S. 70 / Nr. 18 Schuld- und Konkursrecht (d)

BGE 70 III 70

18. Entscheid vom 27. September 1944. i. S. Traub.

Regeste:
Wahrung der Rechtsvorschlagsfrist bei Benutzung des bei der Türe des
Betreibungsamtes angebrachten Briefkastens. - Pflicht des Amtes, den Kasten
jeden Tag am Ende der Bureauzeit zu leeren. - Entsprechende Verteilung der
Beweislast. - Art. 31
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 31 - Für die Berechnung, die Einhaltung und den Lauf der Fristen gelten die Bestimmungen der Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 200848 (ZPO), sofern dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
.SchKG.
Délai d'opposition. Le délai est observé de la part du débiteur qui a fait
opposition dans une missive mise en temps utile dans la boîte aux lettres de
l'office. Le préposé qui place une boîte aux lettres sur la porte de son
office est tenu de la lever tous les jours au moment de la fermeture de son
bureau.
Répartition du fardeau de la preuve entre le débiteur et l'office.
Termine per far opposizione. Il termine si reputa osservato dal debitore che
depose tempestivamente la dichiarazione scritta d'opposizione nella buca delle
lettere posta sulla porta dell'ufficio. Obbligo dell'ufficiale di vuotare
quotidianamente la buca delle lettere quando chiude l'ufficio.
Distribuzione dell'onere della prova tra il debitore e l'ufficio.

A. - Das Betreibungsamt Zollikon stellte dem Rekurrenten am 19. April 1944
einen Zahlungsbefehl zu. Am Morgen des 1. Mai (Montag) fand das Amt in seinem
Briefkasten eine Rechtsvorschlagserklärung des Rekurrenten vor. Es wies diese
als verspätet zurück.
B. - Der Rekurrent beantragt mit der von beiden kantonalen Instanzen
abgewiesenen Beschwerde und ebenso mit dem vorliegenden Rekurs an das
Bundesgericht, das Betreibungsamt sei anzuweisen, den Rechtsvorschlag als
wirksam eingereicht entgegenzunehmen. Er behauptet, den Brief am letzten Tage
der Frist, dem 29. April (Samstag) vormittags um 10 ½ Uhr in den Briefkasten
des Amtes

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eingeworfen zu haben. Das Amt bemerkt dazu, dies lasse sich nicht mehr
nachprüfen. Es habe den Briefkasten am 29. April etwa um 9 Uhr, nach Eingang
der Post, und dann erst wieder am 1. Mai morgens geleert. Die Vorinstanz
stützt ihre Entscheidung auf folgende Erwägungen: «Der Aufgabe zur Post
entspricht die Empfangnahme der Erklärung durch das Betreibungsamt. Aufgegeben
ist aber die Postsendung nicht schon dann, wenn sie in einen Briefkasten der
Post eingeworfen oder diesem Briefkasten durch einen Postboten entnommen wird,
sondern erst wenn sie zur postalischen Behandlung (Abstempelung) bei der
Poststelle eintrifft. In gleicher Weise ist, wenn der Schuldner den
Rechtsvorschlag in einen Briefkasten des Amtes legt, der Zeitpunkt massgebend,
in welchem das Schriftstück in die Hände des Beamten gelangt und von ihm zur
Kenntnis genommen werden kann... In beiden Fällen trifft die Gefahr
verspäteter Leerung des Briefkastens den Schuldner, der sich dieser
Einrichtung bedient, statt sich unmittelbar an das Amt oder an die Poststelle
zu wenden...»
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.- Die Ansicht der Vorinstanz läuft darauf hinaus, dass der Rekurrent die
Rechtsvorschlagsfrist auf alle Fälle versäumt hat, gleichgültig ob er die
Erklärung schon am 29. April vormittags in den Briefkasten des Amtes gelegt
habe oder nicht. Denn es komme auf den Zeitpunkt an, in dem das Amt den Kasten
leert. Dem kann nicht beigestimmt werden. Es ist längst anerkannt, dass
briefliche Mitteilungen im privaten (geschäftlichen) Verkehr beim Adressaten
dann «eintreffen», mit andern Worten, dass sie ihm dann» zugehen», wenn sie in
den zu seiner Wohnung oder zu seinem Geschäft gehörenden Briefkasten gelegt
werden (vgl. BGE 25 II 469 Erw. 9), überhaupt dann, «wenn das Schriftstück in
ein solches räumliches Verhältnis zum Adressaten gekommen ist, dass nach

