S. 384 / Nr. 68 Bundesrechtliche Angaben (d)

BGE 74 I 384

68. Urteil vom 29. Oktober 1948 i. S. Schweizerischer Metall- und
Uhrenarbeiterverband gegen Rekurskommission des Kantons Bern.


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Regeste:
Wehrsteuer: Steuerbares Einkommen von Vereinen.
Impôt pour la défense nationale: Revenu imposable des associations.
Imposta per la difesa nazionale: Reddito imponibile delle associazioni.

A. ­ Der Schweizerische Metall- und Uhrenarbeiterverband (SMUV) ist als Verein
organisiert und im Handelsregister eingetragen. Er umfasst die in der Metall-,
Maschinen- und Uhrenindustrie und in den dazu gehörigen Gewerben beschäftigten
Arbeiter und Arbeiterinnen, die die Verbandsstatuten und die dazu gehörigen
Reglemente und Ausführungsbestimmungen anerkennen (Art. 1 der Statuten vom
17./18. November 1934). Er setzt sich zum Zweck, die geistigen und materiellen
Interessen der Mitglieder zu wahren und zu fördern. Als Programmpunkte für die
Verbandstätigkeit werden im Einzelnen aufgeführt:
a) Gründung neuer Sektionen unter möglichster Erfassung aller Berufsgenossen
und verwandter Berufszweige;

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b) Verkürzung der Arbeitszeit, Beseitigung der Überzeit und Einführung von
Ferien. Regelung der Arbeitsbedingungen durch Arbeits- und Kollektivverträge
unter Zugrundelegung eines für die Lebensbedingungen der Arbeiter und ihrer
Familien notwendigen Existenzminimums;
c) Unterstützung des beruflichen Bildungswesens durch aktive Mitarbeit und
Pflege der Berufsstatistik;
d) Überwachung der Ausführung der Arbeiterschutzgesetze, Förderung des
Lehrlingswesens und des Schutzes der Lehrlinge. Förderung des
Arbeitsnachweises;
e) Rechtsschutz in Streitigkeiten mit dem Unternehmer und solchen
Streitigkeiten, in welche die Mitglieder infolge der Verbandstätigkeit
verwickelt werden;
f) Gewährung von Unterstützungen bei Streik, Aussperrung, Massregelung,
Arbeitslosigkeit, Krankheit, Sterbefällen und besondern Notfällen;
g) Abhaltung von gemeinnützigen, wissenschaftlichen und volkswirtschaftlichen
Vorträgen und Bildungskursen;
h) Förderung des Genossenschaftswesens.»
Gewinn wird nicht beabsichtigt (Art. 2). Die Mitglieder sind verpflichtet,
eine Eintrittsgebühr, ferner ordentliche und ausserordentliche Wochenbeiträge
zu leisten. Die Höhe der Gebühr und der Verbandsbeiträge, sowie die Beiträge
für die einzelnen Unterstützungskassen werden durch Reglement bestimmt (Art.
6). Über die Verwendung des Vermögens bei Auflösung des Verbandes bestimmt der
Verbandskongress (Art. 23).
B. ­ In der Steuererklärung für die eidgenössische Wehrsteuer IV hat der
Verband als Einkommen die Erträgnisse seines Wertschriftenvermögens angegeben.
Die Veranlagungsbehörde setzte als Einkommen die in den Jahren 1945 und 1946
eingetretene Vermögensvermehrung ein.
Der Verband bestritt diese Einschätzung mit dem Antrage, die
Einkommensberechnung ohne Einbeziehung der Mitgliederbeiträge vorzunehmen. Das
Begehren ist abgewiesen worden. Die kantonale Rekurskommission stützt sich auf
die Entscheide des Bundesgerichts vom 26. Oktober 1945 i. S. Verband schweiz.
Garnhändler, Gewebeexporteure und vom 1. März 1946 i. S. Schweiz. Verband
christlicher Textil- und Bekleidungsarbeiter. Hier handle es sich um den
nämlichen Sachverhalt wie bei dem Entscheide vom 1. März 1946. Es sei daher im
Sinne der

