S. 124 / Nr. 17 Erbrecht (d)

BGE 76 II 124

17. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. März 1950 i. S. Erne
gegen Erne und Konsorten.


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Regeste:
Bäuerliches Erbrecht (Art. 620 ff . ZGB, geändert gemäss Art. 94 des
Entschuldungsgesetzes vom 12. Dezember 1940, in Kraft seit I. Januar 1947).
1. Für die intertemporale Rechtsanwendung kommt es auf den Zeitpunkt der
Erbteilung an, ebenso für die Beurteilung der Voraussetzungen des bäuerlichen
Erbrechts nach Art. 620 ZGB.
2. Begriff der ausreichenden landwirtschaftlichen Existenz nach dem neuen Art.
620 und des lebensfähigen Betriebes nach Art. 621ter. Es genügt, dass das
Gewerbe dem Inhaber die hauptsächliche Erwerbsgrundlage biete.
Ist das gemeinschaftliche Erbgut bereits in zwei Betriebe unter zwei Erben
aufgeteilt, so ist bei der Teilung des Eigentums von diesem Sachverhalt
auszugehen. Hat der Inhaber des einen Betriebes Eigengut damit vereinigt, so
ist dieses bei der Frage nach der ausreichenden Existenz mitzuberücksichtigen.
Droit successoral paysan (art. 620 5v. CC, modifiés par l'art. 94 de la loi
sur le désendettement des domaines agricoles, du 12 décembre 1940, entrée en
vigueur le 1er janvier 1947).
1. Pour déterminer la loi applicable ratione temporis, il faut considérer
l'époque du partage; de même, pour juger des conditions de l'attribution en
entier selon l'art. 620 CC.
2. Notion de l'exploitation offrant des moyens d'existence suffisants selon le
nouvel art. 620 et de l'exploitation viable selon l'art. 621ter. Il suffit que
l'entreprise procure à l'exploitant le principal de ses ressources.
Si le domaine est déjà divisé quant à l'exploitation entre deux héritiers, il
y a lieu pour le partage de la propriété de partir de cet état de choses. Si
l'un des exploitants a déjà réuni à son entreprise des immeubles propres, il
faut en tenir compte pour juger si l'exploitation offre des moyens d'existence
suffisants.
Diritto successorio rurale (art. 620 e seg. CC, modificato dall'art. 94 della
legge 12 dicembre 1940 sullo sdebitamento di poderi agricoli, entrata in
vigore il 1 gennaio 1947).
1. Per stabilire quale sia la legge applicabile ratione temporis devesi
prendre in considerazione l'epoca della divisione; lo stesso vale per
giudicare delle condizioni dell'attribuzione dell'intera azienda a norma
dell'art. 620 CC.
2. Concetto dell'azienda che offra sufficienti mezzi di esistenza secondo il
nuovo art. 620 CO e di esercizio giusta l'art. 621ter. Basta che l'azienda
procuri a chi l'assume la fonte principale del suo guadagno.
Se l'azienda è già divisa, per quanto riguarda l'esercizio, tra due eredi,
devesi prendere come base questo stato di cose per la divisione della
proprietà. Se uno di questi due eredi ha già riunito alla sua azienda immobili
propri, se ne deve tener conto per giudicare se l'esercizio offre sufficienti
mezzi di sussistenza.


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A. - Im Nachlass des 1937 verstorbenen Johann Erne, geboren 1877, in Wil
(Fricktal), befinden sich ungefähr 8 ha Land mit zwei Bauernhäusern.
Ursprünglich besass der Erblasser nur etwa 3 ha Land mit Haus und Scheune im
Oberdorf. Im Jahre 1933 kaufte er das Heimwesen «Brüderstall» von etwa 4,39 ha
mit Gebäulichkeiten hinzu. Von da an bewirtschaftete er das gesamte Land von
diesem neu erworbenen Heimwesen aus und vermietete das Haus im Oberdorf. Nach
seinem Tode fuhren die Söhne Engelbert und Josef gemeinsam mit dieser
Bewirtschaftungsweise fort. Im Jahre 1945 trennten sie sich dann aber.
Engelbert blieb mit seiner Familie (Ehepaar und sieben Kinder) auf dem
«Brüderstall», der ledige Josef dagegen siedelte mit der Mutter nach dem
Oberdorf über. Engelbert behielt zur Bewirtschaftung ungefähr 5 ha vom
väterlichen Gut. Dazu kamen etwa 3 ha, die er für sich, namentlich in den
Jahren 1945 und 1946, hinzukaufte. Dem Josef waren, gemäss mündlicher
Vereinbarung, zur Bewirtschaftung vom Oberdorf aus ca. 3 ha überlassen, also
ungefähr der Umfang des ursprünglichen Klein-Heimwesens des Erblassers.
B. - Die Erben (ausser der Witwe und den Söhnen Engelbert und Josef noch vier
weitere Nachkommen des Erblassers) überliessen dem Miterben Johann etwa 70
Aren zu Alleineigentum. Von dieser Fläche abgesehen, verlangte Engelbert die
Zuweisung des ganzen väterlichen Gutes an ihn, also auch der dem Josef zur
Bewirtschaftung überlassenen 3 ha. Josef machte ihm das väterliche Gewerbe
nicht im vollen Umfange streitig, beanspruchte aber eben die 3 ha, die er seit
1945 bewirtschaftet. Die andern Erben unterstützten den von Josef erhobenen
Anspruch.
C. - Die von Engelbert Erne am 10. Februar 1948 gegen Josef und die andern
Miterben erhobene Klage wurde vom Bezirksgericht Laufenburg durch Urteil vom
7. Juli 1949 dahin gutgeheissen, dass ihm das väterliche Erbgut zugewiesen
wurde mit Ausnahme der Parzelle

