S. 127 / Nr. 25 Strassenverkehr (d)

BGE 76 IV 127

25. Urteil des Kassationshofes vom 27. März 1950 i. S. Weidenmann gegen
Generalprokurator des Kantons Bern.

Regeste:
Art. 25 Abs. 1 MFG. Vorsichtspflicht des kreuzenden Führers bei Nacht; Pflicht
zur Anpassung der Geschwindigkeit an die Sichtweite.

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Art. 25 al. 1 LA. Prudence à observer, de nuit, à un croisement; obligation
d'adapter la vitesse au champ visuel.
Art. 25 cp. 1 LA. Prudenza da osservare, di notte, a un incrocio; obbligo di
adattare la velocità al campo visivo.

A. - Am 24. April 1949 um 21.15 Uhr schickte sich der von Öschberg gegen
Kirchberg fahrende Weidenmanu an, mit seinem Personenautomobil auf weithin
gerader und 6,3 m breiter Strasse ein aus entgegengesetzter Richtung kommendes
gleiches Fahrzeug, das von Hans Madeux geführt war, zu kreuzen. Da Madeux mehr
als die ihm vorbehaltene Strassenhälfte benützte - etwa 11 m vor der Kreuzung
war er noch 2,2 m vom rechten Strassenrand entfernt - richtete Weidenmann
seine Aufmerksamkeit auf das zu kreuzende Fahrzeug. Seine Geschwindigkeit von
etwa 55 km,/Std. setzte er nicht herab. Plötzlich bemerkte er im Lichtkegel
der abgeblendeten Scheinwerfer einen zu seiner Rechten fahrenden Radfahrer.
Ohne zu bremsen, riss er das Steuer nach links, um den Radfahrer nicht zu
überfahren. Dadurch stiessen die beiden Automobile mit den linken Vorderrädern
aufeinander. Im Augenblick des Zusammenstosses war das Fahrzeug Weidenmanns
1,75 m vom rechten Strassenrand entfernt, während Madeux zu seiner Rechten
noch 1,5 m Raum hatte.
B. - Am 1. Dezember 1949 verurteilte das Obergericht des Kantons Bern
Weidenmann wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs zu Fr. 40.-
Busse. Es warf ihm vor, er habe entgegen der Vorschrift des Art. 25 Abs. 1 MFG
sein Fahrzeug nicht beherrscht, weil er die Strasse ungenügend beobachtet,
sein Augenmerk bloss auf das entgegenkommende Automobil gerichtet habe.
C. - Weidenmann führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil des
Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung
zurückzuweisen. Er will nicht gelten lassen, dass der Führer eines
Motorfalirzeuges verpflichtet sei, alle Teile der vor ihm liegenden Fahrbahn
mit gleicher Intensität zu beobachten, weil

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das der «normalen menschlichen Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit»
widerspreche. Es liege im Wesen des Menschen, besonders des
Motorfahrzeugführers, dass er beim plötzlichen Auftauchen einer Gefahr die
Aufmerksamkeit in erster Linie auf diese richte. Als Reaktionserscheinung sei
dieses Verhalten vom Willen und dessen Betätigung unabhängig, so dass es eine
unerfüllbare Forderung darstelle, wenn man verlange, dass er im gleichen
Zeitpunkt die volle Aufmerksamkeit auch auf Sektoren ausserhalb der
Gefahrenquelle richte. Wollte man dies verlangen, so wurde man an den Führer
übermenschliche Anforderungen stellen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Der Beschwerdeführer fuhr nach der verbindlichen und nicht bestrittenen
Feststellung der Vorinstanz mit 55 km/Std. und schickte sich an, das
entgegenkommende Fahrzeug ohne Herabsetzung der Geschwindigkeit zu kreuzen.
Das war verwegen. Es ist gerichtsnotorisch, dass selbst ein Automobil neuester
Konstruktion auf trockener Makadamstrasse bei einer Geschwindigkeit von 55
km/Std. 34.35 m zurücklegt, ehe es zum Stehen kommt, wobei die Zeit, die der
Führer normalerweise benötigt, um auf die Gefahr zu reagieren, berücksichtigt
ist. Selbst unter günstigsten Verhältnissen erlaubte somit eine
Geschwindigkeit von 55 km/Std. dem Beschwerdeführer nicht, innerhalb der
Reichweite der abgeblendeten Scheinwerfer, die nach Art. 13 lit. a
SR 512.271 Ordonnance du 18 mars 2022 sur le service de vol militaire (OSV)
OSV Art. 13 Libération du service des membres du service de saut en parachute - 1 Les éclaireurs parachutistes de carrière, les membres du DRA 10 et les enseignants spécialisés avec licence d'instructeur de saut en parachute du service spécialisé restent affectés au service de saut en parachute jusqu'à la cessation de leurs rapports de travail.
1    Les éclaireurs parachutistes de carrière, les membres du DRA 10 et les enseignants spécialisés avec licence d'instructeur de saut en parachute du service spécialisé restent affectés au service de saut en parachute jusqu'à la cessation de leurs rapports de travail.
2    Les éclaireurs parachutistes de milice quittent le service de saut en parachute lorsqu'ils sont libérés de leurs obligations militaires.
MFV 30 m
beträgt, anzuhalten. Es bestand daher zum vorneherein die Gefahr, dass der
Beschwerdeführer einen im Lichtkegel seiner Scheinwerfer auftauchenden
Radfahrer oder Fussgänger überfahre oder gefährde. Dazu kommt, dass beim
Kreuzen mit anderen Fahrzeugen die Verhältnisse allgemein ungünstiger sind als
sonst. Das entgegenkommende Fahrzeug erschwert infolge Blendung die Sicht. Es
schafft nicht nur die Gefahr, dass der Führer bloss einen Teil der vom eigenen
Fahrzeug beleuchteten

