S. 329 / Nr. 46 Kantonales Beamtenrecht (d)

BGE 75 II 329

46. Auszug aus dem Urteil der staatsrechtlichen Kammer vom 7. Dezember 1940 i.
S. Ammann gegen Kanton Aargau.

Regeste:
Kantonales Beamtenrecht.
Treuepflicht und politische Betätigung des Beamten.
Die Entlassung aus wichtigem Grund analog Art. 352
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 352 - 1 Der Heimarbeitnehmer hat mit der übernommenen Arbeit rechtzeitig zu beginnen, sie bis zum verabredeten Termin fertigzustellen und das Arbeitserzeugnis dem Arbeitgeber zu übergeben.
1    Der Heimarbeitnehmer hat mit der übernommenen Arbeit rechtzeitig zu beginnen, sie bis zum verabredeten Termin fertigzustellen und das Arbeitserzeugnis dem Arbeitgeber zu übergeben.
2    Wird aus Verschulden des Heimarbeitnehmers die Arbeit mangelhaft ausgeführt, so ist er zur unentgeltlichen Verbesserung des Arbeitserzeugnisses verpflichtet, soweit dadurch dessen Mängel behoben werden können.
OR kann nur unverzüglich
nach Bekanntwerden des Grundes ausgesprochen worden.
Statut des fonctionnaires cantonaux.
Devoir de fidélité et activité politique du fonctionnaire.
La résiliation des rapports de service pour de justes motifs (cas analogue à
celui de l'art. 352 CO) ne peut être prononcée par l'Etat qu'immédiatement
après qu'il a eu connaissance de ces motifs.
Statuto dei funzionari cantonali.
Dovere di fedeltà e attività politica del funzionario.
Il licenziamento per cause gravi (caso analogo a quello dell'art. 352 CO) può
essere pronunciato soltanto subito dopo che le cause gravi sono state
conosciute.

Aus dem Talbestand:
Dr. phil. Hektor Ammann wurde vom Regierungsrat des Kantons Aargau im Jahre
1929 als Staatsarchivar und Kantonsbibliothekar gewählt und seither alle vier
Jahre in diesen Ämtern vorbebaltlos bestätigt, letztmals

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am 3 Juli 1945 für die Zeit vom 1. April 1945 bis 31. März 1949.
Ende 1945, und anfangs 1946 wurde Dr. Ammann in der Presse heftig angegriffen
wegen der Rolle, die er 1940 als Unterzeichner der « Eingabe der 200 »
gespielt hatte. Am 10. Januar 1946 wurde im Grossen Rat des Kantons Aargau
eine Interpellation eingereicht, mit der die Regierung angefragt wurde, ob sie
nicht dafür halte, dass Dr. Ammann als Staatsangestellter unmöglich geworden
sei. Der Regierungsrat beauftragte daraufhin den Staatsanwalt Dr. Real mit der
Durchführung einer administrativen Untersuchung gegen Dr. Ammann zwecks
Abklärung seiner politischen Betätigung und beschloss gestützt auf das
Untersuchungsergebnis am 29. August 1946, Dr. Ammann auf den 1. September aus
dem Amte und aus dem Dienste des Staates zu entlassen mit der Begründung, dass
in seiner politischen Betätigung in einer für das Land höchst kritischen Zeit
eine geistige Untreue gegenüber dem Staate und eine Dienstpflichtverletzung
liege und er daher in der verantwortungsvollen Stellung als Staatsarchivar und
Kantonsbibliothekar nicht mehr tragbar sei.
Nachdem das Bundesgericht das Eintreten auf eine gegen diesen Beschluss
erhobene staatsrechtliche Beschwerde abgelehnt hatte, soweit sie nicht durch
eine Erklärung des Regierungsrates gegenstandslos geworden war (BGE 72 I 288
ff.), reichte Dr. Ammann beim Bundesgericht eine Klage gegen den Kanton Aargau
ein, mit der er u. a. die gesetzliche Besoldung vom Entlassungstag bis zum
Ablauf der Amtsperiode am 31. März 1949 verlangte.
Das Bundesgericht hat die Klage in diesem Umfange geschützt.
Aus den Erwägungen:
Der Beklagte anerkennt ausdrücklich, dass weder die Amtsführung als solche
noch die daneben betriebene umfangreiche wissenschaftliche Tätigkeit des
Klägers zu

