S. 97 / Nr. 30 Strafgesetzbuch (d)

BGE 72 IV 97

30. Urteil des Kassationshofes vom 13. September 1946 i.S. Dubi gegen
Generalprokurator des Kantons Bern.


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Regeste:
1. Art. 24
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 24 - 1 Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
1    Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
2    Wer jemanden zu einem Verbrechen zu bestimmen versucht, wird wegen Versuchs dieses Verbrechens bestraft.
StGB. Wie die Anstiftung ist auch der Anstiftungsversuch nur
möglich gegenüber einer Person, die noch nicht entschlossen ist, das
Verbrechen zu begehen.
2. Art. 25
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 25 - Wer zu einem Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet, wird milder bestraft.
StGB. Die Aufforderung an eine schon entschlossene Person, die Tat
zu begehen, kann psychische Gehülfenschaft sein.
1. Art. 24 CP. De même que l'instigation, la tentative d'instigation n'est
possible qu'à l'égard d'une personne qui n'est pas encore décidée à commettre
le crime.
2. Art. 25 CP. Le fait d'engager une personne qui a déjà pris sa décision à
commettre l'infraction peut constituer une complicité intellectuelle
1. Art. 24 CP. Come l'istigazione, così il tentativo d'istigazione è possibile
soltanto noi riguardi d'una persona non ancora decisa a commettere il reato.
2. Art. 25 CP. L'invito di commettere il reato rivolto ad una persona che si è
già decisa a commetterlo può costituire una complicità intellettuale.

A. ­ Anna Eschler wohnte am 20. Oktober 1945 in der Wirtschaft ihres
Arbeitgebers Johann Dubi einem Wortwechsel bei, der zwischen Dubi und dessen
Tochter Nelly einerseits und Landjäger Lauener anderseits statt fand. Im
nachfolgenden Ehrverletzungsprozess, den Lauener gegen Vater und Tochter Dubi
einleitete, wurde sie zur Hauptverhandlung vom 5. Dezember 1945 als Zeugin
vorgeladen. Vor diesem Tage ­ Anna Eschler stand damals nicht mehr im Dienste
Dubis ­ fragte Nelly .Dubi sie telephonisch an, ob sie, Anna Eschler, auch vor
Gericht müsse, und riet ihr dann, dort nicht zu viel auszusagen. Sie
vereinbarte mit ihr, sie am 5. Dezember 1945 vor der Hauptverhandlung zu
treffen. Johann Dubi, der ebenfalls an dieser Zusammenkunft teilnahm, empfahl

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Anna Eschler, nicht zu viel zu sagen, sich nicht zu sehr einzumischen. Damit
wollte er, wie vorher Nelly Dubi, die Zeugin veranlassen, vor dem Richter zu
bestreiten, dass sie vom Wortwechsel mit Lauener etwas gehört habe. Anna
Eschler war über den Sinn des Ratschlages nicht im Zweifel. Tatsächlich sagte
sie am 5. Dezember 1945 vor dem Gerichtspräsidenten des Obersimmentals als
Zeugin wider besseres Wissen aus, sie habe vom Auftritt zwischen Lauener und
den Leuten Dubi nichts gehört. Sie hatte drei Gründe, falsch auszusagen: ihre
Abneigung gegen die Aussage vor Gericht, die Beeinflussung durch Johann und
Nelly Dubi und ihr Verhältnis zu Walter Dubi, dem Sohne des Johann, welches
sie durch eine für Johann und Nelly Dubi ungünstige Aussage nicht gefährden
wollte.
B. ­ Am 2. März 1946 verurteilte das Amtsgericht des Obersimmentals Anna
Eschler wegen falschen Zeugnisses und Johann und Nelly Dubi wegen Anstiftung
dazu. Auf Appellation der beiden letztern nahm das Obergericht des Kantons
Bern mit Urteil vom 17. Mai 1946 an, es sei nicht ausgeschlossen, dass das
Verhältnis der Anna Eschler zu Walter Dubi die Zeugin auch ohne die
«Ratschläge» von Johann und Nelly zum falschen Zeugnis bewogen hätte. Dies sei
allerdings etwas unwahrscheinlich, da sich Anna Eschler dann zu ungunsten der
Leute Dubi über die Wirksamkeit der Anstiftung getäuscht haben müsste. Als mit
Sicherheit bewiesen könne aber doch nur der Versuch der Anstiftung zu falschem
Zeugnis angesehen werden, und zwar der vollendete Versuch; denn die beiden
Dubi hätten alles getan, was an ihnen gelogen habe, um den Erfolg
herbeizuführen. Es handle sich auch nicht etwa um einen Versuch am
untauglichen Objekt, wenn auch Anna Eschler möglicherweise schon vor der
Beeinflussung durch die Angeschuldigten den Entschluss zur falschen Aussage
gefasst gehabt habe, so sei sie doch nicht ein Gegenstand, an dem die Tat (die
Anstiftung) überhaupt nicht hätte ausgeführt werden können. Das

