S. 99 / Nr. 24 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 76 III 99

24. Entscheid vom 12. September 1950 i. S. Vogel.

Regeste:
Verkauf eines auf den Namen des Gemeinschuldners versicherten Automobils durch
einen Dritten kurz vor der Konkurseröffnung. Nimmt neben dem Verkäufer die
Konkursmasse die Kaufpreisforderung für sich in Anspruch, und zeigt die
Konksverwaltung dies dem Käufer an, so hat man es mit einer
rechtsgeschäftlichen Erklärung, nicht mit einer nach Art. 17 ff
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 17 - 1 Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
1    Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
2    Die Beschwerde muss binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden.
3    Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
4    Das Amt kann bis zu seiner Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. Trifft es eine neue Verfügung, so eröffnet es sie unverzüglich den Parteien und setzt die Aufsichtsbehörde in Kenntnis.26
. SchKG
anfechtbaren Verfügung zu tun.
Vente par un tiers, peu de temps avant l'ouverture de la faillite, d'une
automobile assurée au nom du failli. Si l'administration de la faillite et le
tiers se prétendent chacun créancier du chef de la vente et que
l'administration de la faillite porte ce fait à la connaissance de l'acheteur,
on est en présence d'une déclaration de droit civil et non pas d'une décision
attaquable en vertu des art. 17 et suiv. LP.
Vendita da parte di un terzo, poco prima che fosse dichiarato il fallimento,
di un'automobile assicurata al nome del fallito. Se oltre al venditore anche
l'Amministrazione del fallimento accampa dei diritti sul credito derivante
dalla vendita e se l'Amministrazione del fallimento ne dà comunicazione al
compratore, si è in presenza di una dichiarazione di diritto civile e non di
una decisione impugnabile in virtù dell'art. 17 sgg. LEF.


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A. - Über die Mac Millian Company A.-G. in Basel wurde am 14. April 1950 um
11.30 Uhr der Konkurs eröffnet. Wenige Stunden früher hatte der vormalige
Angestellte Vogel mit Vollmacht des nach Südamerika verzogenen Geschäftsführer
Cral einen auf den Namen der Gesellschaft versicherten Personenwagen Marke
Studebaker für Fr. 5000.-- an die Konrad Peter A. -G. in Liestal verkauft. Das
Konkursamt Basel-Stadt beschlagnahmte am 19. April 1950 den Wagen und am 26.
Mai 1950 dann auch den nach den Vertragsbestimmungen bis Ende Mai zu zahlenden
Kaufpreis. Die Käuferin hinterlegte hierauf nach Abzug von Spesen den Betrag
von Fr. 4920.- bei der Gerichtskasse Basel-Stadt. Am 19. Juni 1950 teilte das
Konkursamt Basel-Stadt demjenigen von Liestal mit, diese Hinterlegung werde
aufgehoben, so dass die Käuferin den hinterlegten Betrag wieder erhalte; sie
sei jedoch darauf aufmerksam zu machen, «dass die Beschlagnahmeverfügung vom
26./27. Mai 1950 nach wie vor besteht, dass sie ohne Einwilligung des
Konkursamtes Basel-Stadt über die Fr. 4920.- nicht verfügen darf, ansonst sie
Gefahr der Doppelzahlung läuft». Das ersuchte Konkursamt gab dieser Weisung am
22. Juni 1950 Folge, indem es die Käuferin dahin unterrichtete, der Kaufpreis
werde «neuerdings» mit Beschlag belegt und könne rechtsgültig nur dem
unterzeichneten Amte bezahlt werden.
B. - Über die Beschlagnahme vom 26./27. Mai 1950 und ebenso über die «erneute»
Beschlagnahme vom 19./22. Juni 1950 beschwerte sich der Verkäufer Vogel mit
dem Antrag, der Kaufpreis sei zur Zahlung an ihn freizugeben.
C. - Die kantonale Aufsichtsbehörde wies mit Entscheid vom 3. August 1950 die
erste Beschwerde ab, weil der Wagen nach dem Ergebnis der Prüfung der
Gemeinschuldnerin gehört habe und Vogel sich nicht in guten Treuen als aus dem
Verkaufe forderungsberechtigt halten könne. Auf die zweite Beschwerde trat die

