S. 127 / Nr. 21 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 71 I 127

21. Urteil vom 23. März 1945 i. S. B. gegen Wehrsteuerrekurskommission des
Kantons Bern.


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Regeste:
Art. 21 lit. b WStB. Für die Einkommensbesteuerung einer vermieteten oder
verpachteten Liegenschaft ist, sofern nicht der Tatbestand der Steuerumgehung
dargetan ist, nicht ein durchschnittlicher oder bloss erzielbarer, sondern der
wirklich erzielte Ertrag massgebend; er kann nicht, wie bei Eigenbenützung des
Grundstückes, durch Schätzung festgestellt werden.
Art. 21 lit. b AIN. Pour imposer le revenu d'un immeuble donné à bail ou à
loyer, on doit, sauf le cas où le contribuable a voulu éluder l'impôt, compter
non pas un rendement moyen ou seulement possible, mais le rendement effectif.
Ce rendement ne peut être fixé par estimation, comme dans le cas où le
propriétaire utilise lui-même son immeuble.
Art. 21 lett. b DIDN. Ai fini dell'imposizione del reddito di un immobile
locato o affittato, salvo il caso d'elusione della legge fiscale, è
determinante il provento effettivamente conseguito non potendosi far capo al
reddito medio o a un reddito ipotetico ritenuto adeguato al valore locatizio
dell'immobile. Il reddito non è da determinarsi in via di valutazione, come
nel caso in cui il proprietario utilizzi egli stesso l'immobile.

A. ­ Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines 1937 erstellten
Einfamilienhauses. Sie vermietete dasselbe einem Bruder gegen einen jährlichen
Mietzins von Fr. 1000.­. Für die eidgenössische Wehrsteuer 1. Periode wurde
ihr Einkommen aus der Liegenschaft mit Fr. 1400.­ taxiert. Eine Beschwerde
hiegegen hat der Präsident der Rekurskommission des Kantons Bern abgewiesen,
mit der Begründung: Nach dem eingeholten Gutachten besitze die Liegenschaft
einen Mietwert von mindestens Fr. 1400.­. Ein Betrag von Fr. 1000.­ sei ein
reduzierter Zins, zu dessen Festsetzung offenbar das verwandtschaftliche
Verhältnis zwischen Vermieterin und Mieter Anlass gegeben habe. Die
Beschwerdeführerin sei aber für den wahren Mietwert zu veranlagen, den sie von
einem Dritten als Mietzins verlangen könnte. Wenn sie zugunsten ihres Bruders
auf einen Teil des Ertrages verzichte, liege hierin eine Verwendung des
effektiven Ertrages.
B. ­ Mit rechtzeitiger Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird beantragt, den
Entscheid des Präsidenten der

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Rekurskommission aufzuheben und die Beschwerdeführerin gemäss ihrer Erklärung
mit einem Einkommen aus der Liegenschaft von Fr. 1000.­ zu veranlagen. Art. 21
lit. b WStB umgrenze für Einkommen aus unbeweglichem Vermögen die
Steuerpflicht absolut; er schliesse es auch au s, dass die Grundsätze, die für
den Mietwert der eigenen Wohnung gelten, auf die Beschwerdeführerin angewendet
werden könnten. Nur das wirklich erzielte Einkommen könne zur Besteuerung
herangezogen werden, nicht ein bloss hypothetisches. Dass die
verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Mieter und Vermieterin auf die
Bestimmung des Mietzinses von Einfluss gewesen seien, werde bestritten,
ebenso, dass sich ein höherer Mietzins hätte erzielen lassen.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde gutgeheissen, aus folgenden
Erwägungen:
Art. 21 lit. b WStB erklärt als wehrsteuerpflichtiges Einkommen aus
unbeweglichem Eigentum das durch Vermietung, Verpachtung oder durch
Eigengebrauch erzielte Einkommen, stellt also auf den wirklichen Ertrag ab,
den der Eigentümer tatsächlich erhält. Das entspricht der allgemeinen Lehre
des Steuerrechts die als Einkommen bezeichnet, was dem Steuerpflichtigen an
Wirtschaftsgütern zufliesst, die er ohne Vermögensverminderung verwenden und
über die er tatsächlich verfügen kann, sei es, dass eine dauernde
Einkommensquelle, sei es, dass das Ergebnis einer vereinzelten
wirtschaftlichen Betätigung in Frage steht, sofern das anwendbare Steuergesetz
auch sie der Erwerbsbesteuerung unterwirft (FUISTING, Grundzüge der
Steuerlehre S. 107; BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts S. 87 ff,). Das
schliesst es aus, dass für den Umfang des Einkommens aus der Überlassung der
Nutzung oder des Gebrauchs von unbeweglichem Vermögen an Dritte auf ausserhalb
des Pflichtigen liegende, objektive Momente, etwa darauf abgestellt