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Strecke überblicke, sondern kann auch Ursache optischer Täuschungen sein.
Ferner zieht es die Aufmerksamkeit auf sich und lenkt sie von der übrigen
Fahrbahn ab. Endlich nimmt es einen Teil der Fahrbahn in Anspruch und schränkt
dadurch die Bewegungsfreiheit des andern ein. Als Besonderheit des
vorliegenden Falles kommt dazu, dass Madeux 11 m vor der Kreuzung immer noch
auf der Strassenmitte war, den Beschwerdeführer also zu ganz besonderer
Aufmerksamkeit und Vorsicht zwang. Der Beschwerdeführer kannte diese
Verhältnisse, da die Strasse an der betreffenden Stelle mehrere hundert Meter
weit gerade verläuft. Er durfte nicht mit 55 km/Std. kreuzen auf gut Glück
hin, dass ihm kein Hindernis in den Weg komme. Er hat die Geschwindigkeit den
Verhältnissen nicht angepasst, wie Art. 25 Abs. 1 MFG es verlangt. Diese
fehlerhafte Fahrweise war erste Ursache, dass er den Radfahrer zu spät
erblickte. Dass er beim Auftauchen des Radfahrers überrascht war, entschuldigt
ihn daher nicht. Art. 237 Ziff. 2
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 237 - 1. Quiconque, intentionnellement, empêche, trouble ou met en danger la circulation publique, notamment la circulation sur la voie publique, par eau, dans les airs ou par chemins de fer, et par là met sciemment en danger la vie ou l'intégrité corporelle des personnes ou la propriété d'autrui est puni d'une peine privative de liberté de cinq ans au plus ou d'une peine pécuniaire.
1    Quiconque, intentionnellement, empêche, trouble ou met en danger la circulation publique, notamment la circulation sur la voie publique, par eau, dans les airs ou par chemins de fer, et par là met sciemment en danger la vie ou l'intégrité corporelle des personnes ou la propriété d'autrui est puni d'une peine privative de liberté de cinq ans au plus ou d'une peine pécuniaire.
2    L'auteur est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire s'il agit par négligence.
StGB ist schon aus diesem Grunde zu Recht
angewendet worden.
2.- Im übrigen könnte die Fahrweise des Beschwerdeführers auch nicht
entschuldigt werden, wenn er langsamer gefahren wäre und den Radfahrer bloss
deshalb zu spät erblickt hätte, weil seine Aufmerksamkeit auf das
entgegenkommende Automobil gerichtet war. Auf 30 m Entfernung kann man eine
6,3 m breite Strasse mit genügender Genauigkeit überblicken, um ein Automobil
kreuzen zu können, ohne den rechten Strassenrand aus dem Auge zu verlieren.
Der Beschwerdeführer war nicht berechtigt, den Blick so intensiv auf das
Automobil zu richten, dass er nicht mehr sah, was sich vor dem eigenen
Fahrzeug abspielte, und trotzdem mit normaler Geschwindigkeit weiterzufahren.
Dass er von einer plötzlich auftauchenden Gefahr überrascht worden sei und aus
diesem Grunde der eigenen Fahrbahn nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt
habe, ist nicht richtig. Er hat von weitem gesehen oder sehen können, dass
Madeux auf der Strassenmitte

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fuhr. Der Beschwerdeführer hatte Zeit, sich diesem Umstande anzupassen,
insbesondere durch erhebliche Herabsetzung der Geschwindigkeit oder Anhalten,
wenn er sich nicht imstande glaubte, während des Kreuzens die eigene Fahrbahn
gleichwohl genau zu beobachten. Seine Unaufmerksamkeit ist ihm zum Verschulden
anzurechnen; wer unaufmerksam ist, beherrscht sein Fahrzeug nicht, wie Art. 25
Abs. 1 MFG es verlangt (BGE 76 IV 55).
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.