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bundesgerichtlichen Praxis zu entscheiden (Entscheid vom 29. Juni 1948).
C. ­ Hiegegen richtet sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag,
den angefochtenen Entscheid aufzuheben und das steuerbare Einkommen des
Beschwerdeführers für die IV. Periode der Wehrsteuer auf den Betrag
festzusetzen, der in der Steuererklärung angegeben worden war. Zur Begründung
wird geltend gemacht, die Rekurskommission habe ihren Entscheid gemäss der
bisherigen Praxis des Bundesgerichts gefällt und davon Umgang genommen, die
Argumente eingehend zu prüfen, die der Beschwerdeführer dieser Praxis
entgegensetzt.
1. Art. 21 WStB, der für Vereine sinngemäss gelte (Art. 51 WStB), gestatte
zwar in seiner weiten Fassung die Besteuerung jeglicher Einkünfte. Indessen
müsse der Einkommensbegriff, der sich aus dieser gesetzlichen Formulierung
ergebe, näher umschrieben und seine Bedeutung für das Problem der Besteuerung
des Vereins festgestellt werden.
a) Die gelegentlich auch in der Gerichtspraxis verwendete Definition von
BLUMENSTEIN, die das Einkommen als den Inbegriff derjenigen Wirtschaftsgüter
bezeichne, welche dem Individuum während eines bestimmten Zeitabschnittes
zufliessen und die es ohne Schmälerung seines Vermögens zu seinem Unterhalt
und zu andern Zwecken verwenden könne (Steuerrecht S. 177, System S. 87),
treffe bei den Vereinsbeiträgen nicht ohne weiteres zu, da der Verein, als
Zweckverband, nur seine statutarischen Zwecke verfolgen und seine Mittel nur
hiezu verwenden dürfe, im Gegensatz zu der natürlichen Person, die beliebigen
subjektiven Zwecken folgen und ihre Mittel, neben dem Unterhalt, zu «andern»,
nämlich beliebigen Zwecken verwenden könne.
Eine für die Praxis der Besteuerung verbindliche und ohne weiteres anwendbare
Begriffsbestimmung des Einkommens gebe es nicht und könne es nicht geben. Die
Unterschiede zwischen der natürlichen Person und dem

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Verein seien zu berücksichtigen und es müsse für jeden Zusammenhang ein
grundsätzlich selbständiger Begriff geschaffen und im Einzelfall entschieden
werden, ob eine Einnahme zum steuerpflichtigen Einkommen gehöre oder nicht.
b) Es sei davon auszugehen, dass alle Einkünfte, die bei der natürlichen
Person der Besteuerung unterworfen werden, direkt oder indirekt mit einer
wirtschaftlichen Betätigung des Steuersubjekts in Verbindung stehen. Bei den
vier von BLUMENSTEIN aufgestellten Hauptgruppen des Einkommens
(Erwerbseinkommen, Genusseinkommen, Ertragseinkommen, Zuwachsgewinneinkommen)
sei für die beiden ersten der Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Betätigung
ohne weiteres gegeben, beim Ertrags- und Zusatzgewinneinkommen immerhin
insofern, als das Kapital, wenn nicht beim Steuerpflichtigen, so doch bei
einem seiner Rechtsvorgänger in Verbindung mit einer wirtschaftlichen
Betätigung entstanden sei. Der Mitgliederbeitrag eines Vereins lasse sich aber
in keine der vier Gruppen einreihen, die von BLUMENSTEIN offenbar in
abschliessender Aufzählung als denkbare Kategorien des Einkommens angeführt
würden (System S. 88); auch fehle es an einer innern Verwandtschaft zu einer
dieser Kategorien. Der Wehrsteuerbeschluss spreche zwar auch noch von a andern
Quellen», befasse sich aber in den folgenden Artikeln nur mit dem
Erwerbseinkommen, dem Einkommen aus Vermögen und seinen Unterarten, ohne eine
sachlich von diesen Kategorien verschiedene «andere Quelle» nennen zu können.
Noch auffälliger trete der Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Betätigung
bei den hauptsächlichsten juristischen Personen (A.-G., Kommandit-A.-G.,
G.m.b.H. und Genossenschaften) zu Tage. Allerdings sei für sie die
wirtschaftliche Betätigung begriffswesentlich. Aber gerade daraus erhelle der
grundlegende und hier entscheidende Unterschied des Vereins von allen übrigen
juristischen Personen des Privatrechts: die ideale Zwecksetzung.

