S. 405 / Nr. 62 Obligationenrecht (d)

BGE 72 II 405

62. Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. Dezember 1946 i. S. Compagnie
Commerciale Tangeroise gegen Compagnie Grainière S.A.


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Regeste:
Kauf, Gewährleistungspflicht, internationales Privatrecht.
Arrestprosequierungsklage für Gewährleistungsanspruch aus internationalem
Kauf.
Abgrenzung der Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts, Art. 43 OG (Erw. 2).
Anwendbares Recht
­auf die Gewährleistungspflicht des ausländischen Verkäufers (Erw. 3-6)
­auf Form und Fristen des Rügeverfahrens (Erw. 6);
­auf die Verjährung des Gewährleistungsanspruchs; Ablehnung des an sich
anwendbaren ausländischen Rechts (internationale Zone von Tanger) aus Gründen
der schweizerischen öffentlichen Ordnung (Erw. 7 und 8).
Vente, obligation de garantie, droit international privé.
Demande en validation de séquestre ayant pour objet une action en garantie
découlant d'un marché international.
Etendue du pouvoir de contrôle du Tribunal fédéral, art. 43 OJ (consid. 2).
Droit applicable
­à l'obligation de garantie du vendeur étranger (consid. 3-5)
­à la forme et aux délais de la procédure de vérification (consid. 6)
­à la prescription de l'action en garantie; refus d'appliquer la loi étrangère
en principe compétente (zone internationale de Tanger), pour des motifs tirés
de l'ordre public suisse (consid. 7 et 8).
Vendita, obbligo di garanzia, diritto internazionale privato.
Aziono di convalida del sequestro por garanzia a dipendenza d'un contratto di
vendita internazionale.
Estensione del sindacato del Tribunale federale, art. 43 OGF (consid. 2).
Diritto applicabile
­all'obbligo di garanzia del venditore estero (consid. 3-5);
­alla forma e ai termini della procedura di verifica (consid. 6)
­alla prescrizione dell'azione di garanzia; rifiuto d'applicare la legge
estera applicabile in sè (zona internazionale di Tangeri) per motivi basati
sull'ordine pubblico svizzero (consid. 7 e 8).

A. ­ Im Dezember 1941 kaufte die Compagnie Grainière S.A. in Zürich durch
Vermittlung der Société d'agence, de représentation et de courtage (SAREC), in
Marseille, bei der Compagnie commerciale Tangeroise in Tanger 10000 kg
Thonkonserven. Die Ware wurde verkauft «wagon Oran, agréage par une personne
qui sera désignée

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ultérieurement». Mit dieser Prüfung und Genehmigung wurde ein gewisser Pochon
in Tanger betraut. Die Abwicklung dieses ersten Geschäftes ging ohne
Schwierigkeiten vor sich.
Im Jahre 1942 kam wiederum durch Vermittlung der SAREC zwischen den gleichen
Parteien ein weiteres Geschäft über 16000 kg Thon zustande. Die SAREC
telegraphierte am 17. Januar 1942 im Auftrage der Grainière, diese kaufe die
16 t zu Fr. 8.­ per kg, und fügte bei: «Expédiez comme précédemment». Die
Firma in Tanger kabelte zurück, sie habe Pochon zur Abnahme der Ware bestellt.
Am 19. Januar 1942 bestätigte die SAREC der Grainière den Kaufsabschluss
«wagon Tanger, certificat d'agréage émis par Pochon, à Tanger»,. In der Frage,
durch wen die Abnahme der Ware zu geschehen habe, hatte es jedoch offenbar ein
Missverständnis gegeben zwischen der Käuferin und der SAREC. Denn die Käuferin
hatte ebenfalls am 19. Januar die Société générale de surveillance S.A.
(Supervise) in Oran mit der Prüfung und Genehmigung beauftragt. Tatsächlich
nahm jedoch nicht diese, sondern Pochon die Prüfung der bereits auf Bahnwagen
verladenen Ware am 21. Januar in Tanger vor und stellte das
Genehmigungszertifikat dafür aus.
Auf Grund dieses Zertifikats wurde das von der Käuferin gestellte Akkreditiv
freigegeben und der Verkäuferin der Betrag von Fr. 130893.60 ausbezahlt.
Die Ware langte am 14. März 1942 in Genf an. Am 17. März liess die Käuferin
der Verkäuferin telegraphieren, sie stelle ihr 475 Kisten zu je 50 Büchsen als
nicht vertragskonform zur Verfügung. Diese Mitteilung bestätigte sie mit
Schreiben vom 23. März. Nach ihrer Darstellung war der Thon ausgetrocknet und
zum Teil verdorben. Ausserdem handelte es sich um «miettes de thon», d. h. um
eine Ware geringerer Qualität als vereinbart. Ferner trugen die Büchsen nicht
die Aufschrift «huile d'olive» und hatten keine Etiketten; eine grosse Zahl
von Büchsen ermangelte einer Vorrichtung zum Öffnen und bei einem Teil der
Büchsen, die eine solche aufwiesen, fehlte der Schlüssel.

