S. 9 / Nr. 4 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 72 III 9

4. Entscheid vom 14. Februar 1946 i.S. Bolliger.

Regeste:
Grundpfandbetreibung gegen einen angeblichen Erben, anderseits Eröffnung der
konkursamtlichen Liquidation der Erbschaft zufolge einer von jenem nach der
gesetzlichen Frist erklärten auf Art. 566 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 566 - 1 Die gesetzlichen und die eingesetzten Erben haben die Befugnis, die Erbschaft, die ihnen zugefallen ist, auszuschlagen.
1    Die gesetzlichen und die eingesetzten Erben haben die Befugnis, die Erbschaft, die ihnen zugefallen ist, auszuschlagen.
2    Ist die Zahlungsunfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes amtlich festgestellt oder offenkundig, so wird die Ausschlagung vermutet.
und Art. 576
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 576 - Aus wichtigen Gründen kann die zuständige Behörde den gesetzlichen und den eingesetzten Erben eine Fristverlängerung gewähren oder eine neue Frist ansetzen.
ZGB gestützten
Ausschlagung. Hat der Betriebene die Aberkennungsklage versäumt, so bleibt die
Betreibung trotz des Erbschaftskonkurses bestehen. Wird der letztere mangels
Aktiven eingestellt und geschlossen, so hindert die Grundpfandbetreibung den
Kanton, nach Art. 133 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 576 - Aus wichtigen Gründen kann die zuständige Behörde den gesetzlichen und den eingesetzten Erben eine Fristverlängerung gewähren oder eine neue Frist ansetzen.
VZG über das Grundstück zu verfügen.
Poursuite en réalisation du gage contre un héritier présumé. Ouverture de la
liquidation de la succession selon les règles de la faillite, cet héritier
ayant déclaré, après le délai légal répudier la succession en vertu des art.
566 al. 2 et 576 CC. Si le poursuivi a négligé d'intenter l'action en
libération de dette la poursuite subsiste malgré la faillite de la succession.
La faillite étant close pour insuffisance des biens, la poursuite en
réalisation du gage empêche le canton de disposer de l'immeuble en vertu de
l'art 133 al 2 ORI.
Esecuzione in via di realizzazione del pegno contro un erede presunto.
Apertura della liquidazione della successione secondo le norme del fallimento,
poichè quest'erede ha dichiarato, dopo il termine legale, di ripudiare la
successione in virtù degli art. 566 cp. 2 e 576 CC. Se l'escusso ha omesso di
promuovere l'azione di disconoscimento di debito, l'esecuzione sussiste
nonostante il fallimento della successione. Se il fallimento è chiuso per
insufficienza di beni, l'esecuzione in via di realizzazione del pegno
impedisce il Cantone di disporre del fondo in virtù dell'art. 133 cp. 2 RRF.

A.­Der Nachlass des am 11. Januar 1945 verstorbenen Rudolf Amweg wurde von
seinen Söhnen am 16. März,

