S. 41 / Nr. 12 Eigentumsgarantie (d)

BGE 74 I 41

12. Auszug aus dem Urteil vom 22. Januar 1948 i. S. G. v. Schulthess gegen
Gemeinde Jona und Regierungsrat des Kantons St. Gallen.

Regeste:
Öffentliche Wege, Eigentumsgarantie, Unvordenklichkeit.
1. Bedeutung der Eigentumsgarantie. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts.
Zur Rechtsordnung, innert deren Schranken das Eigentum gewährleistet ist,
gehört auch das Gewohnheitsrecht (Erw. 1 und 4.)
2. Voraussetzungen der Entstehung öffentlicher Wege über private Grundstücke
(Erw. 2).
3. Grundsatz der Unvordenklichkeit (Erw. 3).
Chemins publics, garantie de la propriété, possession immémoriale.
1. Portée de la garantie de la propriété. Pouvoir de contrôle du Tribunal
fédéral. L'ordre juridique dans les limites duquel la propriété est garantie
comprend aussi le droit coutumier. (Consid. 1 et 4).
2. Conditions de la création de chemins publics sur des fonds privés (consid.
2).
3. Principe de la possession immémoriale (consid. 3).
Strade pubbliche, garanzia della proprietà, possesso immemorabile.
1. Portata della garanzia della proprietà. Sindacato del Tribunale federale.
L'ordine giuridico, entro i cui limiti la proprietà è garantita, comprende
anche il diritto consuetudinario (consid. 1 e 4).
2. Condizioni da cui dipende la creazione di strade pubbliche su fondi privati
(consid. 2).
3. Principio del possesso immemorabile (consid. 3).

Aus dem Tatbestand:
A. ­ Der Beschwerdeführer Dr. G. v. Schulthess besitzt in der Gemeinde Jona
(St. Gallen) eine Liegenschaft, über die der sog. Äffenrainweg führt.
Anlässlich

Seite: 42
der vom Regierungsrat des Kantons St. Gallen nach Inkrafttreten des
Strassengesetzes von 1930 angeordneten, in der Gemeinde Jona aber erst 1937 in
Angriff genommenen Revision des Strassenklassifikationsregisters, bestritt der
Beschwerdeführer das vom Gemeinderat Jona über den Äffenrainweg beanspruchte,
bisher im Register noch nicht eingetragene öffentliche Fusswegrecht. Nachdem
in der Folge sowohl der Regierungsrat als auch die ordentlichen Gerichte sich
zur Beurteilung dieses Rechtsstreites unzuständig erklärt hatten, entschied
der Grosse Rat des Kantons St. Gallen den negativen' Kompetenzkonflikt am 15.
Januar 1946 in dem Sinne, dass er die Angelegenheit zur abschliesslichen
Beurteilung an den Regierungsrat wies. Dieser führte ein Beweisverfahren durch
und entschied hierauf am 26. September 1947, der Äffenrainweg sei ein
öffentlicher Fussweg im Sinne von Art. 4 des Strassengesetzes und als solcher
im Strassenklassifikationsregister der Gemeinde Jona einzutragen. Der
Begründung dieses Entscheids ist zu entnehmen:
a) Bis zur Erstellung der ca. 50 m weiter nördlich gelegenen Zopfstrasse im
Jahre 1881 habe der Äffenrainweg dem öffentlichen Fahr- und Fussverkehr
gedient, obgleich das Gemeinwesen am Grund und Boden des Weges keine
Eigentumsrechte besessen habe. Dieses Fahr- und Fusswegrecht zugunsten der
Öffentlichkeit habe, wie in zahllosen andern Fällen, auf altem Herkommen und
Gewohnheitsrecht beruht, das sich vergleichen lasse mit dem heute noch
anerkannten Gewohnheitsrecht des freien Begehens von Wald und Weide (Art. 699
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 699 - 1 Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
1    Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
2    Über das Betreten fremden Eigentums zur Ausübung von Jagd und Fischerei kann das kantonale Recht nähere Vorschriften aufstellen.