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Die Verkäuferin lehnte jedoch unter Berufung auf die Abnahme der Ware durch
Pochon die Beanstandung ab. Die weitere Korrespondenz der Parteien führte zu
keiner Einigung.
Am 22. Mai 1942 teilte die Käuferin der Verkäuferin mit, dass sie über die zur
Verfügung der letzteren in Genf eingelagerte Ware eine gerichtliche Expertise
verlangt habe. Diese Expertise wurde am 28. Mai durchgeführt. Der Experte kam
in seinem Gutachten vom 2. Juni zum Ergebnis, dass die beanstandete Ware nicht
vertragskonform sei und die von der Käuferin geltend gemachten Mängel der
Verpackung aufweise. Den Wert der mangelhaften Ware schätzte der Experte auf
40 % des Kaufpreises.
Am 2. Juni wies die Verkäuferin die Käuferin unter Vorbehalt aller Rechte an,
die beanstandete Ware der Supervise in Genf auszuhändigen. In der Folge gelang
es der Verkäuferin, diese Ware anderweitig abzusetzen. Der Erlös daraus belief
sich nach ihren Angaben auf Fr. 23,520.
Bevor sich diese Differenzen zwischen den Parteien ergeben hatten, war
zwischen ihnen ein weiterer Vertrag abgeschlossen worden, wonach die Firma in
Tanger der Grainière S.A. Fisch- und Fleischkonserven zum kommissionsweisen
Verkauf übergab. Den Erlös aus dem Verkauf abzüglich ihrer Provision und
Spesen, d. h. Fr. 114415.­, bezahlte die Grainière S.A. auf ein Konto der
Kommittentin bei der Eidgenössischen Bank A.G. in Zürich ein.
B. ­ Am 26. Mai 1942 liess die Compagnie Grainière S.A. von dem Guthaben der
Compagnie Commerciale Tangeroise bei der Eidgenössischen Bank A.-G. den Betrag
von Fr. 30000.­ verarrestieren und hob am 5. Juni Betreibung an für den auf
die 475 zur Verfügung gestellten Kisten Thon entfallenden Kaufpreis
einschliesslich Frachtspesen von zusammen Fr. 27312.50 nebst Zins seit 23.
März 1942 und Arrestkosten. Die Betriebene erhob Rechtsvorschlag, worauf die
Grainière S.A. am 5. Oktober 1942 Klage auf Bezahlung von Fr. 27312.50 nebst
Zinsen und Arrestkosten einleitete.
Die Beklagte trug unter Berufung auf das Recht der

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internationalen Zone von Tanger auf Abweisung der Klage an. Sie machte
geltend, nach Art. 601 des Code des obligations de Tanger (CT) hafte der
Verkäufer nicht für a vices apparents», um die es sich hier handle; ferner sei
der Gewährleistungsanspruch verjährt, da gemäss Art. 605 CT die Geltendmachung
solcher Ansprüche innert der Frist von 30 Tagen seit der Übergabe der Ware zu
erfolgen habe....
a. ­ Mit Urteil vom 15. Juni 1945 schützte das Bezirksgericht Zürich die Klage
grundsätzlich im eingeklagten Betrage abzüglich des Wertes einer Kiste, da in
Wirklichkeit nicht 475, sondern nur 474 Kisten zur Verfügung gestellt worden
waren....
Das Gericht erklärte das schweizerische Recht als anwendbar mit der
Begründung, infolge der 1940/41 durch Spanien vorgenommenen eigenmächtigen
Umwandlung der internationalen Verwaltung von Tanger in eine rein spanische
könne einer schweizerischen Firma nicht zugemutet werden, sich dem Rechte von
Tanger zu unterwerfen, da die erforderlichen Garantien zur Zeit offensichtlich
nicht gegeben seien. Im weiteren nahm das Gericht den Standpunkt ein, die
Berufung der Beklagten auf die Abnahme der Ware durch Pochon stelle einen
Rechtsmissbrauch im Sinne von Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB dar; denn die Abnahme sei erfolgt,
als die Ware bereits verladen gewesen sei, also unter Umständen, die eine
richtige Prüfung gar nicht gestatteten, was der Beklagten bekannt gewesen sei.
Die Klägerin sei daher zu der nochmaligen Prüfung der Ware in Genf befugt
gewesen. Die auf Grund dieser Prüfung von der Klägerin erklärte Wandelung
bezeichnete das Gericht unter Hinweis auf die Feststellungen der vorsorglichen
Expertise als begründet.
D. ­ Die Berufung der Beklagten gegen diesen Entscheid wurde vom Obergericht
des Kantons Zürich mit Urteil vom 31. Mai 1946 abgewiesen. Das Obergericht
erklärte grundsätzlich das Recht von Tanger als anwendbar; dass dieses für die
Mängelrüge und Gewährleistungsklage kurze Fristen vorsehe, "widerspreche der
schweizerischen