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c) Der ideale Zweck werde dadurch charakterisiert, dass er nicht
wirtschaftlich sei. Eine körperschaftlich organisierte Personenverbindung, die
wirtschaftliche Zwecke anstrebe, sei gezwungen, sich hiefür der Rechtsform der
A.-G., der G.m.b.H. oder der Genossenschaft zu bedienen; die Organisationsform
des Vereins, die nur zur Verfolgung idealer Zwecke zur Verfügung stehe, sei
ihr verschlossen. Für Berufsverbände, im besondern auch für Gewerkschaften,
sei aber die Organisationsform des Vereins in feststehender Praxis zugelassen
worden. Sie würden damit als echte Vereine anerkannt. Der in den Entscheiden
vom 26. Oktober 1945 und 1. März 1946 geschaffene Begriff des
«wirtschaftlichen Vereins» könne angesichts der klaren Regelung im
Vereinsrecht des ZGB kaum als ein Rechtsbegriff bezeichnet werden, der
geeignet wäre, eine fundamental verschiedene Behandlung einer gewissen
Kategorie von Vereinen zu rechtfertigen. Eine eindeutige rechtliche Abgrenzung
des wirtschaftlichen Vereins von andern Vereinen lasse sich kaum
rechtfertigen.
Die Besteuerung lasse sich auch nicht mit der für natürliche Personen
zutreffenden Feststellung rechtfertigen, dass zum steuerbaren Einkommen alle
Einkünfte gehören, die mit einer wirtschaftlichen Betätigung irgendwie im
Zusammenhang stehen. Es frage sich zunächst, welche sachlichen Merkmale des
Tatbestandes die «sinngemässe» Anwendung auf den Verein gestatten. Darüber
hinaus sei festzuhalten, dass bei Vereinen eine wirtschaftliche Betätigung nur
im Rahmen von Art. 61 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 61 - 1 Sind die Vereinsstatuten angenommen und ist der Vorstand bestellt, so ist der Verein befugt, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen.
1    Sind die Vereinsstatuten angenommen und ist der Vorstand bestellt, so ist der Verein befugt, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen.
2    Der Verein ist zur Eintragung verpflichtet, wenn er:
1  für seinen Zweck ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreibt;
2  revisionspflichtig ist;
3  hauptsächlich Vermögenswerte im Ausland direkt oder indirekt sammelt oder verteilt, die für karitative, religiöse, kulturelle, erzieherische oder soziale Zwecke bestimmt sind.85
2bis    Der Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften über die Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister.86
2ter    Er kann Vereine nach Absatz 2 Ziffer 3 insbesondere dann von der Eintragungspflicht ausnehmen, wenn sie aufgrund von Höhe, Herkunft, Ziel oder Verwendungszweck der gesammelten oder verteilten Vermögenswerte einem geringen Risiko des Missbrauchs für Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung ausgesetzt sind.87
3    ...88
ZGB denkbar sei, die eigentliche Betätigung des
Vereins, seine Zweckerfüllung, notwendigerweise eine nicht wirtschaftliche
sein müsse.
Beim SMUV seien die Mitgliederbeiträge nicht nach dem wirtschaftlichen
Interesse der Mitglieder, sondern nach ihrer wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit abgestuft. Das Bundesgericht verkenne den
gewerkschaftlichen Gedanken wenn es erkläre, dass die Arbeiter mit dem
höchsten Einkommen an der wirtschaftlichen Tätigkeit des Verbandes am
stärksten interessiert seien.

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2. Die Besteuerung der Mitgliederbeiträge von Vereinen erweise sich auch
systematisch, im Verhältnis zu der Besteuerung der andern Steuersubjekte, als
verfehlt.
a) Wenn der Verein seine Mitgliederbeiträge als Einkommen versteuern müsse, so
würde dem bei den andern Gesellschaften die Besteuerung des
Gesellschaftskapitals als Einkommen entsprechen. Der Vereinsbeitrag schaffe
Vereinsvermögen, nicht anders als der von den Aktionären liberierte Gegenwert
der gezeichneten Aktien.
b) Der Verein dürfe grundsätzlich nicht schlechter gestellt werden als die
Erwerbsgesellschaften, die nur mit einer Spezialsteuer erfasst werden. Die
periodische Aufrechnung der Mitgliederbeiträge als Einkommen, ohne
Berücksichtigung der Tatsache, dass der Verein keine Erwerbstätigkeit ausübt,
führe zu einer Schlechterstellung. Es werde nicht berücksichtigt, dass die
Erwerbsgemeinschaften die Einbringung eigener Mittel nicht als Einkommen zu
versteuern hätten und ausserdem, zufolge Spezialbesteuerung, Milderungen
gegenüber der allgemeinen Vermögens- und Einkommenssteuer genossen.
c) Die Unhaltbarkeit der Einbeziehung der Mitgliederbeiträge in die
Einkommensberechnung erweise sich darin, dass der Verein auf diese Weise
gleich stark, wenn nicht stärker als Erwerbsgemeinschaften besteuert werde.
Die Genossenschaften (die die eigentlichen wirtschaftlichen Vereine seien)
hätten 3 % vom reinen Ertrag zu entrichten, während für Verein der Satz bis
6,5 % gehen könne. Ein solches Ergebnis entspreche sicher nicht dem Willen des
Gesetzgebers und einer vernünftigen Gesetzesauslegung. Es erweise sich mit
besonderer Deutlichkeit, dass die schematische Anwendung eines rein formalen
Einkommensbegriffs nicht zutreffen könne.
3. Die Praxis versuche nun allerdings, die Härte der aus der Anrechnung der
Mitgliederbeiträge entstehenden Belastung dadurch zu mildern, dass sie die
laufenden Aufwendungen für Vereinszwecke in Abzug bringe, wie denn auch dem
SMUV nur die reine Vermögensvermehrung nach Abzug sämtlicher laufenden
Ausgaben und Aufwendungen

