S. 9 / Nr. 4 Strafgesetzbuch (d)

BGE 70 IV 9

4. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Februar 1944 i. S.
Baumeler und Konsorten gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.

Regeste:
Art. 23
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 23 - 1 Führt der Täter aus eigenem Antrieb die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder trägt er dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen.
1    Führt der Täter aus eigenem Antrieb die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder trägt er dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen.
2    Sind an einer Tat mehrere Täter oder Teilnehmer beteiligt, so kann das Gericht die Strafe dessen mildern oder von der Bestrafung dessen absehen, der aus eigenem Antrieb dazu beiträgt, die Vollendung der Tat zu verhindern.
3    Das Gericht kann die Strafe auch mildern oder von der Bestrafung absehen, wenn der Rücktritt des Täters oder des Teilnehmers die Vollendung der Tat verhindert hätte, diese aber aus anderen Gründen ausbleibt.
4    Bemüht sich einer von mehreren Tätern oder Teilnehmern aus eigenem Antrieb ernsthaft, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht seine Strafe mildern oder von seiner Bestrafung absehen, wenn die Tat unabhängig von seinem Tatbeitrag begangen wird.
, 118
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 118 - 1 Wer eine Schwangerschaft mit Einwilligung der schwangeren Frau abbricht oder eine schwangere Frau zum Abbruch der Schwangerschaft anstiftet oder ihr dabei hilft, ohne dass die Voraussetzungen nach Artikel 119 erfüllt sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer eine Schwangerschaft mit Einwilligung der schwangeren Frau abbricht oder eine schwangere Frau zum Abbruch der Schwangerschaft anstiftet oder ihr dabei hilft, ohne dass die Voraussetzungen nach Artikel 119 erfüllt sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Wer eine Schwangerschaft ohne Einwilligung der schwangeren Frau abbricht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr166 bis zu zehn Jahren bestraft.
3    Die Frau, die ihre Schwangerschaft nach Ablauf der zwölften Woche seit Beginn der letzten Periode abbricht, abbrechen lässt oder sich in anderer Weise am Abbruch beteiligt, ohne dass die Voraussetzungen nach Artikel 119 Absatz 1 erfüllt sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
4    In den Fällen der Absätze 1 und 3 tritt die Verjährung in drei Jahren ein.167
und 119
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 119 - 1 Der Abbruch einer Schwangerschaft ist straflos, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist.
1    Der Abbruch einer Schwangerschaft ist straflos, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist.
2    Der Abbruch einer Schwangerschaft ist ebenfalls straflos, wenn er innerhalb von zwölf Wochen seit Beginn der letzten Periode auf schriftliches Verlangen der schwangeren Frau, die geltend macht, sie befinde sich in einer Notlage, durch eine zur Berufsausübung zugelassene Ärztin oder einen zur Berufsausübung zugelassenen Arzt vorgenommen wird. Die Ärztin oder der Arzt hat persönlich mit der Frau vorher ein eingehendes Gespräch zu führen und sie zu beraten.
3    Ist die Frau nicht urteilsfähig, so ist die Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreterin oder ihres gesetzlichen Vertreters erforderlich.
4    Die Kantone bezeichnen die Praxen und Spitäler, welche die Voraussetzungen für eine fachgerechte Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen und für eine eingehende Beratung erfüllen.
5    Ein Schwangerschaftsabbruch wird zu statistischen Zwecken der zuständigen Gesundheitsbehörde gemeldet, wobei die Anonymität der betroffenen Frau gewährleistet wird und das Arztgeheimnis zu wahren ist.
StGB.
Die Abtreibungshandlung an einer nicht Schwangern ist nicht als untauglicher
Versuch der Abtreibung strafbar.
Art. 23, 118 et 119 CP.
Les manoeuvres d'avortement pratiquées sur une personne qui n'est pas enceinte
ne sont pas punissables au titre de délit impossible.
Art. 23, 118 e 119 CP.
Le operazioni d'aborto praticate su una donna non incinta non sono punibili a
titolo di delitto impossibile.

Aus den Erwägungen:
1.- Die Vorinstanz sieht in der Abtreibungshandlung an einer nicht schwangern
Frauensperson einen untauglichen Versuch der Abtreibung im Sinne des Art. 23
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 23 - 1 Führt der Täter aus eigenem Antrieb die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder trägt er dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen.
1    Führt der Täter aus eigenem Antrieb die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder trägt er dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen.
2    Sind an einer Tat mehrere Täter oder Teilnehmer beteiligt, so kann das Gericht die Strafe dessen mildern oder von der Bestrafung dessen absehen, der aus eigenem Antrieb dazu beiträgt, die Vollendung der Tat zu verhindern.
3    Das Gericht kann die Strafe auch mildern oder von der Bestrafung absehen, wenn der Rücktritt des Täters oder des Teilnehmers die Vollendung der Tat verhindert hätte, diese aber aus anderen Gründen ausbleibt.
4    Bemüht sich einer von mehreren Tätern oder Teilnehmern aus eigenem Antrieb ernsthaft, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht seine Strafe mildern oder von seiner Bestrafung absehen, wenn die Tat unabhängig von seinem Tatbeitrag begangen wird.

