma eventualmente in base dell'an. 148 Cr.

Aus den Erwägungen:
1.- Nach Art. 246
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 246 - Wer amtliche Zeichen, die die Behörde an einem Gegenstand anbringt, um das Ergebnis einer Prüfung oder um eine Genehmigung festzustellen, zum Beispiel Stempel der Gold- und Silberkontrolle, Stempel der Fleischschauer, Marken des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit, fälscht oder verfälscht, um sie als echt oder unverfälscht zu verwenden,
StGB ist strafbar, wer amtliche Zeichen, die die Behörde an
einen Gegenstand anbringt, um das Ergebnis einer Prüfung oder um eine
Genehmigung festzustellen, zum Beispiel Stempel der Gold- und Silberkontrolle,
Stempel der Fleischschauer, Marken der Zollverwaltung, fälscht oder
verfälscht, um sie als echt oder unverfälscht zu verwenden (Absatz 1), oder
wer falsche oder verfälschte Zeichen dieser Art als echt oder unverfälscht
verwendet (Absatz 2).
Der erste Absatz ordnet nach seinem klaren Wortlaut nur den Fall, wo jemand
ein amtliches Zeichen fälscht, d. h. es unberechtigterweise nachmacht
(«contrefait»,

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«contraffà»), und den Fall, wo jemand ein echtes amtliches Zeichen verfälscht,
d. h. es unberechtigterweise abändert («falsifie», «altera»), und demgemäss
fällt unter den zweiten Absatz nur, wer ein in dieser Weise nachgemachtes oder
abgeändertes, nicht auch, wer ein echtes Zeichen unberechtigerweise verwendet.
Gewiss sagt das Zeichen für sich allein nichts, sondern ist bloss ein
technisches Hilfsmittel zur Beurkundung einer Tatsache (Ergebnis einer
amtlichen Prüfung, Genehmigung), sodass es seinen gedanklichen Inhalt erst
durch Anbringung an einen Gegenstand erlangt, erst in diesem Augenblick
bekundet, dass der betreffende Gegenstand amtlich geprüft oder genehmigt sei.
Das ändert jedoch nichts daran, dass das Zeichen als solches, unbekümmert
darum, ob es an einem Gegenstande angebracht ist oder nicht, gefälscht und
verfälscht werden kann und dass Art. 246 nur die Fälschung und Verfälschung
des Zeichens selbst und die Verwendung eines falschen oder gefälschten
Zeichens, nicht auch die Bestätigung einer unwahren Tatsache durch einen
Unberechtigten mit Hilfe eines echten Zeichens erfasst. Durch solche
Verwendung eines echten Zeichens wird dessen Echtheit nicht aufgehoben, das
Zeichen nicht «verfälscht». In der zweiten Expertenkommission wurde beantragt,
die Bestimmung (Art. 165 VE 1908) dahin zu ergänzen, dass auch bestraft werde,
wer echte Zeichen unberechtigterweise gebraucht, doch wurde dieser Antrag
abgelehnt, nachdem erklärt worden war, die Ergänzung sei kaum nötig (Protokoll
5 50). Dass man der Meinung gewesen sei, das unbefugte Anbringen eines echten
Zeichens falle unter den Begriff des Fälschens oder Verfälschens des Zeichens
selbst, ergibt sich daraus nicht, und wenn die Expertenkommission doch dieser
Auffassung gewesen sein sollte, wäre ihr Wille durch den Wortlaut des Gesetzes
nicht gedeckt.
2.- Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu
beweisen, sind Urkunden (Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.150
1    Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.150
2    Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben.
3    Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben.
3bis    Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.151
4    Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient.
5    Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden.
6    Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet.
7    Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft.
StGB). Wenn und solange ein
amtliches

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Zeichen an dem Gegenstand angebracht ist, bildet es daher eine Urkunde; sie
besagt, dass der betreffende Gegenstand amtlich geprüft oder genehmigt sei,
bestimmte Eigenschaften aufweise. Wenn der zur Anbringung des Zeichens
zuständige Beamte das echte Zeichen zur Bekräftigung einer unwahren Tatsache
verwendet, begeht er eine Falschbeurkundung im Sinne des Art. 317 Ziff. 1 Abs.
2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 317 - 1. Beamte oder Personen öffentlichen Glaubens, die vorsätzlich eine Urkunde fälschen oder verfälschen oder die echte Unterschrift oder das echte Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unechten Urkunde benützen,
1    Beamte oder Personen öffentlichen Glaubens, die vorsätzlich eine Urkunde fälschen oder verfälschen oder die echte Unterschrift oder das echte Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unechten Urkunde benützen,
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Geldstrafe.428
StGB. Das Anbringen des echten Zeichens durch eine nicht zuständige Person
zur Bekräftigung einer unwahren Tatsache ist dagegen eine der «Herstellung
einer unwahren Urkunde» mittels «echter Unterschrift oder echtem Handzeichen
eines andern» (Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...315
StGB) analoge Tat.
Ob Art. 251
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...315
StGB so ausdehnend auszulegen wäre, dass wer mit dem echten
amtlichen Zeichen eine unwahre Urkunde herstellt, nach Art. 251 Ziff. 1 Abs.
2, und wer eine von einem Dritten hergestellte Urkunde dieser Art zur
Täuschung gebraucht, nach Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 bestraft werden müsste, wenn
er in der in Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 genannten Absicht handelt, kann
dahingestellt bleiben. Art. 251 trifft jedenfalls deshalb nicht zu, weil Art.
246 die Fälschungen von und mit amtlichen Zeichen abschliessend regelt. Da der
Wortlaut dieser Bestimmung das Anbringen eines echten amtlichen Zeichens durch
einen Unberechtigten zur Bekräftigung einer unwahren Tatsache nicht erfasst,
ist dieser Schluss freilich nicht zwingend. Würde man auf diese Tat Art. 251
anwenden, so käme jedoch ungünstiger weg, wer ein echtes amtliches Zeichen
unberechtigterweise zur Herstellung der Urkunde verwendet, als wer sich eines
falschen oder verfälschten Zeichens dieser Art zum gleichen Zwecke bedient.
Denn wer das falsche oder verfälschte Zeichen verwendet, wird von Art. 246
Abs. 2 erfasst. Diesen Täter nach Art. 251 zu bestrafen, wenn er in der
Absicht handelt «jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder
sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen», und Art.
246 Abs. 2 bloss dann anzuwenden, wenn die Verwendung des falschen oder
verfälschten

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Zeichens ohne diese Absicht erfolgt, hiesse letztere Bestimmung praktisch
gegenstandslos machen, denn es wird kaum Fälle geben, in denen die Verwendung
ohne die in Art. 251 genannte Absicht erfolgt.
Von der Anwendung des Art. 251 kann umsoeher abgesehen werden, als der
Gebrauch des unberechtigterweise mit einem echten (oder falschen oder
verfälschten) amtlichen Zeichen versehenen Gegenstandes zur Täuschung Dritter
in der Regel den Tatbestand des Betruges erfüllt. Art. 246 schliesst nicht
aus, dass auf einen solchen Fall Art. 148 angewendet werde.