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für die verschiedenen Vermögenszwecke angerechnet worden sei. Damit werde
zugegeben, dass der Beitrag der Mitglieder nicht als Einkommen zu besteuern
sei, soweit er für Vereinszwecke verwendet werde. Es sei aber nicht
einzusehen, weshalb man den Abzug der laufenden Aufwendungen gestatte, weil
die Aufwendungen der Erfüllung des Vereinszweckes dienen, den überschiessenden
Betrag der Mitgliederbeiträge dagegen besteuere, obwohl er dem genau gleichen
Vereinszweck in genau gleicher Weise zu dienen bestimmt sei und gar nicht
anders verwendet werden könne. Es sei zufällig und rechtlich unerheblich, ob
ein eingezogener Beitrag im gleichen Jahre ausgegeben werde oder nicht.
Es möge viele Vereine geben, die sich der Praxis ohne Schwierigkeit anpassen
und Jahr für Jahr ein ausgeglichenes Budget ohne wesentlichen Überschuss
aufstellen und damit einer Besteuerung für Einkommen entgehen können. Beim
SMUV sei es anders. Er sei nach Mitgliederbestand und Zwecksetzung genötigt,
ein Vermögen zu äufnen, um die Erfüllung seiner Aufgaben in Krisenzeiten
sicherzustellen. Um gegen die Wechselfälle der Zukunft auch nur einigermassen
gewappnet zu sein, sollten ihm pro Mitglied etwa Fr. 100.­ bis 200.­ Vermögen
zur Verfügung stehen, was einem Verbandsvermögen von Fr. 10-20 Millionen
Franken entsprechen würde. Durch die neue Steuerpraxis würde dieser ganze,
durch sorgsame Äufnung der Mitgliederbeiträge anzustrebende Vermögenszuwachs
als Einkommen mit den höchsten Steuerprogressionen belastet und der Verband
gewissermassen dafür bestraft, dass er in den vergangenen Aktivdienstjahren
und in den vorangegangenen Krisenzeiten wesentliche Teile seines Vermögens der
grosszügigen Erfüllung des Vereinszweckes gewidmet habe.
Die Besteuerung führe zu einer Ungleichheit gegenüber andern Verbänden.
Besonders könnte ein Arbeitgeberverband, welcher nur eine geringe Zahl
wirtschaftlich leistungsfähiger Mitglieder umfasst, sich so einrichten, dass