StGB. Diese an sich naheliegende, weil von der Idee des Willensstrafrechts aus
zu rechtfertigende Betrachtung, entspricht nachweisbar nicht der Absicht des
Gesetzgebers und stösst sich am Wortlaut des Gesetzes. Art. 118
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 118 - 1 Wer eine Schwangerschaft mit Einwilligung der schwangeren Frau abbricht oder eine schwangere Frau zum Abbruch der Schwangerschaft anstiftet oder ihr dabei hilft, ohne dass die Voraussetzungen nach Artikel 119 erfüllt sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer eine Schwangerschaft mit Einwilligung der schwangeren Frau abbricht oder eine schwangere Frau zum Abbruch der Schwangerschaft anstiftet oder ihr dabei hilft, ohne dass die Voraussetzungen nach Artikel 119 erfüllt sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Wer eine Schwangerschaft ohne Einwilligung der schwangeren Frau abbricht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr166 bis zu zehn Jahren bestraft.
3    Die Frau, die ihre Schwangerschaft nach Ablauf der zwölften Woche seit Beginn der letzten Periode abbricht, abbrechen lässt oder sich in anderer Weise am Abbruch beteiligt, ohne dass die Voraussetzungen nach Artikel 119 Absatz 1 erfüllt sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
4    In den Fällen der Absätze 1 und 3 tritt die Verjährung in drei Jahren ein.167
StGB stellt
unter Strafe die Abtreibung durch die Schwangere und Art. 119 die Abtreibung
an einer Schwangeren. Wie die Entstehungsgeschichte ergibt, war für die Wahl
des Ausdrucks «Schwangere» («personne

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enceinte», «persona incinta») gerade die Rücksicht auf die
Abtreibungshandlungen an einer nicht schwangern Frauensperson bestimmend.
Der Vorentwurf von 1908 gebrauchte bei der aktiven Abtreibung den Ausdruck
«Schwangere» (Art. 68 Ziff. 1), bei der passiven Abtreibung den Ausdruck
«Frau» (Art. 68 Ziff. 2 und 3). Dieser Unterschied ging auf die erste Lesung
der ersten Expertenkommission zurück, die entschieden hatte, dass die
Abtreibungshandlung einer sich irrtümlich für schwanger haltenden Frau
straflos, die Abtreibungshandlung eines Dritten an einer nicht schwangern Frau
dagegen strafbar sein solle. Um die Strafbarkeit des Dritten für diesen Fall
klarzustellen, hatte die Kommission in Art. 54 Abs. 2 und 3 des Stooss'schen
Vorentwurf von 1894 «Schwangere» durch «Frauensperson» ersetzt (Protokoll Bd.
I, S. 332 f.).
Bei der Beratung des Vorentwurfs von 1908 wurde der Ausdruck «Schwangere»
wieder in den gesetzlichen Tatbestand der passiven Abtreibung aufgenommen.
Auch dies geschah gerade mit Rücksicht auf die Abtreibungshandlung an einer
nicht schwangern Frau. GAUTIER brachte diese Frage bei der ersten Lesung der
zweiten Expertenkommission zur Sprache (Protokoll Bd. II, S. 186 f.). Er legte
dar, beim Tatbestand der aktiven Abtreibung schliesse der Ausdruck
«Schwangere» es aus, dass die Abtreibungshandlung einer sich irrtümlich für
schwanger haltenden Frau als untauglicher Versuch bestraft werde, «car le
délit prévu dans cette disposition (sc.: Art. 68 Ziff. 1) suppose, par
définition, une femme enceinte». Bei der passiven Abtreibung sei dies dagegen
nach Ziff. 2 und 3 von Art. 68 nicht der Fall, sodass die Abtreibungshandlung
eines Dritten an einer nicht schwangern Frau als untauglicher Versuch strafbar
sei. GAUTIER beanstandete diesen Unterschied, worauf der Vorsitzende auf die
Diskussion der ersten Expertenkommission hinwies. Die Anregung GAUTIER'S wurde
in der Folge nicht weiter besprochen. Dagegen enthielt der bereinigte