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Aufsichtsbehörde nicht ein, weil das Konkursamt Basel-Stadt keine zweite
Beschlagnahme verfügt, sondern lediglich an der frühern festgehalten habe, es
also an einer neuen der Anfechtung durch Beschwerde hinterliegenden Verfügung
fehle.
D. - Mit dein vorliegenden Rekurse hält Vogel an beiden Beschwerden fest. Er
hält dafür, nach Rückgabe des von der Käuferin hinterlegten Preises sei eine
neue Beschlagnahme verfügt worden. Diese sei wie die erste unzulässig, denn
sie lasse sich nicht auf die Art. 221
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 221 - 1 Sofort nach Empfang des Konkurserkenntnisses schreitet das Konkursamt zur Aufnahme des Inventars über das zur Konkursmasse gehörende Vermögen und trifft die zur Sicherung desselben erforderlichen Massnahmen.
1    Sofort nach Empfang des Konkurserkenntnisses schreitet das Konkursamt zur Aufnahme des Inventars über das zur Konkursmasse gehörende Vermögen und trifft die zur Sicherung desselben erforderlichen Massnahmen.
2    ...410
und 223
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 223 - 1 Magazine, Warenlager, Werkstätten, Wirtschaften u.dgl. sind vom Konkursamte sofort zu schliessen und unter Siegel zu legen, falls sie nicht bis zur ersten Gläubigerversammlung unter genügender Aufsicht verwaltet werden können.
1    Magazine, Warenlager, Werkstätten, Wirtschaften u.dgl. sind vom Konkursamte sofort zu schliessen und unter Siegel zu legen, falls sie nicht bis zur ersten Gläubigerversammlung unter genügender Aufsicht verwaltet werden können.
2    Bares Geld, Wertpapiere, Geschäfts- und Hausbücher sowie sonstige Schriften von Belang nimmt das Konkursamt in Verwahrung.
3    Alle übrigen Vermögensstücke sollen, solange sie nicht im Inventar verzeichnet sind, unter Siegel gelegt sein; die Siegel können nach der Aufzeichnung neu angelegt werden, wenn das Konkursamt es für nötig erachtet.
4    Das Konkursamt sorgt für die Aufbewahrung der Gegenstände, die sich ausserhalb der vom Schuldner benützten Räumlichkeiten befinden.
SchKG stützen, und im übrigen
sei er als Besitzer der Forderungsurkunden als der wahre Gläubiger zu
vermuten, «bis durch gerichtliches Urteil die Zugehörigkeit der Forderung zur
Masse festgestellt» sei (BGE 50 III 1).
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Ob die zweite Verfügung (vom 19./22. Juni) nur eine Bestätigung der ersten
(vom 26./27. Mai) war und daher die zweite Beschwerde als eigentlich
gegenstandslos zu betrachten ist, wie die kantonale Aufsichtsbehörde annimmt,
oder ob das Konkursamt die erste Verfügung durch die zweite eingeschränkt und
klargestellt hat, so dass vielmehr die erste Beschwerde als gegenstandslos
erscheinen möchte, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ergibt sich aus der
zweiten Verfügung eindeutig, dass das Konkursamt, wenn vielleicht nicht schon
zuvor, so doch jedenfalls hinfort die «Beschlagnahme» der Kaufpreisforderung
nur als Anzeige des Prätendentenstreites an die Drittschuldnerin verstanden
wissen wollte. So betrachtet, war die «Beschlagnahme» aber durchaus zulässig.
Sie erweist sieh als nichts anderes denn eine Anzeige privatrechtlichen
Charakters, wie sie jedermann dem Schuldner abgeben darf, um ihn eben seine
Anspruchsberechtigung wissen zu lassen und einer Zahlung an andere Ansprecher
mit befreiender Wirkung vorzubeugen

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(Art. 96
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 96 - Kann die Erfüllung der schuldigen Leistung aus einem andern in der Person des Gläubigers liegenden Grunde oder infolge einer unverschuldeten Ungewissheit über die Person des Gläubigers weder an diesen noch an einen Vertreter geschehen, so ist der Schuldner zur Hinterlegung oder zum Rücktritt berechtigt, wie beim Verzug des Gläubigers.
und 168
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 168 - 1 Ist die Frage, wem eine Forderung zustehe, streitig, so kann der Schuldner die Zahlung verweigern und sich durch gerichtliche Hinterlegung befreien.
1    Ist die Frage, wem eine Forderung zustehe, streitig, so kann der Schuldner die Zahlung verweigern und sich durch gerichtliche Hinterlegung befreien.
2    Zahlt der Schuldner, obschon er von dem Streite Kenntnis hat, so tut er es auf seine Gefahr.
3    Ist der Streit vor Gericht anhängig und die Schuld fällig, so kann jede Partei den Schuldner zur Hinterlegung anhalten.
, insbesondere Abs. 2 OR). Man hat es also, jedenfalls nach
der zweiten Verfügung, keineswegs mit einer Admassierung zu tun, zum Zwecke,
den Kläger im Sinne von Art. 242
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 242 - 1 Die Konkursverwaltung trifft eine Verfügung über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten beansprucht werden.
1    Die Konkursverwaltung trifft eine Verfügung über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten beansprucht werden.
2    Hält die Konkursverwaltung den Anspruch für unbegründet, so setzt sie dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er beim Richter am Konkursort Klage einreichen kann. Hält er diese Frist nicht ein, so ist der Anspruch verwirkt.
3    Beansprucht die Masse bewegliche Sachen, die sich im Gewahrsam oder Mitgewahrsam eines Dritten befinden, oder Grundstücke, die im Grundbuch auf den Namen eines Dritten eingetragen sind, als Eigentum des Schuldners, so muss sie gegen den Dritten klagen.
SchKG in die Klägerrolle zu drängen (was
freilich nicht anginge, vgl. BGE 76 III 9). Vielmehr liegt nur eine Anzeige
der erwähnten Art vor. Diese aber ist der Anfechtung durch Beschwerde
überhaupt entzogen. Nimmt die Konkursmasse das Forderungsrecht für sich in
Anspruch, so gibt es dagegen keine Beschwerde, denn diese Stellungnahme steht
den Organen des Konkurses wie einer Handlungsfähigen Privatperson zu. Der
Rekurrent, also der andere Forderungsprätendent, ist dadurch nicht in
irgendwelchen Rechten verletzt. Er hat sich mit der Masse vor dem Richter über
das Forderungsrecht auseinanderzusetzen. Dabei steht er der Masse als
gleichberechtigte Partei gegenüber und kann alle Grundlagen seiner Rechte wie
gegenüber einem sonstigen Prätendenten geltend machen. Stellt somit die
angefochtene «Beschlagnahme nach Massgabe der zweiten Verfügung keine gegen
den Rekurrenten getroffene Amtsverfügung dar, die dessen Rechten abträglich
sein könnte, so erweist sich der Rekurs als unbegründet.
Demnach erkennt die Schuldbetr. un. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.