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öffentlichen Ordnung nicht. Dagegen kam das Gericht zum Schlusse, auch nach
dem Recht von Tanger könne sich die Beklagte nicht auf die Abnahme der Ware
durch Pochon berufen. Denn sie habe diese Abnahme unter Umständen vornehmen
lassen, die eine richtige Prüfung ausschlossen, und habe damit ihre Pflicht
als Geschäftsführerin für die Klägerin im Sinne von Art. 1312 ff. CT verletzt;
ausserdem verstosse ihre Berufung auf die Abnahme durch Pochon gegen das
gemäss Art. 66 CT auch nach dem Recht von Tanger geltende Gebot zum Handeln
nach Treu und Glauben. Auch das Obergericht billigte daher der Klägerin das
Recht zu, die Ware in Genf nochmals zu prüfen. In Bezug auf die Form und Frist
für die Mängelrüge und die Gewährleistungsklage erachtete das Gericht das
schweizerische Recht als anwendbar und wies daher die auf das Recht von Tanger
gestützte Verjährungseinrede der Beklagten ab. Materiell erklärte es die
Beanstandung der gelieferten Ware sowohl nach schweizerischem als nach
tangerischem Rechte als begründet.
E. ­ Mit der vorliegenden Berufung an das Bundesgericht beantragt die Beklagte
erneut die Abweisung der Klage, eventuell die Rückweisung der Sache an die
Vorinstanz zu neuer Entscheidung. Sie vertritt die Auffassung, das Obergericht
habe zu Unrecht auf die Frage der Verjährung der Gewährleistungsklage
schweizerisches Recht angewendet. Ferner hat sie als neues Aktenstück das
Prüfungszertifikat Pochon betreffend den ersten Vertrag vom Dezember 1941
vorgelegt, aus dem sich nach ihrer Ansicht ergibt, dass die Klägerin schon bei
der ersten Lieferung eine grosse Anzahl von Kisten mit «miettes de thon»
angenommen habe.
Die Klägerin trägt auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des
angefochtenen Entscheides an.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ .....
2. ­ Gemäss Art. 43 OG hat das Bundesgericht als Berufungsinstanz lediglich zu
prüfen, ob das

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eidgenössische Recht richtig ausgelegt worden ist. Dazu gehören auch die
schweizerischen internationalprivatrechtlichen Kollisionsnormen und
insbesondere die Vorbehaltsklausel des ordre public (BGE 67 II 218, 64 II 92,
56 II 180). Das eidgenössische Recht ist deshalb verletzt, wenn ein kantonales
Gericht eine Frage nach ausländischem Recht entschieden hat, die nach den
Kollisionsnormen des schweizerischen internationalen Privatrechts dem
materiellen schweizerischen Recht untersteht. In einem solchen Falle hat das
Bundesgericht den Rechtsstreit materiell auf Grund des eidgenössischen Rechtes
zu entscheiden. Eine Verletzung eidgenössischen Rechtes liegt aber auch vor,
wenn eine Frage, auf die nach den schweizerischen Kollisionsnormen
ausländisches Recht zur Anwendung zu gelangen hat, nach schweizerischem Recht
entschieden worden ist. Trifft dies zu, so hat das Bundesgericht den
angefochtenen Entscheid aufzuheben und den Fall entweder selber auf Grund des
anwendbaren ausländischen Rechts zu entscheiden oder ihn zu neuer Entscheidung
an das kantonale Gericht zurückzuweisen. Ergibt die Prüfung aber, dass die
Vorinstanz in richtiger Auslegung der schweizerischen Kollisionsnormen
ausländisches Recht zur Anwendung gebracht hat, so hat sich das Bundesgericht
nicht damit zu befassen, ob das ausländische Recht richtig ausgelegt worden
ist.
Anhand dieser Grundsätze ist vorerst von Amteswegen die Kognitionsbefugnis des
Bundesgerichtes in Bezug auf den vorliegenden Rechtsstreit zu untersuchen.
3. ­ Bei diesem handelt es sich um eine Arrestprosequierungsklage. Eine solche
ist zwar am Gerichtsstand des Arrestortes zu erheben, bleibt aber nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtes in materiellrechtlicher Hinsicht dem Rechte
unterstellt, welches für das Rechtsverhältnis massgebend ist, aus dem die dem
Arrest zugrunde liegende Forderung hergeleitet wird.
Dieses Grundverhältnis ist hier ein Kaufsgeschäft, und zwar dreht sich der
Streit zunächst darum, ob die Beklagte

