S. 47 / Nr. 13 Verfahren (d)

BGE 73 IV 47

13. Urteil des Kassationshofes vom 31. Januar 1947 i.S. Staatsanwaltschaft des
Kantons Schwyz gegen Kantonsgericht von Schwyz.

Regeste:
1. Art. 270 Abs. 1 BStP. Der öffentliche Ankläger des Kantons darf die
Nichtigkeitsbeschwerde jedenfalls dann auch zugunsten des Verurteilten
ergreifen, wenn er damit im Rahmen der ihm durch das kantonale Recht allgemein
eingeräumten Befugnisse handelt.
2. Art. 278 BStP. Wenn der öffentliche Ankläger mit einer zugunsten des
Verurteilten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde obsiegt, sind keine Kosten zu
erheben.
3. Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...315
StGB. Der Hotelgast begeht durch unwahre Angaben in
dem der Fremdenkontrolle dienenden Anmeldeschein nicht eine Urkundenfälschung.
1. Art. 270 al. 1 PPF. L'accusateur public du canton peut aussi former un
pourvoi en nullité en faveur du condamné, tout au moins lorsque, ce faisant,
il agit dans les limites des attributions

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qui lui sont confiées d'une manière générale par le droit cantonal.
2. Art. 278 PPF. Lorsque l'accusateur publie obtient gain de cause par le
pourvoi en nullité exercé en faveur du condamné, il n'y a pas lieu à
perception do frais de justice.
3. Art. 251 ch. 1 al. 2 CP. Le client d'un hôtel qui donne de fausses
indications dans le bulletin d'arrivée servant au contrôle des étrangers ne
commet pas un faux dans les titres.
1. Art. 270, cp. 1 PPF. L'accusatore pubblico del cantone può inoltrare un
ricorso per cassazione a favore del condannato almeno quando, agendo in tale
modo, si mantiene entro i limiti delle attribuzioni che gli sono fissate in
linea generale dal diritto cantonale.
2. Art. 278 PPF. Quando il ricorso interposto dall'accusatore pubblico a
favore del condannato è accolto, non si debbono riscuotere spese giudiziali.
3. Art. 251, cifra 1, cp. 2 CP. Il cliente d'un albergo che dà false
indicazioni nel bollettino d'arrivo che serve al controllo degli stranieri,
non commette una falsità in documenti.

A. ­ Luzius Maron wurde vom Bezirksgericht Höfe wegen Betrugs, Veruntreuung,
Zechprellerei und leichter Urkundenfälschung zu einer bedingt vollziehbaren
Gefängnisstrafe von vierzig Tagen verurteilt. Er fand sich damit ab. Dagegen
appellierte die Staatsanwaltschaft an das Kantonsgericht von Schwyz mit dem
Antrage, Maron sei von der Anklage wegen Urkundenfälschung freizusprechen, im
übrigen aber das angefochtene Urteil zu bestätigen. Durch Urteil vom 22.
Oktober 1946 bejahte das Kantonsgericht das Appellationsrecht der
Staatsanwaltschaft, wies aber die Appellation ab und bestätigte das Erkenntnis
der ersten Instanz im vollen Umfang.
Die leichte Urkundenfälschung (Falschbeurkundung gemäss Art. 251 Ziff. 1 Abs.
2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...315
und Ziff. 3 StGB) wurde darin erblickt, dass Maron im September und anfangs
Oktober 1945 in Rorschach in verschiedenen Gasthöfen die Anmeldescheine für
die amtliche Fremdenkontrolle insofern unrichtig ausgefüllt hatte, als er zwar
seinen wahren Namen, aber ein falsches Geburtsdatum angab, um der Polizei zu
entgehen, die ihn nach seiner Vermutung suchte.
B. ­ Die Staatsanwaltschaft führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die
Verurteilung wegen leichter

