S. 160 / Nr. 37 Strafgesetzbuch (d)

BGE 75 IV 160

7. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. November 1943 i. S.
Flückiger gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.


Seite: 160
Regeste:
Art. 68
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 68 - 1 Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
1    Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
2    Ist die Veröffentlichung eines freisprechenden Urteils oder einer Einstellungsverfügung der Strafverfolgungsbehörde im öffentlichen Interesse, im Interesse des Freigesprochenen oder Entlasteten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Staatskosten oder auf Kosten des Anzeigers an.
3    Die Veröffentlichung im Interesse des Verletzten, Antragsberechtigten, Freigesprochenen oder Entlasteten erfolgt nur auf deren Antrag.
4    Das Gericht bestimmt Art und Umfang der Veröffentlichung.
StGB. Zumessung der Freiheitsstrafe für mehrere Handlungen, die der
Täter teils vor, teils nach einer früheren Verurteilung begangen hat.
Art. 68 CP. Fixation de la peine frappant plusieurs infractions commises en
partie avant et en partie après une condamnation antérieure.
Art. 68 CP. Determinazione della pena per più reati commessi in parte prima e
in parte dopo una precedente condanna.

A. - Flückiger wurde in den Jahren 1936 bis 1947 dreizehnmal zu
Freiheitsstrafen verurteilt, zuletzt durch Urteile des Amtsgerichtes von Bern
vom 2. Juli 1947 und 5. Oktober 1947.
Am 5. Oktober 1949 verurteilte ihn das Obergericht des Kantons Luzern
neuerdings wegen wiederholten Betruges und wiederholter Veruntreuung zu
achtzehn Monaten Zuchthaus. An Stelle dieser Strafe liess es Verwahrung auf
unbestimmte Zeit nach Art. 42
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
1    Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
2    Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34
3    Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat.
4    Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35
StGB treten. Zwei Veruntreuungen hatte Flückiger
vor Fällung der beiden Urteile des Amtsgerichtes von Bern von 1947 begangen,
die übrigen Veruntreuungen und den Betrug dagegen nachher.
Das Obergericht erklärte die vom Kriminalgericht als erster Instanz
ausgefällte Strafe als angemessen. Die Erwägungen des Kriminalgerichts zu
diesem Punkte erschöpfen sich im wesentlichen in der Bemerkung, die
Verfehlungen des Angeklagten seien schwerwiegender Natur, dieser werde auch
durch seine zahlreichen Vorstrafen ganz erheblich belastet, die
Hemmungslosigkeit, mit der er vorgegangen sei, erfordere die Ausfällung einer
Zuchthausstrafe, angemessen sei eine solche von achtzehn Monaten.
B. - Flückiger ficht das Urteil des Obergerichts mit der
Nichtigkeitsbeschwerde an.

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Der Kassationshof zieht in Erwägung:
5.- Der Beschwerdeführer macht geltend, das Gericht habe entgegen Art. 68
Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 68 - 1 Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
1    Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
2    Ist die Veröffentlichung eines freisprechenden Urteils oder einer Einstellungsverfügung der Strafverfolgungsbehörde im öffentlichen Interesse, im Interesse des Freigesprochenen oder Entlasteten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Staatskosten oder auf Kosten des Anzeigers an.
3    Die Veröffentlichung im Interesse des Verletzten, Antragsberechtigten, Freigesprochenen oder Entlasteten erfolgt nur auf deren Antrag.
4    Das Gericht bestimmt Art und Umfang der Veröffentlichung.
StGB nicht berücksichtigt, dass er die Veruntreuungen zum Nachteil der
Margrit Bill und des Paul Messerli vor den Urteilen des Amtsgerichts von Bern
vom 2. Juli und 5. Oktober 1947 begangen habe. Die durch diese Urteile
verhängten Strafen hätten aufgehoben und durch eine auch die beiden
Veruntreuungen abgeltende Gesamtstrafe ersetzt werden sollen. Das sei aber
unmöglich, weil es sich um ausserkantonale Urteile handle.
Sollte der Beschwerdeführer damit sagen wollen, dass infolgedessen auch die
erwähnten Veruntreuungen als durch die beiden Urteile des Amtsgerichtes von
Bern abgegolten angesehen werden müssten, so würde er sich irren. Nach Art. 68
Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 68 - 1 Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
1    Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
2    Ist die Veröffentlichung eines freisprechenden Urteils oder einer Einstellungsverfügung der Strafverfolgungsbehörde im öffentlichen Interesse, im Interesse des Freigesprochenen oder Entlasteten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Staatskosten oder auf Kosten des Anzeigers an.
3    Die Veröffentlichung im Interesse des Verletzten, Antragsberechtigten, Freigesprochenen oder Entlasteten erfolgt nur auf deren Antrag.
4    Das Gericht bestimmt Art und Umfang der Veröffentlichung.
StGB führt die Entdeckung einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Tat, die
der Täter begangen hat, bevor er wegen einer andern Tat zu Freiheitsstrafe
verurteilt worden ist, weder zur Abänderung des früheren Urteils noch dazu,
dass der Täter für die neu entdeckte Tat straflos ausginge; der Richter hat
für diese eine Zusatzstrafe auszusprechen und sie so zu bemessen, dass der
Täter durch sie und die frühere Strafe zusammen nicht schwerer bestraft wird,
als wenn die mehreren strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden
wären (BGE 68 IV 11; 69 IV 58). Auch wenn, wie im vorliegenden Falle, der
Täter für Handlungen beurteilt wird, die er teils vor, teils nach einer
früheren Verurteilung begangen hat, wird weder das frühere Urteil abgeändert
noch der Täter für die vor jener Verurteilung begangenen Taten straflos
gelassen. Der Richter hat eine Gesamtstrafe zu verhängen, die sowohl den vor
als auch den nach der früheren Verurteilung begangenen Handlungen Rechnung
trägt, das frühere Urteil aber unangetastet lässt. Die Gesamtstrafe bestimmt
er, indem er die Strafe der schwersten noch unbeurteilten Tat angemessen
erhöht (Art. 68 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 68 - 1 Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
1    Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
2    Ist die Veröffentlichung eines freisprechenden Urteils oder einer Einstellungsverfügung der Strafverfolgungsbehörde im öffentlichen Interesse, im Interesse des Freigesprochenen oder Entlasteten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Staatskosten oder auf Kosten des Anzeigers an.
3    Die Veröffentlichung im Interesse des Verletzten, Antragsberechtigten, Freigesprochenen oder Entlasteten erfolgt nur auf deren Antrag.
4    Das Gericht bestimmt Art und Umfang der Veröffentlichung.
StGB).

