S. 1 / Nr. 1 Strafgesetzbuch (d)

BGE 73 IV 1

1. Urteil des Kassationshofes vom 31. Januar 1947 i.S. Senn gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn.


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Regeste:
Art. 15
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 15 - Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren.
, 17 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 17 - Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt.
StGB.
Ob die gegen einen vermindert Zurechnungsfähigen ausgesprochene Strafe bedingt
zu vollziehen sei, hat der Richter bei der Verurteilung, nicht erst nach
Beendigung der gemäss Art. 15
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 15 - Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren.
StGB angeordneten Behandlung oder Versorgung zu
entscheiden.
Art. 15, 17 ch. 2 CP.
S'agissant de la peine encourue par un délinquant à responsabilité restreinte,
c'est au moment de la condamnation, non pas seulement après cessation du
traitement ou de l'hospitalisation ordonnés en vertu do l'art. 15, que le juge
doit se prononcer sur l'octroi du sursis.
Art. 15, 17 cifra 2 CP.
Trattandosi della pena incorsa da una persona di responsabilità scemata, il
giudice deve pronunciarsi sulla sospensione condizionale della pena all'atto
della condanna e non soltanto alla fine della cura o del ricovero ordinati in
virtù dell'art. 15 CP.

A. ­ Das Obergericht des Kantons Solothurn verurteilte den vermindert
zurechnungsfähigen Senn am 29. Juni 1944 wegen vollendeter und versuchter
Unzucht mit Kindern im Sinne von Art. 191 Ziff. 2 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
und 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB zu acht
Monaten Gefängnis. Den bedingten Strafvollzug verweigerte es mit der
Begründung, Vorleben und Charakter liessen nicht mit genügender Sicherheit
erwarten, dass Senn durch ein bedingtes Urteil von weiteren Verfehlungen
abgehalten werde, denn das psychiatrische Gutachten erkläre, er habe wohl die
Einsicht in die Strafbarkeit seiner Handlungen, hingegen sei sein
Selbstbestimmungsrecht eingeschränkt. Gestützt auf Art. 15
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 15 - Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren.
StGB stellte das
Gericht den Strafvollzug für zwei Jahre ein und befahl dem Verurteilten, sich
während

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dieser Zeit durch den Nervenarzt Dr. Binswanger ambulant psychiatrisch
behandeln zu lassen und dessen Anordnungen genau zu befolgen. Das geschah. Am
2. Juli 1946 berichtete Dr. Binswanger dem Obergericht, die Behandlung habe
den vorausgesagten Erfolg gehabt, Senn habe nun genügend Widerstandskraft, um
Versuchungen zu widerstehen. Die Gefahr eines Rückfalles in kriminelle
Verfehlungen bestehe nicht mehr. Vom psychiatrischen Standpunkt aus könne
erklärt werden, dass der Grund für die im Urteil getroffenen Massnahmen nach
Art. 17
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 17 - Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt.
StGB nicht mehr bestehe, und aus psychologisch-therapeutischen
Erwägungen müsse dringend empfohlen werden, von der Vollstreckung der Strafe
abzusehen.
B. ­ Gestützt auf diesen Bericht erklärte das Obergericht am 29. August 1946,
«der staatliche Strafanspruch habe definitif zurückzutreten vor dem
Gesichtspunkt der Heilung des Beklagten». Es sei deshalb grundsätzlich vom
Vollzug der Gefängnisstrafe abzusehen. Diese sei aber nicht aufzuheben,
sondern nur bedingt aufzuschieben. Nach Art. 17 Ziff. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 17 - Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt.
StGB habe der
Richter nicht nur zu entscheiden, ob die Strafe noch zu vollstrecken sei,
sondern auch, inwieweit dies geschehen solle. Die Auslegung dieses Wortes
lasse es zu, den Strafvollzug bedingt aufzuschieben, um den Verurteilten
innert der Bewährungsfrist nachhaltiger vor einem Rückfall abzuschrecken. Es
seien denn auch vor allem praktische Erwägungen, welche dies zuliessen. Der
nach Art. 17 Ziff. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 17 - Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt.
entscheidende Richter könne die Voraussetzungen
des Art. 41
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB besser beurteilen und die Widerstandskraft des Verurteilten
sei grösser, wenn er wisse, dass er bei Rückfall die Strafe verbüssen müsse.
Aus diesen Erwägungen erklärte das Obergericht die Strafe als bedingt
aufgeschoben und setzte die Bewährungsfrist auf drei Jahre fest.
C. ­ Senn führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, dieser Entscheid sei
wegen unrichtiger Anwendung von Art. 17 Ziff. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 17 - Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt.
und Art. 41
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB
aufzuheben