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von seiner Tochter, der Rekurrentin, erst am 30. April, freilich mit Hinweis
auf Art. 566 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 566 - 1 Die gesetzlichen und die eingesetzten Erben haben die Befugnis, die Erbschaft, die ihnen zugefallen ist, auszuschlagen.
1    Die gesetzlichen und die eingesetzten Erben haben die Befugnis, die Erbschaft, die ihnen zugefallen ist, auszuschlagen.
2    Ist die Zahlungsunfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes amtlich festgestellt oder offenkundig, so wird die Ausschlagung vermutet.
und Art. 576
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 576 - Aus wichtigen Gründen kann die zuständige Behörde den gesetzlichen und den eingesetzten Erben eine Fristverlängerung gewähren oder eine neue Frist ansetzen.
ZGB, ausgeschlagen. Am 20. April hatte Albert
Bosshard für das Restkapital eines Schuldbriefes Betreibung auf
Grundpfandverwertung mit Mietzinssperre gegen die Rekurrentin « als einzige
Erbin » angehoben. Er erhielt am 29. Mai 1945 provisorische Rechtsöffnung, und
eine Aberkennungsklage unterblieb. Anderseits nahm der Richter für
nichtstreitige Rechtssachen die Ausschlagungserklärung der Rekurrentin
entgegen und meldete dem Konkursrichter, die Erbschaft sei nunmehr von allen
nächsten Erben ausgeschlagen, worauf dieser am 15. Mai 1945 die
konkursamtliche Liquidation der Erbschaft anordnete. Indessen wurde diese
Liquidation am 23. Mai mangels Aktiven eingestellt und am 13. Juni mangels
Vorschussleistung der Gläubiger geschlossen. Bosshard hatte am 7. Juni beim
Konkursamte vorsorglich und unter Vorbehalt seiner Gläubigerrechte gegen die
Rekurrentin die Durchführung einer nur das Pfandgrundstück erfassenden
Spezialliquidation beantragt. Das Konkursamt hatte aber diesen Antrag als
unzulässig erachtet und war darauf nicht eingetreten.
B.­Die Grundpfandbetreibung blieb hängig. Am 27. August 1945 erhielt der
Pfandgläubiger Bosshard vom Betreibungsamt eine Abschlagszahlung von Fr.
500.­. Am 17. September 1945 verfügte dann aber die Finanzdirektion des
Kantons Zürich in Anwendung von Art. 133 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 576 - Aus wichtigen Gründen kann die zuständige Behörde den gesetzlichen und den eingesetzten Erben eine Fristverlängerung gewähren oder eine neue Frist ansetzen.
VZG die konkursamtliche
Verwertung des Pfandgrundstücks. Angesichts der hierauf vom Konkursamt
erlassenen Bekanntmachung führte Bosshard Beschwerde mit dem Antrag auf
Aufhebung des konkursamtlichen Verwertungsverfahrens. Das Konkursamt stellte
seinerseits den Beschwerdeantrag auf Aufhebung der beim Betreibungsamt
hängigen Grundpfandbetreibung. Die erste Beschwerdeinstanz entsprach weder dem
einen noch dem andern dieser Anträge, die obere kantonale Aufsichtsbehörde
dagegen hiess am 15. Januar 1946 den erwähnten Antrag des Pfandgläubigers gut
und wies das Konkursamt

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an, die Verwertungsmassnahmen einzustellen, im wesentlichen aus folgenden
Gründen: Die Grundpfandbetreibung ist in Rechtskraft erwachsen. Die
Rekurrentin hat übrigens die Ausschlagungsfrist versäumt, ohne
Fristerstreckung zu erlangen. Auf alle Fälle ist sie mit der Einrede der
Ausschlagung ausgeschlossen, nachdem sie die Aberkennungsklage versäumt hat.
Die Eröffnung der konkursamtlichen Liquidation der Erbschaft tut der
Grundpfandbetreibung keinen Abbruch. Die Verfügung der kantonalen
Finanzdirektion, auf die sich das Konkursamt stützt, ist nicht massgebend. Sie
hat zur Voraussetzung, dass das Pfandgrundstück herrenlos sei. Das trifft hier
angesichts der rechtskräftigen Grundpfandbetreibung gegen die Rekurrentin als
Erbin nicht zu.
C. ­ Diese zieht den kantonalen Entscheid an das Bundesgericht weiter. Sie
hält daran fest, dass die konkursamtliche Verwertung durchzuführen und die
Grundpfandbetreibung aufzuheben sei.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Mit der Vorinstanz ist von der Rechtskraft der Grundpfandbetreibung
auszugehen. Die Einrede der Rekurrentin, sie sei nicht als Erbin in die
Verpflichtungen und in das Eigentum des Erblassers eingetreten, ist
zivilrechtlicher Natur. Sie war mit Rechtsvorschlag geltend zu machen, wie
dies auch geschehen ist. Wenn alsdann die Rekurrentin gegenüber der dem
Pfandgläubiger mit Recht oder Unrecht erteilten provisorischen Rechtsöffnung
nicht Aberkennungsklage einreichte, so wurde die Rechtsöffnung nach Art. 83
Abs. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 83 - 1 Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
1    Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
2    Der Betriebene kann indessen innert 20 Tagen nach der Rechtsöffnung auf dem Weg des ordentlichen Prozesses beim Gericht des Betreibungsortes auf Aberkennung der Forderung klagen.161
3    Unterlässt er dies oder wird die Aberkennungsklage abgewiesen, so werden die Rechtsöffnung sowie gegebenenfalls die provisorische Pfändung definitiv.162
4    Zwischen der Erhebung und der gerichtlichen Erledigung der Aberkennungsklage steht die Frist nach Artikel 165 Absatz 2 still. Das Konkursgericht hebt indessen die Wirkungen des Güterverzeichnisses auf, wenn die Voraussetzungen zu dessen Anordnung nicht mehr gegeben sind.163
SchKG eine endgültige. Diese Wirkung kann nicht hinterher auf dem
Beschwerdewege beseitigt werden.
In einem innern Widerspruch zum Rechtsöffnungsentscheid in der
Grundpfandbetreibung gegen die Rekurrentin steht allerdings die vom
Konkursrichter angeordnete konkursamtliche Liquidation der Erbschaft. Diese
Anordnung

