S. 206 / Nr. 36 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 76 I 206

36. Auszug aus dem Urteil vom 22. September 1950 i. S. W. gegen kantonale
Steuerrekurskommission Graubünden.

Regeste:
Wehrsteuer: Besteuerung des Kapitalgewinns, der im Betriebe eines zur
kaufmännischen Buchführung verpflichteten Unternehmens bei der Veräusserung
oder Verwertung von Vermögensstücken erzielt wird (Art. 21 Abs. 1 lit. d
WStB). Als Verwertung gilt auch die Überführung von Geschäftsvermögen in das
Privatvermögen des Eigentümers. Berechnung des dabei erzielten Gewinns.
Impôt pour la défense nationale: Imposition du bénéfice en capital réalisé,
dans une entreprise astreinte à tenir une comptabilité commerciale, par
l'aliénation ou la réalisation de biens (art. 21 al. 1 lit. d AIN). Doit aussi
être considéré comme réalisation le transfert d'éléments de la fortune de
l'entreprise dans la fortune privée du propriétaire. Calcul du bénéfice
réalisé de cette façon.
Imposta per la difesa nazionale. Imposizione del profitto in capitale
conseguito, nell'esercizio di un'azienda avente l'obbligo di tenere una
contabilità, mediante alienazione o realizzazione di beni (art. 21 cp. 1 lett.
d DIN). Costituisce una realizzazione di beni anche il trasferimento di
elementi dell'attivo dell'azienda nel patrimonio privato del proprietario.
Computo del profitto in capitale.

A. - W. war bis 1946 Inhaber einer Maschinenfabrik. Im Oktober dieses Jahres
übertrug er Aktiven und Passiven der bisherigen Einzelfirma, mit Ausnahme des
Immobiliar- und Wertschriftenvermögens, auf eine zur Fortführung des
Unternehmens neu gegründete Aktiengesellschaft. Den Grundbesitz, bestehend aus
einem Wohnhaus und dem Fabrikgebäude samt Umschwung, übernahm er zu dem

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in der letzten Bilanz der Einzelfirma vom 30. November 1945 ausgewiesenen
Buchwert in sein Privatvermögen. Die Geschäftsliegenschaft verpachtete er der
Aktiengesellschaft. Später, im Frühjahr 1949, brachte er den Grundbesitz als
Sacheinlage in die Gesellschaft ein.
Bei der Einschätzung des w. für die Wehrsteuer IV gelangte die
Veranlagungsbehörde im Einspracheverfahren zur Auffassung, er habe in der
Berechnungsperiode 1945/46 dadurch einen Kapitalgewinn im Sinne von Art. 21
Abs. 1 lit. d WStB erzielt, dass er die Liegenschaften zu einem unter dem
Verkehrswert liegenden Wert in sein Privatvermögen übernommen habe. Der
Verkehrswert wurde durch Kapitalisierung des Ertrages der Liegenschaften
ermittelt.
Die Beschwerde des Pflichtigen gegen die Besteuerung eines Kapitalgewinnes
wurde von der kantonalen Rekurskommission abgewiesen.
B. - In der gegen diesen Entscheid erhobenen Verwaltungsgerichtsbeschwerde
macht W. geltend, von einem Kapitalgewinn im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. d
WStB könnte nur dann gesprochen werden, wenn die Liegenschaften in der
Berechnungsperiode durch eine Veräusserung, wie Kauf oder Tausch, den
Eigentümer gewechselt hätten. Diese Voraussetzung sei indes nicht erfüllt, da
er den Grundbesitz damals in seinem Eigentum behalten habe. Der im Gesetz
umschriebene Begriff des Kapitalgewinns dürfe nach einem allgemein anerkannten
Rechtsgrundsatz nicht durch Auslegung oder Analogie erweitert werden. Die
Auffassung der Rekurskommission, dass ein Kapitalgewinn schon als Korrektiv
für die Zulassung übersetzter Abschreibungen angenommen werden müsse, sei
gesetzwidrig. Im Falle des Beschwerdeführers seien übrigens für die der
tatsächlichen Entwertung entsprechenden Abschreibungen zugelassen worden. Der
Buchwert der in Frage stehenden Immobilien habe deren wirklichen Wert
dargestellt. Es verhalte sich nicht so, dass der Beschwerdeführer die
Grundstücke habe zurückbehalten wollen mit der Absicht sie nach einigen Jahren
teurer an