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Obergericht verurteilte Johann und Nelly Dubi wegen versuchter Anstiftung zu
falschem Zeugnis zu dreissig Tagen Gefängnis, abzüglich je einen Tag
Untersuchungshaft, und gewährte ihnen den bedingten Strafvollzug, unter
Auferlegung einer zweijährigen Probezeit.
C. - Johann und Nelly Dubi fechten dieses Urteil beim Kassationshof des
Bundesgerichts mit der Nichtigkeitsbeschwerde an mit dem Antrag auf
Freisprechung. Sie machen geltend, als sie an Anna Eschler herangetreten
seien, sei diese schon aus anderen Gründen entschlossen gewesen, falsch
auszusagen. Folglich habe sie nicht mehr angestiftet werden können und sei
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts auch ein Versuch der Anstiftung
undenkbar.
D. ­ Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt, die Beschwerde sei
abzuweisen. Er verweist auf die Aussage der Anna Eschler, wonach sie in der
Hauptverhandlung vom 5. Dezember 1945 den ganzen Hergang der Sache
wahrheitsgetreu dargestellt haben würde, wenn sie nicht vorher mit den Leuten
Dubi gesprochen hätte.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. ­ Entgegen den Ausführungen der Beschwerde stellt das Obergericht nicht
fest, dass Anna Eschler schon zum falschen Zeugnis entschlossen gewesen sei,
als die Beschwerdeführer ihr dieses nahelegten. Das Obergericht erklärt bloss,
es sei nicht ausgeschlossen, wenn auch etwas unwahrscheinlich, dass sie auch
ohne die «Ratschläge» der Beschwerdeführer falsch ausgesagt hätte. Damit lässt
es sowohl die eine als auch die andere Möglichkeit offen. Ehe es sich für die
eine oder die andere deutlich entscheidet, kann aber nicht gesagt werden, ob
die Beschwerdeführer strafbar sind oder nicht. Die Sache ist zur Beurteilung
der erwähnten Tatfrage an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Falls festgestellt wird, dass Anna Eschler noch nicht entschlossen war,
falsches Zeugnis abzulegen, sondern

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dass erst die Aufforderung durch die Beschwerdeführer sie dazu bewogen hat,
sind die Beschwerdeführer nicht wegen versuchter, sondern wegen vollendeter
Anstiftung zu verurteilen.
Falls dagegen festgestellt wird, dass Anna Eschler wegen ihres Verhältnisses
zu Walter Dubi schon vor der Aufforderung durch die Beschwerdeführer zu
falscher Aussage entschlossen war, liegt wiederum nicht Anstiftungsversuch
vor. Ein solcher erfordert begrifflich, dass sich der Täter an eine Person
wendet, die noch nicht entschlossen ist, das Verbrechen zu verüben. Der
Versuch der Anstiftung besteht darin, dass der Täter im andern den Willen, das
Verbrechen zu begehen, hervorzurufen versucht, und das kann er nur, wenn
dieser Wille nicht schon vorhanden ist (BGE 69 IV 203). Bestraft wird er dann
wegen Versuchs des Verbrechens, zu dem er anstiften wollte (Art. 24 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 24 - 1 Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
1    Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
2    Wer jemanden zu einem Verbrechen zu bestimmen versucht, wird wegen Versuchs dieses Verbrechens bestraft.