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als Verkäuferin den Vertrag richtig erfüllt habe, und sodann darum, welche
Ansprüche der Klägerin als Käuferin aus einer allfälligen mangelhaften
Erfüllung des Geschäftes durch die Gegenpartei zustehen. Es handelt sich somit
um Fragen, welche die Wirkungen eines obligatorischen Rechtsgeschäfts
betreffen. Diese beurteilen sich gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts
nach dem Recht, das die Parteien durch ausdrückliche oder aus den Umständen
hervorgehende Vereinbarung als anwendbar erklärt haben. Eine ausdrückliche
Rechtskürung durch die Parteien fehlt hier jedoch, und wie die Vorinstanz
zutreffend ausführt, bieten die Akten auch keinen ausreichenden Anhaltspunkt
dafür, dass die Parteien beim Vertragsschluss übereinstimmend ein bestimmtes
Recht im Auge gehabt haben. Insbesondere kann aus dem Umstand, dass das
Geschäft in Schweizer Franken abgeschlossen worden ist, für sich allein nicht
ein übereinstimmender, auf die Unterstellung des ganzen Rechtsverhältnisses
unter schweizerisches Recht gerichteter Parteiwille abgeleitet werden. Denn
die Wahl der Schweizerwährung lässt sich ebensogut aus deren Kursbeständigkeit
erklären.
Lässt sich ein bestimmter Parteiwille nicht ermitteln, so findet das Recht
desjenigen Landes Anwendung, mit dem das Rechtsverhältnis den engsten
räumlichen Zusammenhang aufweist. Da unter den räumlichen Beziehungen dem
Erfüllungsort überragende Bedeutung zukommt, ist deshalb in der Regel das dort
geltende Recht als massgebend zu betrachten, es sei denn, dass die Umstände
des Falles die Beziehungen zu einem andern Lande als noch näher erscheinen
lassen (BGE 63 II 44, 307385). Der Erfüllungsort ist, da es sich um die
Qualifikation eines Anknüpfungsbegriffes handelt, der lex fori zu entnehmen
(BGE 63 II 44).
Im vorliegenden Falle befand sich der Erfüllungsort in Tanger. Dort war die
Ware zu übergeben gemäss der Vertragsklausel, wonach das Geschäft «wagon
Tanger» abgeschlossen wurde, und dort war ferner gemäss dem Vertrag

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die Prüfung und Abnahme der Ware vorzunehmen. Eine engere Beziehung zu einem
andern Land als dem des Erfüllungsortes ist nicht ersichtlich. Nach den
eingangs dargelegten Grundsätzen untersteht somit das Kaufsgeschäft der
Parteien dem Rechte von Tanger. Das auf den Kaufvertrag als solchen anwendbare
Recht ist sodann auch massgebend für die Gewährleistungspflicht des
Verkäufers. Die Frage des Bestehens einer Gewährleistungspflicht deren
Gegenstand und Umfang, mit einem Wort alle materiellrechtlichen Vorschriften
über die Gewährleistung, sind nach dem Kaufstatut zu entscheiden (BGE 49 II
75
). Mit Recht hat die Vorinstanz die Fragen, ob die Ware tatsächlich Mängel
aufwies und ob sich die Beklagte auf die Prüfung und Abnahme der Ware durch
Pochon berufen könne oder nicht, nach dem Rechte von Tanger entschieden.
4. ­ Die erste Instanz hat die Anwendung des Rechts von Tanger abgelehnt unter
Hinweis darauf, dass infolge der Besetzung des Gebiets von Tanger durch
Spanien die Rechtslage unklar sei. Diese Auffassung ist jedoch in
Übereinstimmung mit der Vorinstanz zurückzuweisen.
Durch das Abkommen von Paris vom 18. Dezember 1923 ist das Gebiet von Tanger
zur neutralen Zone erklärt worden, die zwar formell der Gebietshoheit des
Sultans von Marokko untersteht, für die aber ein besonderes
internationalrechtliches Statut gilt. Art. 48 des Abkommens sieht den Erlass
eines «Code des obligations et des contrats» vor, der durch ein speziell
geschaffenes Gericht, das «Tribunal mixte de Tanger» auf Angehörige fremder
Staaten angewendet werden soll (Textes organiques et codes de la zone de
Tanger, p. 33). Dieser Code ist durch den Sultan von Marokko am 15. Januar
1925 erlassen worden (Textes S. 93).
Während des zweiten Weltkrieges hat nun allerdings Spanien die Zone von
Tanger, offenbar in Verletzung der internationalen Abmachungen, militärisch
besetzt. Aus einer vom Vertreter der Beklagten durch Vermittlung des
eidgenössischen politischen Departements beigebrachten

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Bescheinigung des 1. Gerichtsschreibers des Tribunal mixte de Tanger vom 11.
September 1945 ist jedoch ersichtlich, dass trotz der Besetzung der code des
obligations in Kraft geblieben und weiterhin angewendet worden ist (Kant.
Doss. Act. 125/126).
Wie übrigens das Bundesgericht schon wiederholt entschieden hat, spielen die
Beziehungen der Schweiz mit einem fremden Staate und insbesondere das Bestehen
oder Nichtbestehen diplomatischer Beziehungen keine Rolle für die Anwendung
des internationalen Privatrechts. Ausschlaggebend ist, ob das Recht des
betreffenden Landes besteht und tatsächlich seine Wirkungen entfaltet (BGE 50
II 511
, 51 II 263, 55 I 291). Das trifft im vorliegenden Fall für das Recht
von Tanger zu.
5. ­ Soweit nach dem Vorstehenden das Recht von Tanger anwendbar und von der
Vorinstanz tatsächlich angewendet worden ist, fehlt dem Bundesgericht somit
gemäss den eingangs gemachten Darlegungen die Befugnis zur materiellen
Überprüfung des Streitfalles. Auf die Ausführungen der Berufungsschrift, mit
denen die Beklagte die Begründetheit der Mängelrüge erneut in die Diskussion
ziehen will, kann deshalb nicht eingetreten werden. Das von der Beklagten in
diesem Zusammenhang eingereichte neue Aktenstück muss übrigens schon deshalb
aus dem Recht gewiesen werden, weil nach Art. 55 Abs. 1 lit. c
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
OG neue
Beweismittel im Berufungsverfahren unzulässig sind.
6. ­ Nach dem massgebenden Recht von Tanger war die Klägerin gemäss dem
Entscheid der Vorinstanz zur Vornahme einer nochmaligen Prüfung und Rüge der
Ware befugt. Mit Rücksicht darauf, dass diese Prüfung in Genf erfolgte, hat
die Vorinstanz auf das Prüfungs- und Rügeverfahren das schweizerische Recht
angewendet. Die Beklagte ficht den Entscheid in dieser Hinsicht nicht an. Die
Frage ist jedoch von Amteswegen zu prüfen.
Das Bundesgericht hat schon wiederholt entschieden, dass für die Form und die
Fristen zur Prüfung der Kaufsache auf Mängel und zur Rüge solcher das Recht
des

