S. 22 / Nr. 6 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (f)

BGE 70 III 22

6. Entscheid vom 21. April 1944 i.S. Dr. Peter.

Regeste:
Lohnpfändung. Unterstützungsbeiträge des Schuldners an Familienangehörige sind
nur insoweit zu dessen Notbedarf zu rechnen, als sie (tatsächlich geleistet
werden, nicht Vergütung für Naturalbezüge darstellen und) den Unterstützten
unbedingt notwendig sind. Diese müssen sich einer bezüglichen Untersuchung
durch die Betreibungsbehörden, ev. im Requistionswege unterziehen. Im Rahmen
derselben haben die Betreibungsbehörden die Unterstützungspflicht
vorfrageweise zu beurteilen.
Saisie de salaire. Les sommes que le débiteur déclare consacrer à l'entretien
des membres de sa famille n'entrent en ligne de compte qu'autant qu'elles sont
effectivement versées, ne constituent pas une compensation de ce qu'il reçoit
d'eux en nature et leur sont absolument nécessaires. Les personnes assistées
sont tenues de se soumettre à l'enquête que le préposé jugera à propos de
faire à ce sujet et à fournir les renseignements demandés. Les autorités de
poursuite doivent se prononcer préjudiciellement sur la question de
l'obligation d'entretien, suivant le résultat de cette enquête.
Pignoramento di salario. Le somme che il debitore dichiara consacrare al
sostentamento dei membri della sua famiglia entrano in linea di conto ai fini
dell'art. 93 LEF soltanto se sono effettivamente versate, non costituiscono un
compenso di quanto riceve da loro in natura e sono loro assolutamente
necessarie. Le persone assistite sono tenute a sottoporsi all'inchiesta che
l'ufficio riterrà di fare in proposito ed a fornire le informazioni chieste.
Le autorità d'esecuzione debbono pronunciarsi, a titolo pregiudiziale,
sull'obbligo d'assistenza, secondo il risultato di quest'inchiesta.

Die Vorinstanz lehnte die Pfändung eines Betrages von Fr. 80.­ vom Monatslohne
des Schuldners (Fr. 400.­) ab, weil er nach seiner Angabe diesen Betrag seinen
in Mels

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in gedrückten Verhältnissen ohne sicheren Verdienst lebenden und daher auf
diese Unterstützung angewiesenen Eltern zukommen lasse, was der Schuldner
zuhanden der Aufsichtsbehörde zu Protokoll und sein Vater gegenüber dem
Betreibungsamt schriftlich bestätigt haben. Keinesfalls könne der Gläubiger
einen Gegenbeweis durch Indizien antreten und von den Betreibungsbehörden
weitere Nachforschungen etwa durch Einvernahme von Drittpersonen verlangen.
Mit dem vorliegenden Rekurse bestreitet der Gläubiger nach wie vor, dass der
Schuldner diese Unterstützung leiste und seine Eltern einer solchen bedürften.
Die Schulbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Zum Notbedarf gehören nur Beträge, die dem Schuldner und seiner Familie ­ und
zu dieser im Sinne des Art. 93
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 93 - 1 Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
1    Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
2    Solches Einkommen kann längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden; die Frist beginnt mit dem Pfändungsvollzug. Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung teil, so läuft die Frist von der ersten Pfändung an, die auf Begehren eines Gläubigers der betreffenden Gruppe (Art. 110 und 111) vollzogen worden ist.
3    Erhält das Amt während der Dauer einer solchen Pfändung Kenntnis davon, dass sich die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse geändert haben, so passt es die Pfändung den neuen Verhältnissen an.
4    Auf Antrag des Schuldners weist das Amt den Arbeitgeber des Schuldners an, während der Dauer der Einkommenspfändung zusätzlich den für die Bezahlung der laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erforderlichen Betrag an das Amt zu überweisen, soweit diese Prämien und Kostenbeteiligungen zum Existenzminimum des Schuldners gehören. Das Amt begleicht damit die laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen direkt beim Versicherer.205
SchKG zählen die Eltern ­ «unumgänglich
notwendig» sind. Die Vorinstanz hat eine grundsätzliche
Unterstützungsbedürftigkeit der Eltern des Schuldners als erwiesen angenommen,
jedoch ohne das Mass derselben hinreichend abzuklären. Nach ihren
Feststellungen bringt der Schuldner jeweilen das Wochenende bei den Eltern in
Mels zu. Bei diesen Besuchen bezieht er offenbar die Kost bei den Eltern und
erspart sich damit eigene sonst notwendige Ausgaben. Mindestens ein Teil
dessen, was er den Eltern als Unterstützung zu geben behauptet, ist also als
Vergütung aus seinem eigenen Existenzminimum für empfangene Gegenleistungen
der Eltern anzusehen, die diesen nach dem eigenen Standpunkt des Schuldners
nicht unentgeltlich zugemutet werden können. Dass etwa der Wert der
Naturalbezüge von den Eltern bezw. die entsprechenden Einsparungen. des
Schuldners an eigenen Auslagen durch die jeweiligen Reisekosten aufgewogen
würden, könnte der Betriebene dieser Anrechnung nicht zum Nachteil des
Gläubigers entgegenhalten. Nur soweit die allfälligen Beiträge des Schuldners
an seine Eltern diese Vergütung

