S. 90 / Nr. 28 Verfahren (d)

BGE 72 IV 90

28. Auszug aus dem Entscheid der Anklagekammer vorn 8. Juli 1946 i.S.
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen gegen Staatsanwaltschaften der
Kantone Luzern, Basel-Stadt und Zürich.

Regeste:
Art. 346 StGB. Konkurs- und Betreibungsverbrechen oder -vergehen (Art. 163 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 163 - 1. Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen zum Scheine vermindert, namentlich
1    Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen zum Scheine vermindert, namentlich
2    Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
.
StGB) sind am Wohnort oder Geschäftssitz des Schuldners zu verfolgen, dies
jedenfalls dann, wenn er mit dem Konkurs- oder Betreibungsort zusammenfällt.
Art. 346 CP. Les crimes et délits dans la faillite et la. poursuite pour
dettes (art. 163 sv. CP) doivent être poursuivis au domicile

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ou au siège social du débiteur, cela en tout cas lorsque ce lieu se confond
avec le for de la faillite ou do la poursuite.
Art. 346 CP. I crimini e delitti nel fallimento e nell'esecuzione per debiti
(art. 163 e seg. CP) debbono essere perseguiti al domicilio o alla sede
sociale del debitore, ciò in ogni caso quando questo luogo si confonde col
foro del fallimento o dell'esecuzione.

Aus den Erwägungen:
In der Schweiz ausgeführte strafbare Handlungen sind am Orte der Ausführung,
also dort, wo der Beschuldigte die strafbare Tätigkeit vorgenommen hat, zu
verfolgen und zu beurteilen (Art. 346 StGB, BGE 68 IV 54).
Die Anwendung dieser Regel auf Konkurs- und Betreibungsdelikte befriedigt
nicht. Die Handlungen, in denen ein solches Verbrechen oder Vergehen liegt,
werden nicht um ihrer selbst willen oder zum Schutze der Gegenpartei, mit
welcher das zu beanstandende Rechtsgeschäft abgeschlossen wird, mit Strafe
bedroht, sondern wegen der Auswirkung, welche sie auf das Vermögen des Täters
haben. Unter diesem Gesichtspunkt aber ist der Ort, wo die Handlung ausgeführt
wird, derart zufällig und bedeutungslos, dass er für den Gerichtsstand nicht
massgebend sein darf. Das zeigt besonders das Beispiel des leichtsinnigen
Konkurses. Die Ausführungshandlungen dieses Vergehens bestehen darin, dass der
Schuldner «durch argen Leichtsinn, unverhältnismässigen Aufwand, gewagte
Spekulationen oder grobe Nachlässigkeit in der Ausübung seines Berufes seine
Zahlungsunfähigkeit herbeiführt oder im Bewusstsein seiner Zahlungsunfähigkeit
seine Vermögenslage verschlimmert». Regelmässig liegt also eine Vielheit von
Einzelhandlungen vor. Eine von ihnen herauszugreifen und davon den
Gerichtsstand abhängen zu lassen, wäre absurd, so z. B. wenn man den Schuldner
wegen unverhältnismässigen Aufwandes irgendwo da verfolgen wollte, wo er
einmal leichtsinnig Geld ausgegeben hat. Dass auch der Gerichtsstand zur
Verfolgung des betrügerischen Konkurses an einen ungeeigneten Ort könnte zu
liegen

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kommen, zeigt der vorliegende Fall. Die einzige Handlung, in welcher die
Anklage das Verbrechen des betrügerischen Konkurses erblickt, besteht in der
Auszahlung einer Vermittlungsprovision von Fr. 3000.­ an Blumer und Cattaneo.
Diese Auszahlung kann irgendwo stattgefunden haben. Während der Staatsanwalt
des Kantons Luzern in der Anklage noch die Möglichkeit offen gelassen hat,
dass sie in Hasle erfolgt sei, stellte er in einem Nachtrag zur Anklage Basel
als Tatort hin. Die sinngemässe Auslegung des Art. 346 StGB verbietet, den
Gerichtsstand zur Verfolgung von Konkurs- und Betreibungsdelikten von solchen
Zufälligkeiten abhängen zu lassen. Wie bei anderen strafbaren Handlungen in
der Regel das Schwergewicht sich am Tatort befindet, liegt es bei Konkurs- und
Betreibungsdelikten meistens am Orte, wo sich das betroffene Vermögen
befindet, also am Wohnort oder Geschäftssitz des Schuldners. An diesem Orte
hat die Strafverfolgung stattzufinden. Damit fällt auch regelmässig der Ort
zusammen, wo die Betreibung durchgeführt oder der Konkurs eröffnet wird, was
für die Durchführung des Strafverfahrens von wesentlichem Vorteil ist. Wie es
sich verhält, wenn der Wohn- oder Geschäftssitz im Zeitpunkt der Begehung der
strafbaren Handlung mit dem Betreibungs- oder Konkursort nicht zusammenfällt,
weil z.B. der Wohn- oder Geschäftssitz nach Begehung der Tat verlegt worden
ist, braucht nicht entschieden zu werden, da. die Kollektivgesellschaft der
beiden Beschuldigten den Sitz bis zuletzt in Hasle hatte, wo infolgedessen
auch der Konkurs über sie eröffnet worden ist.