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Urkundenfälschung sei aufzuheben und Maron in diesem Punkte freizusprechen.
Das Kantonsgericht von Schwyz beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. ­ Art. 270 Abs. 1 BStP gesteht dem öffentlichen Ankläger des Kantons das
Recht zur Nichtigkeitsbeschwerde allgemein zu, nicht bloss zur Erwirkung der
Verurteilung oder schärferen Bestrafung des Angeklagten Die Beschränkung folgt
auch nicht daraus, dass die Beschwerdeführung für die Privatpersonen, denen
das Rechtsmittel ausserdem nach Art. 270
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
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BStP zusteht, eine Beschwer, einen
Rechtsnachteil voraussetzt, den sie durch die angefochtene Entscheidung
erleiden und auf dem Beschwerdeweg beheben lassen wollen. Denn auch durch eine
gesetzwidrige Freisprechung oder zu milde Bestrafung wird der öffentliche
Ankläger nicht persönlich betroffen. Verletzt sind dadurch nur öffentliche
Interessen. Der Staat aber ist nicht nur daran interessiert, dass kein
Schuldiger der gesetzlichen Strafe entgehe, sondern ebenso sehr daran, dass
keine gesetzwidrige Strafe ausgesprochen werde, mit anderen Worten an der
Einhaltung der Strafrechtsordnung überhaupt. Auch das Interesse des Bundes an
der einheitlichen richtigen Anwendung der eidgenössischen Strafgesetze (Art.
114
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 114 Arbeitslosenversicherung - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die Arbeitslosenversicherung.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die Arbeitslosenversicherung.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die Versicherung gewährt angemessenen Erwerbsersatz und unterstützt Massnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
b  Der Beitritt ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig versichern.
3    Die Versicherung wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Hälfte der Beiträge bezahlen.
4    Bund und Kantone erbringen bei ausserordentlichen Verhältnissen finanzielle Leistungen.
5    Der Bund kann Vorschriften über die Arbeitslosenfürsorge erlassen.
BV), der die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des
Bundesgerichts dienen soll, ist dasselbe gegenüber einer gesetzwidrigen
Verurteilung oder zu strengen Bestrafung wie gegenüber gesetzwidriger
Freisprechung oder zu milder Bestrafung. Das Bundesgericht hat denn auch
bereits in einem Falle, wo die Entscheidung dem Bundesrat auf Grund eines
Bundesratsbeschlusses einzusenden war (Art. 155
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 114 Arbeitslosenversicherung - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die Arbeitslosenversicherung.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die Arbeitslosenversicherung.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die Versicherung gewährt angemessenen Erwerbsersatz und unterstützt Massnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
b  Der Beitritt ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig versichern.
3    Die Versicherung wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Hälfte der Beiträge bezahlen.
4    Bund und Kantone erbringen bei ausserordentlichen Verhältnissen finanzielle Leistungen.
5    Der Bund kann Vorschriften über die Arbeitslosenfürsorge erlassen.
, 161 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 114 Arbeitslosenversicherung - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die Arbeitslosenversicherung.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die Arbeitslosenversicherung.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die Versicherung gewährt angemessenen Erwerbsersatz und unterstützt Massnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
b  Der Beitritt ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig versichern.
3    Die Versicherung wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Hälfte der Beiträge bezahlen.
4    Bund und Kantone erbringen bei ausserordentlichen Verhältnissen finanzielle Leistungen.
5    Der Bund kann Vorschriften über die Arbeitslosenfürsorge erlassen.
altes OG, jetzt
Art. 265 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 114 Arbeitslosenversicherung - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die Arbeitslosenversicherung.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die Arbeitslosenversicherung.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die Versicherung gewährt angemessenen Erwerbsersatz und unterstützt Massnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
b  Der Beitritt ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig versichern.
3    Die Versicherung wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Hälfte der Beiträge bezahlen.
4    Bund und Kantone erbringen bei ausserordentlichen Verhältnissen finanzielle Leistungen.
5    Der Bund kann Vorschriften über die Arbeitslosenfürsorge erlassen.
, 270 Abs. 6
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 114 Arbeitslosenversicherung - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die Arbeitslosenversicherung.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die Arbeitslosenversicherung.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die Versicherung gewährt angemessenen Erwerbsersatz und unterstützt Massnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
b  Der Beitritt ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig versichern.
3    Die Versicherung wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Hälfte der Beiträge bezahlen.
4    Bund und Kantone erbringen bei ausserordentlichen Verhältnissen finanzielle Leistungen.
5    Der Bund kann Vorschriften über die Arbeitslosenfürsorge erlassen.
BStP), der Bundesanwaltschaft die Befugnis zur
Nichtigkeitsbeschwerde auch im Interesse des Verurteilten zuerkannt (BGE 51 I
66
Erw. 3). Es besteht kein Grund, den öffentlichen Ankläger des Kantons

