S. 188 / Nr. 45 Motorfahrzeugverkehr (d)

BGE 75 IV 188

45. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. November 1949 i. S.
Ulmer gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen.

Regeste:
Art. 58 Abs. 1 MFG. Kann jemand als Mittäter, Gehülfe oder Anstifter des
Führers bestraft werden?
Art. 58 al. 1 LA. Est-il possible de condamner quelqu'un comme coauteur,
complice ou instigateur du conducteur?
Art. 58 cp. 1 LA. E' possibile condannare qualcuno come coautore, complice o
istigatore del conducente?

A. - Der im Dienste des Fridolin Wick stehende Gebhard Sonderegger vermochte
am 18. November 1948 auf der Fahrt von Wildhaus nach Gams beim Aussetzen des
Motors einen schweren Lastwagen mit Anhänger nur dadurch zum Stehen zu
bringen, dass er in einer Kurve über eine Stützmauer hinaus auf einen
Seitenweg fuhr. Infolge Überlastung beider Wagen war die Staudruckbremse
unwirksam geworden, und der Versuch Sondereggers, den Lastenzug mit der
Fussbremse und der Handbremse anzuhalten, war wegen Verölung und Abnützung
dieser Bremsen misslungen, obschon die Strasse am Unfallort bloss etwa 10 %
Gefälle hat.
B. - Das Bezirksamt Werdenberg sah im mangelhaften Unterhalt der Fuss- und der
Handbremse eine Übertretung von Art. 17 MFG und Art. 37 MFV in Verbindung mit
Art. 12 Abs. 1 lit. b
SR 512.271 Verordnung vom 18. März 2022 über den militärischen Flugdienst (Militärflugdienstverordnung, MFV) - Militärflugdienstverordnung
MFV Art. 12 Ausscheiden der Bordoperateure und Bordoperateurinnen - 1 Berufsbordoperateure und Bordoperateurinnen bleiben im Flugdienst bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
1    Berufsbordoperateure und Bordoperateurinnen bleiben im Flugdienst bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
2    Milizbordoperateure und Milizbordoperateurinnen scheiden mit der Entlassung aus der Militärdienstpflicht aus dem Flugdienst aus.
MFV. Am 25. April 1949 büsste es dafür nicht nur
Sonderegger, sondern auferlegte auch dem Mechaniker Rudolf Ulmer, der als
Angestellter des Wick