ZGB). Es handle sich dabei um Überreste der alten weitgehend
gewohnheitsrechtlich fixierten Agrarverfassung, die durch das Bestehen
mannigfaltigster Nutzungsrechte am Grundeigentum anderer charakterisiert
gewesen sei. Nach der Erstellung der Zopfstrasse sei zwar der allgemein
benutzte Fahrweg über den Affenrain zu einem Fahrweg der Anstösser verkümmert.
Doch von Fussgängern sei dieser Weg, wie sich aus den Zeugeneinvernahmen

Seite: 43
einwandfrei ergebe, auch seither stets allgemein benutzt werden.
b) Nach der herrschenden Lehre verlange die Eigentumsgarantie, dass die
allgemeine Benutzung eines Weges, dessen Grund und Boden im Privateigentum
stehe, auf einem Rechtstitel beruhe, der der Öffentlichkeit die Befugnis zur
unbehinderten Benutzung und dem Eigentümer die Pflicht zur Duldung auferlege.
Im vorliegenden Falle sei der Nachweis erbracht, dass der Öffentlichkeit von
altersher ein solches Benutzungsrecht am Äffenrainweg zustehe. Schwierigkeiten
biete nur die Einordnung dieses auf altem Gewohnheitsrecht beruhenden
Nutzungsrechtes in eine Kategorie der modernen, auf gesetztem Recht und der
Zweiteilung von privatem und öffentlichem Recht beruhenden Rechtstitel. Man
könne an eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung des kantonalen
Rechts (Art. 702
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 702 - Dem Bunde, den Kantonen und den Gemeinden bleibt es vorbehalten, Beschränkungen des Grundeigentums zum allgemeinen Wohl aufzustellen, wie namentlich betreffend die Bau-, Feuer- und Gesundheitspolizei, das Forst- und Strassenwesen, den Reckweg, die Errichtung von Grenzmarken und Vermessungszeichen, die Bodenverbesserungen, die Zerstückelung der Güter, die Zusammenlegung von ländlichen Fluren und von Baugebiet, die Erhaltung von Altertümern und Naturdenkmälern, die Sicherung der Landschaften und Aussichtspunkte vor Verunstaltung und den Schutz von Heilquellen.
und 962
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 962 - 1 Das Gemeinwesen oder ein anderer Träger einer öffentlichen Aufgabe muss eine für ein bestimmtes Grundstück verfügte Eigentumsbeschränkung des öffentlichen Rechts, die dem Eigentümer eine dauerhafte Nutzungs- oder Verfügungsbeschränkung oder grundstücksbezogene Pflicht auferlegt, im Grundbuch anmerken lassen.
1    Das Gemeinwesen oder ein anderer Träger einer öffentlichen Aufgabe muss eine für ein bestimmtes Grundstück verfügte Eigentumsbeschränkung des öffentlichen Rechts, die dem Eigentümer eine dauerhafte Nutzungs- oder Verfügungsbeschränkung oder grundstücksbezogene Pflicht auferlegt, im Grundbuch anmerken lassen.
2    Fällt die Eigentumsbeschränkung dahin, so muss das Gemeinwesen oder der andere Träger einer öffentlichen Aufgabe die Löschung der Anmerkung im Grundbuch veranlassen. Bleibt das Gemeinwesen oder der andere Träger einer öffentlichen Aufgabe untätig, so kann das Grundbuchamt die Anmerkung von Amtes wegen löschen.
3    Der Bundesrat legt fest, in welchen Gebieten des kantonalen Rechts die Eigentumsbeschränkungen im Grundbuch angemerkt werden müssen. Die Kantone können weitere Anmerkungen vorsehen. Sie erstellen eine Liste der Anmerkungstatbestände und teilen sie dem Bund mit.