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Nach der Rechtsprechung des Kassationshofes (BGE 69 IV 60) dürfte der Richter
dabei die vor der früheren Verurteilung verübten Taten nicht strenger sühnen,
als wenn sie schon bei der Fällung des früheren Urteils mitbeurteilt worden
wären, sei es, dass er, wenn die schwerste noch zu beurteilende Tat vor der
früheren Verurteilung begangen worden ist, die Einsatzstrafe (Strafe der
schwersten Tat im Sinne von Art. 68 Ziff. 1 Abs. 1) als Zusatzstrafe bemessen
und sie mit Rücksicht auf die übrigen Taten angemessen erhöhen würde, sei es,
dass er, wenn die schwerste Tat erst nach der früheren Verurteilung begangen
worden ist, die für sie verwirkte Einsatzstrafe nur um soviel erhöhen würde,
dass die vor der früheren Verurteilung begangenen Taten im Verhältnis zu den
im früheren Urteil geahndeten wiederum im Sinne des Art. 68 Ziff. 2 nur u
zusätzlich gesühnt,' wären. Diese Rechtsprechung, die sowohl Ziffer 1 Abs. 1
als auch Ziffer 2 des Art. 68 gleichzeitig Rechnung tragen will, ist
folgerichtig, befriedigt aber nicht, weil sie die Aufgabe des Richters bis zur
praktischen Undurchführbarkeit erschwert, ohne dass der Kassationshof
überprüfen könnte, ob der kantonale Richter seine Aufgabe auch richtig erfüllt
hat. Wollte der Kassationshof dem erwähnten Grundsatze Geltung verschaffen, so
müsste er verlangen, dass der kantonale Richter mit eingehender Begründung
zahlenmässig genau ausscheide, wieviel er als Einsatzstrafe für die schwerste
Tat in Rechnung stelle und wieviel für die übrigen Taten, wobei die vor und
die nach der früheren Verurteilung begangenen auseinander zu halten wären. Der
Richter pflegt indes bei Bestimmung der Gesamtstrafe nicht so kompliziert zu
überlegen und zu rechnen, sondern wägt das Verschulden des Täters ab, wie es
in den noch nicht beurteilten Taten insgesamt zum Ausdruck kommt. 68 StGB
regelt denn auch bloss einerseits den Fall, wo jemand durch eine oder mehrere
Handlungen mehrere Freiheitsstrafen verwirkt hat (Ziff. 1 Abs. 1), anderseits
den Fall, wo der Richter eine mit

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Freiheitsstrafe bedrohte Tat beurteilt, die der Täter begangen hat, bevor er
wegen einer andern Tat zu Freiheitsstrafe verurteilt worden ist (Ziff. 2).
Eine Regel für den Fall, wo mit der vor einem früheren Urteil verübten Tat
eine später begangene zusammentrifft, enthält das Gesetz nicht. Wenn der
Richter hier lediglich Art. 68 Ziff. 1 anwendet, ohne Art. 68 Ziff. 2 damit zu
kombinieren, verletzt er deshalb das Gesetz nicht.
Der Vorinstanz kann daher kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sich ihrem
Urteil nicht entnehmen lässt, ob sie bei Bemessung der Gesamtstrafe für die
von ihr beurteilten Taten die beiden Veruntreuungen, die der Beschwerdeführer
vor den Urteilen des Amtsgerichtes von Bern vom 2. Juli und 5. Oktober 1947
begangen hat, bloss « zusätzlich » hat sühnen wollen.
Ein praktisches Interesse an der Herabsetzung der Strafe hätte der
Beschwerdeführer übrigens nur dann, wenn sie die dreijährige Mindestdauer der
Verwahrung überstiege, sodass er mindestens bis zum Ablauf der Strafzeit in
Verwahrung bleiben müsste (Art. 42 Ziff. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
1    Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
2    Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34
3    Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat.
4    Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35
StGB), oder wenn die
Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Verwahrung begründet wäre, sodass es bei der
Bestrafung des Beschwerdeführers sein Bewenden hätte