S. 70 / Nr. 18 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 74 III 70

18. Auszug aus dem Entscheid vom 15. September 1948 i. S. Brändlin.

Regeste:
Lohnpfändung, Art. 93
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 93 - 1 Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
1    Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
2    Solches Einkommen kann längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden; die Frist beginnt mit dem Pfändungsvollzug. Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung teil, so läuft die Frist von der ersten Pfändung an, die auf Begehren eines Gläubigers der betreffenden Gruppe (Art. 110 und 111) vollzogen worden ist.
3    Erhält das Amt während der Dauer einer solchen Pfändung Kenntnis davon, dass sich die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse geändert haben, so passt es die Pfändung den neuen Verhältnissen an.
4    Auf Antrag des Schuldners weist das Amt den Arbeitgeber des Schuldners an, während der Dauer der Einkommenspfändung zusätzlich den für die Bezahlung der laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erforderlichen Betrag an das Amt zu überweisen, soweit diese Prämien und Kostenbeteiligungen zum Existenzminimum des Schuldners gehören. Das Amt begleicht damit die laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen direkt beim Versicherer.205
SchKG. Inwiefern ist auf Aufwendungen, die dem Schuldner
für Hilfskräfte erwachsen, Rücksicht zu nehmen?
Saisie de salarie art. 93 LP. En quelle mesure doit-on tenir compte des sommes
que le débiteur consacre à la rétribution des personnes qui l'aident dans son
travail?

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Pignoramento di salario, art. 93 LEF. In quale misura si deve tener conto
delle somme che il debitore consacra alla retribuzione di persone che
l'aiutano nel suo lavoro?

Aus dem Tatbestand:
Nach dem kantonalen Entscheid sind vom Lohn des Schuldners, eines Schreiners,
der Arbeiten im Akkord übernimmt, monatlich Fr. 50.­ zu pfänden. Die ihm für
gelegentlich beigezogene Hilfskräfte erwachsenden Aufwendungen seien nicht zu
berücksichtigen; denn es wäre ihm nach Ansicht der kantonalen Aufsichtsbehörde
möglich, ohne Hilfskräfte auszukommen.
Mit dem vorliegenden Rekurs hält der Schuldner daran fest, dass ihm kein Lohn
gepfändet werden könne.
Aus den Erwägungen:
3. ­ Beachtlich sind die Aufwendungen des Schuldners für den gelegentlichen
Beizug von Hilfskräften. Dass bestimmte Arbeiten, wie das Anschlagen grosser
Fenster, den Beizug eines Gehilfen erfordern, leuchtet einigermassen ein. Über
das durchschnittliche Ausmass dieser Aufwendungen ist der Rekurrent zu nähern
Angaben anzuhalten (wie denn die zur Bemessung der pfändbaren Lohnquote
erforderlichen Ermittlungen grundsätzlich von Amtes wegen erfolgen sollen; BGE
54 III 161, 236). Solche Aufwendungen sind nicht etwa als Forderungen Dritter
im Sinne von Erw. 2 zu betrachten, auf die mit Vorbehalt einer für sie
bestehenden Lohnpfändung keine Rücksicht zu nehmen wäre. Es handelt sich
vielmehr um Gewinnungskosten für die vom Schuldner zu beanspruchende
Arbeitsvergütung; Kosten, die dem Schuldner anlässlich der Ausführung der
jeweiligen Arbeit erwachsen und seinen Nettoverdienst schmälern. Eine Frage
für sich ist, ob nur die notwendigen Kosten solcher Art (wie etwa für
anzuschaffendes Material, vgl. BGE 71 III 176 Erw. 2) in Betracht fallen.
Indessen kann dem Schuldner der Abzug solcher seiner Arbeitsweise
entsprechender Aufwendungen grundsätzlich nicht verwehrt werden aus dem

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Grunde, dass er bei vollem Einsatz seiner Kräfte nicht so weitgehend auf einen
Gehilfen angewiesen wäre. Die Gläubiger müssen sich damit abfinden, dass der
Schuldner allenfalls in stärkerem Mass als andere seiner Berufsgenossen
Hilfskräfte beizieht, so gut wie sie keinen Anspruch auf Pfändung von mehr
Lohn daraus herleiten können, dass der Schuldner eine besser bezahlte Stelle
zu versehen vermöchte, als er tatsächlich innehat. Gegenteilig entscheiden,
hiesse auf andere als die tatsächlichen Verhältnisse abstellen. Bedient sich
freilich der Schuldner einer Hilfskraft offensichtlich, unzweifelhaft, in der
Absicht, den Gläubigern die dafür aufzuwendenden Mittel vorzuenthalten, oder
treibt er ebenso unzweifelhaft einen vernünftigerweise nicht zu
rechtfertigenden Aufwand durch Beizug von Hilfspersonal, so dass von grob
fahrlässiger Verschwendung des Arbeitsverdienstes gesprochen werden müsste, so
könnte dies der Lohnpfändung nicht entgegenstehen. Zur Beurteilung dieser
Fragen ist wohl eine Expertise unumgänglich, die sich in der Regel auf die
Beantwortung einiger Fragen gestützt auf die Lage des einzelnen Falles
beschränken kann.
Die Sache ist somit zu neuer Beurteilung dieses Punktes an die Vorinstanz
zurückzuweisen...