StGB). Ein untauglicher Versuch der Anstiftung im Sinne des Art. 23
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 23 - 1 Führt der Täter aus eigenem Antrieb die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder trägt er dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen.
1    Führt der Täter aus eigenem Antrieb die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder trägt er dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen.
2    Sind an einer Tat mehrere Täter oder Teilnehmer beteiligt, so kann das Gericht die Strafe dessen mildern oder von der Bestrafung dessen absehen, der aus eigenem Antrieb dazu beiträgt, die Vollendung der Tat zu verhindern.
3    Das Gericht kann die Strafe auch mildern oder von der Bestrafung absehen, wenn der Rücktritt des Täters oder des Teilnehmers die Vollendung der Tat verhindert hätte, diese aber aus anderen Gründen ausbleibt.
4    Bemüht sich einer von mehreren Tätern oder Teilnehmern aus eigenem Antrieb ernsthaft, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht seine Strafe mildern oder von seiner Bestrafung absehen, wenn die Tat unabhängig von seinem Tatbeitrag begangen wird.
StGB wegen
absoluter Untauglichkeit des Gegenstandes ist daher nur denkbar, wenn der
Gegenstand des Verbrechens, zu welchem angestiftet werden will, untauglich
ist, nicht auch dann, wenn zwar dieser Gegenstand taugt, aber die zum
Verbrechen aufgeforderte Person schon ohne Rücksicht auf die Aufforderung zur
Tat entschlossen ist. Hier ist nicht das Objekt des erstrebten Verbrechens,
sondern das Objekt der Anstiftung untauglich. Dieser Fall kann nicht unter dem
Gesichtspunkt des Art. 23
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 23 - 1 Führt der Täter aus eigenem Antrieb die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder trägt er dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen.
1    Führt der Täter aus eigenem Antrieb die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder trägt er dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen.
2    Sind an einer Tat mehrere Täter oder Teilnehmer beteiligt, so kann das Gericht die Strafe dessen mildern oder von der Bestrafung dessen absehen, der aus eigenem Antrieb dazu beiträgt, die Vollendung der Tat zu verhindern.
3    Das Gericht kann die Strafe auch mildern oder von der Bestrafung absehen, wenn der Rücktritt des Täters oder des Teilnehmers die Vollendung der Tat verhindert hätte, diese aber aus anderen Gründen ausbleibt.
4    Bemüht sich einer von mehreren Tätern oder Teilnehmern aus eigenem Antrieb ernsthaft, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht seine Strafe mildern oder von seiner Bestrafung absehen, wenn die Tat unabhängig von seinem Tatbeitrag begangen wird.
StGB beurteilt werden, wie das Obergericht es tut,
sondern der Anstiftungsversuch entfällt mangels der gesetzlichen
Voraussetzungen.
2. ­ Wenn die Würdigung des Beweises ergibt, dass Anna Eschler schon vor der
Aufforderung durch die Beschwerdeführer zu falschem Zeugnis entschlossen war,
so dass weder Anstiftung noch Anstiftungsversuch vorliegt, frägt sich weiter,
ob die Aufforderung durch die Beschwerdeführer für sie nicht mindestens eine
psychische Unterstützung bildete, die ihr half, den gefassten Entschluss

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im entscheidenden Augenblick zu verwirklichen. Das Obergericht hat diese
Tatfrage zu entscheiden, falls es nicht schon wegen Anstiftung zu falschem
Zeugnis verurteilt. Wenn es sie bejaht, liegt nach der Rechtsprechung des
Kassationshofes (vgl. BGE 70 IV 19) Gehülfenschaft zu falschem Zeugnis vor,
sind die Beschwerdeführer also in Anwendung von Art. 25
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 25 - Wer zu einem Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet, wird milder bestraft.
StGB zu bestrafen.
Andernfalls müssen sie freigesprochen werden.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des
Obergerichts des Kantons Bern vom 17. Mai 1946 aufgehoben und die Sache zur
Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.