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setzt die wirksame Ausschlagung der Erbschaft durch alle nächsten Erben
voraus. Der Pfandgläubiger Bosshard hätte gegen das Konkurserkenntnis nach
Art. 174
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 174 - 1 Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO344 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
1    Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO344 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
2    Die Rechtsmittelinstanz kann die Konkurseröffnung aufheben, wenn der Schuldner seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht und durch Urkunden beweist, dass inzwischen:
1  die Schuld, einschliesslich der Zinsen und Kosten, getilgt ist;
2  der geschuldete Betrag beim oberen Gericht zuhanden des Gläubigers hinterlegt ist; oder
3  der Gläubiger auf die Durchführung des Konkurses verzichtet.
3    Gewährt sie der Beschwerde aufschiebende Wirkung, so trifft sie gleichzeitig die zum Schutz der Gläubiger notwendigen vorsorglichen Massnahmen.
/194
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 194 - 1 Die Artikel 169, 170 und 173a-176 sind auf die ohne vorgängige Betreibung erfolgten Konkurseröffnungen anwendbar. Bei Konkurseröffnung nach Artikel 192 ist jedoch Artikel 169 nicht anwendbar.
1    Die Artikel 169, 170 und 173a-176 sind auf die ohne vorgängige Betreibung erfolgten Konkurseröffnungen anwendbar. Bei Konkurseröffnung nach Artikel 192 ist jedoch Artikel 169 nicht anwendbar.
2    Die Mitteilung an das Handelsregisteramt (Art. 176) unterbleibt, wenn der Schuldner nicht der Konkursbetreibung unterliegt.
SchKG Berufung einlegen können. Dass er dies nicht tat, ist
indessen nicht als Verzicht auf jene Grundpfandbetreibung zu betrachten. Trotz
des innern Widerspruchs waren die beiden Verfahren nicht schlechthin
unvereinbar. Die Konkursmasse (sofern es zur Durchführung des Konkurses
gekommen wäre) hätte für sich die Stellung einer Dritteigentümerin in der
Grundpfandbetreibung beanspruchen können. (In einem allfälligen
Widerspruchsverfahren über die Eigentumsfrage wäre wohl gerichtlich
entschieden worden, ob die Erbschaft wirksam von der Rekurrentin ebenso wie
von ihren Brüdern ausgeschlagen sei; die Verneinung dieser Frage hätte
gegebenenfalls zum Widerruf des Konkurses nach Art. 196
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 196 - Die konkursamtliche Liquidation einer ausgeschlagenen Erbschaft wird überdies eingestellt, wenn vor Schluss des Verfahrens ein Erbberechtigter den Antritt der Erbschaft erklärt und für die Bezahlung der Schulden hinreichende Sicherheit leistet.
SchKG Veranlassung
gegeben, während bei gegenteiligem Ausgang der Pfandgläubiger wohl die
Grundpfandbetreibung zurückgezogen hätte, um sich nicht weiteren gerichtlichen
Vorkehrungen der Rekurrentin auszusetzen). Jedoch kam es eben nicht zur
Durchführung des Erbschaftskonkurses und zur Bildung einer
Erbschafts-Konkursmasse. Mit dem bloss vorsorglich beim Konkursamt gestellten
Gesuch um Einschränkung der Liquidation auf das Pfandgrundstück, wobei er die
Gläubigerrechte gegenüber der Rekurrentin noch ausdrücklich vorbehielt,
verzichtete Bosshard nicht geradewegs auf die Pfandbetreibung. Diese wäre nur
hinfällig geworden bei tatsächlicher Durchführung einer solchen
Spezialliquidation im Erbschaftskonkurse. Da aber das Konkursamt auf das
Gesuch nicht eintrat, kommt diesem keine weitere Bedeutung mehr zu.
Der Weiterführung der Grundpfandbetreibung steht nun auch die von der
kantonalen Finanzdirektion in Anwendung von Art. 133 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 576 - Aus wichtigen Gründen kann die zuständige Behörde den gesetzlichen und den eingesetzten Erben eine Fristverlängerung gewähren oder eine neue Frist ansetzen.
VZG verfügte
konkursamtliche Verwertung der Pfandliegenschaft nicht entgegen. Vielmehr ist
diese Verfügung angesichts jener in Rechtskraft erwachsenen Betreibung als
gegenstandslos anzusehen. Sie