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Ortes massgebend sei, wo sich die Ware zur Zeit der Prüfung befindet (BGE 56
II 44
ff.). Von dieser Einstellung abzugehen, besteht kein Anlass. Sie drängt
sich in der Tat auf, weil es einem Kaufmann nicht zuzumuten ist, die Prüfung
und Mängelrüge, die im Interesse der Geschäftsabwicklung rasch vor sich zu
gehen hat, nach einem andern als dem ihm vertrauten inländischen Recht
vorzunehmen. Zudem steht das Mängelrügeverfahren in engem Zusammenhang mit dem
Prozessrecht. Der Käufer, der die Mängel einer ihm von einem andern Ort her
zugesandten Sache zur Beweissicherung «gehörig» (Art. 204
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 204 - 1 Wenn die von einem anderen Orte übersandte Sache beanstandet wird und der Verkäufer an dem Empfangsorte keinen Stellvertreter hat, so ist der Käufer verpflichtet, für deren einstweilige Aufbewahrung zu sorgen, und darf sie dem Verkäufer nicht ohne weiteres zurückschicken.
1    Wenn die von einem anderen Orte übersandte Sache beanstandet wird und der Verkäufer an dem Empfangsorte keinen Stellvertreter hat, so ist der Käufer verpflichtet, für deren einstweilige Aufbewahrung zu sorgen, und darf sie dem Verkäufer nicht ohne weiteres zurückschicken.
2    Er soll den Tatbestand ohne Verzug gehörig feststellen lassen, widrigenfalls ihm der Beweis obliegt, dass die behaupteten Mängel schon zur Zeit der Empfangnahme vorhanden gewesen seien.
3    Zeigt sich Gefahr, dass die übersandte Sache schnell in Verderbnis gerate, so ist der Käufer berechtigt und, soweit die Interessen des Verkäufers es erfordern, verpflichtet, sie unter Mitwirkung der zuständigen Amtsstelle des Ortes, wo sich die Sache befindet, verkaufen zu lassen, hat aber bei Vermeidung von Schadenersatz den Verkäufer so zeitig als tunlich hievon zu benachrichtigen.
OR) feststellen
lassen will, soll die Möglichkeit haben, die Mitwirkung der zuständigen
Behörden in Anspruch zu nehmen; diese werden aber selbstverständlich nach den
Formen ihrer Rechtsordnung vorgehen.
7. ­ Nach der Ansicht der Beklagten hat die Vorinstanz jedoch, ohne eine
nähere Begründung zu geben, zu Unrecht auch die Frage der Verjährung des
Gewährleistungsanspruches nach schweizerischem Recht beurteilt, während diese
richtigerweise nach dem Recht von Tanger zu entscheiden sei. Nach diesem sei
die Klage verjährt, da sie nach Art. 605 CT innert 30 Tagen seit Ablieferung
der Ware erhoben werden müsse.
Das Bundesgericht hat in der Tat von jeher den Standpunkt eingenommen, die
Verjährung eines Anspruches richte sich nach dem Recht, dem das im Streit
liegende Schuldverhältnis materiell unterstehe (BGE 66 II 236, 59 II 358 und
dort erwähnte Entscheide). An dieser Lösung ist grundsätzlich festzuhalten.
Sie ist die logische Folge aus der für das kontinentale Rechtsgebiet allgemein
anerkannten Auffassung, dass die Verjährung nicht ein prozessualer
Rechtsbehelf sei, wie dies im englischen und amerikanischen Recht angenommen
wird, sondern ein Institut des materiellen Rechtes (vgl. auch OSER
SCHÖNENBERGER, Kommentar zum OR, 2. Aufl., Allgemeine Einleitung N. 35, sowie
BECKER, Kommentar zum OR, 2. Aufl., Vorbemerkungen zu den Art. 127-143 N. 8).