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anders zu behandeln, jedenfalls dann nicht, wenn er mit einer solchen
Beschwerde im Rahmen der ihm durch das kantonale Recht allgemein eingeräumten
Befugnisse handelt, er auch nach diesem zugunsten des Verurteilten
Rechtsmittel ergreifen kann, wie das angefochtene Urteil es für Schwyz
anerkennt und auch anderwärts zutrifft (vgl. Zürich § 396 StPO, Bern Art. 301
StrV). Man könnte freilich einwenden, dass Art. 278 BStP nicht sagt, wer die
Kosten zu tragen hat, wenn der öffentliche Ankläger mit einer im Interesse des
Verurteilten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde obsiegt. Daraus lässt sich
jedoch nicht schliessen, dass eine solche Beschwerde nicht zulässig sei. Art.
278 enthält eine Lücke, die sinngemäss so auszufüllen ist, dass Kosten auch
dann nicht aufzuerlegen sind, wenn der öffentliche Ankläger zwar obsiegt,
seine Beschwerde aber zugunsten des Verurteilten erhoben worden ist.
2. ­ Nicht jede schriftliche Lüge ist eine Falschbeurkundung im Sinne des Art.
251 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
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StGB. Sie ist es nur dann, wenn die Schrift dazu bestimmt
oder geeignet ist, gerade die erlogene Tatsache zu beweisen (BGE 72 IV 72,
139). Daher ist die Nichtigkeitsbeschwerde gutzuheissen. Der für die amtliche
Fremdenkontrolle bestimmte Anmeldeschein des Hotelgastes ist weder bestimmt
noch geeignet, die Identität des Ausstellers mit dem Träger des angegebenen
Namens oder die weiteren, seine persönlichen Verhältnisse betreffenden
Tatsachen, nach denen im Anmeldeformular gefragt wird, zu beweisen. Insoweit
enthält er blosse Behauptungen. Er ist Urkunde nur insofern, als er festhält,
welche Erklärung der Aussteller im Augenblick der Ausfüllung des Scheines
abgibt, nicht auch in dem Sinne, dass er die abgegebene Erklärung als
inhaltlich wahr beweisen würde. Daher kann eine Urkundenfälschung z. B.
begehen, wer einen Anmeldeschein, der in einem Prozess als Beweismittel
verwendet wird, nachträglich abändert, um die abgegebene Erklärung und damit
ein Indiz für seine Anwesenheit im Gasthof zu vertuschen, nicht aber, wer im
Anmeldeschein

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zum vorneherein lügt, sei es auch, um die Polizei irrezuführen. Um solche
Irreführung, die den Zweck der Fremdenkontrolle vereitelt, zu bekämpfen, steht
es den Kantonen frei, die Falschmeldung mit Übertretungsstrafe zu bedrohen.
Der Entwurf zum StGB von 1918 enthielt in Art. 340 selber eine entsprechende
Bestimmung. Sie wurde zusammen mit anderen Übertretungsvorschriften
gestrichen, in der Meinung, dass die Rechtsetzung auf diesem Gebiete den
Kantonen überlassen werden solle (StenBull, Sonderausgabe, NatR 506, 513, StR
235). Von dieser Ermächtigung haben denn auch z. B. St. Gallen (Art. 64 EG
StGB) und Schwyz (§ 41 EG StGB) Gebrauch gemacht.
3. ­ Ist Maron somit der Urkundenfälschung nicht schuldig, so muss die Sache
an das Kantonsgericht zurückgewiesen werden, damit es die Strafe für die
übrigen Delikte neu bemesse.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts
von Schwyz vom 22. Oktober 1946 aufgehoben und die Sache zu neuer Festsetzung
der Strafe im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.