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könnte sich nur auf Grundstücke beziehen, die sonst herrenlos und nach
Einstellung und Schliessung der konkursamtlichen Liquidation der Erbschaft in
kein Vollstreckungsverfahren einbezogen wären. Davon ist, in Übereinstimmung
mit dem Bescheid des Bundesgerichts vom 5. November 1945 an das zürcherische
Inspektorat für die Konkursämter 1, wohl auch die kantonale Finanzdirektion
ausgegangen. Dass sie von der hängigen Grundpfandbetreibung gegen die
Rekurrentin als « einzige Erbin » etwas gewusst hätte, ist den Akten nicht zu
entnehmen. Wie dem aber auch sei, stand der Finanzdirektion auf Grund von Art.
133 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 576 - Aus wichtigen Gründen kann die zuständige Behörde den gesetzlichen und den eingesetzten Erben eine Fristverlängerung gewähren oder eine neue Frist ansetzen.
VZG nicht zu, in die Grundpfandbetreibung einzugreifen und zu
verfügen, statt in dieser Betreibung sei das Grundstück konkursamtlich zu
verwerten. Es handelt sich nach der erwähnten Vorschrift überhaupt nicht um
eine Verfügung kraft Aufsichtsgewalt über Betreibungs- und Konkursämter,
sondern um die Verfügung des Gebietsherrn über ein ihm als herrenlos
verfallenes Grundstück. Nur unter dieser Voraussetzung soll, wenn der Staat
das Grundstück nicht mit den darauf ruhenden Lasten zu Eigentum übernehmen
will, entweder für die Verwertung durch das Konkursamt oder für eine gehörige
Verwaltung durch einen Beistand gesorgt werden, gegen den dann auch
Betreibungen auf Grundpfandverwertung gehen können, indem er an Stelle des
weggefallenen Eigentümers steht. Derartige Massnahmen sind aber weder
notwendig noch auch nur zulässig, wenn und solange eine das Grundstück als
Pfand betreffende Betreibung gegen einen wirklichen oder angeblichen Erben im
Gange ist.
Das führt zur Bestätigung des vorinstanzlichen Entscheides ohne Stellungnahme
zu der zivilrechtlichen Einrede der Rekurrentin, worüber die Aufsichtsbehörden
nicht zu entscheiden haben.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.