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werden könnte, welcher Ertrag allenfalls hätte erzielt werden können.
Massgebend ist der wirklich erzielte Erlös, nicht derjenige, der bei andern,
kaufmännisch richtigeren Dispositionen des Pflichtigen hätte erreicht werden
können. Der WStB macht in dieser Beziehung auch keinen Unterschied zwischen
dem Erwerbseinkommen aus einer bestimmten Tätigkeit in Landwirtschaft, Handel
und Gewerbe, Industrie oder liberalen Berufsarten einer-und dem Sachertrags-
und Kapitaleinkommen anderseits. Dem Kaufmann, der eine Ware zum
Einstandspreis weiterverkauft, kann nicht der Gewinn, den er hätte erzielen
können, als Einkommen angerechnet werden. Derjenige, der eine Sache einem
Dritten zu unentgeltlichem Gebrauch überlässt, oder der im nichtkaufmännischen
Verkehr ein zinsloses Darlehen gewährt, wird nicht für den Wert des Gebrauches
der Sache oder den Betrag des im kaufmännischen Verkehr erzielbaren
Darlehenszinses erwerbssteuerpflichtig. In gleicher Weise wird vom Eigentümer
einer Liegenschaft dann, wenn er diese unbewohnt lässt, oder wenn er sie einem
Dritten ohne Entschädigung zum Gebrauche überlässt, kein Ertrag, und wenn
dafür ein bloss reduzierter Mietzins entrichtet wird, kein diesen wirklichen
Zins übersteigender Ertrag erzielt. Der Eigentümer kann ein legitimes
Interesse daran haben, sein Grundstück einem ganz bestimmten Dritten und zu
besondern Bedingungen zu überlassen, etwa im Interesse der guten
Instandhaltung des Hauses, oder bei Vermietung von Wohnungen durch den
Arbeitgeber im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis usw. Die Steuerbehörde ist
diesfalls nicht befugt, der Besteuerung statt des tatsächlich erzielten ein im
günstigsten Fall erzielbares oder ein durchschnittliches Einkommen zugrunde zu
legen. Die Korrektur von Unzukömmlichkeiten, die sich aus solcher
Ertragsbesteuerung ergeben können, kann nur in einer Ergänzungssteuer auf dem
Vermögen gefunden werden, wie sie auch der Wehrsteuerbeschluss kennt, und
wornach der Steuerwert von Grundstücken sich nicht einzig nach

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der effektiven Rendite, sondern unter billiger Berücksichtigung von Ertrags-
und Verkehrswert bestimmt (BGE 70 I 98). Das muss jedenfalls solange gelten,
als für die Bedingungen der Gebrauchsüberlassung nicht Motive der
Steuerumgebung entscheidend waren, insbesondere Indizien dafür fehlen, dass
die Überlassung zu dem Sach- oder Wohnwert nicht entsprechenden Bedingungen
das Entgelt für andere Gegenleistungen des Sachbenützers ist. Fehlt es an
derartigen Umständen, so geht es auch nicht an, eine Verwendung effektiven
Ertrages anzunehmen, wie der angefochtene Entscheid es tut. Freilich spricht
lit. b auch bei Eigengebrauch der unbeweglichen Sache von einem erzielten
Ertrag. In diesem Fall ist es zwar nicht möglich, den Ertrag aus einer
Vereinbarung über die Gebrauchsüberlassung zu ermitteln. Er ist vielmehr durch
Schätzung festzustellen (Satz 2 von lit. b). Dafür kommt es nicht auf den
Sachwert, d. h. nicht darauf an, ob der Mietertrag einer normalen Verzinsung
des in der Liegenschaft investierten Kapitals oder ihres Verkehrswertes
entspricht, sondern darauf, was der Eigentümer sich durch das Wohnen in
eigenem Hause an Aufwendungen für die Miete einer gleichartigen Wohnung
ersparen kann (Archiv Bd. 9 S. 123 f.). Das wird in der Regel der Wohnwert
sein. Es ist aber nicht angängig, diese Regel, die bei Eigengebrauch die
Grundlage für die Einkommensbesteuerung abgibt, auch im Fall von Vermietung
oder Verpachtung anzuwenden. Das wäre bei Vermietung an einen
Familienangehörigen höchstens dann möglich, wenn angenommen werden könnte, sie
stelle gewissermassen einen Eigengebrauch dar, indem die Wohnung der Benützung
durch die eigene Familie erhalten werden wolle. Bei der Vermietung an einen
Bruder mit eigener Familie, der von den Familienangehörigen offenbar
unabhängig ist, kann dies nicht gesagt werden. Hier fehlen zudem irgendwelche
Anhaltspunkte dafür, dass nicht das eigene Interesse der Beschwerdeführerin an
der Liegenschaft und die Rücksichtnahme auf die vorhandenen

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verwandtschaftlichen Beziehungen, sondern steuerliche Motive den Grund zur
getroffenen Mietvereinbarung bildeten, oder dass die Differenz zwischen
vereinbartem Mietzins und Wohnwert der Liegenschaft der Beschwerdeführerin in
Form bestimmter Gegenleistungen des Mieters zufalle.