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Nr. 295, nämlich 5 Aren «Oberdorf» samt Wohnhaus und Scheune mit
dazugehörendem totem und lebendem Inventar. Das Obergericht des Kantons Aargau
schützte dagegen mit Urteil vom 4. November 1949 die Widerklage von Josef Erne
und Miterben in vollem Umfange und wies den entsprechenden Mehranspruch des
Klägers ab. Danach erhält der Kläger Engelbert aus der väterlichen Erbschaft
das Heimwesen «Brüderstall» von ca. 5 ha zum Ertragswert von Fr. 29,000.-
(wozu der erwähnte Eigenbesitz von ca. 3 ha tritt) und der Beklagte Josef das
Heimwesen Oberdorf a von ca. 3 ha zum Ertragswert von Fr. 15,000.-. Der Kläger
erhält ferner das zum «Brüderstall a gehörende Inventar zum Nutzwert von Fr.
12,786., der Beklagte das zum «Oberdorf a gehörende zum Nutzwert von Fr.
5600.-.
D. - Mit der vorliegenden Berufung beharrt der Kläger auf seinem Mehranspruch,
ausgenommen die 5 Aren im Oberdorf, die bereits das Bezirksgericht dem
Beklagten Josef zugewiesen hatte.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- (Prozessuales).
2.- Das «bäuerliche Erbrecht» der Art. 620 ff . ZGB ordnet nicht die Erbfolge,
sondern Fragen der Erbteilung. Dabei ist auf die Verhältnisse abzustellen, wie
sie nunmehr, bei der Erbteilung, bestehen (BGE 50 II 330). Deshalb sind hier
nicht die alten Art. 620 ff . ZGB, sondern die am 1. Januar 1947 in Kraft
getretenen neuen Vorschriften (gemäss Art. 94 des Entschuldungsgesetzes vom
12. Dezember 1940) massgebend, auf die sich denn auch beide Parteien berufen.
Und aus dem gleichen Grunde ist - entgegen der Ansicht des Klägers - der
gegenwärtige Stand der Betriebsverhältnisse zu berücksichtigen. Der Kläger
bewirtschaftet seit einigen Jahren gemeinsam mit den 5 ha aus der väterlichen
Erbschaft vom «Brüderstall aus noch 3 ha Eigenbesitz. Werden ihm gemäss dem
ober gerichtlichen Urteil jene 5 ha aus der Erbschaft

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zugewiesen, so kommt er also mit seinem Eigenbesitz auf 8 ha und somit nach
den Feststellungen des Obergerichts auf eine ausreichende landwirtschaftliche
Existenz. Damit ist, soweit den Kläger betreffend, den Erfordernissen des Art.
620 ZGB und dem Zweck des bäuerlichen Erbrechtes genügt. Dieses sieht als
Regel die ungeteilte Zuweisung eines landwirtschaftlichen Gewerbes an einen
einzigen Erben vor, um den Untergang lebensfähiger landwirtschaftlicher
Betriebe durch Zerstückelung zu verhindern. Unter diesem Gesichtspunkt ist die
Zuweisung von (bloss) 5 ha an den (daneben 3 ha besitzenden) Kläger genügend.
Bei dieser Sachlage ist fraglich, ob der Kläger die dem Beklagten Josef
zugewiesenen 3 ha noch dazu verlangen könne, einfach weil diese Fläche von 3
ha für sich allein kein ausreichendes landwirtschaftliches Heimwesen darstelle
und daher nicht an Josef in Anwendung von Art. 620 ff . ZGB zugewiesen werden
dürfe. Josef und für ihn die auf seiner Seite stehenden Miterben beanspruchen
ja gar nicht mehr als diese 3 ha. Geht man indessen auf das betreffende
Argument des Klägers ein, so erweist es sich als unbegründet. Art. 620 ZGB
setzt nicht zahlenmässig einen Mindestumfang oder -ertrag des
landwirtschaftlichen Gewerbes fest. Er gibt damit der Berücksichtigung
regionaler Verhältnisse und Auffassungen Raum. Wie das Obergericht ausführt,
gibt es im Fricktal zahlreiche Kleinheimwesen von ca. 3 ha wie das von Josef
Erne beanspruchte. Ein solcher Landbesitz verschafft manchem, so gerade dem
mit der Mutter ins (t Oberdorf» gezogenen Josef Erne, die hauptsächliche,
andern wenigstens eine zusätzliche Erwerbsquelle und verhindert die
Abwanderung beträchtlicher Bevölkerungsteile in städtische Siedlungen. Zur
Anwendung von Art. 620 ZGB muss allerdings gefordert werden, dass das Gewerbe
dem Übernehmer als Hauptexistenzgrundlage zu dienen vermag, was aber hier eben
zutrifft. In einem kürzlich beurteilten Fall ist denn auch ein Gewerbe von
3,17 ha mit einem Futterertrag für 4 ½ Kühe als genügend zur Anwendung der
Art. 620 ff . ZGB