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und die Sache an das Obergericht zurückzuweisen, damit es die
Strafvollstreckung endgültig ausschliesse. Unter Berufung auf BGE 69 IV 194
macht er geltend, der bedingte Strafvollzug könne im Verfahren nach Art. 17
Ziff. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 17 - Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt.
StGB nicht mehr angeordnet werden.
D. ­ Der Staatsanwalt des Kantons Solothurn beantragt, die Beschwerde sei
abzuweisen. Er beruft sich auf die Erwägungen des angefochtenen Urteils und
auf einen in SJZ 12 340 veröffentlichten Entscheid des zürcherischen
Obergerichts.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. ­ Wenn der Zustand des vermindert zurechnungsfähigen Täters dessen
Behandlung oder Versorgung in einer Heil- oder Pflegeanstalt erfordert, ordnet
der Richter sie an und stellt den Strafvollzug ein (Art. 15
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 15 - Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren.
StGB). Sobald der
Grund der Massnahme weggefallen ist, entscheidet er, «ob und inwieweit die
Strafe noch zu vollstrecken sei» (Art. 17 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 17 - Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt.
StGB).
Schon nach der grammatikalischen Auslegung darf der Richter in diesem
Zeitpunkt nur entweder die Strafe ganz oder teilweise vollstrecken lassen oder
den Vollzug endgültig ausschliessen. Nur der zweiten dieser drei Möglichkeiten
(teilweiser Vollzug) wird durch das Wort «inwieweit» der Weg geöffnet. Der
Richter soll sagen, wie weit (in welchem Umfange, «dans quelle mesure», «in
quale misura») vollstreckt werden soll. Das ergibt sich auch aus der
Entstehungsgeschichte des Art. 17. Die Bestimmung geht zurück auf Art. 18 des
Vorentwurfes von 1908, der dem Gericht ebenfalls auftrug, zu entscheiden, «ob
und inwieweit die Strafe noch zu vollziehen sei». Diesen Worten folgte ein
Hinweis auf Art. 57 Abs. 2, der lautete: «Dem Verurteilten, der in eine Heil-
und Pflegeanstalt eingewiesen ist, wird der Aufenthalt in der Anstalt auf die
Strafe angerechnet.» An diese Anrechnung dachte der Verfasser des
Vorentwurfes, als er in Art. 18 das Wort «inwieweit» einsetzte.

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Nach Beendigung der Versorgung oder Behandlung des Verurteilten ist der
Richter nicht mehr Sachrichter, der das ausgefällte Urteil umzugestalten
hätte, sondern nur noch Vollstreckungsrichter. Sowenig er die ausgesprochene
Strafe z. B. durch eine andere ersetzen darf, steht ihm zu, das Urteil durch
Gewährung des bedingten Vollzuges abzuändern. Ob die Strafe bedingt zu
vollziehen sei oder nicht, hat er im Augenblick der Verurteilung zu
entscheiden (vgl. für den analogen Fall der Verwahrung gemäss Art. 14
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 14 - Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.
StGB BGE
69 IV 194). Daran ändert es nichts, dass in diesem Zeitpunkt der bedingte
Vollzug in der Regel wegen schlechter Voraussage (Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).