Seite: 189
das Fahrzeug zu unterhalten hatte, eine Busse von Fr. 36.-.
Ein Rekurs Ulmers wurde am 6. September 1949 von der Gerichtskommission
Werdenberg abgewiesen.
C. - Ulmer führt gegen das Urteil der Gerichtskommission
Nichtigkeitsbeschwerde.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Ein Motorfahrzeug, dessen Bremsen den Anforderungen von Art. 12 Abs. 1
lit. b
SR 512.271 Verordnung vom 18. März 2022 über den militärischen Flugdienst (Militärflugdienstverordnung, MFV) - Militärflugdienstverordnung
MFV Art. 12 Ausscheiden der Bordoperateure und Bordoperateurinnen - 1 Berufsbordoperateure und Bordoperateurinnen bleiben im Flugdienst bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
1    Berufsbordoperateure und Bordoperateurinnen bleiben im Flugdienst bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
2    Milizbordoperateure und Milizbordoperateurinnen scheiden mit der Entlassung aus der Militärdienstpflicht aus dem Flugdienst aus.
MFV nicht entsprechen, befindet sich nicht in betriebssicherem Zustande
und darf daher nicht verkehren (Art. 17 Abs. 1 MFG, Art. 37 Abs. 1
SR 512.271 Verordnung vom 18. März 2022 über den militärischen Flugdienst (Militärflugdienstverordnung, MFV) - Militärflugdienstverordnung
MFV Art. 12 Ausscheiden der Bordoperateure und Bordoperateurinnen - 1 Berufsbordoperateure und Bordoperateurinnen bleiben im Flugdienst bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
1    Berufsbordoperateure und Bordoperateurinnen bleiben im Flugdienst bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
2    Milizbordoperateure und Milizbordoperateurinnen scheiden mit der Entlassung aus der Militärdienstpflicht aus dem Flugdienst aus.
MFV).
Dieses Verbot ist eine Verkehrsregel (vgl. Überschrift zum zweiten Abschnitt
des MFG), für deren Übertretung gemäss Art. 58 Abs. 1 MFG der Führer des
Motorfahrzeuges bestraft wird. Eine andere Person als Mittäter zu bestrafen,
erlaubt der Wortlaut der Bestimmung nicht. Insbesondere trifft diese nicht zu
auf jemanden, der im Auftrage des Führers oder des Halters das Fahrzeug zu
unterhalten hat. Ulmer kann daher nicht als Täter (Mittäter) bestraft werden.
2.- Das Führen eines Motorfahrzeuges in nicht betriebssicherem Zustande ist
mit Busse bis zu zweihundert Franken und in schweren Fällen oder bei
wiederholtem Rückfall mit Haft bis zu zehn Tagen oder Busse bis zu fünfhundert
Franken zu bestrafen (Art. 58 Abs. 1 und 2 MFG, Art. 333 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 333 - 1 Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe bedroht sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen.
1    Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe bedroht sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen.
2    In den anderen Bundesgesetzen werden ersetzt:
a  Zuchthaus durch Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr;
b  Gefängnis durch Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe;
c  Gefängnis unter sechs Monaten durch Geldstrafe, wobei einem Monat Freiheitsstrafe 30 Tagessätze Geldstrafe zu höchstens 3000 Franken entsprechen.
3    Wird Haft oder Busse oder Busse allein als Höchststrafe angedroht, so liegt eine Übertretung vor. Die Artikel 106 und 107 sind anwendbar. Vorbehalten bleibt Artikel 8 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974509 über das Verwaltungsstrafrecht. Eine Übertretung ist die Tat auch dann, wenn sie in einem anderen Bundesgesetz, welches vor 1942 in Kraft getreten ist, mit einer Gefängnisstrafe bedroht ist, die drei Monate nicht übersteigt.
4    Vorbehalten sind die von Absatz 2 abweichenden Strafdauern und Artikel 41 sowie die von Artikel 106 abweichenden Bussenbeträge.
5    Droht ein anderes Bundesgesetz für ein Verbrechen oder Vergehen Busse an, so ist Artikel 34 anwendbar. Von Artikel 34 abweichende Bemessungsregeln sind nicht anwendbar. Vorbehalten bleibt Artikel 8 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht. Ist die Busse auf eine Summe unter 1 080 000 Franken begrenzt, so fällt diese Begrenzung dahin. Ist die angedrohte Busse auf eine Summe über 1 080 000 Franken begrenzt, so wird diese Begrenzung beibehalten. In diesem Fall ergibt der bisher angedrohte Bussenhöchstbetrag geteilt durch 3000 die Höchstzahl der Tagessätze.
6    ...510
6bis    Wird eine Tat mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe mit einer Mindestanzahl Tagessätzen bedroht, so gilt diese Untergrenze auch für die Mindestanzahl Tage Freiheitsstrafe.511
7    Die in andern Bundesgesetzen unter Strafe gestellten Übertretungen sind strafbar, auch wenn sie fahrlässig begangen werden, sofern nicht nach dem Sinne der Vorschrift nur die vorsätzliche Begehung mit Strafe bedroht ist.
StGB). Es
untersteht den allgemeinen Bestimmungen über die Übertretungen (Art. 333 Abs.
2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 333 - 1 Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe bedroht sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen.