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Diese Regel gilt auch für die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen. Es ist
kein stichhaltiger Grund ersichtlich, weshalb an diese besondere
Verjährungsfrist ein anderer Massstab angelegt werden sollte (FRANKENSTEIN,
Internationales Privatrecht, Band 2, S. 315; FIORE, édit. française, Band 1,
S. 193, No. 157). Bei vorbehaltlosem Abstellen auf diese Grundsätze käme man
somit zum Ergebnis, dass die vorliegende Klage wegen Verjährung abzuweisen
sei, da die 30-tägige Klagefrist des Art. 605 CT nicht eingehalten ist.
Die Anwendung dieser Vorschrift verbietet sich indessen im vorliegenden Fall
aus Gründen der öffentlichen Ordnung. An sich ist nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichts allerdings eine Verjährungs- oder Verwirkungsfrist des
ausländischen Rechts nicht schon deswegen, weil sie mit der entsprechenden
Frist des schweizerischen Rechts nicht übereinstimmt, als unvereinbar mit der
schweizerischen öffentlichen Ordnung zu betrachten; denn solche Fristen
beruhen auf blossen Zweckmässigkeitsüberlegungen und berühren in der Regel das
Rechtsempfinden nicht in besonderem Masse. Das Bundesgericht hat deshalb
entschieden, es verstosse nicht gegen die schweizerische öffentliche Ordnung,
wenn das italienische Recht für die Ehenichtigkeitsklage keine
Verwirkungsfrist aufstelle (BGE 69 II 347), und dass die Frist für die
Vaterschaftsklage nach deutschem Recht länger sei als nach schweizerischem
Recht (BGE 41 II 423). Aus dieser Rechtsprechung darf aber nicht die
Schlussfolgerung gezogen werden, dass eine Abweichung in der Verjährungsfrist
unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung schlechthin belanglos sei.
Das Kriterium für die Entscheidung muss vielmehr darin erblickt werden, ob die
in Frage stehende Verschiedenheit zu einem Ergebnis führt, das elementare
Grundprinzipien des nationalen Rechtes am Gerichtsort verletzt und darum mit
dem einheimischen Rechtsempfinden in unerträglichem Widerspruch steht (BGE 68
II 380
f., 64 II 97 und dort erwähnte Entscheide). Ist dies der Fall, so muss
der

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Richter, gleich wie bei irgendeinem andern Rechtsinstitut, auch bei der
Verjährung einer vom einheimischen Recht abweichenden Regelung die Anerkennung
versagen. So hat z. B. auch das deutsche Reichsgericht, das grundsätzlich für
die Verjährung ebenfalls das den Vertrag als solchen beherrschende Recht
massgebend sein lässt, die im schweizerischen Recht angeordnete
Unverjährbarkeit einer Verlustscheinsforderung als mit der deutschen
öffentlichen Ordnung unvereinbar erklärt (RGZ 106 S. 82; 145 S. 129).
Im vorliegenden Fall erscheint nun die grosse zeitliche Differenz zwischen der
30-tägigen Frist des Rechts von Tanger und der in Art. 210
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 210 - 1 Die Klagen auf Gewährleistung wegen Mängel der Sache verjähren mit Ablauf von zwei Jahren nach deren Ablieferung an den Käufer, selbst wenn dieser die Mängel erst später entdeckt, es sei denn, dass der Verkäufer eine Haftung auf längere Zeit übernommen hat.
1    Die Klagen auf Gewährleistung wegen Mängel der Sache verjähren mit Ablauf von zwei Jahren nach deren Ablieferung an den Käufer, selbst wenn dieser die Mängel erst später entdeckt, es sei denn, dass der Verkäufer eine Haftung auf längere Zeit übernommen hat.
2    Die Frist beträgt fünf Jahre, soweit Mängel einer Sache, die bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk integriert worden ist, die Mangelhaftigkeit des Werkes verursacht haben.
3    Für Kulturgüter im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 200375 verjährt die Klage ein Jahr, nachdem der Käufer den Mangel entdeckt hat, in jedem Fall jedoch 30 Jahre nach dem Vertragsabschluss.
4    Eine Vereinbarung über die Verkürzung der Verjährungsfrist ist ungültig, wenn:
a  sie die Verjährungsfrist auf weniger als zwei Jahre, bei gebrauchten Sachen auf weniger als ein Jahr verkürzt;
b  die Sache für den persönlichen oder familiären Gebrauch des Käufers bestimmt ist; und
c  der Verkäufer im Rahmen seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt.
5    Die Einreden des Käufers wegen vorhandener Mängel bleiben bestehen, wenn innerhalb der Verjährungsfrist die vorgeschriebene Anzeige an den Verkäufer gemacht worden ist.
6    Der Verkäufer kann die Verjährung nicht geltend machen, wenn ihm eine absichtliche Täuschung des Käufers nachgewiesen wird. Dies gilt nicht für die 30-jährige Frist gemäss Absatz 3.
OR vorgesehenen
Frist von einem Jahre an sich schon als stossend. Der Unterschied ist um so
bedeutsamer, als es sich bei der Frist des Art. 605 CT im Gegensatz zu Art.
210
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 210 - 1 Die Klagen auf Gewährleistung wegen Mängel der Sache verjähren mit Ablauf von zwei Jahren nach deren Ablieferung an den Käufer, selbst wenn dieser die Mängel erst später entdeckt, es sei denn, dass der Verkäufer eine Haftung auf längere Zeit übernommen hat.
1    Die Klagen auf Gewährleistung wegen Mängel der Sache verjähren mit Ablauf von zwei Jahren nach deren Ablieferung an den Käufer, selbst wenn dieser die Mängel erst später entdeckt, es sei denn, dass der Verkäufer eine Haftung auf längere Zeit übernommen hat.
2    Die Frist beträgt fünf Jahre, soweit Mängel einer Sache, die bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk integriert worden ist, die Mangelhaftigkeit des Werkes verursacht haben.
3    Für Kulturgüter im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 200375 verjährt die Klage ein Jahr, nachdem der Käufer den Mangel entdeckt hat, in jedem Fall jedoch 30 Jahre nach dem Vertragsabschluss.
4    Eine Vereinbarung über die Verkürzung der Verjährungsfrist ist ungültig, wenn:
a  sie die Verjährungsfrist auf weniger als zwei Jahre, bei gebrauchten Sachen auf weniger als ein Jahr verkürzt;
b  die Sache für den persönlichen oder familiären Gebrauch des Käufers bestimmt ist; und
c  der Verkäufer im Rahmen seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt.
5    Die Einreden des Käufers wegen vorhandener Mängel bleiben bestehen, wenn innerhalb der Verjährungsfrist die vorgeschriebene Anzeige an den Verkäufer gemacht worden ist.
6    Der Verkäufer kann die Verjährung nicht geltend machen, wenn ihm eine absichtliche Täuschung des Käufers nachgewiesen wird. Dies gilt nicht für die 30-jährige Frist gemäss Absatz 3.
OR nicht um eine Verjährungs-, sondern um eine Verwirkungsfrist handelt.
Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 605 Abs. 1 CT, wonach die Klage a
«peine de déchéance» innert 30 Tagen seit Ablieferung der Ware anzuheben ist,
und wird bestätigt durch Abs. 4 des gleichen Artikels, der nur einzelne
Vorschriften des Kapitels VII über die Verjährung als anwendbar erklärt,
nämlich die Art. 433-437. Hieraus ist zu schliessen, dass die übrigen
Bestimmungen dieses Kapitels, insbesondere diejenigen über den Stillstand und
die Unterbrechung der Verjährung, nicht anwendbar sind. Die Verwirkung aber
zieht das vollständige Erlöschen des Anspruches nach sich mit der Folge, dass
er selbst einredeweise nicht mehr geltendgemacht werden kann. Diese Ordnung
steht in schroffstem Widerspruch nicht nur mit dem schweizerischen Recht,
sondern auch mit der in den übrigen kontinentalen Rechten geltenden Regelung.
Die entsprechende Verjährungsfrist des deutschen Rechtes (§ 477 BGB) und des
österreichischen Rechtes (Art. 933 ABGB) beträgt 6 Monate; diejenige des
italienischen Rechtes ist gleich wie im schweizerischen Recht auf 1 Jahr
bemessen. Der Entwurf des internationalen Instituts für

