S. 53 / Nr. 9 Obligationenrecht (d)

BGE 75 II 53

9. Auszug aus dem Urteil der 1. Zivilabteilung vom 2. März 1949 i. S. Rothen
gegen Roetschi & Cie.

Regeste:
Mäklervertrag, Art. 413
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 413 - 1 Der Mäklerlohn ist verdient, sobald der Vertrag infolge des Nachweises oder infolge der Vermittlung des Mäklers zustande gekommen ist.
1    Der Mäklerlohn ist verdient, sobald der Vertrag infolge des Nachweises oder infolge der Vermittlung des Mäklers zustande gekommen ist.
2    Wird der Vertrag unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen, so kann der Mäklerlohn erst verlangt werden, wenn die Bedingung eingetreten ist.
3    Soweit dem Mäkler im Vertrage für Aufwendungen Ersatz zugesichert ist, kann er diesen auch dann verlangen, wenn das Geschäft nicht zustande kommt.
OR.
Kein Provisionsanspruch des Nachweismäklers aus weiteren, selbständigen
Geschäften zwischen denselben Parteien. Unanwendbarkeit des Begriffs des
psychologischen Zusammenhangs auf weitere Abschlüsse. Begriff der
wirtschaftlichen Einheit mehrerer Geschäfte.

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Courtage, art. 413 CO.
Le courtier chargé d'indiquer une occasion de conclure (Nachweismäkler) n'a
pas droit à un salaire pour de nouvelles affaires indépendantes de la
première, conclues entre les mêmes parties. La notion de la causalité
psychologique n'est pas applicable aux nouveaux marchés. Notion de l'unité
économique de plusieurs affaires.
Mercede del mediatore, art. 413 CO.
Il mediatore incaricato d'indicare l'occasione per conchiudere un contratto
non ha diritto ad una mercede per nuovi negozi indipendenti dal primo,
conclusi tra le medesime parti. La nozione della causalità psicologica non è
applicabile ai nuovi negozi. Nozione dell'unità economica di più negozi.

(1.). ­ a) Der Streit der Parteien geht in erster Linie darum, ob der Kläger,
der von der Beklagten unbestrittenermassen einen Mäklerauftrag im Sinne der
Nachweismäkelei erhalten hatte, nur für das erste Geschäft zwischen einem von
ihm nachgewiesenen Abnehmer und der Beklagten eine Provision beanspruchen
könne, oder, wie er behauptet, auch für spätere, ohne sein Dazutun getätigte
Abschlüsse der Beklagten mit einem solchen vom Kläger gewonnenen Kunden.
Eine ausdrückliche Vereinbarung des Inhalts, dass die Provision auch für
solche spätere Abschlüsse geschuldet sein sollte, was an sich zweifellos
zulässig wäre, behauptet der Kläger nicht. Er leitet seinen Provisionsanspruch
allgemein aus dem Wesen des Maklervertrags und den gesetzlichen Bestimmungen
über diesen ab. Danach ist aber nach allgemein anerkannter Auffassung der
Mäkler sowohl bei der Vermittlungs- als auch bei der Nachweismäkelei nur mit
einem konkreten Einzelgeschäft oder gezählten mehreren Geschäften betraut.
Gerade darin besteht der Unterschied zwischen dem Mäkler einerseits und dem
Handelsreisenden und dem Agenten anderseits. Die letzteren stehen zum
Auftraggeber in einem dauernden Verhältnis. Sie entfalten eine dauernde,
generelle Tätigkeit, verfolgen also ungezählte Geschäfte und haben daher
grundsätzlich auch für alle während dieses Dauerverhältnisses sich folgenden
Geschäfte einen Entgeltsanspruch (BGE 29 II 109). Aus dem genannten
Begriffsmerkmal des Mäklervertrages