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Anschauung des Lebens und unter Voraussetzung normaler Verhältnisse die
Kenntnisnahme nur noch vom Adressaten selbst oder den Einrichtungen seines
Hauses oder Geschäftes abhängt», was eben bei den in seinen Briefkasten
gelangten Schriftstücken zutrifft (v. TUHR, OR § 22, II, 2 entsprechend der
einmütigen Lehre des schweizerischen Obligationenrechtes). Bei Mitteilungen an
ein Betreibungsamt im Zwangsvollstreckungsverfahren ist es nicht anders zu
halten. Ist bei der Türe des Amtes ein Briefkasten zur Benutzung durch das
Publikum angebracht, so befinden sich die in diesen Kasten gelegten Briefe
unmittelbar im Besitze des Amtes. Wenn also der Rekurrent die
Rechtsvorschlagserklärung zur behaupteten Zeit in den Briefkasten des
Betreibungsamtes geworfen hat, so hat er ihn damit zugleich dem Amt abgegeben,
somit rechtzeitig.
2.- Für die behauptete Zeit des Einwerfens aber kann von ihm kein näherer
Nachweis verlangt werden. Es gehört zur richtigen Amtsbesorgung, den an der
Türe angebrachten Briefkasten jeweilen am Ende der Bureauzeit des betreffenden
Tages zu leeren und seinen Inhalt festzustellen, sei es auch nur, indem die
dem Kasten entnommenen Papiere vorderhand pro memoria beiseite gelegt werden.
Solche Sorgfalt und Rücksicht auf die Benutzer des Briefkastens ist dem Amte
um so mehr zuzumuten, als ihm selbst wünschbar sein muss, dass der Kasten auch
während der Bureauzeit benutzt werde; lässt sich doch so eine Störung des
Amtsbetriebes durch unnötiges Eintreten in das Amtsbureau vermeiden. Daher
soll die Benutzung des Briefkastens auch dieselben Garantien bieten wie die
Abgabe im Amtsraum. Der Benutzer des Briefkastens vor Ende der Bureauzeit des
betreffenden Tages muss sich darauf verlassen können, dass die erwähnte Art
der Feststellung des Kasteninhaltes dann bei Bureauschluss vorgenommen werde.
Sollte dann von irgendeiner Seite die Einreichenszeit bestritten werden, so
kann er einfach auf die vom Amte getroffene Feststellung verweisen. Eine
andere Art des Nachweises braucht er nicht zu leisten, und das Amt

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selbst wird natürlich die von ihm festgestellte Einreichenszeit gelten lassen.
Mit dieser Sachlage darf jeder rechnen, der den Briefkasten des Amtes am
Samstagvormittag noch während der Bureauzeit benutzt. Dieses Vertrauen darf
nicht getäuscht werden. Dann muss aber die blosse Behauptung als wahr
hingenommen werden, wenn das Amt es versäumt hat, durch gehörige Feststellung
des Kasteninhaltes am Ende der Bureauzeit die Grundlage für den dem Benutzer
des Kastens allein zumutbaren Nachweis herzustellen. Der Versicherung des
Rekurrenten, er habe die Rechtsvorschlagserklärung am Samstag um 10 ½ Uhr in
den Briefkasten des Betreibungsamtes gelegt, muss also Glauben geschenkt
werden, da keine Gegentatsachen bekannt sind.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid aufgehoben.