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Vorentwurf vom August 1915 durchwegs den Ausdruck «Schwangere», sowohl bei der
aktiven wie bei der passiven Abtreibung (Art. 109 und 110). Die Kommission
stimmte dieser abgeänderten Ausdrucksweise in der zweiten Lesung zu
(Protokoll, Bd. VIII, S. 224 f.). Eine Diskussion fand darüber nicht statt. Da
jedoch die Kommission von GAUTIER über die Bedeutung der Ausdrucksweise
unterrichtet und vom Vorsitzenden auf die Stellungnahme der ersten
Expertenkommission hingewiesen worden war, kann die Änderung nur damit erklärt
werden, dass die Kommission die Ansicht GAUTIER'S teilte, die
Abtreibungshandlung an einer nicht schwangern Frau in keinem Fall strafen und
die Anwendung der Bestimmung über den untauglichen Versuch dadurch
ausschliessen wollte, dass sie den Ausdruck «Schwangere» auch in die
Umschreibung des Tatbestandes der passiven Abtreibung aufnahm. Die von ihr
angenommene Ausdrucksweise ging in den Entwurf von 1918 (Art. 105 und 106) und
in das Gesetz über. Bei der Beratung der Abtreibungsartikel in den
eidgenössischen Räten kam die Frage der Strafbarkeit der Abtreibungshandlung
an einer nicht schwangern Frau nicht zur Sprache, weil sich die Aufmerksamkeit
offenbar ganz auf Art. 107 des Entwurfs (straflose Abtreibung) richtete. Im
französischen Text wurde der von GAUTIER vorgeschlagene Ausdruck «personne en
état de grossesse» erst von der Redaktionskommission durch «personne enceinte»
ersetzt.
Der gesetzgewordene Text zwingt in der Tat im Sinne der Auffassung GAUTIERS
dazu, die Strafbarkeit des Abtreibungsversuchs an der nicht Schwangern
auszuschliessen. Denn dadurch, dass die Schwangerschaft eigens als Merkmal in
den Tatbestand aufgenommen worden ist, kommt zum Ausdruck, dass als Objekt der
Abtreibung ausschliesslich die Frucht zu gelten hat, dass der Eingriff nicht
ausserdem um des Weibes willen bestraft wird. Dem widerspricht nicht die
Bestimmung von Art. 119 Ziff. 3 Abs. 3, denn ihr Tatbestand ist seinem Wesen
nach ein -

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mit Rücksicht auf das verwerfliche Mittel qualifizierter - Sonderfall der
fahrlässigen Tötung, deren Strafnorm hier das Schutzobjekt bestimmt. Einzig im
Falle der Ziff. 2 - Eingriff ohne Einwilligung der Schwangern - wäre zu
erwägen, dass die Qualifizierung der Tat gar keinen andern Sinn haben könne,
als neben der Frucht die körperliche und seelische Integrität der nicht
einwilligenden Frau mitzuschützen, und dass gegenüber dieser unverkennbaren
gesetzgeberischen Absicht der aus der Verwendung des Wortes «Schwangern» an
sich zu ziehende, widersprechende Schluss auf die Frucht als ausschliessliches
Objekt der Abtreibung zurückzutreten habe. In den andern Fällen aber bleibt es
dabei, dass Objekt der Abtreibung einzig die Leibesfrucht darstellt. Hier ist
also, wenn keine Frucht vorhanden, der Gegenstand der Abtreibung nicht bloss
ein untauglicher, sondern er fehlt überhaupt, gleich wie z. B. der Gegenstand
der Tötung, wenn der Täter ins Leere schiesst, wo ihn Sinnestäuschung sein
gesuchtes Opfer sehen lässt. Das Abstellen einzig auf den schuldhaften Willen
(vgl. GERMANN, Das Verbrechen im neuen Strafrecht, S. 16, 41/45) würde
freilich auch solche Fälle als untauglichen Versuch strafbar sein lassen,
allein nach der unmissverständlichen Vorschrift des Art. 23
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 23 - 1 Führt der Täter aus eigenem Antrieb die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder trägt er dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen.
1    Führt der Täter aus eigenem Antrieb die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder trägt er dazu bei, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen.
2    Sind an einer Tat mehrere Täter oder Teilnehmer beteiligt, so kann das Gericht die Strafe dessen mildern oder von der Bestrafung dessen absehen, der aus eigenem Antrieb dazu beiträgt, die Vollendung der Tat zu verhindern.
3    Das Gericht kann die Strafe auch mildern oder von der Bestrafung absehen, wenn der Rücktritt des Täters oder des Teilnehmers die Vollendung der Tat verhindert hätte, diese aber aus anderen Gründen ausbleibt.
4    Bemüht sich einer von mehreren Tätern oder Teilnehmern aus eigenem Antrieb ernsthaft, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kann das Gericht seine Strafe mildern oder von seiner Bestrafung absehen, wenn die Tat unabhängig von seinem Tatbeitrag begangen wird.
StGB bedarf es für
die Strafbarkeit immerhin eines Gegenstandes, an dem die Ausführung versucht
wird.