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Privatrecht in Rom für ein einheitliches Recht des Kaufvertrages sieht gar
eine Verjährungsfrist von 2 Jahren vor. Wenn das französische Recht in Art.
1648 CC eine bestimmte Verjährungs- oder Verwirkungsfrist nicht aufstellt,
sondern lediglich vorschreibt, der Käufer müsse innert kurzer Frist (à bref
délai) Klage erheben, so ist dies damit zu erklären, dass das französische
Recht keine Bestimmung kennt, die den Gewährleistungsanspruch des Käufers von
der Anzeige der Mängel an den Verkäufer abhängig macht.
Die Anwendung der Verwirkungsfrist des Art. 605 CT von nur 30 Tagen würde
zudem in zahlreichen Fällen den schweizerischen Käufer, der hinsichtlich des
Prüfungs- und Rügeverfahrens dem schweizerischen Recht untersteht, gewisser
Befugnisse berauben, die nach schweizerischer Rechtsauffassung eine
Beeinträchtigung nicht ertragen. Das OR sieht nämlich für die Mängelrüge keine
bestimmte, nach Tagen oder Wochen bemessene Frist vor. Die Prüfung hat
vielmehr nach Art. 201
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 201 - 1 Der Käufer soll, sobald es nach dem üblichen Geschäftsgange tunlich ist, die Beschaffenheit der empfangenen Sache prüfen und, falls sich Mängel ergeben, für die der Verkäufer Gewähr zu leisten hat, diesem sofort Anzeige machen.
1    Der Käufer soll, sobald es nach dem üblichen Geschäftsgange tunlich ist, die Beschaffenheit der empfangenen Sache prüfen und, falls sich Mängel ergeben, für die der Verkäufer Gewähr zu leisten hat, diesem sofort Anzeige machen.
2    Versäumt dieses der Käufer, so gilt die gekaufte Sache als genehmigt, soweit es sich nicht um Mängel handelt, die bei der übungsgemässen Untersuchung nicht erkennbar waren.
3    Ergeben sich später solche Mängel, so muss die Anzeige sofort nach der Entdeckung erfolgen, widrigenfalls die Sache auch rücksichtlich dieser Mängel als genehmigt gilt.
OR zu erfolgen, a sobald es nach dem üblichen
Geschäftsgang tunlich ist ',; sofern sich Mängel ergeben, hat der Käufer dem
Verkäufer davon sofort Anzeige zu machen. Treten Mängel, die bei der
übungsgemässen Untersuchung nicht erkennbar waren, nachträglich in
Erscheinung, so muss deren Anzeige beim Verkäufer sofort nach ihrer Entdeckung
erfolgen. Nun wird aber häufig eine Prüfung der Kaufsache nach dem üblichen
Geschäftsgang innert der Frist von 30 Tagen überhaupt nicht möglich sein, wie
z. B. beim Kauf grosser Maschinen, bei denen die Mängel erst einige Zeit nach
Inbetriebnahme auftreten können; ferner bei landwirtschaftlichen Maschinen,
wie Mähmaschinen, Dreschmaschinen, die im Frühling angeschafft, aber erst im
Sommer geprüft werden können, wenn man sie in Gebrauch nimmt, oder bei
Motorschneepflügen, deren Gebrauchsfähigkeit erst im Winter erprobt werden
kann. Würde auf die kurze und starre Frist von 30 Tagen abgestellt, so hätte
dies zur Folge, dass dem schweizerischen Käufer praktisch die Möglichkeit zur