1    Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe bedroht sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen.
2    In den anderen Bundesgesetzen werden ersetzt:
a  Zuchthaus durch Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr;
b  Gefängnis durch Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe;
c  Gefängnis unter sechs Monaten durch Geldstrafe, wobei einem Monat Freiheitsstrafe 30 Tagessätze Geldstrafe zu höchstens 3000 Franken entsprechen.
3    Wird Haft oder Busse oder Busse allein als Höchststrafe angedroht, so liegt eine Übertretung vor. Die Artikel 106 und 107 sind anwendbar. Vorbehalten bleibt Artikel 8 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974509 über das Verwaltungsstrafrecht. Eine Übertretung ist die Tat auch dann, wenn sie in einem anderen Bundesgesetz, welches vor 1942 in Kraft getreten ist, mit einer Gefängnisstrafe bedroht ist, die drei Monate nicht übersteigt.
4    Vorbehalten sind die von Absatz 2 abweichenden Strafdauern und Artikel 41 sowie die von Artikel 106 abweichenden Bussenbeträge.
5    Droht ein anderes Bundesgesetz für ein Verbrechen oder Vergehen Busse an, so ist Artikel 34 anwendbar. Von Artikel 34 abweichende Bemessungsregeln sind nicht anwendbar. Vorbehalten bleibt Artikel 8 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht. Ist die Busse auf eine Summe unter 1 080 000 Franken begrenzt, so fällt diese Begrenzung dahin. Ist die angedrohte Busse auf eine Summe über 1 080 000 Franken begrenzt, so wird diese Begrenzung beibehalten. In diesem Fall ergibt der bisher angedrohte Bussenhöchstbetrag geteilt durch 3000 die Höchstzahl der Tagessätze.
6    ...510
6bis    Wird eine Tat mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe mit einer Mindestanzahl Tagessätzen bedroht, so gilt diese Untergrenze auch für die Mindestanzahl Tage Freiheitsstrafe.511
7    Die in andern Bundesgesetzen unter Strafe gestellten Übertretungen sind strafbar, auch wenn sie fahrlässig begangen werden, sofern nicht nach dem Sinne der Vorschrift nur die vorsätzliche Begehung mit Strafe bedroht ist.
, Art. 101 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 101 - 1 Keine Verjährung tritt ein für:
1    Keine Verjährung tritt ein für:
a  Völkermord (Art. 264);
b  Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 264a Abs. 1 und 2);
c  Kriegsverbrechen (Art. 264c Abs. 1-3, 264d Abs. 1 und 2, 264e Abs. 1 und 2, 264f, 264g Abs. 1 und 2 und 264h);
d  Verbrechen, die als Mittel zu Erpressung oder Nötigung Leib und Leben vieler Menschen in Gefahr brachten oder zu bringen drohten, namentlich unter Verwendung von Massenvernichtungsmitteln, durch Auslösen von Katastrophen oder durch Geiselnahme;
e  sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187 Ziff. 1 und 1bis), sexueller Übergriff und sexuelle Nötigung (Art. 189), Vergewaltigung (Art. 190), Missbrauch einer urteilsunfähigen oder zum Widerstand unfähigen Person (Art. 191), Ausnützung einer Notlage oder Abhängigkeit (Art. 193) und Täuschung über den sexuellen Charakter einer Handlung (Art. 193a), wenn sie an Kindern unter 12 Jahren begangen wurden.143
2    Wäre die Strafverfolgung bei Anwendung der Artikel 97 und 98 verjährt, so kann das Gericht die Strafe mildern.
3    Die Absätze 1 Buchstaben a, c und d sowie 2 gelten, wenn die Strafverfolgung oder die Strafe am 1. Januar 1983 nach dem bis zu jenem Zeitpunkt geltenden Recht noch nicht verjährt war. Absatz 1 Buchstabe b gilt, wenn die Strafverfolgung oder die Strafe beim Inkrafttreten der Änderung vom 18. Juni 2010 dieses Gesetzes nach bisherigem Recht noch nicht verjährt war. Absatz 1 Buchstabe e gilt, wenn die Strafverfolgung oder die Strafe am 30. November 2008 nach dem bis zu jenem Zeitpunkt geltenden Recht noch nicht verjährt war.144 145
. StGB). Gehülfenschaft zu solchen ist nur strafbar, wenn das
Gesetz es ausdrücklich bestimmt (Art. 104 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 104 - Die Bestimmungen des Ersten Teils gelten mit den nachfolgenden Änderungen auch für die Übertretungen.
StGB). Das
Motorfahrzeuggesetz bedroht den, der zur Übertretung einer Verkehrsvorschrift
Hülfe leistet, nicht mit Strafe. Die Frage, ob der Beschwerdeführer Gehülfe
Sondereggers gewesen sei, stellt sich somit nicht.
3.- Anstifter wäre der Beschwerdeführer, wenn er Sonderegger vorsätzlich
bestimmt hätte, den mit ungenügenden Bremsen versehenen Lastenzug zu führen

Seite: 190
(Art. 24 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 24 - 1 Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
1    Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
2    Wer jemanden zu einem Verbrechen zu bestimmen versucht, wird wegen Versuchs dieses Verbrechens bestraft.
StGB). Das aber wird ihm weder im angefochtenen Urteil noch in
den Akten vorgeworfen. Insbesondere behauptet niemand, dass er sich des
Ungenügens der Bremsen bewusst gewesen sei.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der
Gerichtskommission Werdenberg vom 6. September 1949 aufgehoben und die Sache
zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen.