S. 71 / Nr. 23 Strafgesetzbuch (d)

BGE 72 IV 71

23. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. April 1946 i.S. Kupper
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.


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Regeste:
1. Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...330
StGB. Beurkundet ist eine Tatsache nur, wenn die
Schrift bestimmt oder geeignet ist, gerade diese Tatsache zu beweisen.
Abtretung nicht bestehender oder dem Abtretenden nicht mehr zustehender
Forderungen ist nicht Falschbeurkundung.
2. Art. 277ter
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...330
BStP. Im Falle bloss teilweisen Freispruchs durch den
Kassationshof ist von der Rückweisung an die kantonale Behörde abzusehen, wenn
anzunehmen ist, diese würde die Strafe gleichwohl nicht herabsetzen.
1. Art. 251 ch. 1 al. 2 CP. Un fait n'est constaté dans un titre que si
l'écrit est destiné ou propre à prouver précisément ce fait. La cession de
créances inexistantes ou n'appartenant plus au cédant ne constitue pas une
fausse constatation dans un titre.
2. Art. 277ter PPF. Au cas où la Cour de cassation ne juge que partiellement
fondé le pourvoi du condamné, elle ne renvoie pas la cause à la juridiction
cantonale s'il y a lieu d'admettre que celle-ci ne réduirait tout de même pas
la peine.
1. Art. 251, cifra 1, cp. 2 CP. Un fatto è costatato in un documento soltanto
se lo scritto è destinato od idoneo a provare precisamente questo fatto. La
cessione di crediti inesistenti o non appartenenti più al cedente non è una
falsa constatazione in un documento.
2. Art. 277ter PPF. Se la Corte di cassazione giudica che il ricorso del
condannato è fondato solo parzialmente, non rimanda la causa alla
giurisdizione cantonale, se ha motivo di ritenere che quest'ultima non
ridurrebbe la pena.

Kupper war Präsident und allein zeichnungsberechtigtes Mitglied des
Verwaltungsrates der Kubesu A.G. Zur Sicherstellung bestehender Schulden
gegenüber der Volksbank in Hochdorf A.G. stellte er dieser Bank, die vom Juni
1942 an auf Deckung drängte, am 3. Juli 1942 namens der Kubesu A.G. eine
schriftliche Erklärung aus, wonach die Kubesu A.G. der Bank «mit unbedingter
Nachwährschaft bis zur gänzlichen Bezahlung» einige besonders genannte
Forderungen gegen Dritte abtrat. Die Forderungen standen indes der Zedentin
nicht zu; eine davon hatte nie bestanden, eine andere war schon am 24. Juni
1942 durch Zahlung untergegangen und zwei weitere hatte die Kubesu A.G. am 26.
Juni 1942 der Volksbank Willisau A.G. abgetreten. Das Obergericht des

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Kantons Luzern würdigte die Ausstellung der Abtretungserklärung als
Falschbeurkundung im Sinne des Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...330
StGB. Für diese Tat und
für zahlreiche andere Verbrechen (Urkundenfälschungen, Betrug und
Betrugsversuch) verurteilte es Kupper zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus und
stellte ihn für fünf Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ein. Kupper
erklärte die Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er unter anderem geltend machte,
durch die Ausstellung der Abtretungserklärung habe er sich nicht strafbar
gemacht.
Aus den Erwägungen:
Der Urkundenfälschung macht sich gemäss Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...330
StGB unter
anderem schuldig, «wer eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig
beurkundet». Das tut nicht jeder, der etwas Unrichtiges schreibt, mag auch die
niedergeschriebene Tatsache rechtlich irgendwie erheblich sein. Wie schon das
Wort «beurkunden» andeutet, muss der Schreibende durch die Niederschrift eine
Urkunde herstellen wollen, und zwar eine Urkunde gerade über die
niedergeschriebene Tatsache. Das ergibt sich deutlich auch aus den romanischen
Texten, in denen das Zeitwort «beurkunden» durch «constater dans un titre»
beziehungsweise «attestare in un documento» wiedergegeben ist. Eine Urkunde
(titre, documento) aber liegt nur vor, wenn die Schrift bestimmt oder geeignet
ist, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen (Art. 110 Ziff. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
1    Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
2    Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben.
3    Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben.
3bis    Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.155
4    Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient.
5    Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden.
6    Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet.
7    Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft.