StGB), wie sie sich aus der verminderten Zurechnungsfähigkeit und der
Notwendigkeit einer Versorgung oder Behandlung ergibt, nicht gewährt werden
kann. Der vermindert zurechnungsfähige Verurteilte muss sich sogut wie der
zurechnungsfähige gefallen lassen, dass ihm der bedingte Vollzug versagt
werde, wenn die Prognose im Zeitpunkt des Urteils schlecht ist. Sowenig der
Richter den Entscheid hierüber bei Verurteilung eines Zurechnungsfähigen auf
später verschieben darf, um über das weitere Verhalten und die Entwicklung des
Charakters des Verurteilten Erfahrungen zu sammeln, sowenig darf er dies bei
Verurteilung eines vermindert Zurechnungsfähigen tun, mit der Begründung, die
Prognose lasse sich nach Beendigung der Behandlung oder Versorgung besser
stellen. Dem vermindert Zurechnungsfähigen wird damit nicht Unrecht angetan.
Er kommt im Gegenteil besser weg, da der Vollzug, obschon er unter dem
Gesichtspunkt von Art. 41 Ziff. 1 stattfinden müsste, vorläufig gemäss Art. 15
Abs. 2 eingestellt wird und unter Umständen nachher gemäss Art. 17 Ziff. 2
Abs. 2 endgültig unterbleibt. Diese Besserstellung wird im Entscheid des
zürcherischen Obergerichtes, auf den sich der Staatsanwalt beruft, beanstandet
(SJZ 42 341). Allein sie ergibt sich aus dem Gesetze, über das der Richter
nicht hinweggehen darf. Sie ist die Folge davon, dass Art. 17 Ziff. 2 Abs. 2
den Richter

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ermächtigt, nach Beendigung der Versorgung oder Behandlung vom Vollzug der
Strafe abzusehen. Für den Gesetzgeber kam dabei nicht nur in Betracht, dass
schon die Versorgung sich unter Umständen für den Täter praktisch wie eine
Strafe auswirken kann, sondern auch, dass der nachträgliche Vollzug der Strafe
den Erfolg der Behandlung wieder hinfällig machen könnte. Damit würde aber der
Zweck der Massnahme nach Art. 15
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 15 - Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren.
StGB vereitelt. Es wäre widerspruchsvoll, ihn
wegen der Schuld des Verurteilten einem «staatlichen Strafanspruch» (vgl. SJZ
12 342) zu opfern. Darauf liefe es hinaus, wenn man in einem solchen Fall die
Strafe auch nur bedingt als noch vollziehbar erklären wollte. Sie müsste ja
nachher nicht bloss vollzogen werden, wenn die Nichtbewährung auf einen
(bisher nicht erkannten) Misserfolg der Behandlung zurückzuführen wäre,
sondern auch dann, wenn der erfolgreich Behandelte ein Vergehen oder
Verbrechen beginge, das mit seinem früheren Geisteszustand nichts zu tun
hätte, so wenn z. B. der geheilte Sexualverbrecher sich vorsätzlich gegen
Devisenvorschriften verginge. Die dargelegte Ordnung von Art. 15
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 15 - Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren.
und 17
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 17 - Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt.
StGB
ist durchdacht und weist keine Lücke auf, die der Richter auszufüllen hätte.
2. ­ Die Vorinstanz hat richtigerweise über die Frage des bedingten
Strafvollzuges am 29. Juni 1944 geurteilt, und zwar durch Ablehnung dieser
Massnahme. Nach dem Gesagten stand es ihr nicht zu, im Entscheid vom 29.
August 1946 das Urteil in diesem Punkte abzuändern. Sie hatte nur noch zu
befinden, ob die Strafe (ganz oder teilweise) zu vollziehen sei oder nicht.
Den Vollzug hat sie abgelehnt, weil er den Erfolg der durchgeführten
Behandlung wieder in Frage stellen würde. Mit dieser Überlegung setzt sich die
Vorinstanz durch Anordnung des bedingten Strafvollzuges, der die Vollstreckung
der Strafe nur bedingt ausschliesst, selber in Widerspruch. Würde der Erfolg
der Behandlung durch die Strafverbüssung wieder in Frage gestellt, so muss
endgültig vom

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Vollzug abgesehen werden, der vom Kassationshof übrigens auch wegen des
Verbots der reformatio in pejus (BGE 70 IV 222) nicht mehr angeordnet werden
könnte.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Obergerichts
des Kantons Solothurn vom 29. August 1946 aufgehoben und die Sache an die
Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie die Strafe als nicht vollstreckbar
erkläre.