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betrachtet worden (Urteil vom 16. Februar 1950 i. S. Hersche). Übrigens liegt
es im Interesse der Landwirtschaft, dass Kleinbauern zu gewissen Zeiten in
grösseren Landwirtschaftsbetrieben aushelfen können. Aber auch wenn die
Nebenbetätigung eines Kleinbauern anderer Art ist verdient sein
landwirtschaftliches Gewerbe nicht ohne weiteres vom bäuerlichen Erbrecht
ausgenommen zu werden. Die Ansprüche des Josef Erne lassen sich somit auf Art.
620 ZGB gründen. Aus dem Fehlen besonderer Vorschriften im Sinne von Art.
621quater ZGB im Kanton Aargau lässt sich nichts gegen die Widerklage
herleiten.
3.- Mit Unrecht will der Kläger die Zerlegung eines landwirtschaftlichen
Heimwesens nach Art. 621ter an strengere Bedingungen geknüpft wissen. Diese
Vorschrift lässt eine Zerlegung zu, wenn die dabei zu bildenden Teilbetriebe
lebensfähig» sind. Damit ist nichts anderes gemeint, als dass sie den
Übernehmern eine ausreichende wirtschaftliche Existenz im Sinne von Art. 620
bieten sollen.
Freilich ist Art. 621ter mit Zurückhaltung anzuwenden. In der Regel wird man
nicht zur Zerlegung eines stattlichen Bauerngewerbes schreiten, um daraus
mehrere Kleinheimwesen zu machen. Hier handelt es sich jedoch nicht darum. Bis
1933 hatte der Erblasser bloss das Kleinheimwesen «Oberdorf a besessen, und
seit 1945 ist dieses wiederum als Betrieb von demjenigen des «Brüderstalles a
getrennt. Josef Erne verlangt nichts anderes als eine diesem tatsächlichen
Stand der Betriebe entsprechende Teilung des Eigentums. Es braucht deshalb gar
nicht von einer Zerlegung nach Art. 621ter gesprochen zu werden. Es geht
einfach um die Art der Zuweisung dieser beiden von je einem der beiden
Ansprecher selbständig geführten Gewerbe, nicht anders, als wenn bereits der
Erblasser die beiden Betriebe so abgeteilt und, ohne sein Eigentum aufzugeben,
den einen dem Sohne Engelbert, den andern dem Sohne Josef zur Bewirtschaftung
überlassen hätte. Gewiss gestattet Art. 620 ZGB unter Umständen die
Vereinigung

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mehrerer in der Erbschaft befindlicher Betriebe. Es ist aber auch die
getrennte Zuweisung an je einen Erben, zumal an die bisher mit der
Bewirtschaftung betrauten zulässig, sofern, wie hier, für jeden (Teil-)
Betrieb die Voraussetzungen des Art. 620 angesichts der Verhältnisse des
betreffenden Übernehmers erfüllt sind. Bisher vorhandene Kleinbetriebe, die
immerhin dem Inhaber den hauptsächlichen Verdienst verschaffen, verdienen
aufrecht erhalten zu werden. Nichts zwingt dazu, sie aufzuheben, nur weil sie
sich allenfalls nicht so rationell führen lassen wie grössere Betriebe. Können
durch Zuweisung eines Kleinbetriebes unter den hier gegebenen Verhältnissen
zwei Söhne statt eines einzigen dem Bauernstand erhalten bleiben, so liegt
dies durchaus im Sinne des bäuerlichen Erbrechtes...
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau vom 4. November 1949 bestätigt.