ZGB), an eine öffentlich-rechtliche Wegdienstbarkeit
oder auch an eine privatrechtliche Wegdienstbarkeit zugunsten des Gemeinwesens
denken. Der Kanton St. Gallen habe sich für die erstgenannte Lösung
entschieden; denn der Regierungsratsbeschluss vom 15. Februar 1927 «betreffend
die grundbuchliche Behandlung öffentlicher Belastungen und der Reverse»
bestimme, dass die öffentlichen Strassen und Wege, die auf nicht dem
Strassenunternehmen gehörendem Boden stehen, im Grundbuchblatt des belasteten
Grundstückes als öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen anzumerken
seien. Eine solche Eigentumsbeschränkung könne auch als öffentlich-rechtliche
«Wegdienstbarkeit» bezeichnet werden, da ihr Inhalt sich einer
privatrechtlichen Wegdienstbarkeit nähere. Wollte man aber annehmen, dass die
Konstruktion als öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung gegen die
Eigentumsgarantie verstosse, so müsste im vorliegenden Falle angenommen
werden, dass die Öffentlichkeit eine privatrechtliche Wegdienstbarkeit inne
gehabt habe; denn eine solche Dienstbarkeit wäre nach st. gallischem Recht
durch die allgemeine ununterbrochene und unbehinderte Ausübung während mehr
als

Seite: 44
30 Jahren ersessen worden (Art. 20 des Gesetzes über Grenzverhältnisse,
Dienstbarkeiten etc. vom 22. August 1850).
B. ­ Mit staatsrechtlichem Rekurs vom 31. Oktober 1947 beantragt Dr. G. von
Schultness, dieser Entscheid des st. gallischen Regierungsrates sei
aufzuheben. Zur Begründung wird ausgeführt:
Nach Art. 31 der geltenden st. gallischen KV von 1890 (der dem Art. 15 der KV
von 1831 und den § § 16 und 19 der KV von 1860 entspreche) sei eine Entziehung
oder Beschränkung des Eigentums nur gegen Entschädigung und nur auf
gesetzlicher Grundlage möglich. Im vorliegenden Fall denke der Regierungsrat
nicht an die Durchführung des Enteignungsverfahrens, sondern nehme ­ unter
Berufung auf Gewohnheitsrecht ­ den Standpunkt ein, dass der Äffenrainweg von
alters her ein öffentlicher Weg gewesen sei. Es lasse sich aber «wohl kaum»
die Auffassung vertreten, dass auch noch nach dem Jahre 1831, d. h. seit der
Gewährleistung der Unverletzlichkeit des Eigentums, das Grundeigentum durch
Gewohnheitsrecht habe beschränkt werden können. Nach FLEINER (Institutionen S.
367/8) werde ein Weg nicht dadurch, dass ihn das Publikum als Verkehrsweg
tatsächlich benutze, sondern nur dadurch, dass ihn das zuständige öffentliche
Organ dem öffentlichen Verkehre widme, zum öffentlichen Wege gemacht. Es sei
allerdings anzunehmen, dass im Kanton St. Gallen in frühern Zeiten, jedoch vor
1830, die Öffentlichkeit der wichtigsten Verkehrswege sich durch altes
Gewohnheitsrecht herausgebildet habe. Bei den nur den nächsten Anstössern
dienenden Nebenwegen habe jedoch auch in frühern Zeiten von einem solchen
Gewohnheitsrecht nicht die Rede sein können, weil es sonst überhaupt keine
Privatwege gegeben hätte. Der Nachweis, dass ein Weg seit unvordenklicher Zeit
von den Einwohnern einer Gemeinde benutzt worden sei, genüge noch nicht, um
eine Servitutsberechtigung zu begründen. Zum mindesten müsse der Nachwels
erbracht

Seite: 45
werden können, dass der von der Öffentlichkeit während langer Dauer benutzte
Weg einem starken Bedürfnis entsprochen habe und von der Öffentlichkeit ganz
allgemein und mit Sicherheit für öffentlich gehalten worden sei. Werde aber
der Entscheid des Regierungsrates unter diesen Gesichtspunkten geprüft, so
ergebe sich, dass er den Äffenrainweg zu Unrecht als öffentlichen Fussweg
erklärt habe. Der angefochtene Entscheid beruhe auf willkürlichen
tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen (wird näher ausgeführt).
