S. 118 / Nr. 36 Strafgesetzbuch (d)

BGE 72 IV 118

36. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. September 1946 i. S.
Dillier gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.


Seite: 118
Regeste:
1. Art. 137
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen,
StGB. Diebstahl an Sparheften, Bereicherungsabsicht Strafzumessung
(Erw. 1 und 2).
2. Art. 148
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.203
, 150
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 150 - Wer, ohne zu zahlen, eine Leistung erschleicht, von der er weiss, dass sie nur gegen Entgelt erbracht wird, namentlich indem er
StGB. Die Bestimmung über Zechprellerei ist nur anzuwenden,
wenn nicht jene über Betrug zutrifft (Erw. 3).
1. Art. 137 CP. Vol de carnets d'épargne, dessein d'enrichissement mesure de
la peine (consid. l et 2).
2. Art. 148, 150 CP. Il n'y a lieu d'appliquer la disposition sur la
filouterie d'auberge que si celle sur l'escroquerie n'est pas applicable
(consid. 3).
1. Art. 137 CP. Furto di libretti di risparmio; intenzione di arricchirsi,
commisurazione della pena (consid. l e 2).
2. Art. 148, 150 CP. La disposizione sulla frode dello scotto è applicabile
soltanto se non ricorrono gli estremi previsti da quella della truffa.

Aus den Erwägungen:
1. ­ Dieb ist, wer eine fremde bewegliche Sache wegnimmt, um sich oder einen
andern damit unrechtmässig zu bereichern (Art. 137 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen,
StGB). Wer ein
Sparheft stiehlt, nimmt nicht Geld, sondern eine Urkunde weg, ist also
zunächst nicht um das Geld, auch nicht um die im Sparheft verurkundete
Forderung, sondern um den Besitz einer Urkunde bereichert. Diese hat aber für
ihn nicht bloss den Wert von Altpapier. Sie bietet ihm den Vorteil, das ihm
nicht zustehende Sparguthaben abheben zu können, weil die Bank berechtigt ist,
ohne weitere Prüfung der Legitimation Auszahlungen an den Inhaber zu machen,
und solche tatsächlich gewöhnlich auf blosse Vorweisung des Sparheftes hin
vornimmt. Dieser Vorteil stellt eine Bereicherung dar. Eine solche setzt nicht
voraus, dass der Vorteil, den sich der Täter verschafft hat, in Geldeswert
ausgedrückt werden könne. Wer sich z. B. Rationierungsausweise aneignet, ist
nicht bloss um deren Makulaturwert, sondern um den Vorteil, sich rationierte
Lebensmittel verschaffen zu können, bereichert. Dass er ihn nur durch eine
weitere strafbare Handlung, die

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missbräuchliche Verwendung der veruntreuten oder gestohlenen Ausweise,
ausnützen kann, ist unerheblich (BGE 70 IV 67). So kommt auch beim Diebstahl
eines Sparheftes nichts darauf an, dass der Vorteil, den es dem Dieb bietet,
in der Regel nur durch eine weitere strafbare Handlung, einen Betrug, nutzbar
gemacht werden kann.
Ist somit der Dieb eines Sparheftes nicht bloss um Altpapier, sondern um den
Besitz einer Urkunde bereichert, die ihm zwar nicht das Recht, aber die
tatsächliche Möglichkeit der Verfügung über das Sparguthaben gibt, so ist auch
seine Bereicherungsabsicht bei Begehung des Diebstahls nicht bloss auf den
Wert von Altpapier, sondern auf den erwähnten grösseren Vorteil gerichtet, und
zwar selbst dann, wenn der Täter bei der Wegnahme nicht vorhat, diesen Vorteil
auch auszunützen. Er weiss, dass man durch Vorweisung eines Sparheftes auf der
Bank Geld erhält. Die Absicht der Bereicherung geht also auf das Sparheft mit
diesem ihm anhaftenden Vorteil, selbst wenn er ihn gar nicht auszunützen
gedenkt. Wer ein Sparheft stiehlt, begeht daher etwas Strafwürdigeres, als wer
bloss Makulatur wegnimmt. Sein Verschulden ist grösser, was nach der Regel des
Art. 63
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 63 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn:
1    Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn:
a  der Täter eine mit Strafe bedrohte Tat verübt, die mit seinem Zustand in Zusammenhang steht; und
b  zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Taten begegnen.
2    Das Gericht kann den Vollzug einer zugleich ausgesprochenen unbedingten Freiheitsstrafe, einer durch Widerruf vollziehbar erklärten Freiheitsstrafe sowie einer durch Rückversetzung vollziehbar gewordenen Reststrafe zu Gunsten einer ambulanten Behandlung aufschieben, um der Art der Behandlung Rechnung zu tragen. Es kann für die Dauer der Behandlung Bewährungshilfe anordnen und Weisungen erteilen.
3    Die zuständige Behörde kann verfügen, dass der Täter vorübergehend stationär behandelt wird, wenn dies zur Einleitung der ambulanten Behandlung geboten ist. Die stationäre Behandlung darf insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern.
4    Die ambulante Behandlung darf in der Regel nicht länger als fünf Jahre dauern. Erscheint bei Erreichen der Höchstdauer eine Fortführung der ambulanten Behandlung notwendig, um der Gefahr weiterer mit einer psychischen Störung in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen zu begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Behandlung um jeweils ein bis fünf Jahre verlängern.
StGB in einer höheren Strafe zum Ausdruck kommen muss. Bei der
Strafzumessung ist auch zu berücksichtigen, ob er bei Begehung des Diebstahls
schon die Absicht hat, das Sparguthaben abzuheben. Noch schwerere Strafe
verdient der Täter, wenn er es dann tatsächlich abhebt, diesmal aber nach der
Regel des Art. 68
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 68 - 1 Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
1    Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
2    Ist die Veröffentlichung eines freisprechenden Urteils oder einer Einstellungsverfügung der Strafverfolgungsbehörde im öffentlichen Interesse, im Interesse des Freigesprochenen oder Entlasteten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Staatskosten oder auf Kosten des Anzeigers an.
3    Die Veröffentlichung im Interesse des Verletzten, Antragsberechtigten, Freigesprochenen oder Entlasteten erfolgt nur auf deren Antrag.
4    Das Gericht bestimmt Art und Umfang der Veröffentlichung.
StGB, weil sich an den Diebstahl ein Betrug durch Täuschung
der Bank anreiht.
2. ­ Wenn es also zwar nicht angeht, die durch den Diebstahl eines Sparheftes
beabsichtigte und durch ihn verwirklichte Bereicherung in Geldeswert
auszudrücken, als ob der Dieb nach der Wegnahme des Heftes schon das Geld in
Händen hätte, so ändert dies doch an der Richtigkeit der ausgesprochenen
Strafe im vorliegenden Falle nichts. Nach der verbindlichen Feststellung der
Vorinstanz hatte es der Beschwerdeführer schon bei der