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beanstanden sei; vorgeworfen wird ihm einzig und allein seine politische
Einstellung und Betätigung.
Der Beamte tritt durch seine Ernennung in ein besonderes Gewaltverhältnis zum
Staat, auf Grund dessen er nicht nur die Pflicht zur gewissenhaften Erfüllung
seiner dienstlichen Obliegenheiten, sondern eine allgemeine, sich auch auf das
ausserdienstliche Verhalten erstreckende Treuepflicht übernimmt. Nach
schweizerischer Auffassung geniesst zwar der Beamte in Bezug auf sein
Privatleben im allgemeinen wie auch in Bezug auf die Ausübung seiner
staatsbürgerlichen Rechte insbesondere weitgehende Freiheit. Eine Schranke
besteht aber jedenfalls in dem Sinne, dass der Beamte nicht durch sein
Verhalten die Achtung und das Vertrauen aufs Spiel setzen darf, die seine
amtliche Stellung erfordert. Das wird in Art. 24 Abs. 1 des eidg.
Beamtengesetzes ausdrücklich gesagt, muss aber auch für das kantonale
Beamtenrecht gelten, gleichgültig, ob dieses eine dahingehende Vorschrift
enthält oder nicht. Was insbesondere die politische Einstellung und Tätigkeit
des Beamten betrifft, so kann auf die in BGE 65 I 244 enthaltenen Ausführungen
verwiesen werden, von denen abzugehen kein Anlass besteht. Danach darf zwar
nicht verlangt werden, dass der Beamte die politischen Ansichten derjenigen
Parteien teile, die in Parlament und Regierung die Mehrheit haben, noch dass
er jede Kritik am Staat und seinen Einrichtungen und Zuständen unterlasse;
dagegen soll der Beamte zur Grundlage des Staates, zu dem den Mitbürgern
gemeinsamen politischen Gedankengut positiv eingestellt sein. Ein der
demokratischen Staatsform gänzlich entfremdeter Beamter geniesst, zumal wenn
er sich in hoher, verantwortungsvoller Stellung befindet, das Vertrauen nicht
mehr, das ihm von den Vorgesetzten und Untergebenen sowie von den Mitbürgern
entgegengebracht werden muss.
Der Beklagte behauptet nun, der Kläger habe durch seine politische Haltung und
Betätigung eine derart unschweizerische Gesinnung bekundet, dass dem

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Regierungsrat als Wahlbehörde die weitere Belassung des Klägers in der
angesehenen und verantwortungsvollen Stellung eines Staatsarchivars und
Kantonsbibliothekars nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden könne.
Beim Entscheid darüber können jedoch nicht alle gegen den Kläger erhobenen und
im vorliegenden Verfahren bewiesenen Vorwürfe berücksichtigt werden. Wenn in
analoger Anwendung von Art. 352
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 352 - 1 Der Heimarbeitnehmer hat mit der übernommenen Arbeit rechtzeitig zu beginnen, sie bis zum verabredeten Termin fertigzustellen und das Arbeitserzeugnis dem Arbeitgeber zu übergeben.
1    Der Heimarbeitnehmer hat mit der übernommenen Arbeit rechtzeitig zu beginnen, sie bis zum verabredeten Termin fertigzustellen und das Arbeitserzeugnis dem Arbeitgeber zu übergeben.
2    Wird aus Verschulden des Heimarbeitnehmers die Arbeit mangelhaft ausgeführt, so ist er zur unentgeltlichen Verbesserung des Arbeitserzeugnisses verpflichtet, soweit dadurch dessen Mängel behoben werden können.
OR auch beim öffentlichrechtlichen
Dienstverhältnis die Auflösung aus wichtigen Gründen zulässig sein soll (was
nach aargauischem Recht zweifelhaft ist), so jedenfalls nur unter den gleichen
Voraussetzungen wie beim privaten Dienstvertrag. Dazu gehört vor allem, dass
das Dienstverhältnis unverzüglich nach Bekanntwerden des wichtigen Grundes
aufgelöst wird; längeres Zuwarten zeigt, dass die Fortsetzung des
Dienstverhältnisses nicht unzumutbar ist, und gilt daher als Verzicht auf die
Geltendmachung des wichtigen Grundes (OSER-SCHÖNENBERGER, N. 15 und BECKER N.
43 zu Art. 352
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 352 - 1 Der Heimarbeitnehmer hat mit der übernommenen Arbeit rechtzeitig zu beginnen, sie bis zum verabredeten Termin fertigzustellen und das Arbeitserzeugnis dem Arbeitgeber zu übergeben.
1    Der Heimarbeitnehmer hat mit der übernommenen Arbeit rechtzeitig zu beginnen, sie bis zum verabredeten Termin fertigzustellen und das Arbeitserzeugnis dem Arbeitgeber zu übergeben.
2    Wird aus Verschulden des Heimarbeitnehmers die Arbeit mangelhaft ausgeführt, so ist er zur unentgeltlichen Verbesserung des Arbeitserzeugnisses verpflichtet, soweit dadurch dessen Mängel behoben werden können.
OR). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die
politische Einstellung und Betätigung des Klägers nur insoweit als
Entlassungsgrund berücksichtigt werden kann, als sie dem Regierungsrat erst
durch die zur Entlassung führende Disziplinaruntersuchung bekannt geworden
ist; was dem Regierungsrat schon früher, insbesondere bei den vorbehaltlosen
Wiederwahlen von 1941 und 1945 bekannt gewesen ist, kann nicht mehr als
Entlassungsgrund herangezogen, sondern lediglich bei der Würdigung~der
politischen Gesamthaltung des Klägers und der rechtzeitig geltend gemachten
Entlassungsgründe berücksichtigt werden. Alle gegen den Kläger erhobenen
Vorwürfe sind daher nicht nur auf ihre Begründetheit zu prüfen, sondern auch
daraufhin, ob und in welchem Umfange die ihnen zugrunde liegenden Tatsachen
dem Regierungsrate bereits bei den letzten Wiederwahlen bekannt waren. Dabei
liegt der Beweis dafür, dass eine Tatsache schon früher bekannt war, dem
Kläger ob; soweit dieser Beweis für eine Tatsache nicht erbracht

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ist, muss angenommen werden, dass der Regierungsrat davon erst durch die
Disziplinaruntersuchung Kenntnis erhalten hat.