a. ­ Der st. gallische Regierungsrat und die Gemeinde Jona beantragen
Abweisung der Beschwerde. Der Regierungsrat führt unter anderm aus: Der
angefochtene Entscheid berufe sich nicht nur auf altes Gewohnheitsrecht,
sondern stütze sich ausdrücklich auch auf Art. 4 des Strassengesetzes, wonach
das Hauptmerkmal für die Öffentlichkeit eines Weges die Indienststellung zum
Gemeingebrauch sei. Bei zahllosen öffentlichen Wegen erfolge aber diese
Indienststellung seit alter (unvordenklicher) Zeit, ohne dass eine formelle
Widmung vorhanden wäre. Dies sei auch beim Äffenrainweg der Fall.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen.
Aus den Erwägungen:
1. ­ Wie das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung erkannt hat,
gewährleistet die Eigentumsgarantie das Eigentum nicht unbeschränkt, sondern
nur innert den Schranken, die ihm im öffentlichen Interesse durch die
Rechtsordnung gezogen sind (BGE 69 I 241; 64 I 207 /8; 60 I 271 und hier
zitierte frühere Entscheide) und zwar fällt hiebei als Rechtsquelle nicht nur
die Gesetzgebung (unter Einschluss der kraft gesetzlicher Ermächtigung
erlassenen Rechtsverordnungen) in Betracht, sondern ­ wie das Bundesgericht
wiederholt entschieden hat ­ auch das Gewohnheitsrecht (BGE 35 I 446; 45 I 54;
KIRCHHOFER, Eigentumsgarantie, Eigentumsbeschränkung und Enteignung S. 141;
BOSSHARDT,

Seite: 46
Die Eigentumsgarantie, S. 108; IMBODEN in SJZ Bd. 40, S. 293/4; anderer
Ansicht für das deutsche Verwaltungsrecht: FLEINER, Institutionen 8. Auflage,
S. 85/6). Der vom Rekurrenten ­ freilich nur zaghaft ­ eingenommene
Standpunkt, dass die st. gallische Verfassung abweichend von den Verfassungen
anderer Kantone von jeher, d. h. seit 1831, der Eigentumsgarantie eine Fassung
gegeben habe, welche auf Gewohnheitsrecht beruhende öffentlich-rechtliche
Eigentumsbeschränkungen ausgeschlossen habe, ist unzutreffend. Wie die
Verfassungen verschiedener anderer Kantone, so hat auch die st. gallische
Verfassung (Art. 15 KV von 1831, § 19 KV von 1861 und Art. 31 KV von 1890)
wohl den Erlass eines Gesetzes über die Zwangsabtretung vorgesehen, nicht aber
bestimmt, dass eine öffentliche Eigentumsbeschränkung nur auf einem
Rechtssatze beruhen könne, der dem Gesetzesrecht angehöre.
Der gesetzliche, gesetzlich ermächtigte oder auf Gewohnheitsrecht beruhende
Rechtssatz kann die Eigentumsbeschränkung nach Bestand und Inhalt unmittelbar
aufstellen. Die Pflicht des Eigentümers, zu unterlassen, dulden oder handeln,
ist dann ohne weiteres gegeben, sobald der gesetzliche Tatbestand vorliegt.
Möglich ist aber auch, dass der Rechtssatz das Eigentum bloss mittelbar
beschränkt in der Weise, dass eine behördliche Verfügung zu ergehen hat, die
irgendwie konstitutiv wirkt. Der Rechtssatz beschränkt dann das Eigentum nur
in abstrakt-virtueller Weise; erst die Verfügung einer Behörde gibt der
Beschränkung im einzelnen Fall konkret-aktuelle Gestalt (KIRCHHOFER, 1. c. S.