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eine Steuerpflicht für Einkommen nicht entsteht, welche Möglichkeit einem
Arbeitnehmerverband mit grosser Mitgliederzahl und geringer wirtschaftlicher
Leistungsfähigkeit der Mitglieder verschlossen sei.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
in Erwägung:
1. ­ Mit Entscheiden vom 26. Oktober 1945 und 1. März 1946 hat das
Bundesgericht die Mitgliederbeiträge, die von Berufsverbänden und von
wirtschaftspolitischen Verbänden überhaupt aufgebracht werden, als
Bestandteile des nach Art. 21 WStB bei der Steuerbemessung anrechenbaren
Einkommens dieser Verbände erklärt. Es hat dabei diese Beiträge als Einkommen
aus einer Tätigkeit im Sinne dieser Bestimmung charakterisiert, gestützt auf
die Feststellung, dass Art. 21 unter einem solchen Einkommen nicht nur die
Vergütungen für Arbeitsleistungen versteht, sondern alle Einkünfte
schlechthin, die mit einer wirtschaftlichen Betätigung irgendwie im
Zusammenhang stehen, und dass bei Vereinen, die den beruflichen und
wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder dienen, die Beiträge der
Mitglieder in direktem Zusammenhang mit der Tätigkeit des Vereins stehen.
Offengelassen wurde, ob die umfassende Umschreibung des steuerbaren Einkommens
in Art. 21 WStB («das gesamte Einkommen aus Erwerbstätigkeit, Vermögensertrag
oder andern Einkommensquellen») bei der in Art. 51 WStB vorgeschriebenen
«sinngemässen» Anwendung dazu führen müsste, die Einnahmen des Vereins aus
Mitgliederbeiträgen überhaupt unter allen Umständen in die
Einkommensberechnung einzubeziehen. Das Bundesgericht hat damit die damalige
Untersuchung bewusst auf den durch die konkreten Fälle gegebenen Sachverhalt
beschränkt. Es wollte sich vorbehalten, die Verhältnisse bei Vereinen anderer
Art von Fall zu Fall zu prüfen und die Lösung nach dem jeweiligen Befund zu
treffen. Vor allem sollte vermieden werden, dass die Besteuerung von

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Vereinen präjudiziert werde, die den Mitgliedern keinerlei wirtschaftliche
Vorteile gewähren.
2. ­ Der Stellungnahme des Bundesgerichts liegt die Auffassung zu Grunde, dass
die sinngemässe Anwendung der Vorschriften über die Einkommensbesteuerung
natürlicher Personen auf Vereine, welche wirtschaftliche Interessen ihrer
Mitglieder verfolgen, dazu führt, die Vereinstätigkeit hier für die Frage der
Besteuerung, wie einen geschäftlichen Betrieb zu behandeln, bei dem das
Jahresergebnis aus Einkünften und Aufwendungen die Grundlage der
Steuerbemessung für Einkommen bildet. Es werden damit praktisch im
wesentlichen die Beträge als Einkommen erfasst, die diese Vereine jährlich
zurücklegen können und die ihnen als Reserven für die künftige Erfüllung ihrer
Vereinszwecke zur Verfügung stehen. Derartige Rücklagen dürfen als Ausdruck
der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit angesehen werden. Tatsächlich ist der
Verein, der nach Organisation und Betriebsführung über mehr Einkünfte verfügt,
als er laufend bedarf, und Rücklagen für seine künftige Tätigkeit machen kann,
wirtschaftlich leistungsfähiger als ein Verein, dem lediglich Einkünfte zur
jeweiligen Deckung des laufenden Bedarfs zustehen.
3. ­ Es besteht keine Veranlassung, auf diese Lösung zurückzukommen. Wie in
den bisher beurteilten Fällen kann dahingestellt bleiben, ob nicht der
Einkommensbegriff, der sich aus der weitfassenden Umschreibung in Art. 21 WStB
ergibt, schon ohne weiteres dazu führen muss, die Mitgliederbeiträge in allen
Fällen als anrechenbares Einkommen von Vereinen zu behandeln. Denn was in der
Beschwerde über die begriffliche Tragweite der in Art. 21 enthaltenen
Abgrenzung ausgeführt wird, ist nicht überzeugend.
Es wird im wesentlichen ausgeführt, die Mitgliederbeiträge liessen sich in
keine der von der Steuerrechtstheorie aufgestellten Hauptgruppen des
Einkommens (Erwerbseinkommen, Ertragseinkommen, Genusseinkommen und
Zuwachsgewinneinkommen) einreihen. Indessen käme,