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einen Dritten zu verkaufen. Die weitgehende wirtschaftliche Betrachtungsweise
der Rekurskommission sei deshalb nicht gerechtfertigt. Zudem sei der
angebliche Kapitalgewinn nicht richtig ermittelt worden... Es könnte nicht der
Preis, der bei einem Verkauf an einen Dritten hätte gelöst werden können als
Vergleichswert in Rechnung gestellt werden, sondern höchstens der Preis, der
von einem guten Freunde verlangt worden wäre. Es könne dem Pflichtigen nicht
zugemutet werden, sich selbst einen Gewinn anzurechnen.
C. - Die Rekurskommission, die kantonale und die eidgenössische
Steuerverwaltung beauftragen Abweisung der Beschwerde.
D. - In der Replik führt der Beschwerdeführer noch aus, bei der Berechnung des
angeblichen Kapitalgewinnes hätte als oberer Wert nicht einfach der
Verkehrswert im Zeitpunkt der Gründung der Aktiengesellschaft eingesetzt
werden sollen, sondern der Betrag, den die Liegenschaften damals für den
Betrieb wert gewesen seien (Betriebswert). In den spätern Verkauf der
Grundstücke an die Gesellschaft habe der Beschwerdeführer nur widerstrebend,
auf Drängen eines neuen Hauptaktionärs, eingewilligt, was die Annahme
ausschliesse. er habe eine Steuerumgehung beabsichtigt.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Aus den Erwägungen:
1.- Gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB unterliegen der Wehrsteuer auf dein
Einkommen Kapitalgewinne die im Betriebe eines zur Führung kaufmännischer
Bücher verpflichteten Unternehmens bei der Veräusserung oder Verwertung von
Vermögensstücken erzielt werden. Als Beispiele werden im Gesetz genannt
Liegenschaftsgewinne. Mehrerlös aus Wertschriften, Liquidationsgewinne bei
Aufgabe oder Veräusserung eines Unternehmens.
Durch die Übertragung von Aktiven und Passiven an die zum Weiterbetrieb seiner
Maschinenfabrik neu gegründete Aktiengesellschaft hat der Beschwerdeführer
sein

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zur kaufmännischen Buchführung verpflichtetes Unternehmen aufgegeben. Die
Liegenschaften, welche bisher zu seinem Geschäftsvermögen gehört hatten, hat
er indes nicht auf die Gesellschaft übertragen, sondern in sein Privatvermögen
übernommen. Ob dieser Übergang eine Veräusserung oder Verwertung im Sinne von
Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB darstelle, scheint nach der nächstliegenden
Bedeutung dieser Begriffe zweifelhaft zu sein. Eine nähere Prüfung führt
jedoch zur Bejahung der Frage. Jene Bestimmung erfasst nicht nur den Fall der
Veräusserung im zivilrechtlichen Sinne, d. h. des Eigentumswechsels, wie der
Beschwerdeführer - in Übereinstimmung mit PERRET, Komm. zu Art. 21 WStB, N. 18
- meint. Sie erwähnt neben der Veräusserung auch die Verwertung. Der hier in
Frage stehende Vorgang lässt sich aber zwanglos als eine Art Verwertung
auffassen. Dass er ebenfalls unter Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB gezogen werden
muss, ergibt sich insbesondere daraus, dass dort als Beispiel eines
steuerbaren Kapitalgewinnes ausdrücklich der Liquidationsgewinn «bei Aufgabe
oder Veräusserung eines Unternehmens» angeführt wird; denn eine Aufgabe eines
Unternehmens ohne Veräusserung liegt gerade auch in der Überführung des
Geschäftsvermögens in das Privatvermögen des bisherigen Geschäftsinhabers.
Für diese Auslegung spricht auch der Zweck von Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB. Das
Wehrsteuerrecht gewährt den zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichteten
Unternehmungen bei der Bewertung ihrer Bilanzposten einen weiten Spielraum des
Ermessens. So können sich durch eine Vermehrung des Wertes von Sachen und
Rechten, die nicht verbucht wird, oder durch übersetzte Abschreibungen, zu
hoch verbuchte Wertverminderungen in einem Betriebe stille Reserven bilden,
die im Zeitpunkte der Bildung steuerlich nicht erfasst werden. Anderseits ist
im Gesetz dafür Vorsorge getroffen, dass diese Reserven später der
Einkommenssteuer unterworfen werden: Einmal werden gemäss Art. 21 Abs. 1 lit.
f WStB Vermehrungen des

