S. 124 / Nr. 31 Strafgesetzbuch (d)

BGE 71 IV 124

31. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. Juli 1945 i.S. Winiger
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.

Regeste:
Art. 140 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.199
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.199
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr200 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
StGB, Art. 436
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 436 - 1 Bei Kommissionen zum Einkauf oder zum Verkauf von Waren, Wechseln und anderen Wertpapieren, die einen Börsenpreis oder Marktpreis haben, ist der Kommissionär, wenn der Kommittent nicht etwas anderes bestimmt hat, befugt, das Gut, das er einkaufen soll, als Verkäufer selbst zu liefern, oder das Gut, das er zu verkaufen beauftragt ist, als Käufer für sich zu behalten.
1    Bei Kommissionen zum Einkauf oder zum Verkauf von Waren, Wechseln und anderen Wertpapieren, die einen Börsenpreis oder Marktpreis haben, ist der Kommissionär, wenn der Kommittent nicht etwas anderes bestimmt hat, befugt, das Gut, das er einkaufen soll, als Verkäufer selbst zu liefern, oder das Gut, das er zu verkaufen beauftragt ist, als Käufer für sich zu behalten.
2    In diesen Fällen ist der Kommissionär verpflichtet, den zur Zeit der Ausführung des Auftrages geltenden Börsen- oder Marktpreis in Rechnung zu bringen und kann sowohl die gewöhnliche Provision als die bei Kommissionsgeschäften sonst regelmässig vorkommenden Unkosten berechnen.
3    Im Übrigen ist das Geschäft als Kaufvertrag zu behandeln.
OR. Veruntreuung von Kommissionsware
(Lotterielosen) und des Erlöses aus solcher, Zulässigkeit und Ausübung des
Selbsteintrittes durch den Verkaufskommissionär.
Art. 140 ch. 1 CP, art. 436 CO. Abus de confiance portant sur des marchandises
en consignation (billets de loterie) et sur le prix de celles-ci. Droit du
commissionnaire à la vente de se porter acheter Admissibilité et conditions
d'exercice de ce droit.
Art. 140, cifra 1 CP, art. 436 CO. Appropriazione indebita di merci in
consegna (biglietti di lotteria) e del loro ricavo. Diritto del commissionario
di rendersi acquirente. Ammissibilità e condizioni d'esercizio di questo
diritto.

Winiger erhielt vom luzernischen Depothalter der Interkantonalen
Landeslotterie Lose und Ziehungslisten in Kommission. Je etwa acht Tage vor
der Ziehung schickte ihm der Depothalter ein Rundschreiben mit der Weisung,
dass unverkaufte Lose der betreffenden Tranche bis zu einem bestimmten Tage
wieder im Besitze des Depothalters sein müssten und dass dieser nachher keine
Lose mehr zurücknehmen könne. Das Schreiben ersuchte den Empfänger ausserdem,
«den Gegenwert der verkauften und fest übernommenen Lose» dem Depothalter bis
zum gleichen Tage zu bezahlen. Winiger verkaufte einen Teil der Lose sowie die
Ziehungslisten. Den Erlös verbrauchte er für sich, und die unverkauften Lose
gab er nicht zurück, noch bezahlte er sie. Das Obergericht des Kantons Luzern
verurteilte ihn deswegen in Bestätigung eines Urteils des Kriminalgerichtes
wegen Veruntreuung im Sinne des Art. 140 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.199
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.199
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr200 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
StGB. Winiger erklärte die
Nichtigkeitsbeschwerde.