143 und 145).
2. ­ Die Pflicht des Eigentümers zur Duldung eines über sein Grundstück
führenden öffentlichen Weges kann ­ wie in der schweizerischen Literatur
allgemein angenommen wird ­ sowohl eine öffentlich-rechtliche
Eigentumsbeschränkung des kantonalen Rechts (Art. 702
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 702 - Dem Bunde, den Kantonen und den Gemeinden bleibt es vorbehalten, Beschränkungen des Grundeigentums zum allgemeinen Wohl aufzustellen, wie namentlich betreffend die Bau-, Feuer- und Gesundheitspolizei, das Forst- und Strassenwesen, den Reckweg, die Errichtung von Grenzmarken und Vermessungszeichen, die Bodenverbesserungen, die Zerstückelung der Güter, die Zusammenlegung von ländlichen Fluren und von Baugebiet, die Erhaltung von Altertümern und Naturdenkmälern, die Sicherung der Landschaften und Aussichtspunkte vor Verunstaltung und den Schutz von Heilquellen.
, 962 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 962 - 1 Das Gemeinwesen oder ein anderer Träger einer öffentlichen Aufgabe muss eine für ein bestimmtes Grundstück verfügte Eigentumsbeschränkung des öffentlichen Rechts, die dem Eigentümer eine dauerhafte Nutzungs- oder Verfügungsbeschränkung oder grundstücksbezogene Pflicht auferlegt, im Grundbuch anmerken lassen.
1    Das Gemeinwesen oder ein anderer Träger einer öffentlichen Aufgabe muss eine für ein bestimmtes Grundstück verfügte Eigentumsbeschränkung des öffentlichen Rechts, die dem Eigentümer eine dauerhafte Nutzungs- oder Verfügungsbeschränkung oder grundstücksbezogene Pflicht auferlegt, im Grundbuch anmerken lassen.
2    Fällt die Eigentumsbeschränkung dahin, so muss das Gemeinwesen oder der andere Träger einer öffentlichen Aufgabe die Löschung der Anmerkung im Grundbuch veranlassen. Bleibt das Gemeinwesen oder der andere Träger einer öffentlichen Aufgabe untätig, so kann das Grundbuchamt die Anmerkung von Amtes wegen löschen.
3    Der Bundesrat legt fest, in welchen Gebieten des kantonalen Rechts die Eigentumsbeschränkungen im Grundbuch angemerkt werden müssen. Die Kantone können weitere Anmerkungen vorsehen. Sie erstellen eine Liste der Anmerkungstatbestände und teilen sie dem Bund mit.
ZGB), wie
auch eine privatrechtliche Dienstbarkeit zu Gunsten des Gemeinwesens oder des
Publikums

Seite: 47
(Art. 781
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 781 - 1 Dienstbarkeiten anderen Inhaltes können zugunsten einer beliebigen Person oder Gemeinschaft an Grundstücken bestellt werden, so oft diese in bestimmter Hinsicht jemandem zum Gebrauch dienen können, wie für die Abhaltung von Schiessübungen oder für Weg und Steg.
1    Dienstbarkeiten anderen Inhaltes können zugunsten einer beliebigen Person oder Gemeinschaft an Grundstücken bestellt werden, so oft diese in bestimmter Hinsicht jemandem zum Gebrauch dienen können, wie für die Abhaltung von Schiessübungen oder für Weg und Steg.
2    Sie sind, soweit es nicht anders vereinbart wird, unübertragbar, und es bestimmt sich ihr Inhalt nach den gewöhnlichen Bedürfnissen der Berechtigten.
