S. 32 / Nr. 9 Prozessrecht (d)

BGE 71 II 32

9. Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. April 1945 i. S. Meiler gegen
Kurhotels und Seebad A.-G.

Regeste:
Art. 55 lit. b und c des OG vom 16. Dezember 1943.
1. Enthält die Berufungsschrift lediglich den Antrag auf Gutheissung der
Klage, so wird auf die Berufung nicht eingetreten.
2. Eine Rüge im Sinne von Art. 56 lit. d OG oder der Vorbehalt einer solchen
stellt keine genügende Begründung der Berufungsanträge dar; ebensowenig die
Behauptung, der kantonale Entscheid lasse die in Art. 51 lit. b OG
vorgeschriebenen Angaben vermissen.
Art. 55, lettre b et c, OJ.
1. Irrecevabilité du recours en réforme qui se borne à conclure à l'admission
de la demande.
2. N'est pas suffisamment motivé le recours qui critique ou se réserve de
critiquer le jugement cantonal selon l'art. 55, lettre d, OJ ou allègue qu'il
n'est pas conforme aux prescriptions de l'art. 51, lettre b, OJ.
Art. 55 lett. b e c nuova OGF.
1. Irricevibilità del ricorso per riforma che si limita a concludere per
l'accoglimento della domanda (petizione).
2. Il semplice riferimento al motivo di ricorso contemplato dall'art. 55 lett.
d OGF, ovvero la riserva di valersi ulteriormente di tale motivo, non
costituiscono una motivazione sufficiente del ricorso. Ciò vale anche per la
semplice allegazione che l'impugnato giudizio vien meno ai requisiti disposti
dall'art. 51 lett. b OGF

Gegen das den Parteien am 6. Februar 1945 zugestellte, klageabweisende Urteil
des Kantonsgerichtes von Graubünden vom 6./7. November 1944 haben die Kläger
am

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24. Februar 1946 die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrage, es
sei «die Klage gutzuheissen». In der Berufungsschrift erklärt ihr Vertreter,
er werde in einer spätern Eingabe eine Reihe von Aktenwidrigkeitsrügen
erheben; zur Zeit sei er dazu nicht in der Lage, da das Protokoll über die
Verhandlungen vor Kantonsgericht noch nicht ausgefertigt sei. Ausserdem macht
er geltend, das angefochtene Urteil genüge den Anforderungen von Art. 63 Ziff.
2 OG nicht, da das Kantonsgericht nur ein Augenscheinprotokoll erstellt habe.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Das am 1. Januar 1945 in Kraft getretene, auf die vorliegende Berufung
anwendbare Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16.
Dezember 1943 (OG) bestimmt in Art. 66 lit. b, die Berufungsschrift müsse
genau angeben, welche Punkte des weitergezogenen Entscheides angefochten und
welche Abänderungen beantragt werden, und erklärt dazu, der blosse Hinweis auf
im kantonalen Verfahren gestellte Anträge genüge nicht. Die Berufungsschrift
muss demnach in Verbindung mit dem Dispositiv des angefochtenen Entscheides
darüber Aufschluss geben, welchen Spruch das Bundesgericht nach der Meinung
des Berufungsklägers fällen soll. Diesem Erfordernis wird eine
Berufungsschrift, worin lediglich Gutheissung der Klage beantragt wird, nicht
gerecht. Was ein solcher Antrag bedeutet, liesse sich nur anhand der
kantonalen Akten feststellen, und zwar genügte es nicht einmal, auf die erste
Fassung der Rechtsbegehren des Klägers zurückzugreifen, sondern es müssten
alle Vorbringen desselben durchgesehen werden, da mit der Möglichkeit von
Abänderungen der ursprünglichen Begehren im Laufe des kantonalen Verfahrens zu
rechnen ist. Die Vorschrift von Art. 55 lit. b OG will aber das Bundesgericht
gerade davor bewahren, solche unter Umständen mühsame Nachforschungen
anstellen zu müssen, um zu ermitteln, worüber es zu befinden hat.

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Fehlt ein genügender Berufungsantrag, so ist entsprechend dem Zwecke der
verletzten Vorschrift auf Nichteintreten zu erkennen (so schon die ständige
Rechtsprechung zu Art. 67 Abs. 2 Satz 1 des frühern OG; vgl. BGE 51 II 346).
2. ­ Zum selben Ergebnis führt hier auch die Anwendung von Art. 55 lit. c OG.
Die Berufungsschrift muss nach dieser Vorschrift die Berufungsanträge
begründen, indem sie kurz darlegt, welche Bundesrechtssätze und inwiefern sie
durch den angefochtenen Entscheid verletzt sind. Eine solche Begründung kann
in einer blossen Aktenwidrigkeitsrüge bezw. in der blossen Rüge, dass eine
Feststellung der Vorinstanz offensichtlich auf Versehen beruhe (Art. 55 lit. d
OG), nicht gefunden werden (vgl. BGE 51 II 343 ff. Erw. 2), geschweige denn im
blossen Vorbehalt einer spätern Aktenwidrigkeitsrüge. Auch wer geltend macht,
der kantonale Entscheid lasse die in Art. 51 lit. b OG (Art. 63 Ziff. 2 des
von den Klägern zitierten frühern OG) vorgeschriebenen Angaben vermissen, sagt
damit noch nicht, inwiefern der angefochtene Sachentscheid bundesrechtswidrig
sei. Die vorliegende Berufungsschrift enthält also keine Ausführungen, die
sich als Begründung der Berufungsanträge im Sinne von Art. 55 lit. c OG
ansprechen liessen.
Wie der Mangel eines (genügenden) Antrags macht auch der Mangel einer
Begründung die Berufung unwirksam (vgl. BGE 51 II 343 ff. Erw. 1).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.