Seite: 125
Er machte unter anderem geltend, es. liege in bezug auf alle Lose,
insbesondere die unverkauften, rechtmässiger Selbsteintritt vor. Das
Bundesgericht verwarf diesen Standpunkt.
Aus den Erwägungen:
Bei Kommission zum Verkauf von Wertpapieren mit Marktpreis ist nach Art. 436
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 436 - 1 Bei Kommissionen zum Einkauf oder zum Verkauf von Waren, Wechseln und anderen Wertpapieren, die einen Börsenpreis oder Marktpreis haben, ist der Kommissionär, wenn der Kommittent nicht etwas anderes bestimmt hat, befugt, das Gut, das er einkaufen soll, als Verkäufer selbst zu liefern, oder das Gut, das er zu verkaufen beauftragt ist, als Käufer für sich zu behalten.
1    Bei Kommissionen zum Einkauf oder zum Verkauf von Waren, Wechseln und anderen Wertpapieren, die einen Börsenpreis oder Marktpreis haben, ist der Kommissionär, wenn der Kommittent nicht etwas anderes bestimmt hat, befugt, das Gut, das er einkaufen soll, als Verkäufer selbst zu liefern, oder das Gut, das er zu verkaufen beauftragt ist, als Käufer für sich zu behalten.
2    In diesen Fällen ist der Kommissionär verpflichtet, den zur Zeit der Ausführung des Auftrages geltenden Börsen- oder Marktpreis in Rechnung zu bringen und kann sowohl die gewöhnliche Provision als die bei Kommissionsgeschäften sonst regelmässig vorkommenden Unkosten berechnen.
3    Im Übrigen ist das Geschäft als Kaufvertrag zu behandeln.

OR dem Kommissionär gestattet, selbst als Käufer einzutreten. Diese Vorschrift
behält indes eine andere Bestimmung des Kommittenten vor. Es steht somit dem
Kommittenten frei, den Selbsteintritt des Kommissionärs zu verbieten oder
bloss unter bestimmten Voraussetzungen zuzulassen. Eine solche Beschränkung
hat als stillschweigend angeordnet zu gelten, wenn und soweit der
Selbsteintritt in einer dem Kommissionär erkennbaren Weise den Interessen des
Kommittenten widerspräche, denn der Kommissionär darf nicht annehmen, dass der
Kommittent etwas erlauben wolle, was seine Interessen verletzt. Daher hätte
der Beschwerdeführer nur dann selber als Käufer eintreten dürfen, wenn er
fähig und auch willens gewesen wäre, die Lose zu bezahlen. Dass der Kommittent
mit einer unsicheren Kaufpreisforderung nicht zufrieden war, ergibt sich noch
aus dem Rundschreiben, in welchem er auch für die «fest übernommenen Lose»
Zahlung bis zum Stichtag verlangte. Dass aber der Beschwerdeführer die Lose
weder bezahlen konnte noch bezahlen wollte, stellt das Kriminalgericht, dessen
Erwägungen vom Obergericht übernommen werden, ausdrücklich fest. Diese
Feststellung ist tatsächlicher Natur und daher für den Kassationshof
verbindlich (Art. 277bis, 273 lit. b BStrP).
Auch wenn die erwähnten Tatsachen dem Selbsteintritt nicht im Wege gestanden
hätten, könnte der Beschwerdeführer nicht als Käufer betrachtet werden. Der
Selbsteintritt als Ausübung eines Gestaltungsrechts bedarf einer an den
Kommittenten gerichteten Erklärung des Kommissionärs, welche vor dem
Weiterverkauf der Ware und, wenn

Seite: 126
Lose die Kommissionsware sind, ausdrücklich und spätestens bis zu dem vom
Kommittenten bestimmten Stichtage abzugeben ist. Nur so weiss der Kommittent
am Tage der Ziehung eindeutig, welche Lose er als verkauft und welche er als
nicht verkauft betrachten muss. Dass er hierüber nicht im Ungewissen gelassen
werden darf, liegt in der Natur der Sache. Der Kommissionär hätte es sonst in
der Hand, bloss die nicht gewinnenden Lose zurückzugeben und die gewinnenden
unter nachträglicher Berufung auf Selbsteintritt zu behalten. Dass aber der
Beschwerdeführer den Willen zum Selbsteintritt rechtzeitig und ausdrücklich
erklärt habe, behauptet er selber nicht.