3    Im Übrigen stehen sie unter den Bestimmungen über die Grunddienstbarkeiten.
ZGB) darstellen (HAAB, Kommentar z. ZGB Art. 694/6 N. 4; -LEEMANN,
Kommentar z. ZGB, 2. Auflage, Art. 664, N. 36 und 37; Art. 781, N. 17-24). Dem
st. gallischen Recht mag die erstgenannte Konstruktion besser entsprechen;
denn der Regierungsratsbeschluss vom 15. Februar 1927 «betreffend die
grundbuchliche Behandlung öffentlich-rechtlicher Belastungen und der Reverse»
bestimmt in Art. 1 Abs. 1: «Die öffentlichen Strassen und Wege, welche auf
nicht dem Strassenunternehmen gehörenden Boden bestehen, sind im
Grundbuchblatt des belasteten Grundstücks als öffentlich-rechtliche
Eigentumsbeschränkung anzumerken». Auch der Grossratsbeschluss vom 15. Januar
1946, mit dem der vorliegende Rechtsstreit zum «abschliesslichen» Entscheid an
den Regierungsrat gewiesen wurde, hat zur Voraussetzung, dass die Gemeinde
Jona gegenüber dem Rekurrenten einen dem öffentlichen Recht angehörigen
Anspruch, eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung, geltend macht
(nicht publizierter Entscheid des Bundesgerichtes i. S. Sterren vom 1.
November 1930, Erw. 2). Ein Anspruch der Gemeinde Jona auf Anerkennung einer
Dienstbarkeit zu Gunsten des Publikums (Art. 781
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 781 - 1 Dienstbarkeiten anderen Inhaltes können zugunsten einer beliebigen Person oder Gemeinschaft an Grundstücken bestellt werden, so oft diese in bestimmter Hinsicht jemandem zum Gebrauch dienen können, wie für die Abhaltung von Schiessübungen oder für Weg und Steg.
1    Dienstbarkeiten anderen Inhaltes können zugunsten einer beliebigen Person oder Gemeinschaft an Grundstücken bestellt werden, so oft diese in bestimmter Hinsicht jemandem zum Gebrauch dienen können, wie für die Abhaltung von Schiessübungen oder für Weg und Steg.
2    Sie sind, soweit es nicht anders vereinbart wird, unübertragbar, und es bestimmt sich ihr Inhalt nach den gewöhnlichen Bedürfnissen der Berechtigten.
3    Im Übrigen stehen sie unter den Bestimmungen über die Grunddienstbarkeiten.
ZGB) hätte, da
privatrechtlicher Natur, dem Zivilrichter zur Entscheidung überwiesen werden
müssen (BGE 17 S. 781/2, 71 I 440; nicht publizierter Entscheid des
Bundesgerichts i. S. Bürgenstock-Hotels A.-G. vom 16. Juni 1939, Erw. 7). Die
Verpflichtung des Rekurrenten, den öffentlichen Fussgängerverkehr über den
Äffenrainweg zu dulden, kann aber keine unmittelbare, sondern nur eine
mittelbare Eigentumsbeschränkung darstelle; denn die Duldungspflicht beruht
hier nicht, wie bei einigen nachbarlichen Wegrechten (Art. 695 und dazu HAAB,
1. C. Art. 694/ó, N. 6), unmittelbar auf einem ­ dem Gesetzes- oder
Gewohnheitsrecht angehörigen ­ Rechtssatze, der die Voraussetzungen festlegt,
unter denen ein Grundeigentümer ohne weiteres, d. h. auch ohne behördliche
Verfügung, einen öffentlichen Weg über sein Grundstück zu

Seite: 48
dulden hat. Einen solchen Rechtssatz enthält auch nicht etwa Art. 4 des st.
gallischen Strassengesetzes von 1930. Dieser Artikel besagt lediglich, dass
die übrigen, d. h. die in den vorausgehenden Artikeln nicht erwähnten, dem
öffentlichen Verkehr dienenden Fahrstrassen und Fusswege zu den Nebenstrassen
und Nebenwegen gehören, spricht sich aber nicht darüber aus, unter welchen
Voraussetzungen von einem Fuss- oder Fahrweg angenommen werden darf, dass er
dem öffentlichen Verkehre diene.