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übersteigen, kommen sie als Familienunterstützung und, insoweit wirklich
notwendig, als unter den Notbedarf fallend in Betracht. Aber nicht nur
bezüglich der Höhe, sondern überhaupt grundsätzlich darf, entgegen der
Auffassung der Vorinstanz, den Betreibungsbehörden ein Mehreres zur Abklärung
der Frage der Unterstützungsleistung zugemutet werden. Wenn sich der angeblich
Unterstützte selber darauf beruft, dass er auf Unterstützungen von Seite eines
Betriebenen angewiesen sei, dessen Lohn infolgedessen nicht oder nur in
geringerem Umfange gepfändet werden kann, so ist nicht einzusehen, wieso er
sich einer Untersuchung seiner eigenen Existenzverhältnisse nach Notbedarf und
Einkommen durch die Betreibungsbehörden sollte widersetzen dürfen; muss doch
z.B. auch der betreibende Alimentengläubiger, der Lohnpfändung unter das
Existenzminimum des Schuldners verlangt, sich die Prüfung seiner eigenen
Verhältnisse daraufhin, inwieweit er zur Deckung seines Notbedarfs auf die
Antastung desjenigen des Schuldners angewiesen ist, gefallen lassen (BGE 55
III 156
, 68 III 28 und 105). Dabei ist unter Umständen auch das Betreibungsamt
des Wohnortes des Unterstützungsempfängers im Requisitionswege zum Zwecke
solcher Erhebungen in Anspruch zu nehmen. Ferner steht es den
Betreibungsbehörden zu, im Rahmen dieser Untersuchung die zivilrechtliche
Vorfrage zu beurteilen, ob und inwieweit eine Unterstützungspflicht nach Art.
328
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 328 - 1 Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden.
1    Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden.
2    Die Unterhaltspflicht der Eltern und des Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners bleibt vorbehalten.462
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 29 - 1 Wird jemandem die Führung seines Namens bestritten, so kann er auf Feststellung seines Rechtes klagen.
1    Wird jemandem die Führung seines Namens bestritten, so kann er auf Feststellung seines Rechtes klagen.
2    Wird jemand dadurch beeinträchtigt, dass ein anderer sich seinen Namen anmasst, so kann er auf Unterlassung dieser Anmassung sowie bei Verschulden auf Schadenersatz und, wo die Art der Beeinträchtigung es rechtfertigt, auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung klagen.
ZGB (oder vielleicht mindestens eine moralische Pflicht) besteht; eine
ähnliche zivilrechtliche Vorfragenentscheidung liegt ihnen bei der Ermittlung
der pfändbaren Lohnquote des betriebenen Ehemannes bezüglich der Festsetzung
des Ehebeitrags der Ehefrau ob (BGE 63 III 110, 67 III 21). Da der Rekurrent
die Behauptungen des Schuldners und die darauf gestützten Annahmen der
Vorinstanz hinsichtlich des fraglichen Betrages von Fr. 80.­ bestreitet, sind
nach dieser Richtung ergänzende Erhebungen als Grundlage neuer Beurteilung
erforderlich.

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Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird dahin gutgeheissen, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben
und die Sache zur Vervollständigung der Erhebungen im Sinne der Motive und zu
neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
Siehe auch Nr. 8. - Voir aussi le no 8.