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wenn man sich nicht mit der in den früheren Urteilen vorgenommenen Angleichung
an das Einkommen aus einer Tätigkeit («Erwerb») befreunden kann, weiterhin
zunächst eine Zuteilung zu der Gruppe «Genusseinkommen» in Frage, da Einnahmen
aus Mitgliederbeiträgen Einkünfte aus einem dem Verein zustehenden Privatrecht
sind. Darüber hinaus aber bliebe immer noch offen, ob nach Art. 21 WStB nicht
auch andere Einkünfte als Einkommen zu gelten haben als diejenigen, die sich
ohne weiteres unter jene Gruppierung einordnen lassen. Die Einteilung in
Hauptgruppen ist ein Versuch, die in der schweizerischen Steuergesetzgebung
bezeichneten Bestandteile des Einkommens systematisch zu erfassen (vgl.
BLUMENSTEIN, Steuerrecht I S. 178 lit. b). Auf nicht bezeichnete
Einkommensteile bezieht sie sich nicht, und sie ist jedenfalls dort nicht
geeignet, die Grundlage für eine abschliessende begriffliche Erfassung des
steuerbaren Einkommens zu bilden, wo das Gesetz selbst neben aufgezählten auch
Einkommensbestandteile erfassen will, die in den Gesetzeskatalogen nicht
aufgeführt zu werden pflegen. Der WStB charakterisiert aber seine, sehr
eingehend gehaltene Aufzählung der Einkommensbestandteile als Beispiel, lehnt
also eine Bindung, wie sie sich aus der Beschränkung auf eine aus Beispielen
abgeleitete Abstraktion ergeben würde, ausdrücklich ab. Die hievon
abweichenden Darlegungen der Beschwerdeschrift, die der Gesetzesanwendung
unter Berufung auf BLUMENSTEIN-, System S. 88, eine solche Bindung auferlegen
möchte, sind nicht haltbar. Anzunehmen ist höchstens, dass Einkünfte, die sich
in jene Gruppen einreihen lassen, mangels abweichender Anhaltspunkte im
Gesetz, als Einkommen behandelt werden dürfen, nicht aber dass Einkünfte, die
nicht in jene Gruppen passen, aus diesem Grunde nicht als Einkommen zu gelten
hätten. Der WStB führt übrigens in Art. 21 Abs. 3 unter der Bezeichnung
«Einkommen» Einkünfte auf, welche nach Steuerrechtstheorie nicht unter jene
Hauptgruppen fallen sollen (vgl. BLUMENSTEIN, a.a.O. S. 183 betreffend

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Alimente; erwähnt sind ferner Eingänge aus Vermächtnis und Schenkung). Er
nimmt sie mit der Anordnung, dass sie nicht als «steuerbares» Einkommen
gelten, von der Besteuerung aus. Nach dem Wortlaut der Bestimmung hat die
Besteuerung nicht deshalb zu unterbleiben, weil sie kein Einkommen im Sinne
des Gesetzes wären, sondern weil der Gesetzgeber die Besteuerung für
unangebracht erachtet, obgleich sie Einkommen sind. Jedenfalls ist der in der
Beschwerdeschrift unternommene Versuch, auf dem Wege der Auslegung über jene
Abstraktionen eine Beschränkung der Besteuerung auf die lediglich als
Beispiele aufgeführten Einkommensbestandteile zu erreichen, mit der
gesetzlichen Ordnung unvereinbar und kann auch da nicht in Frage kommen, wo,
wie hier, die Vorschriften über die Besteuerung des Einkommens nur in
übertragener Bedeutung («sinngemäss») anzuwenden sind.
4. ­ Auch gegen die den beiden früheren Entscheiden zu Grunde liegende
Auffassung, dass sich bei Berufsverbänden der damals und auch hier wieder
vorliegenden Art die Tätigkeit des Vereins und die Mitgliederbeiträge derart
bedingen, dass es sich bei sinngemässer Anwendung des Gesetzes rechtfertigt,
die Einnahmen aus Mitgliederbeiträgen als mit der Vereinstätigkeit
zusammenhängende Einkünfte anzusehen und sie für die Besteuerung als Einkommen
aus einer Tätigkeit im Sinne von Art. 21 WStB zu behandeln, ist nichts
Durchschlagendes vorgebracht worden.
a) Beanstandet wird zunächst die Unterscheidung von «wirtschaftlichen» und
«nicht wirtschaftlichen» Vereinen. Es wird geltend gemacht, diese
Unterscheidung stehe in Widerspruch zu der Ordnung des Zivilrechts, das die
Organisationsform des Vereins für Körperschaften nicht wirtschaftlichen
Charakters vorsehe und wirtschaftliche Vereine ­ abgesehen von dem, hier nicht
in Frage kommenden Tatbestand nach Art. 61 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 61 - 1 Sind die Vereinsstatuten angenommen und ist der Vorstand bestellt, so ist der Verein befugt, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen.
1    Sind die Vereinsstatuten angenommen und ist der Vorstand bestellt, so ist der Verein befugt, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen.
2    Der Verein ist zur Eintragung verpflichtet, wenn er:
1  für seinen Zweck ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreibt;
2  revisionspflichtig ist;
3  hauptsächlich Vermögenswerte im Ausland direkt oder indirekt sammelt oder verteilt, die für karitative, religiöse, kulturelle, erzieherische oder soziale Zwecke bestimmt sind.85
2bis    Der Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften über die Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister.86
2ter    Er kann Vereine nach Absatz 2 Ziffer 3 insbesondere dann von der Eintragungspflicht ausnehmen, wenn sie aufgrund von Höhe, Herkunft, Ziel oder Verwendungszweck der gesammelten oder verteilten Vermögenswerte einem geringen Risiko des Missbrauchs für Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung ausgesetzt sind.87
3    ...88
ZGB ­ nicht kenne. Die
Einwendung ist jedoch unbegründet. Es ist von jeher anerkannt, dass eine
scharfe begriffliche