Nach allgemeiner Lehre (vgl. z. B. FLEINER, Institutionen des deutschen
Verwaltungsrechts, 8. Aufl. S. 367/ 8; HAAB, 1. c. Art. 694/6 N. 4; LEEMANN,
1. c. Art. 664 N. 35) entsteht ein öffentlicher Weg nur durch einen
behördlichen Akt, die Widmung des Weges für den öffentlichen Verkehr, die
ihrerseits jeweils dann, wenn der Weg über Privateigentum führt, nur dann
nicht gegen die Eigentumsgarantie verstösst, wenn die Behörde die
Verfügungsmacht über das Wegareal besitzt (BGE 20 S. 327/8; nicht publizierter
Entscheid des Bundesgerichtes i. S. Bürgenstock Hotels A.-G. vom 16. Juni
1939, Erw. 6). Diese Verfügungsmacht kann sowohl auf einem privatrechtlichen
Rechtstitel, d. h. einer durch Vertrag oder Ersitzung erworbenen Dienstbarkeit
zu Gunsten des Publikums (Art. 730
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 730 - 1 Ein Grundstück kann zum Vorteil eines andern Grundstückes in der Weise belastet werden, dass sein Eigentümer sich bestimmte Eingriffe des Eigentümers dieses andern Grundstückes gefallen lassen muss oder zu dessen Gunsten nach gewissen Richtungen sein Eigentumsrecht nicht ausüben darf.
1    Ein Grundstück kann zum Vorteil eines andern Grundstückes in der Weise belastet werden, dass sein Eigentümer sich bestimmte Eingriffe des Eigentümers dieses andern Grundstückes gefallen lassen muss oder zu dessen Gunsten nach gewissen Richtungen sein Eigentumsrecht nicht ausüben darf.
2    Eine Verpflichtung zur Vornahme von Handlungen kann mit der Grunddienstbarkeit nur nebensächlich verbunden sein. Für den Erwerber des berechtigten oder belasteten Grundstücks ist eine solche Verpflichtung nur verbindlich, wenn sie sich aus dem Eintrag im Grundbuch ergibt.619
, 731
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 731 - 1 Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch.
1    Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch.
2    Für Erwerb und Eintragung gelten, soweit es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum.
3    Die Ersitzung ist nur zu Lasten von Grundstücken möglich, an denen das Eigentum ersessen werden kann.
, 732
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 732 - 1 Das Rechtsgeschäft über Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf zu seiner Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.
1    Das Rechtsgeschäft über Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf zu seiner Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.
2    Beschränkt sich die Ausübung einer Dienstbarkeit auf einen Teil des Grundstücks und ist die örtliche Lage im Rechtsgrundausweis nicht genügend bestimmbar umschrieben, so ist sie in einem Auszug des Planes für das Grundbuch zeichnerisch darzustellen.
, 781
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 781 - 1 Dienstbarkeiten anderen Inhaltes können zugunsten einer beliebigen Person oder Gemeinschaft an Grundstücken bestellt werden, so oft diese in bestimmter Hinsicht jemandem zum Gebrauch dienen können, wie für die Abhaltung von Schiessübungen oder für Weg und Steg.
1    Dienstbarkeiten anderen Inhaltes können zugunsten einer beliebigen Person oder Gemeinschaft an Grundstücken bestellt werden, so oft diese in bestimmter Hinsicht jemandem zum Gebrauch dienen können, wie für die Abhaltung von Schiessübungen oder für Weg und Steg.
2    Sie sind, soweit es nicht anders vereinbart wird, unübertragbar, und es bestimmt sich ihr Inhalt nach den gewöhnlichen Bedürfnissen der Berechtigten.
