S. 212 / Nr. 53 Jagd- und Vogelschutz (d)
BGE 74 IV 212
53. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. Dezember 1948 i.S. Lüthi
gegen Generalprokurator des Kanton Bern.
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Regeste:
Art. 40 Abs. 1 Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz (JVG). Wer auf dem
Anstand verweilt, jagt.
Art. 40 al. 1 de la loi sur la chasse et la protection des oiseaux. Qui est à
l'affût chasse.
Art. 40 cp. 1 della legge federale su la caccia e la protezione degli uccelli.
Chi sta in agguato caccia.
Aus dem Tatbestand:
Lüthi begab sich am 23. Oktober 1947, als gemäss § 19 lit. e der bernischen
Jagdverordnung vom 6. Mai 1947 die Feldjagd auf Rehwild verboten war, mit fünf
andern Jägern auf die Jagd und setzte sich neben der Strasse von Jaggisbach
nach Jaggisbachau auf offenem Feld, etwa 80 m vom Waldrand entfernt, auf
seinem Jagdstuhl an, um auf heraustretendes Rehwild zu lauern und es bei
Gelegenheit zu erlegen, während die andern Jäger sich in den Wald begaben.
Vom kantonalen Richter wegen vorsätzlichen widerrechtlichen Jagens jagdbaren
Rehwilds nach Art. 40 Abs. 1 JVG gebüsst, erhebt Lüthi dagegen ohne Erfolg
Nichtigkeitsbeschwerde.
Aus den Erwägungen:
Nach Art. 40 Abs. 1 JVG ist strafbar, «wer jagdbares Hirsch-, Reh- oder
Gemswild widerrechtlich jagt, erlegt, einfängt oder gefangenhält». Der
Beschwerdeführer hat im Sinne dieser Bestimmung gejagt. Er macht zu Unrecht
geltend, dieser Begriff erfordere Bewegung (Marschieren, Aufstöbern,
Verfolgen) ein blosses Stillstehen oder Stillsitzen
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genüge nicht. Jeder, der darauf ausgeht, das Wild zu erlegen oder einzufangen,
jagt es. Es besteht kein vernünftiger Grund, nur zu bestrafen, wer ihm
nachsetzt, nicht auch, wer ihm auflauert. Der eine wie der andere sucht
Gelegenheit, das Tier zu erlegen oder einzufangen. Auch nach allgemeinem
Sprachgebrauch fallen beide Arten des Vorgehens unter den Begriff des Jagens.
Daher hatte der Gesetzgeber entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers
keinen Anlass, die eine Art, das Verweilen auf dem Anstand oder Ansitz,
besonders zu erwähnen. Dem Beschwerdeführer hilft auch nicht der Hinwies
darauf, dass das Gesetz in anderen Fällen einzelne Jagdhandlungen besonders
erwähnt. Das tut es nicht, um den Begriff des Jagens zu erläutern, sondern um
die betreffenden Handlungen schlechthin als strafbar zu erklären, so das
Herauslocken von Wild aus Bannbezirken (Art. 42 Abs. 2), das Anlegen von
Selbstschüssen (Art. 43 Ziff. 1), das Anbohren oder Ausräuchern von Füchsen
(Art. 43 Ziff. 3) und anderes mehr.