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Ausscheidung von Verbänden mit idealer und wirtschaftlicher Zweckbestimmung
nicht möglich ist (HAFTER, Komm. (2. Aufl.) S. 240, No. 6 zu Art. 60). Sie ist
es schon deshalb nicht, weil Korporationen vielfach ideale Aufgaben mit
wirtschaftlichen Zwecken verbinden (vgl. HAFTER: a.a.O. S. 241, No. 11 zu Art.
60). Berufsverbände sind der Typus von Vereinen mit mehrfachen Zwecken. Die
Praxis lässt für sie die Organisationsform des Vereins zu. Diese ist nicht für
Vereine mit rein idealen Zwecken reserviert. Wenn die Steuerpraxis diesen
Verhältnissen Rechnung trägt und unter den Vereinen Ausscheidungen trifft, so
setzt sie sich mit der Ordnung des Zivilrechts nicht in Widerspruch.
b) Es wird darauf hingewiesen, dass Mittel, die andern Körperschaften aus
Zuwendungen ihrer Mitglieder zufliessen, nicht Einkommen sind; erwähnt werden
besonders Einzahlungen der Aktionäre auf das statutarische Stammkapital.
Mitgliederbeiträge können jedoch diesen Zuwendungen nicht gleichgestellt
werden. Das Aktienkapital ist der Aktiengesellschaft anvertrautes Gut, das sie
zu erhalten hat, um es später zurückerstatten zu können. Die Gesellschaft darf
es benützen, aber nicht verbrauchen. Mitgliederbeiträge von Vereinen werden in
der Regel zum Verbrauche im Betriebe überwiesen, sie fliessen dem Verein
endgültig zu, weshalb sie für den Verein Einkommen sind. Auch bei der
Aktiengesellschaft bilden Einnahmen aus gesellschaftsrechtlichen Zuwendungen,
die der Gesellschaft zum Verbrauche für Gesellschaftszwecke zur Verfügung
stehen (z. B. Aufgelder und dergleichen), Bestandteile der Gewinnrechnung.
Gewiss schaffen die Mitgliederbeiträge, soweit sie nicht fortlaufend
aufgebraucht werden, Vereinsvermögen. Dieses steht aber nicht dem
Aktienkapital gleich, das gebundenes Vermögen ist, sondern den Reserven, den
über das Aktienkapital hinaus vorhandenen Überschüssen, die angesammelte
Gewinne sind.
c) Dass das aus Einkommensüberschüssen gebildete Vereinsvermögen nur für
Vereinszwecke Verwendung

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finden kann, liegt im Wesen des Vereins als eines Zweckverbandes. Es kann aber
kein Grund sein, die Überschüsse, die zur Bildung des Vermögens führen, nicht
als Einkommen zu erfassen. Wenn Art. 51 WStB die Vereine der Besteuerung für
Einkommen unterstellt und die sinngemässe Anwendung der Vorschriften über die
Einkommensbesteuerung natürlicher Personen anordnet, so kann das nur bedeuten,
dass die Überschüsse zu erfassen sind, die dem Verein für diejenige Tätigkeit,
die bei ihm nach Satzung und Betriebsorganisation in Frage kommt, zur
Verfügung stehen; dagegen nicht, dass es sich um Mittel für ausserbetriebliche
Verwendung handeln müsse; eine solche gibt es bei Zweckverbänden überhaupt
nicht.
d) Der Verband verweist auch auf die Höhe der angefochtenen Belastung. Seine
Einwendung, ein Verein dürfe grundsätzlich nicht schlechter gestellt werden
als die Erwerbsgenossenschaften, betrifft ein gesetzgebungspolitisches
Postulat, nicht eine Frage der Rechtsanwendung. Das Nämliche gilt für den
Vergleich der nach der bestehenden gesetzlichen Ordnung anwendbaren
Steuersätze. Im übrigen liesse sich aus der zufälligen Gestaltung der
Besteuerung in einem einzelnen Falle wohl kaum Entscheidendes über die
Richtigkeit und Angemessenheit einer grundsätzlichen Lösung aussagen.
Gewiss ergibt die Einschätzung hier eine erhebliche Belastung. Sie ist aber
kein Argument gegen die Richtigkeit der angefochtenen Behandlung der
Mitgliederbeiträge als Einkommensbestandteile. Die Höhe der Einschätzung ist
vielmehr der Ausdruck der wirtschaftlichen Macht und der Leistungsfähigkeit
des Verbandes. Eine Körperschaft, die innert zwei Jahren über Fr. 800000.­ aus
Mitgliederbeiträgen zurücklegen kann, ist leistungsfähig. Übrigens sind damit
nur die Rücklagen erfasst, die der allgemeinen Verbandskasse verbleiben.
Daneben bestehen noch Rücklagen in Spezialfonds, die im allgemeinen
Verbandsvermögen nicht erscheinen.
5. ­ Der SMUV ist, wie sich aus seinem Namen und