StGB). Beurkundet ist daher eine rechtlich erhebliche Tatsache nur, wenn die
Schrift bestimmt oder geeignet ist, gerade diese Tatsache zu beweisen. Das
Strafgesetzbuch von Frankreich drückt in Art. 147 die gleiche Auffassung
dadurch aus, dass es unter anderem strafbar erklärt die Personen, die eine
Fälschung begehen «par addition ou altération de clauses, de déclarations ou
de faits que ces actes avaient pour objet de recevoir et de constater».
Rechtsprechung und Doktrin legen diese Bestimmung dahin aus, dass nicht jede
Niederschrift einer Lüge,

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sogar dann nicht, wenn sie in einer öffentlichen Urkunde erfolgt, eine
strafbare Falschbeurkundung ist, dass eine solche vielmehr nur dann vorliegt,
wenn die Urkunde gerade dazu bestimmt ist, die erlogene Tatsache aufzunehmen
und festzustellen (GARRAUD, Traité du droit pénal français (3) 4 1364, 1366;
GARÇON, Code pénal Art. 145-147 Bem. 184). Nicht um des Inhaltes einer Schrift
selbst willen, sondern um des Glaubens willen, den die Schrift als Mittel zum
Beweis einer rechtlich erheblichen Tatsache soll verdienen können, ist die
Falschbeurkundung mit Strafe bedroht.
Das Obergericht, das auf die Erwägungen des Kriminalgerichts verweist, geht
deshalb fehl, wenn es eine Falschbeurkundung darin erblickt, dass der
Beschwerdeführer durch die Abtretungserklärung vom 3. Juli 1942 «Bestand und
Verfügbarkeit (Art. 171 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 171 - 1 Bei der entgeltlichen Abtretung haftet der Abtretende für den Bestand der Forderung zur Zeit der Abtretung.
1    Bei der entgeltlichen Abtretung haftet der Abtretende für den Bestand der Forderung zur Zeit der Abtretung.
2    Für die Zahlungsfähigkeit des Schuldners dagegen haftet der Abtretende nur dann, wenn er sich dazu verpflichtet hat.
3    Bei der unentgeltlichen Abtretung haftet der Abtretende auch nicht für den Bestand der Forderung.
OR) bereits getilgter oder abgetretener
Forderungen» beurkundet habe. Das erwähnte Schriftstück sollte bloss beweisen,
dass der Beschwerdeführer die darin genannten Forderungen zu haben behauptete
und abzutreten erklärte, nicht auch, dass diese Forderungen wirklich bestanden
und dass er im Augenblick der Abtretung Gläubiger war. Daran ändert der
Umstand nichts, dass der Beschwerdeführer ausdrücklich die «unbedingte
Nachwährschaft bis zur gänzlichen Bezahlung» übernahm. Durch Aufnahme dieser
Erklärung in die Urkunde konnte und sollte bloss bewiesen werden, dass er für
den Bestand der Forderung und die Zahlungsfähigkeit der Schuldner einstehen
wollte, nicht auch, dass ihm im Augenblick der Abtretung die behaupteten
Forderungen wirklich zustanden. Obwohl der Beschwerdeführer wusste, dass eine
der Forderungen nie bestanden hatte, eine andere durch Zahlung untergegangen
war und zwei weitere vor dem 3. Juli 1942 einem andern Zessionar übertragen
worden waren, hat er sich somit durch Ausstellung der Abtretungserklärung vom
3. Juli 1942 nicht der Falschbeurkundung schuldig gemacht.
Er ist in diesem Zusammenhang auch nicht wegen

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Betruges strafbar, da die kantonalen Instanzen verbindlich feststellen, dass
die «abgetretenen» Forderungen bereits bestehende Schulden des
Beschwerdeführers sicherstellen sollten, und da weder die Strafklägerin noch
der öffentliche Ankläger behaupten, der Beschwerdeführer habe die Abtretung
schon vor der Einräumung der Kredite versprochen. Die Zessionarin ist durch
die Täuschung nicht bewogen worden, dem Beschwerdeführer eine Leistung zu
machen.
Von der Rückweisung der Sache an das Obergericht, damit es wegen des erwähnten
Freispruchs die Strafe neu bemesse, ist abzusehen. Die Ausstellung der
Abtretungserklärung ist neben den zahlreichen und schweren übrigen Taten, für
die der Beschwerdeführer bestraft worden ist, von derart untergeordneter
Bedeutung, dass sie das Strafmass nicht beeinflusst haben kann. Das
Obergericht würde wieder die gleiche Strafe aussprechen.