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Wegnahme der Sparhefte auf die Einlagen abgesehen. Tatsächlich hat er nachher
ab dem einen Sparheft fünfhundert Franken abgehoben und die beiden andern nur
aus Furcht vor Entdeckung oder wegen seiner Verhaftung vorderhand nicht zum
vorgesehenen Zwecke gebraucht oder gebrauchen können. Eine Strafe, die nur dem
Makulaturwert der Sparhefte Rechnung trüge, wäre mit Art. 63
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 63 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn:
1    Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn:
a  der Täter eine mit Strafe bedrohte Tat verübt, die mit seinem Zustand in Zusammenhang steht; und
b  zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Taten begegnen.
2    Das Gericht kann den Vollzug einer zugleich ausgesprochenen unbedingten Freiheitsstrafe, einer durch Widerruf vollziehbar erklärten Freiheitsstrafe sowie einer durch Rückversetzung vollziehbar gewordenen Reststrafe zu Gunsten einer ambulanten Behandlung aufschieben, um der Art der Behandlung Rechnung zu tragen. Es kann für die Dauer der Behandlung Bewährungshilfe anordnen und Weisungen erteilen.
3    Die zuständige Behörde kann verfügen, dass der Täter vorübergehend stationär behandelt wird, wenn dies zur Einleitung der ambulanten Behandlung geboten ist. Die stationäre Behandlung darf insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern.
4    Die ambulante Behandlung darf in der Regel nicht länger als fünf Jahre dauern. Erscheint bei Erreichen der Höchstdauer eine Fortführung der ambulanten Behandlung notwendig, um der Gefahr weiterer mit einer psychischen Störung in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen zu begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Behandlung um jeweils ein bis fünf Jahre verlängern.
StGB nicht
vereinbar. Die Vorinstanz hat, wie es richtig war, berücksichtigt, dass der
Beschwerdeführer nicht Altpapier, sondern Sparhefte gestohlen hat. Sie hätte
diesem Umstand sogar dann Rechnung tragen müssen, wenn der Beschwerdeführer es
nicht schon im Augenblick des Diebstahls auf die Einlagen abgesehen gehabt
hätte.
3. ­ Der Beschwerdeführer anerkennt, dass seine Handlungen zum Nachteil von
Stader, Vogelsanger und Elisabeth Kurtansky an sich den Tatbestand des
Betruges erfüllen, hält jedoch die Bestimmung über Zechprellerei (Art. 150
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StGB Art. 150 - Wer, ohne zu zahlen, eine Leistung erschleicht, von der er weiss, dass sie nur gegen Entgelt erbracht wird, namentlich indem er

StGB) für anwendbar, weil er in ihr eine Sondernorm erblickt, die dem Art. 148
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StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.203

StGB vorgehe. Art. 150
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 150 - Wer, ohne zu zahlen, eine Leistung erschleicht, von der er weiss, dass sie nur gegen Entgelt erbracht wird, namentlich indem er
StGB ist indessen nicht erlassen worden, um bestimmte
Fälle von Betrug durch mildere Strafdrohung und durch das Erfordernis eines
Strafantrages zu privilegieren, sondern um dem Wirte einen zusätzlichen Schutz
zu gewähren für Fälle, die von der Bestimmung über Betrug nicht erfasst
werden, weil deren besondere Tatbestandsmerkmale, namentlich die arglistige
Irreführung durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen, fehlen. Ist,
wie im vorliegenden Falle, der Tatbestand des Betruges erfüllt, so verdient
der Täter die Strafe des Betruges und ist vom Amtes wegen zu verfolgen.