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besonders aus Art. 31 der Statuten ergibt, eine Gewerkschaft von Angehörigen
einer bestimmten Berufsgruppe, ein Verein, der den beruflichen und
wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder dient. Er entspricht in
Organisation und Zwecksetzung, soweit sie für die Beurteilung der Steuerfrage
massgebend sind, durchaus dem Schweiz. Verbande christlicher Textil- und
Bekleidungsarbeiter, mit dessen Besteuerung sich das Urteil vom 1. März 1946
befasst, und es kann, was die steuerrechtliche Charakterisierung der
Mitgliederbeiträge betrifft, auf die in diesem Urteil, Erw. 3, enthaltenen
Darlegungen verwiesen werden, die im wesentlichen auch hier wieder zutreffen.
Es ist dort u. a. ausgeführt, dass bei solchen Vereinen die
Mitgliederbeiträge, wenn nicht der rechtlichen Form, so doch natürlicher
Gegebenheit nach geradezu die Gegenleistung für die wirtschaftlichen Vorteile
darstellen, die die Vereine den Mitgliedern bieten. Ferner wurde darauf
hingewiesen, dass in jenem Falle die Beiträge in verschiedener Höhe nach
Klassen erhoben wurden, woraus auf eine gewisse Abstufung der Beiträge nach
dem wirtschaftlichen Interesse geschlossen wurde, das der Verein den
Mitgliedern darbietet. Hier geben die Akten weder über die Bemessung der
Beiträge Auskunft, noch über die Höhe der Leistungen und über die Grundsätze,
nach denen diese zugesprochen werden.
Der Beschwerdeführer bestreitet, dass bei ihm Beitrage und Leistungen in einer
Wertrelation stehen. Doch kommt es hierauf nicht entscheidend an. Denn der
massgebende Gesichtspunkt, dass wirtschaftlich und psychologisch die Beiträge
und die wirtschaftlichen Vorteile aus der Vereinstätigkeit derart verknüpft
sind, dass sie geradezu als Leistung und Gegenleistung angesehen werden
dürfen, entfiele auch dann nicht, wenn eine Wertrelation in der angegebenen
Richtung zwischen Beiträgen und Leistungen nicht bestehen sollte. Im übrigen
darf bei Bemessung des Interesses an der Vereinstätigkeit und der Vorteile,
die das Mitglied daraus erwartet und um derentwillen es die

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reglementarischen Beiträge erbringt, nicht nur auf die Unterstützungen
abgestellt werden, die der Verband seinen Mitgliedern bei Krankheit,
Arbeitslosigkeit und dergleichen gewährt, es muss überhaupt die gesamte
Verbandstätigkeit berücksichtigt werden, auch soweit sie nicht zu Leistungen
im Einzelfalle führt. Es liegt auf der Hand, dass der Schutz des Verbandes die
ganze wirtschaftliche Stellung des Mitgliedes erfasst, somit sich bei dem nach
der Stellung im Beruf wirtschaftlich leistungsfähigen Mitglied in stärkerem
Mass auswirkt, als bei einem wirtschaftlich weniger Begünstigten. Dass die
Höhe der Beiträge unter Umständen auch noch nach andern Gesichtspunkten
mitbestimmt wird, z. B. demjenigen beruflicher oder weltanschaulicher
Solidarität, ändert daran nichts.