3    Im Übrigen stehen sie unter den Bestimmungen über die Grunddienstbarkeiten.
ZGB), beruhen, wie auch auf
dem Boden des öffentlichen Rechts in der Weise begründet werden, dass auf das
Wegareal entweder mit Einwilligung des Eigentümers (und allfälliger
Pfandgläubiger) oder auch gegen dessen Willen ­ durch Enteignung ­ die
Duldungspflicht als öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung gelegt wird
(HAAB, 1. c. Art. 694/6 N. 4 S. 486; LEEMANN, 1. c. Art. 664 N. 36 u. 37).
3. ­ Im vorliegenden Falle kann nun zwar nicht nachgewiesen werden, dass eine
Behörde gestützt auf einen privat- oder öffentlich-rechtlichen Titel den
Äffenrainweg dem öffentlichen Fussgängerverkehr gewidmet hat. Doch der
Regierungsrat nimmt an, dass das st. gallische Recht ­ jedenfalls bis zum
Inkrafttreten des schweiz.

Seite: 49
Zivilgesetzbuches (1912) ­ gewohnheitsrechtlich das Institut der
Unvordenklichkeit gekannt hat, d. h. den Grundsatz: Ein Zustand, der nach Art
eines Rechtszustandes solange besteht, dass sein Anfang sich im Dunkel der
Vorzeit verliert, also über Menschengedenken hinaus liegt, berechtigt zur
Annahme, dass er dereinst rechtmässig entstanden ist (REGELSBERGER, Pandekten
S. 464 ff.; SAVIGNY, System des heutigen römischen Rechts Bd. 4, S. 480 ff;
GIERKE, Deutsches Privatrecht, Bd. I S. 655 ff; STOBBE, Deutsches Privatrecht
Bd. 1 S. 313 ff; KORMANN, in den Annalen des deutschen Reichs 1912 S. 128/129;
HAAB, 1. o. Art. 694/ó, N. 4). Nach Art eines Rechtszustandes besteht aber ein
Wegrecht dann seit unvordenklicher Zeit, wenn es in gutem Glauben seit
Menschengedenken ungefragt und ungewehrt, einem Bedürfnis entsprechend,
ununterbrochen ausgeübt worden ist (vgl. z. B. Art. 252 des schwyz. EG z.
ZGB).
Dieser Grundsatz war in den Rechten der schweizerischen Kantone dermassen
allgemein verbreitet, dass seine Geltung für privat- und öffentlich-rechtliche
Verhältnisse solange angenommen werden darf, als nicht der Gegenbeweis
erbracht ist (nicht publizierter Entscheid des Bundesgerichts i. S. Commune de
Salvan vom 30. Oktober 1933, Erw. 4). Diesen Gegenbeweis hat aber der
Rekurrent nicht erbracht...
Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen kann sich übrigens dafür, dass das
öffentliche Recht des Kantons St. Gallen das Institut der Unvordenklichkeit
kannte, auch auf seine Praxis berufen (St. Gall. Verwaltungspraxis Bd. II Nr.
668).
Eine allgemeine Beweisregel, wie dies der Grundsatz der Unvordenklichkeit ist,
kann aber, auch wenn er dem Gewohnheitsrecht angehört, die Eigentumsgarantie
nicht verletzen, da er auch in diesem Falle der Rechtsordnung angehört, innert
deren Schranken das Eigentum gewährleistet ist.
4. ­ Sowohl die Annahme des Regierungsrates, dass

Seite: 50
über den Äffenrainweg seit unvordenklicher Zeit ein öffentliches Fusswegrecht
ausgeübt worden sei, wie auch die Annahme, dass eine Berufung auf diese
Ausübung durch die Nichteintragung des Fusswegrechts in die
Strassenklassifikationsregister von 1889 und 1923 nicht ausgeschlossen werde,
kann das Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür überprüfen, da
es sich hiebei um die Auslegung und Anwendung kantonaler Rechtssätze, sowie
die Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse und Beweismittel handelt (BGE 57
I 210
; 60 I 273; 69 I 240). Willkürlich sind aber jene Annahmen nicht (wird
näher ausgeführt).