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Wertes von Sachen und Rechten in einem buchführungspflichtigen Betriebe dann
als Einkommen erfasst, wenn sie verbucht werden, und sodann werden nach lit. d
daselbst die stillen Reserven auf jeden Fall, ohne Rücksicht auf ihre
Verbuchung, als Kapitalgewinn bei der Veräusserung und Verwertung von Vermögen
oder Vermögensstücken in das steuerbare Einkommen einbezogen. Wenn nun der aus
der Bildung stiller Reserven herrührende Kapitalgewinn nur im Falle der
Veräusserung des betreffenden Geschäftsvermögens zu besteuern wäre, so hätte
der Betriebsinhaber es in der Hand, sich der Besteuerung dieses Gewinnes
dadurch zu entziehen, dass er die Vermögenswerte vorerst in sein
Privatvermögen überführen und sodann, als nicht mehr
kapitalgewinnsteuerpflichtiger Privatmann, veräussern würde. Das kann aber
nicht der Sinn des Gesetzes sein. Als Verwertung gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. d
WStB muss daher auch die Überführung von Geschäftsvermögen in das Privat
vermögen des Unternehmers angesehen werden. Entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers ist es, von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen
abgesehen, auch im Steuerrecht zulässig, die Anwendung einer
Gesetzesbestimmung unter Berücksichtigung des vom Gesetzgeber verfolgten
Zweckes weiter auszudehnen, als der Wortlaut zunächst erkennen lässt (BGE 72 I
310
).
Ein bei der Überführung der Liegenschaften des Beschwerdeführers aus dem
Geschäftsvermögen in das Privatvermögen erzielter Kapitalgewinn unterliegt
daher der Wehrsteuer auf dem Einkommen.
2. -- Für die Berechnung des Kapitalgewinnes ist dort, wo während des
Betriebes die jährlichen Reingewinne unter Inanspruchnahme von Abschreibungen
auf den Gestehungskosten ermittelt worden sind, von dem um die anerkannten
Abschreibungen herabgesetzten Buchwerte auszugehen (BGE 70 I 186). Massgebend
ist die letzte Bilanz vor der Veräusserung oder Verwertung des betreffenden
Vermögens (nicht veröffentlichtes Urteil vom

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21. Dezember 1948 i. S. Genossenschaft Konkordia). Einkommen gegen den so
ermittelten untern Ausgangspunkt für die Berechnung des Kapitalgewinnes
könnten sich höchstens dann rechtfertigen, wenn bei früheren Veranlagungen für
das Einkommen ans dem Geschäftsbetriebe Änderungen der in den Büchern
ausgewiesenen Ergebnisse vorgenommen worden wären, welche die Bemessung des
Kapitalgewinnes beeinflussen könnten (BGE 76 I 64). Solche Änderungen sind
jedoch im vorliegenden Falle nicht dargetan. Der Berechnung ist daher der in
der letzten Bilanz der Einzelfirma ausgewiesene Buchwert zugrunde zu legen.
Im allgemeinen stellt der Kapitalgewinn die Differenz zwischen dem Buchwert
und dem erzielten Erlös dar. Da die hier in Frage stehenden Liegenschaften in
der Berechnungsperiode den Eigentümer nicht gewechselt haben, muss als oberer
Vergleichswert der Betrag genommen werden, der bei einer Veräusserung hätte
erzielt werden können. Abzustellen ist somit, wie die Vorinstanz richtig
annimmt, auf den Verkehrswert. Auf den sog. Betriebswert kann nichts ankommen.
Wer ein Geschäftsaktivum in sein Privat vermögen überführt, kann nicht anders
gestellt werden als jener, der es veräussert. Deshalb kann auch keine Rede
davon sein, dass als oberer Vergleichswert der Preis einzusetzen ist, der
nicht einem unabhängigen Dritten, sondern einem guten Freunde angerechnet
worden wäre.