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folgt, dass ein Provisionsanspruch dem Kläger grundsätzlich nur für das erste
Geschäft mit den von ihm nachgewiesenen Kunden zusteht. Nur in Bezug auf
dieses besteht der erforderliche Kausalzusammenhang, der bei der
Nachweismäkelei dann gegeben ist, wenn der Mäkler als erster dem Auftraggeber
den nachträglichen Vertragspartner als tatsächlichen, nicht bereits bekannten
Interessenten namhaft gemacht hat und wenn die Parteien gerade gestützt auf
diese Mitteilung zusammengekommen sind und das konkrete Geschäft abgeschlossen
haben. Für die weiteren selbständigen Abschlüsse zwischen den Parteien dagegen
fehlt ein rechtserheblicher Kausalzusammenhang im erwähnten Sinne, da der
Kläger bei diesen Geschäften nicht durch den Nachweis einer konkreten
Abschlussgelegenheit und Abschlussgeneigtheit zum Zustandekommen des Vertrages
beigetragen hat. Diese späteren Geschäfte beruhen vielmehr auf der durch den
ersten Abschluss geschaffenen Geschäftsverbindung der Vertragsparteien.
b) Zu Unrecht glaubt der Kläger, sich darauf berufen zu können, dass nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts schon ein entfernterer psychologischer
Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Mäklers und dem nachherigen
Zustandekommen des Geschäfts genügt. In den vom Kläger herangezogenen
Entscheiden, in denen das Bundesgericht diesen Grundsatz in der Tat
ausgesprochen hat (BGE 57 II 187, 62 II 342, 69 II 106; vgl. ferner 72 II 89)
handelte es sich aber stets um Fälle, wo nicht streitig war, dass die
Bemühungen des Mäklers das konkrete, nachher zustandegekommene Geschäft
betroffen hatten, weshalb dieses selbstverständliche Erfordernis nicht
besonders hervorgehoben zu werden brauchte. Den Begriff des psychologischen
Zusammenhangs auf Verhältnisse der hier vorliegenden Art auszudehnen, wie der
Kläger dies verlangt, ist aber nicht nur grundsätzlich abwegig, sondern auch
praktisch undurchführbar. Mangels eines tauglichen Kriteriums, von welchem
Zeitpunkt an der psychologische Zusammenhang zwischen dem Nachweis des

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Interessenten durch den Mäkler und einem späteren direkten Geschäftsabschluss
als dahingefallen zu gelten hätte, ergäbe sich die unsinnige Konsequenz, dass
der Nachweismäkler für die Herstellung der Geschäftsverbindung zwischen zwei
Firmen aus jedem späteren Geschäft zwischen diesen einen Provisionsanspruch
hätte, was auf eine Art Rente hinauslaufen würde. Der Kläger glaubt; die
Abgrenzung in der Weise vornehmen zu können, dass der psychologische
Zusammenhang in Bezug auf weitere Geschäfte solange anzunehmen sei, « als
nicht ein späterer Geschäftsabschluss auf ganz neuer Basis erfolgt », was vom
Auftraggeber zu beweisen wäre. Allein auch dieser Begriff der « ganz neuen
Basis » vermöchte seiner Unbestimmtheit wegen kein brauchbares Kriterium
abzugeben. Der Kläger unterlässt denn auch nähere Ausführungen, wann seiner
Ansicht nach diese Voraussetzung als erfüllt zu betrachten wäre.
c) Nach Literatur und Rechtsprechung besteht ein Provisionsanspruch des
Mäklers für spätere Abschlüsse, wenn diese als Teile eines von Anfang an in
Aussicht genommenen grösseren Geschäftes erscheinen und mit dem ersten Auftrag
eine wirtschaftliche Einheit bilden (OSER-SCHÖNENBERGER, OR 413 N. 24 am Ende;
BECKER, OR 413 N. 9). Der Kläger ist der Meinung, dass diese Voraussetzung im
vorliegenden Fall erfüllt sei, da die Beklagte von Anfang an die Absicht
gehabt habe, unbeschränkt viele Maschinen zu verkaufen; ob die Bestellungen in
Teilbeträgen oder in einem Mal aufgegeben worden seien, sei unerheblich.
Auch diese Argumentation des Klägers geht jedoch fehl. Von wirtschaftlicher
Einheit im oben genannten Sinne kann nur dort gesprochen werden, wo seitens
beider vom Mäkler zusammengebrachten Parteien von Anfang an ein grösseres
Geschäft geplant war, das dann aber wegen irgendwelcher Hindernisse zunächst
nur zum Teil ausgeführt werden konnte und erst später durch weitere Abschlüsse
im ursprünglich vorgesehenen Rahmen ergänzt

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wurde (vgl. BlZR 17 Nr. 30, 30 Nr. 144). Der Kläger behauptet nun aber selber
nicht, dass zwischen den von ihm als Interessenten beigebrachten Abnehmern und
der Beklagten schon bei den Verhandlungen über das erste, dann tatsächlich
abgeschlossene Geschäft grössere Abschlüsse in Aussicht genommen worden seien,
die dann aus irgendwelchen Umständen aufgeteilt werden mussten. Gewiss wollte
die Beklagte grundsätzlich möglichst viele Maschinen exportieren und hoffte,
auf Grund der durch den Kläger neu angeknüpften Geschäftsbeziehungen später
weitere Geschäfte machen zu können, und ebenso mag es zutreffen, dass auch auf
Seiten der Kunden Geneigtheit bestand, bei zufriedenstellender Ausführung des
ersten Auftrages durch die Beklagte die Geschäftsverbindung mit dieser
weiterzuführen. Allein solche Hoffnungen und blosse Möglichkeiten sind zu
unbestimmt, als dass sie die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit zwischen
dem ersten und allfälligen späteren Geschäften zu rechtfertigen vermöchten.