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übungsgemässen Prüfung der Sache unter Umständen überhaupt genommen wäre. Die
gesetzliche Klagefrist wäre zu Ende, bevor sie praktisch zu laufen begonnen
hätte. Diese Gefahr wäre um so grösser, als man es immer mit internationalen
Geschäften zu tun hat, bei denen die Korrespondenz mit dem ausländischen
Verkäufer an sich gewisse mit der Beförderungsdauer zusammenhängende
Schwierigkeiten mit sich bringt.
Das Recht des Käufers, die gekaufte Sache im Rahmen des üblichen
Geschäftsganges zu prüfen und Mängel, die bei der übungsgemässen Prüfung nicht
erkennbar sind, auch nachträglich innert der Frist von längstens einem Jahr
seit Ablieferung der Ware noch geltendmachen zu können, beruht auf einem
fundamentalen Prinzip der schweizerischen Rechtsordnung. Diese hat wenn immer
möglich starre Präklusivfristen wie auch überholte Formalitäten und
Verfahrensvorschriften beseitigt und an deren Stelle einen allgemeinen
Rechtsgrundsatz treten lassen, den Grundsatz nämlich, dass im Gebiete des
Obligationenrechts und insbesondere des Handelsrechts niemand seines Rechtes
verlustig gehen kann, wenn seine Handlungsweise mit dem Gebot des Handelns
nach Treu und Glauben im Verkehr im Einklang steht und den Anforderungen der
durch die Umstände oder den ordentlichen Lauf der Dinge gebotenen Sorgfalt
genügt. Diese Rechtsauffassung ist im schweizerischen Rechtsempfinden derart
tief verwurzelt, dass eine Vorschrift des ausländischen Rechts, die sie
verletzt, als untragbar erscheint und darum vom schweizerischen Richter
gegenüber einem inländischen Käufer, der im übrigen Prüfung und Mängelrüge
nach schweizerischem Recht vorzunehmen befugt ist, nicht angewendet werden
kann.
8. ­ Ist somit die Frage der Verjährung aus Gründen der öffentlichen Ordnung
nach schweizerischem Recht zu entscheiden, so ist die vorliegende, am 5.
Oktober 1942 erhobene Klage rechtzeitig erfolgt; denn die Ware wurde am 14.
März 1942 in Genf abgeliefert, so dass mit der

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Klage die einjährige Frist des massgebenden Art. 210
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 210 - 1 Die Klagen auf Gewährleistung wegen Mängel der Sache verjähren mit Ablauf von zwei Jahren nach deren Ablieferung an den Käufer, selbst wenn dieser die Mängel erst später entdeckt, es sei denn, dass der Verkäufer eine Haftung auf längere Zeit übernommen hat.
1    Die Klagen auf Gewährleistung wegen Mängel der Sache verjähren mit Ablauf von zwei Jahren nach deren Ablieferung an den Käufer, selbst wenn dieser die Mängel erst später entdeckt, es sei denn, dass der Verkäufer eine Haftung auf längere Zeit übernommen hat.
2    Die Frist beträgt fünf Jahre, soweit Mängel einer Sache, die bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk integriert worden ist, die Mangelhaftigkeit des Werkes verursacht haben.
3    Für Kulturgüter im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 200375 verjährt die Klage ein Jahr, nachdem der Käufer den Mangel entdeckt hat, in jedem Fall jedoch 30 Jahre nach dem Vertragsabschluss.
4    Eine Vereinbarung über die Verkürzung der Verjährungsfrist ist ungültig, wenn:
a  sie die Verjährungsfrist auf weniger als zwei Jahre, bei gebrauchten Sachen auf weniger als ein Jahr verkürzt;
b  die Sache für den persönlichen oder familiären Gebrauch des Käufers bestimmt ist; und
c  der Verkäufer im Rahmen seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt.
5    Die Einreden des Käufers wegen vorhandener Mängel bleiben bestehen, wenn innerhalb der Verjährungsfrist die vorgeschriebene Anzeige an den Verkäufer gemacht worden ist.
6    Der Verkäufer kann die Verjährung nicht geltend machen, wenn ihm eine absichtliche Täuschung des Käufers nachgewiesen wird. Dies gilt nicht für die 30-jährige Frist gemäss Absatz 3.
OR gewahrt ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Soweit auf die Berufung eingetreten werden kann, wird sie abgewiesen und das
Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 31. Mai 1946 bestätigt.